Teil 1: Guthrie - Victoria Roubideaux (S.7-91)

Querleserin

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Im ersten Teil werden die verschiedenen Figuren vorgestellt, die im Vordergrund stehen. Zunächst Tom Guthrie, Lehrer an der Highschool in Holt, dem fiktiven Ort in Colorado, in dem alle Romane Kent Harufs spielen. Seine Frau scheint unter Depressionen zu leiden, sie liegt in einem abgedunkelten Zimmern und steht nicht mehr auf.
"Drinnen war es fast völlig dunkel, der Raum wirkte abweisend und Ruhe gebietend wie der Altarraum einer leeren Kriche nach der Beerdigung einer zu früh verstorbenen Frau -" (S.10)
Die beiden Junge Ike (10) und Bobby (9) sind überfordert mit der Situation und wünschen sich, die Mutter würde aufstehen. Gemeinsam tragen sie Zeitung aus.
Victoria Roubideaux ist eine weitere Hauptfigur. Sie ist schwanger, von einem Jungen aus einer anderen Stadt. Ihre Mutter wirft sie aus dem Haus und öffnet ihr abends die Türe nicht, obwohl Victoria um Einlass bitte. Eine grausame Szene, was geht in dieser Mutter vor, die von ihrem Mann verlassen wurde. Victoria arbeitet beim Holt Café am Spülbecken, um sich Geld zu verdienen. Zumindest die Besitzerin scheint ihr wohl gesonnen. Nachdem ihre Mutter sie nicht einlässt, flüchtet Victoria in ihrer Not zur Lehrerin Maggie Jones, die ebenfalls an der High School tätig ist. Ihr erzählt sie von dem Jungen, der "keine Ansprüche stellen" werde und nicht "der väterliche Typ" sei (S.44). "Aber er sollte doch wenigstens ein bisschen Verantwortung übernehmen, sagte Maggie." (S.44)
Doch Victoria spricht davon frei, will das Kind aber trotzdem bekommen, obwohl sie damit "Schande" über sich bringt. Wann spielt die Geschichte, 50/60er Jahre?
Beim Kassieren des Zeitungsgelds werden Ike und Bobby damit konfrontiert, dass ihre Mutter ausgezogen ist. Die alte Mrs Stearns, die immer mit den Jungs sprechen will, da sie keinen anderen hat, äußert ihr Mitleid:
"Ihr müsst sehr einsam sein." (S.59)
In einem alten verfallenen Haus beobachten die beiden, wie ein Junge aus der High School seine Freundin einem Freund "anbietet" und sie aus Liebe (?) zu dem Jungen, sich tatsächlich darauf einlässt.
Die alten McPherons, zwei Brüder - Raymund und Harold - haben abseits eine Farm - Viehzucht. Das Kapitel ist etwas "eklig", da beschrieben wird, wie getestet wird, ob die Kühe trächtig sind. Dabei hilft Tom Guthrie und auch Bobby und Ike schauen zu und "helfen". Eine Kuh verweigert sich der Untersuchung...
Die Figuren und Themenfelder sind vorgestellt, jetzt müssen die Handlungsstränge noch zusammengeführt werden.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Die Vorarbeit von Querleserin deckt schon mal den Inhalt dieses Teils des Romans ab. Danke dafür.
Nun zu meinen Gedanken zum Buch:
Mir fiel der Einstieg ehrlich gesagt etwas schwer, muss ich sagen. Ich fühlte mich ein wenig wie bei einer Hopp on-Hopp off-Fahrt durch eine Stadt, in der ich eigentlich nicht sein wollte. Heimisch konnte ich mich bei keiner der Figuren fühlen und Zusammenhänge und Muster haben sich mir auch noch nicht erschlossen.
Aber es geht ja weiter. Mal sehen, ob und wenn ja wo und wann, meine Lesegedanken und -gefühle einen Halt finden. Ich traue es Haruf zu, dass er mir einen solchen "Hafen" im Buch bieten wird.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Ich freue mich, dass meine Zusammenfassungen jetzt doch noch einen Sinn haben ;). Seid mir nicht böse, wenn ich mich aus der Diskussion heraushalte. Ich habe den Roman schon im Januar gelesen und er ist nicht mehr so präsent. Ich wünsche euch viel Spaß bei der Lektüre und freue mich auf die nächsten Leserunden, bei denen wir hoffentlich gleichzeitig starten können.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Die beiden Jungen, Ike und Bobby, bekommen durch ihre Arbeit einen Blick hinter die Kulissen. Sie erleben die Menschen des Städtchens inmitten ihrer Probleme und teilweise verschrobenen Eigenschaften. Für Kinder in dem Alter bestimmt nicht immer leicht. Mich hat verwundert, dass Bobby der rauchenden Mrs Stearns erzählt hat, dass die Mutter ausgezogen ist. Sicher wäre es gut wenn die Jungen jemanden hätten mit dem sie reden können, aber hier wirkte es auf mich ein wenig deplatziert.....mal sehen was da noch so kommt.
Die Szene im Stall war auch für mich recht unangenehm.
Hätte meine Kinder dieser Gefahr auch wohl nicht aussetzen wollen, aber das Buch spielt nicht in der heutigen Zeit, damals war es sicher normal Kinder schon früh heranzuführen.
Nun bin ich aber erstmal gespannt, wie Victorias Leben verläuft. Ihre Mutter macht es sich ja wirklich einfach, setzt das Mädel einfach vor die Tür. Gut das sie der Lehrerin soweit vertraut und sich an sie wendet.
 

Momo

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10. November 2014
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Weiß jemand, in welcher Zeit das Buch spielt? Vielleicht ist das schon gesagt worden, habe noch nicht alle Beiträge gelesen.

Ich habe mich auch über das Verhalten von Victorias Mutter gewundert, sperrt die Tochter einfach aus. Gibt es in Amerika kein Jugendschutzgesetz? Victoria weint, bittet um Einlass, sie bittet die Mutter vor verschlossener Türe um Hilfe, die nicht erwidert wird ... Diese Eiseskälte fand ich spürbar bis zu mir ins Wohnzimmer.

Die Mutter der beiden Jungen, Ella Guthrie, wirkt stark depressiv, später werden die Gründe klar, aber für die Jungens erstmal nicht verstehbar.
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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@Momo
Habe keine konkrete Zeitangabe bemerkt. Da die Jungen aber noch von Haus zu Haus ziehen um das Zeitungsgeld einzutreiben, dürfte es schon länger zurück liegen.....
Querleserin tippt auf 50/60 er Jahre, denke das könnte passen, oder?
 
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Momo

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10. November 2014
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@Sassenach, ja es könnte passen. Ich schwanke aber noch. Einerseits wirkt der Roman recht modern und manchmal widerum sehr historisch.
 
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7. Juni 2017
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Ich fand die Szene in dem leerstehen Haus, die die beiden Jungen beobachtet haben, schrecklich. Ich verstehe auch nicht was das in dem Roman für eine Funktion haben soll?
Soll hier dargestellt werden, dass die beiden Jungs zu schnell erwachsen werden müssen und mit Dingen konfrontiert werden, für die sie noch zu jung sind? Ich jedenfalls habe mich darüber geärgert so was lesen "zu müssen"

Komisch fand ich auch die genaue Beschreibung der Untersuchung der Kühe...das die Jungs dann als nächstes beobachtet haben...

Ich freue mich, dass meine Zusammenfassungen jetzt doch noch einen Sinn haben ;). Seid mir nicht böse, wenn ich mich aus der Diskussion heraushalte. Ich habe den Roman schon im Januar gelesen und er ist nicht mehr so präsent. .
Ach ja ich erinnere mich, du warst glaub ich die einzige, die im Januar ein Exemplar zugeschickt bekommen hat. Jetzt profitieren wir von deinen Zusammenfassungen! und natürlich verstehe ich wenn der Roman nicht mehr präsent ist, seitdem hast du sicher schon viele Bücher gelesen.

Weiß jemand, in welcher Zeit das Buch spielt? Vielleicht ist das schon gesagt worden, habe noch nicht alle Beiträge gelesen.

Ich habe mich auch über das Verhalten von Victorias Mutter gewundert, sperrt die Tochter einfach aus. Gibt es in Amerika kein Jugendschutzgesetz? Victoria weint, bittet um Einlass, sie bittet die Mutter vor verschlossener Türe um Hilfe, die nicht erwidert wird ... Diese Eiseskälte fand ich spürbar bis zu mir ins Wohnzimmer.
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Das Verhalten von Victorias Mutter ist wirklich nicht nachvollziehbar. Es wird in dem Roman auch nicht erklärt (jedenfalls bisher nicht und ich denke es bleibt auch so). Ich glaube es soll einfach ein Schicksalsschlag dargestellt werden, den das Mädchen trifft. Und jetzt kommen die Helfer ins Spiel...

Zu der Zeit wann der Roman spielt: Mir ist aufgefallen, dass die Lehrer keine richtigen Kopiergeräte haben, sie arbeiten noch mit so Matritzen wie Anfang der 70er Jahre.


Harufs Schreibstil finde ich wie bei: "Unsere Seelen bei Nacht", einfach, unaufgeregt und trotzdem nicht flach. Die Dialoge wirken auf mich authentisch. Sie sind immer ohne Anführungszeichen geschrieben, aber schön abgesetzt vom Text, so dass sie als direkte Rede erkennbar bleiben.

Ich glaube die größte Sympathie hat der Autor für die beiden Jungen Ike und Bobby und für die McPerons . Auch ich finde beide Brüderpaare sehr sympathisch. Sie machen das beste aus ihrem Leben und unterstützen sich gegenseitig.
Victoria erscheint mir noch ziemlich blass, ihre Persönlichkeit kann ich noch nicht fassen. Aber das wird sich sicher noch entwickeln...
 

Momo

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10. November 2014
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Das klärt sich noch, die Vaterfrage. Ich muss ganz ehrlich sagen, mich packt der Roman von Anfang an, dass ich gar nicht aufhören kann zu lesen. Aber auch ich wusste lange nicht, was ich mir für eine Meinung bilden sollte, auch hatte ich nichts angestrichen, obwohl mich die Geschichte inspiriert hat, und so akzeptierte ich erstmal meine Rolle als Beobachterin und als Zuhörerin. Erst ab der Seite 120 kamen dann erste Markierungen. Trotzdem bin ich neugierig zu lesen, wie es euch mit der Geschichte so geht.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Weiß jemand, in welcher Zeit das Buch spielt? Vielleicht ist das schon gesagt worden, habe noch nicht alle Beiträge gelesen.

Ich habe mich auch über das Verhalten von Victorias Mutter gewundert, sperrt die Tochter einfach aus. Gibt es in Amerika kein Jugendschutzgesetz? Victoria weint, bittet um Einlass, sie bittet die Mutter vor verschlossener Türe um Hilfe, die nicht erwidert wird ... Diese Eiseskälte fand ich spürbar bis zu mir ins Wohnzimmer.

Die Mutter der beiden Jungen, Ella Guthrie, wirkt stark depressiv, später werden die Gründe klar, aber für die Jungens erstmal nicht verstehbar.

Ich denke, es spielt in den 50iger Jahren, vielleicht noch Anfang der 60iger. Ich mache das an den Frisuren fest, wie die Jungen sie tragen. Außerdem werden in der Schule die Matritzen mit einer Handkurbel vervielfältigt, die Zeitungen ausgetragen und wöchentlich bar kassiert.
 

Bibliomarie

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In dieser Kleinstadt ist die Welt nur auf den ersten flüchtigen Blick heil.
Es gibt die beiden Jungs, die verunsichert sind, was mit ihrer Mutter ist, die wohl mit schweren Depressionen kämpft. Der Vater Guthrie findet auch keinen Zugang zu seiner Frau.

Da ist das Mädchen Victoria, dass ungewollt schwanger wurde und von ihrer Mutter sofort eiskalt auf die Straße gesetzt wird. Berührt hat mich ihre Beichte bei ihrer Lehrerin, wenn sie sagt, dass der Junge so nett war und so liebevolle Dinge zu ihr sagte. Das zeigt schon, dass sie in ihrem Leben nicht sehr viel Zuneigung erfahren hat.

Geschockt hat mich die lieblose Sexszene im verlassenen Haus. Das wirkte ja wie ein Loverboy, der seine "Freundin" feilbietet.

Ich finde ich Geschichte bisher sehr fesselnd, finde sie auch atmosphärisch sehr dicht. Ich sehe die amerikanische Kleinstadt mit ihren staubigen Straßen direkt vor mir.
 

Bibliomarie

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Die beiden Jungen, Ike und Bobby, bekommen durch ihre Arbeit einen Blick hinter die Kulissen. Sie erleben die Menschen des Städtchens inmitten ihrer Probleme und teilweise verschrobenen Eigenschaften. Für Kinder in dem Alter bestimmt nicht immer leicht. Mich hat verwundert, dass Bobby der rauchenden Mrs Stearns erzählt hat, dass die Mutter ausgezogen ist. Sicher wäre es gut wenn die Jungen jemanden hätten mit dem sie reden können, aber hier wirkte es auf mich ein wenig deplatziert.....mal sehen was da noch so kommt.
Die Szene im Stall war auch für mich recht unangenehm.
Hätte meine Kinder dieser Gefahr auch wohl nicht aussetzen wollen, aber das Buch spielt nicht in der heutigen Zeit, damals war es sicher normal Kinder schon früh heranzuführen.
Nun bin ich aber erstmal gespannt, wie Victorias Leben verläuft. Ihre Mutter macht es sich ja wirklich einfach, setzt das Mädel einfach vor die Tür. Gut das sie der Lehrerin soweit vertraut und sich an sie wendet.


Die Kinder sind hier schon viel erwachsener als Kinder und Jugendliche heute. Ike und Bobby müssen viel einstecken, wenn sie die paar Dollars kassieren.
 
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Bibliomarie

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@Leseglück
Mit Victoria geht es mir wie dir. Sie wird aber sicher bald präsenter werden.
Bei der Szene im verlassenen Haus habe ich kurz überlegt, ob einer der Jungen vielleicht der Vater von Victorias Baby sein könnte. Sie selbst hat zwar erzählt, dass er nicht auf ihre Schule geht, aber das muss ja nicht stimmen.......


Einen Augenblick dachte ich das auch, aber Bobby und Ike kennen die Beiden vom Sehen von der Highschool und Victoria meinte ja, der Junge ist nach Denver. Aber das könnte natürlich auch eine Ausrede sein.
 
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Bibliomarie

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10. September 2015
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Harufs Schreibstil finde ich wie bei: "Unsere Seelen bei Nacht", einfach, unaufgeregt und trotzdem nicht flach. Die Dialoge wirken auf mich authentisch. Sie sind immer ohne Anführungszeichen geschrieben, aber schön abgesetzt vom Text, so dass sie als direkte Rede erkennbar bleiben.

Es ist mein erstes Buch von Haruf und mir gefällt die Sprache auch sehr.
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Diese Szene habe ich nicht so ganz verstanden, die Mutter ist doch nicht ausgezogen?
Auch beim Friseur gab es schon eine Anspielung darauf.

Vielleicht ist es leichter zu sagen sie sei ausgezogen, als den wahren Grund zu nennen.....aber es hört sich schon so an, dass die Mutter wirklich ausgezogen ist.
 
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Momo

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In dieser Kleinstadt ist die Welt nur auf den ersten flüchtigen Blick heil.
Es gibt die beiden Jungs, die verunsichert sind, was mit ihrer Mutter ist, die wohl mit schweren Depressionen kämpft. Der Vater Guthrie findet auch keinen Zugang zu seiner Frau.

Da ist das Mädchen Victoria, dass ungewollt schwanger wurde und von ihrer Mutter sofort eiskalt auf die Straße gesetzt wird. Berührt hat mich ihre Beichte bei ihrer Lehrerin, wenn sie sagt, dass der Junge so nett war und so liebevolle Dinge zu ihr sagte. Das zeigt schon, dass sie in ihrem Leben nicht sehr viel Zuneigung erfahren hat.

Geschockt hat mich die lieblose Sexszene im verlassenen Haus. Das wirkte ja wie ein Loverboy, der seine "Freundin" feilbietet.

Ich finde ich Geschichte bisher sehr fesselnd, finde sie auch atmosphärisch sehr dicht. Ich sehe die amerikanische Kleinstadt mit ihren staubigen Straßen direkt vor mir.

Ja, ich finde die Geschichten auch sehr fesselnd. Jede Figur finde ich spannend.
Ich Frage mich immer wieder, wieso junge Frauen von diesen Typen nicht loskommen, wobei Victoria glücklicherweise einen Weg finden wird. Aber diese junge Sharlene, was hält sie an diesem Typen, der sie überredet, mit dem Freund zu schlafen? Kein ausreichendes Selbstbewusstsein.