Teil 4: Die McPherons bis Maggie Jones (S.250-304)

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Natürlich machen sich die McPherons Sorgen, sie haben Angst, Victoria könne entführt worden sein oder so was. Im Gespräch mit Maggie verstehen sie nicht, warum Victoria gegangen ist. Sie versteht es selbst nicht. Denn in Denver sitzt sie größtenteils allein in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung und bereut, dass sie mit Dwayne gefahren ist. Aber wie gelangt sie zurück?
Raymond verteidigt derweil Victoria gegenüber einem Farmer, der Andeutungen darüber macht, dass sie sich mit den zwei alten Männern vergnügt hat.
Eine etwas eklige Szene ist der Tod von Elko, dem Pferd der beiden Jungs. Die Beschreibung der Obduktion ist nichts für zart Besaitete. Aber auch der Tod gehört zum Leben dazu.
Nachdem ihr Vater eine Nacht mit der Sekretärin Judy verbracht hat, bahnt sich eine Liebe zwischen ihm und Maggie an. Seine Frau scheint nicht mehr aus Denver zurückzukommen.
Tom bewundert Maggie:
"Weil du anders bist als alle anderen, sagte er. Man hat den Eindruck, dass du dich nie vom Leben unterkriegen lässt, dass es dir nie Angst einjagt. Du bleibst dir selber treu, egal, was kommt." (S.291)
Auch Victoria erkennt, dass sie in Denver nicht sie selbst ist und entschließt sich, zurück nach Holt zu fahren. Ein couragierter Busfahrer hilft ihr, als Dwayne, der sich als Unsympath herausstellt, sie zurückhalten will. Werden die Brüder sie wieder aufnehmen?
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Der vierte Teil bringt, was wir wohl alle schon geahnt haben: Viktorias Entschluss, mit Dwayne nach Denver zu gehen, ist nicht von Erfolg gekrönt. Weder entwickelt sich eine positive menschliche Beziehung zwischen den beiden, noch erkennt Viktoria dort einen Platz für sich, den sie sinnvollerweise in dieser Umgebung und mit diesem Mann einnehmen kann. Deutlich weniger jedenfalls als in dem ungewöhnlichen Haushalt mit den McPherons. Und so kehrt sie zurück. Wird sie wieder aufgenommen werden? Ich weiß es noch nicht am Ende von Teil 4.
Die McPherons jedenfalls auch das zeigt Teil 4, haben Viktoria stark ins Herz geschlossen, vermissen sie und machen sich Sorgen.
Ein herausragendes Kapitel in diesem Teil ist sicher das, in dem das Pferd Elko stirbt und obduziert wird. Es hebt sich deutlich von den übrigen Kapiteln ab und schildert in geradezu ungeschminkt naturalistischer Weise das Vorgehen des Tierarztes und Guthries. Aufrüttelnd bei der Lektüre wirkt das auf mich. Ich wurde herausgerissen aus dem literarischen Wohlfühlmodus, in den Menschen mit Gefühlen und Verhältnissen geschildert werden, die zwar nicht perfekt und problemlos sind, die aber doch in konstruktiver Weise sinnvolle und lebenswerte Wege durch ihr Dasein finden. Kent Haruf reißt mich an dieser Stelle heraus, um mich danach auch gleich wieder dorthin, wo ich war und wo der Roman eigentlich anzusiedeln ist, zurückkehren zu lassen. Das hat für mich eine starke, ja bestärkende Wirkung, es schärft die Auffassungsgabe für die Romanhandlung und für ihre Helden in dieser Umgebung, in der Menschen auch so selbstverständlich diesen blutigen Arbeiten, die Teil des Lebens auf dem Lande sind, nachgehen.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Wie ich schon ahnte, bereut Victoria ihren Entschluss mit Dwayne zu gehen nach kurzer Zeit. Sie hat sich sicher etwas anderes erhofft. Sie wollte sich ein Heim schaffen, bringt die Wohnung in Ordnung, kocht, sucht sich sogar einen Job um Geld zu verdienen. Aber Dwayne setzt andere Schwerpunkte. Er schleppt sogar Victoria auf eine Party mit und überredet sie zu trinken und Marihuana zu rauchen. Was sonst noch passiert ist, kann Victoria nur ahnen.
Die MacPhersons sind ihrer Sorge sehr sympathisch, man spürt, wie sehr ihnen das Mädchen ans Herz gewachsen ist und wie sie sich verantwortlich fühlen.

Guthrie verbringt zwar eine Nacht mit Judy, aber ich denke, eine Verbindung mit Maggie hat eher eine Zukunft. Mit seiner Frau sieht er keine Gemeinsamkeiten mehr. Als das Pferd stirbt, hatte ich sofort den Russell in Verdacht, das Tier vergiftet zu haben. Sicher veranlasst Guthrie auch deshalb die Obduktion. Die wird genau so realistisch und hart geschildert, wie die Untersuchung der trächtigen Kühe. Aber der Verdacht scheint sich nicht zu erhärten.

Ganz typisch ist das Verhalten von Russells Eltern. Sie versuchen mit ihrem Einfluss jede Untersuchung zu verhindern und schrecken nicht mal vor Drohungen zurück. Ich fand erstaunlich, dass weder Schulleitung noch Schulinspektoren Einspruch erhoben, als sie das junge Mädchen einfach als Flittchen und Schlampe bezeichnen. Ich weiß zwar nicht mehr, ob erwähnt wurde, das Beckman eine besondere Stellung in Holt hat, aber bis auf Guthrie scheinen alle vor ihm zu kuschen.

Bei Victorias Rückkehr fand ich auch Maggies Reaktion ganz großartig. Sie ist wieder für sie da, will es ihr aber nicht zu leicht machen und überlässt es ihr, selbst mit den MacPhersons zu sprechen.
 

Bibliomarie

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Eine etwas eklige Szene ist der Tod von Elko, dem Pferd der beiden Jungs. Die Beschreibung der Obduktion ist nichts für zart Besaitete. Aber auch der Tod gehört zum Leben dazu.

Auf dem Land noch mehr. Ich nehme an, dass Guthrie den Verdacht hegte, dass Elko vergiftet wurde, eventuell der angekündigte Racheakt von Russell.
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ich hoffe die Brüder nehmen Victoria wieder auf, es würde mich wundern wenn sie es nicht täten.
Victoria hat dierichtige Entscheidung getroffen. Ich glaube auch, dass es gut war diese Erfahrung zu machen. Ohne sie hätte sie Dwayne immer nachgeweint, ihn nie als den Egoisten gesehen der er ist.
 

Literaturhexle

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Also. Zweiter Versuch: ich habe Victoria völlig verstanden, dass sie mit Dwayne gehen musste. Der scheint wenig Verantwortungsgefühl zu haben. Offen bleibt auch, wo die rote Stelle am Oberschenkel herstammt. Wer hat sich da an ihr vergangen? Mir drängte sich das Bild auf, als der eine Jugendliche seine Freundin einem anderen "weiterreichte"... oder war es Dwayne selbst? Beides schändlich!
Auf alle Fälle kommt sie zurück. Die McPherons nehmen sie gewiss wieder auf.
Toll auch, wie sich Raymond gegen das Geschwätz in der Kneipe zur Wehr setzt. Obwohl er sonst nicht viel spricht, findet er die richtigen Worte und wirft sich schützend vor Victoria. Das hat ja eine viel bessere Wirkung, als wenn er sagen würde "Was denkst du von UNS? SO etwas tun wir doch nicht..."

Die Szene mit dem Pferd war tragisch. Es zeigte sich aber, dass die Jungen auf dem Land und nahe der Landwirtschaft aufwachsen. Leben und Sterben gehört da Dichter zusammen als bei Stadtmenschen. Sie haben dort auch zu den Pferden ein komplett anderes, weniger sentimentales , Verhältnis. Mir imponieren diese "handfesten" Szenen. Sie sind sehr realistisch beschrieben, ohne brutal zu werden.

Guthrie würde ich diese Liebe gönnen. Bestimmt wäre die Lehrerin auch für seine Söhne ein Gewinn. Deren Mutter kann ohne psychologische Hilfe nicht gesund werden.
 
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Literaturhexle

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Das hat für mich eine starke, ja bestärkende Wirkung, es schärft die Auffassungsgabe für die Romanhandlung und für ihre Helden in dieser Umgebung, in der Menschen auch so selbstverständlich diesen blutigen Arbeiten, die Teil des Lebens auf dem Lande sind, nachgehen.
Das hast du sehr gut auf den Punkt gebracht! Das Leben in den Plains ist anders als wir das kennen. Der Autor flechtet diese Realität gekonnt an einigen Stellen ein. Das gefällt mir auch sehr gut!
 

parden

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Ganz typisch ist das Verhalten von Russells Eltern. Sie versuchen mit ihrem Einfluss jede Untersuchung zu verhindern und schrecken nicht mal vor Drohungen zurück. Ich fand erstaunlich, dass weder Schulleitung noch Schulinspektoren Einspruch erhoben, als sie das junge Mädchen einfach als Flittchen und Schlampe bezeichnen. Ich weiß zwar nicht mehr, ob erwähnt wurde, das Beckman eine besondere Stellung in Holt hat, aber bis auf Guthrie scheinen alle vor ihm zu kuschen.
Ja, ich frage mich auch die ganze Zeit, weshalb sich Russell Junior so viel herausnehmen darf und was die Familie, die vom Benehmen her eher an die Flodders erinnert, eigentlich für eine Stellung hat...
 

parden

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... ich habe Victoria völlig verstanden, dass sie mit Dwayne gehen musste. .
Ja, das habe ich auch. Allerdings habe ich kein Verständnis dafür, dass sie wirklich niemandem davon erzählt hat. Eine Siebzehnjährige kann sich wohl ausrechnen, dass es da Menschen geben wird, die sich Sorgen machen...
 
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parden

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Guthrie würde ich diese Liebe gönnen. Bestimmt wäre die Lehrerin auch für seine Söhne ein Gewinn. Deren Mutter kann ohne psychologische Hilfe nicht gesund werden.
Da stimme ich zu. Beim Lesen würde ich Guthrie zwischendurch aber gerne das ein oder ander Mal schütteln. Als er gefragt wird, ob er küssen möchte und er antwortet, dass man das ja mal probieren könnte z.B. Ärgs. Wenn die Frauen nicht die Initiative ergreifen würden...
 
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parden

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Ein recht kurzer Abschnitt, der es aber in sich hat. Das mit Guthrie und den Russells schwebt ständig wie ein Damoklesschwert über dem ganzen - ich bin sehr gespannt, ob das noch ausarten wird. Victoria hat den Umweg gebraucht, um zur Vernunft zu kommen - ich bin nur gespannt, was sie den zwei Brüdern nun erzählen wird. Und die Szene mit dem Pferd - tja, das war schon Hardcore. Weshalb so detailliert? Aber es ist schon so: auf dem Land ist das Realität...

So, auf zum letzten Abschnitt!
 
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