Ich habe die zweite Hälfte des Buches in einem Rutsch lesen können.
Wie befremdlich sind doch die Gefühle von Jack nach dem Tod der Mutter:
"Als meine Mutter starb,lag unter meinen stärksten Regungen ein Gefühl von Abenteuer und Freiheit, das ich mir kaum einzugestehen wagte..." (S.98)
Wie stark muss der Vater diese Familie dominiert haben? Wir bekommen seinen Sadismus ja nur an wenigen Stellen mit, die aber Aufschluss über den ganzen Rest geben.
Die Kinder vertrauen Julie, sie nimmt die Verantwortungs- und Mutterrolle auch an. Jack als Zweitältester möchte aber beteiligt werden und zweifelt Julies Ehrlichkeit zumindest, was die finanziellen Dinge betrifft, an.
Die Beziehung der Geschwister untereinander finde ich höchst befremdlich: Bereits im ersten Teil die spannungsgeladenen Doktorspiele, später das Verkleiden Toms als Mädchen, dessen Rollenspiele, aus denen ich zu erkennen glaube, dass auch der Kleine etwas vom "komischen" Verhältnis zw. Julie und Jack gemerkt hat. Darüber hinaus, die Brutalität, mit der Tom gezüchtigt und zu früh ins Bett gesteckt wird bis hin zum Inzest am Ende... Es gibt noch viel mehr Beispiele.
Diese komplette Isoliertheit. Keine Hilfe von irgendwo (auch nicht vom Arzt).
Mir ham es manchmal vor wie im "Herr der Fliegen": Was passiert, wenn keine ordnende Instanz vorhanden ist?
Der Zementgarten war eine anstrengende Lektüre. Man tauchte in eine Welt ein, wie ich sie keinem Kind wünsche. Zum Glück war die Geschichte fiktional genug, dass sie mich nicht zu sehr runtergezogen hat.
@Momo: Wie empfinde ich Derek?
Am Anfang kam er mir äußerst suspekt vor. Windiger Glücksspieler-Typ, der junges Mädchen verführen will...
Schließlich stellt er sich aber doch als verantwortungsvoll heraus: Er hatte offensichtlich keinen Sex mit Julie, liebte sie und beschenkte sie, machte den Versuch, Jack näher kennenzulernen und erkannte, dass in der Familie einiges schief lief...
Letztlich konnte er aber nichts machen, weil Julie ihn nicht genug liebte/ihm vertraute.
Das Ende ist absolut glaubwürdig! So konnte es nicht weiter gehen! Dass Derek in gekränkter Eitelkeit eingreift: Ja, das stimmt, aber die Kinder brauchen psychologische und erwachsene Hilfe.
Ich habe mal ein Jugendbuch gelesen:
Da ging es auch um Kinder, die von ihren Eltern völlig vernachlässigt waren, ob sie verstorben waren, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall haben die zwei Ältesten die Verantwortung übernommen für das Haus, Essen, Ordnung usw. Sie taten alles, damit das Amt nicht auf sie aufmerksam wurde. Durch diese Rolle wurden sie zu Vertrauten, schließlich zum Liebespaar.... Das klang völlig schlüssig, obwohl es so falsch war. Ich denke, dass dieses Phänomen in der Psychologie bekannt ist. Diese ähnliche Entwicklung in beiden Romanen kann kein Zufall sein.