I. Teil - Die Begegnung

Querleserin

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Habe gestern schon angefangen zu lesen :oops: und daher nur einige erste Eindrücke, bevor wir ins Inhaltliche einsteigen.
Die Sprache ist bilderreich, aber nicht "schwülstig", wie in dem Manuskript von Arturo Bandini (Für alle, die bei Fante dabei waren ;)). Es geschieht nicht viel, ganz gemächlich lernen wir den Protagonisten, den Schriftsteller Rudolf Gordweil, einen mittellosen Schriftsteller kennen. Er braucht eine Arbeit, scheint sich aber nicht darum zu reißen, etwas zu finden. Das zeigt das Gespräch in der Buchhandlung - eigentlich will er frei sein.
Wir wissen ja durch den Klappentext, dass die Baronin Thea von Tako, eine femme fatale ihn in der Ehe quält.
In diesem ersten Teil gibt es bereits Hinweise auf diese Quälereien. So reagiert die Freundin Lotte (?) seines Freundes beim Spaziergang unverhältnismäßig und Rudolf entschuldigt dies mit den Launen der Frauen...erste Andeutung?
Als er nach der Begegnung in einem Café Thea nach Hause bringt, verhält sie sich für die damalige Zeit ganz schön forsch und küsst ihn auf den Mund. Die Frau scheint zu wissen, was sie will. Freue mich auf die weitere Lektüre.
 

Helmut Pöll

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Es geschieht nicht viel, ganz gemächlich lernen wir den Protagonisten, den Schriftsteller Rudolf Gordweil, einen mittellosen Schriftsteller kennen. Er braucht eine Arbeit, scheint sich aber nicht darum zu reißen, etwas zu finden.
Das ist mir auch sofort aufgefallen, @Querleserin . Er will frei sein, um schreiben zu können, ist dann aber bei schönem Wetter doch lieber im Freien, um sich an der Natur zu erfreuen.

Das Erzähltempo ist gemächlich, aber nicht langweilig. Ich habe mich gefragt, ob das vielleicht auch dem deutlich langsameren Lebenstempo dieser Zeit geschuldet ist. Keine Ablenkung durch Internet, Fernsehen und Videospiele.
 

Helmut Pöll

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Sie sind sich begegnet, zunmindest denke ich, dass die Dame im Cafehaus die entscheidende Begegnung dieses Buches ist. Mir gefällt diese gemächliche und auf alle Details achtende Erzählweise von David Vogel sehr. Das hat schon beinahe etwas Meditatives und lässt Szenen wie ein Treffen im Cafehaus beinahe wie in einem Film vor dem geistigen Auge entstehen.

Allerdings irritiert mich Gordweils Untätigkeit, sein raffiniertes Schnorrertum, schon etwas.
 

Querleserin

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Ich finde das Tempo sehr angenehm und die Sprache schafft eine besondere Atmosphäre. Bin schon etwas weiter, die erste Nacht hat bereits stattgefunden. Die Art und Weise, wie sie beschrieben wird: angedeutet nur, aber unser Kopf ergänzt die Bilder:
"Zieh dich aus, Rudi!", befahl sie mit etwas heiserer Stimme, wobei sie sich selbst die Kleider herunterriss und sie auf einen Stuhl warf. Dann packte sie Gordweil, hob ihn wie ein leichtes Spielzeug vom Boden hoch und legte ihn aufs Bett." ( S.55)
Dann Cut - nächster Morgen.
Aber es reicht, um zu erkennen, wo die Reise hingeht...
 

Literaturhexle

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Bin noch sehr am Anfang, aber beeindruckt von der Sprache und der Atmosphäre, die der Autor schafft. Wer schon einmal in Wien war, erkennt die Stadt wieder.
Ihr sprecht von dem gemächlichen Stil. Das empfinde ich noch nicht so: relativ viel passiert auf den ersten Seiten. Wir lernen den Protagonisten kennen, viel über seinen Charakter. Bereits im ersten Kapitel gibt es eine Wasserleiche. Warum? Das wird bestimmt noch bedeutsam sein. Relativ viele Personen bevölkern diesen Einstieg. Bislang gefällt mir das Buch ausgesprochen gut!
 

Leseglück

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Das Erzähltempo ist gemächlich, aber nicht langweilig. Ich habe mich gefragt, ob das vielleicht auch dem deutlich langsameren Lebenstempo dieser Zeit geschuldet ist. Keine Ablenkung durch Internet, Fernsehen und Videospiele.

Dass das Erzähltempo gemächlich ist, ist mir gar nicht so aufgefallen. Aber jetzt da ihr es erwähnt. Ja es hat was gemächliches und passt finde ich ganz gut zu der damaligen Zeit und vielleicht auch zu der Wiener Lebensart?
Wie der Autor seinen Protagonisten und seine Welt in der er lebst vorstellt. Das hat mir richtig Spaß gemacht zu lesen. Man begleitet Gordweil einen ganzen Tag lang, vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Dabei lernt man allmählich seine finanzielle Situation, seine Freunde und seine Umgebung kennen, in der er lebt. Dass er sich durchschnorrt und sich eher freut als es mit der Arbeit nicht geklappt hat...das hab ich ihm bisher noch nicht übel genommen. Schließlich ist er ja Künstler, Schriftsteller.

Die Sprache ist bilderreich, aber nicht "schwülstig", wie in dem Manuskript von Arturo Bandini (Für alle, die bei Fante dabei waren ;)).

Ja ich finde die Sprache auch eher sachlich und trotzdem bildreich und sehr genau in der Beschreibung von Gefühlen. Ganz anders als die teilweise rohe Sprache bei unserer letzten Lektüre, da stimme ich dir zu :) @Querleserin

Aufgefallen ist mir, dass Rudolf sich ja in die herrische Art der Baronin verguckt. "Sie hat so was an sich, du merkst es nicht. So eine Wiener Tradition. Biedermeierzeit. Sieh mal den herrischen Zug in der unteren Gesichtshälfte" Rudolf sucht also eine Frau die ihn beherrscht.
Dann heißt es an anderer Stelle: "Das Mädchen strahlte etwas undefinierbar Bedrohliches auf ihn aus" Er sucht also auch den Nervenkitzel von Gewalt in der Beziehung. Die Baronin (schon ihr Name stellt sie über ihn) ist ja auch viel größer als er.

Wenn die Geschlechterverhältnisse anders wären, wenn sich also eine Frau auf eine gewalttätige Beziehung einlassen würde, würde ich das Buch vielleicht gar nicht weiter lesen. So wie es in dem Buch verteilt ist, bringt das für mich eine gewisse Distanz.
 

Helmut Pöll

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Ich bin auch gespannt welche Rolle die Szene mit der Wasserleiche spielt...deutet auf Unheil hin...auf Verzweiflung und Selbstmordgedanken im späteren Verlauf?
So habe ich das noch gar nicht gesehen, aber ein gutes Zeichen ist es bestimmt nicht.

MIr ist beim Besuch eines Cafes aufgefallen, wie präzise Vogel die einzelnen Charaktere beschreibt und die nie offen ausgesprochene Feindseligkeit zwischen Lotte, die ganz offensichtlich tiefe Zuneigung für Rudolf empfindet, und dessen zukünftiger Braut, der Baronin. Die ist mir bis jetzt nichts ehr sympathisch. "Se ist kalt", sagt Lotte ja auch, vom Wein schnon etwas benebelt.
 
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Die Rivalität zwischen den Frauen ist greifbar und Lotte scheint die Baronin zu durchschauen - im Gegensatz zu Rudolf, der einerseits dieses Beherrschen sucht, andererseits das Beherrscht werden verdrängt.
 

Literaturhexle

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Wenn die Geschlechterverhältnisse anders wären, wenn sich also eine Frau auf eine gewalttätige Beziehung einlassen würde, würde ich das Buch vielleicht gar nicht weiter lesen.
Hihi!
Ich weiß, dass ich um diesen ganzen "Shades of Grey Hype" einen Bogen gemacht habe. Nicht aus Spießigkeit, sondern, weil es mich einfach nicht interessiert hat.

Sollte etwa in den 30er Jahren ein Roman ähnlichen Inhaltes erschienen sein - nur mit "vertauschten Rollen"?
Dass es so deutlich wird, hätte ich für diese Zeit nicht vermutet. Trotz der Hinweise im Klappentext.
 
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Die Rivalität zwischen den Frauen ist greifbar und Lotte scheint die Baronin zu durchschauen - im Gegensatz zu Rudolf, der einerseits dieses Beherrschen sucht, andererseits das Beherrscht werden verdrängt.
Mir gefällt sehr gut, wie Vogel diese Feinheiten herausarbeitet, so dass man als Leser meint dabei zu sein. Aber schon jetzt, nach den ersten 100 Seiten, scheint klar zu sein, dass das nicht gut ausgehen kann. Sie hat wohl zu diesem Zeitpunkt der Erzählung die Rolle des Orakels bekommen.
 

Helmut Pöll

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[zitat]Dieser Tag, sein Hochzeitstag, der für Gordweil den Beginn eines neuen Lebensabschnitts bedeutete, war zugleich der langweiligste und bedrückendste seines Lebens.[/zitat]
Um es mal vorsichtig zu formulieren: so stellt man sich den Hochzeitstag und den Beginn des gemeinsamen Lebens eiegentlich nicht vor..
 
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Literaturhexle

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Sowohl Schuhmacher Rubicek als auch der Franzl Heidelberger bezeichnen Gordweil als Sohn bzw. Bruder.
Als Gordweil den Franzl besucht, führt dieser seine Frau regelrecht wie einen Gegenstand vor: sie soll nur reden, wenn sie gefragt wird und soll sich unterordnen. Am Ende besteht der Hausherr darauf, dass Frau und Gast sich küssen und umarmen. Das verwirrt auch Gordweil ...
Franzls Rat an Gordweil:
[zitat]Eine Frau, die nicht kochen und nicht hauswirtschaften kann, ist keinen Groschen wert. Habe ich nicht recht?[/zitat]
Es scheint mir, dass alle ihm Zeichen geben, er aber trotzdem in sein Unglück rennt.

Interessant fand ich auch den Traum, dass ihm ein Bein amputiert worden sei. Er hatte das Gefühl, dass er dieses seiner Schwester in Amerika schuldig wäre. So scheint er doch sehr dankbar zu sein.

Unser Protagonist ist ja ein Schnorrer und Tagedieb. Aber einer von der sympathischen Sorte;)
 

Literaturhexle

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Die Rivalität zwischen den Frauen ist greifbar
Gleichzeitig wird Lotte (allein der Name ist kein Zufall) als die Ehrliche und Anständige beschrieben. Thea ist undurchsichtig, wie wir wissen auch gewalttätig. Dieser Gegensatz wird ja häufig in der klassischen Literatur beschrieben. Oder auch in der Oper (z.B. Carmen).

Daher erscheint es wie ein Hohn, als Rudolf sich bei den Jungen Männern am Nachbartisch beschwert: "Es sei eine Frechheit, einem anständigen jungen Mädchen Zeichen zu machen..."
 

Literaturhexle

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Interessant auch seine Leidenschaft für scharfe Klingen und Rasiermesser ;)

Der Papagei, der "Lumpen, Knochen, Geschirr!" ruft.

Immer wieder seine Traum-Sequenzen, die nichts Gutes ahnen lassen. Dazu die bereits erwähnte Wasserleiche und später die junge Frau, die in Ohnmacht fiel und offensichtlich einen gewalttätigen Mann hat. Dazu all die Zeichen, die ihr schon aufgeführt habt...

Warum heiratet Thea unseren Gordweil? Sie musste sogar mühevoll konvertieren. Hält sie ihn für so naiv, dass sie es mit ihm machen kann? Ein Opfer?

Nach außen steht auch von ihrer Seite die bürgerliche Fassade.... Warum so eine Blitzhochzeit? Sie scheint nicht der Typ zu sein, der sich schwanger nach einem Kindsvater umschaut... Sehr suspekt, diese ganze Aktion.
 

Literaturhexle

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In diesem Buch steckt soviel drin, dass ich es leider nicht schneller lesen kann und euch hinterherhinken muss ;)

Aber ich bin sehr angetan davon. Ich liebe es, wenn man auch zwischen den Zeilen lesen kann.

Ende Abschnitt 1.: diese trostlose Hochzeit. RUDI hatte bislang nie ans Heiraten gedacht, nun lässt er sich regelrecht einfangen...

Sein Freund ist aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und er damit in Theas Fängen. Mal schauen, was passiert!
 
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