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Querleserin

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Schritt für Schritt erfahren wir etwas über Heikos nahe Vergangenheit. So erfährt man, dass Joel, Jojos Bruder in das B-Junioren Team von Hannover 96 aufgenommen wurde und wie seine Beerdigung verlaufen ist. Eine sehr bewegende Szene, die zeigt, dass Heiko seine Emotionen in Aggressionen umwandelt. Es fällt ihm schwer, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, das sieht man auch am "Gespräch" mit Mie....ihm fehlen die Worte. Es wäre wirklich interessant zu, wann und warum die Mutter die Familie verlassen hat und Hans zu dem "Säufer" geworden ist. Trotz allem kümmert sich Heiko um die Tauben und hat Mitleid mit den Tieren, die Arnim zum Kämpfen abrichtet - grausam.
Nun ist auch heraus, wer aus der Gruppe hinaus will: Ulf, der tatsächlich ein Kind hat und dessen Frau sich (verständlicherweise) trennen will, wenn er nicht aufhört. Heiko kann damit nicht umgehen...
 

Renie

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Ich bin immer wieder erstaunt, welchen Hintergrund die einzelnen Gruppenmitglieder haben. Bei denen, die aus zerrütteten Familienverhältnissen kommen, wundere ich mich nicht. Die Gruppe als Familienersatz. Das ist irgendwie nachvollziehbar.
Aber was ist mit Kai? Er scheint ein Sohn reicher Eltern zu sein, studiert und er trägt seinen Wohlstand auch mit sich herum in Form von schicker Kleidung, teures Handy etc. Was motiviert ihn? Ist es Langeweile? Das Leben hat es gut mit ihm gemeint. Jetzt sucht er den Kick?
Und Ulf? Er scheint ein richtiger Normalo zu sein. Zumindest kommt er dem am Nächsten. Er hat anscheinend die richtige Frau kennengelernt. Mich wundert nur, dass sie seine Prügelausflüge mitgemacht hat. Für mich einfach unvorstellbar. Da unterbreitet mir mein Partner, dass er sich jedes Wochenende prügeln geht und ich nehme das hin, wünsche ihm vielleicht noch viel Spaß dabei? Das wäre für mich unerträglich und nicht machbar, insbesondere, wenn ich von einer gemeinsamen Zukunft mit Kind träume.
Die Brüder Joel und Jojo kommen aus einer Durchschnittsfamilie. Die Mutter hält die Fäden zusammen, es gibt feste Abläufe. Jeden Nachmittag um halb vier stehen Kaffee und Kuchen auf dem Tisch. Wie sind die beiden in diese Gruppe geraten?

An einer Stelle war ich verwundert. Heiko beschreibt, dass er zweimal durch's Abi gerasselt ist. Dafür hat er Ärger zuhause gekriegt. Das passt so gar nicht zu seinem Vater. Er macht auf mich eher den Eindruck, als ob ihm die Bildung und Entwicklung seiner Kinder schnuppe ist.
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Aber was ist mit Kai? Er scheint ein Sohn reicher Eltern zu sein, studiert und er trägt seinen Wohlstand auch mit sich herum in Form von schicker Kleidung, teures Handy etc. Was motiviert ihn? Ist es Langeweile?
Vielleicht die Sinnfrage, was soll ich mit meinem Leben anfangen?
Das Leben hat es gut mit ihm gemeint. Jetzt sucht er den Kick?
Auf den ersten Blick bestimmt. Alerdings wissen wir nicht, wie es hinter den goldenen Gitterstäben ausgesehen hat. Das herausgeputzte Unglück ist oft noch schwerer zu erkennen.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Über Kais Hintergrund weiß man noch nicht viel. Vielleicht liegt da der Schlüssel?
Zumindest zieht Ulfs Frau jetzt die Reissleine. Wenn auch spät.
Für mich wird diese Freude am Prügeln immer völlig unverständlich bleiben. Was ziehen da raus? Selbstbestätigung? Adrenalinrausch? Testosteronabbau? Frust rauslassen? Das Versagen im eigenen Leben kompensieren? Oder Freude an der Gewalt und Macht?
 
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Momo

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10. November 2014
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Die Tierszenen werden immer krasser. Nun schafft sich Arnim noch einen Tiger an. Wie grausam für das Tier, für dem eine Grube gebaut wird, die mit Alublech ausgestattet werden soll, damit der Tiger nicht aus der Grube klettern kann. Boa, das tut richtig weh zu lesen.

Ich glaube, Tina, der Schlüssel liegt aus meiner Sicht nicht bei Kai, sondern beim Onkel Axel und dem Vater Hans.

Hier fragte ich mich allerdings, wessens Bruder dieser Onkel ist? Ich finde es schön an dem Roman, dass man in jedem Kapitel immer ein bißchen mehr über die familiären Verhältnisse erfährt, nicht nur Heikos Familie gegenüber, sondern auch die seiner Freunde. Das hält die Spannung aufrecht.

Heikos Sprache packt mich immer wieder, als er Yvonne beschreibt. ... "und ihre kleinen Glubscher, diese blauen Augen. Sehen aus wie Eiswürfel, in denen eine Fliege einfefroren wurde".

Was für ein Vergleich.

Der Vater, der beschäftigt mich auch weiterhin, und ich scheitere an der Frage, inwiefern man von einem Menschen eine Bewusstseinsveränderung erwarten darf, der nie gelernt hat, sich und sein Leben zu hinterfragen. So richtig schlau ist der ja nicht, wirkt in seiner Lebensart recht einfach. Viele Alkoholiker sterben lieber an ihrer Sucht, als dass sie an sich arbeiten. Böse sind ja immer die Anderen aber nie man selbst.

Verständnis für ihn scheint nur Mie zu haben. Entweder ist sie so zartfühlend, dass sie es schafft, hinter eine Fassade zu schauen, oder ... ich weiß auch nicht. Auf der Seite 144 sagt sie, dass Hans ein lieber Mensch sei, und Heiko auch. Ich glaube ihr das sogar, weil sie doch als Einzige nicht in diesem ganzen Familienmies verstrickt ist und mehr aus der Distanz heraus, die Konflikte wahrzunehmen in der Lage ist. Die meisten Alkoholiker sind sehr sensible Menschen, das soll aber ihr Verhalten nicht entschuldigen, ich sag's nur mal, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, ihn für sein desaströses Verhalten seiner Familie gegenüber zu entschuldigen.

Auf Seite 145; und wieder stolpere ich über Heikos Ausdrucksweise, als er in Arnims marode Haus sich befindet, in seinem Zimmer oben, wo die Luft sich schwer atmen ließe, " als hätte sie ein Verfallsdatum, das lange übetschritten wurde."

Boa, auf solche Ideen muss man erstmal kommen ...
 

Querleserin

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@Momo: Mit dem Schlüssel zu Kai meinte ich, dass bei ihm auch noch etwas Verborgenes sein muss. Oder warum gerät ein Junge aus diesem Elternhaus in diese Truppe...das wird sicherlich noch aufgedeckt. Mir ist der gleiche Vergleich wie dir aufgefallen, das mit den Augen, irre.
Eine sehr innovative Sprache, ungewöhnliche Bilder und Vergleiche. Das gefällt mir weiterhin sehr gut und wie Momo schreibt, wird der Spannungsbogen weiter gezogen. Freu mich aufs Weiterlesen.
 

Helmut Pöll

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Der Vater, der beschäftigt mich auch weiterhin, und ich scheitere an der Frage, inwiefern man von einem Menschen eine Bewusstseinsveränderung erwarten darf, der nie gelernt hat, sich und sein Leben zu hinterfragen
Das kann man nicht erwarten, glaube ich. Wenn ich Geschichten über solche Personen lese, dann habe ich immer das Bild einer Burg mit hochgezogener Zugbrücke vor mir. Wer es wagt sich zu nähern wird mit Pech und Schwefel übergossen. Deshalb werden da wohl auch 10 Therapien nichts bringen, mangels eigener Einsicht - siehe sein Ausbüchsen zur Kneipe während des Entzugs. Bezeichnend ist dabei, dass er keinerlei schlechtes gewissen hat, als sein Sohn ihn da überrascht.
Verständnis für ihn scheint nur Mie zu haben. Entweder ist sie so zartfühlend, dass sie es schafft, hinter eine Fassade zu schauen, oder
Wobei es vermutlich schwer ist auf Dauer für jemanden Verständnis aufzubringen, der immer wieder ganz offen signaisiert, wie wenig ihn die Befindlichkeiten der anderen interessieren.
 

Renie

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Wie willst du jemandem helfen, der sich nicht helfen lassen will? Eigentlich wundere ich mich, dass er überhaupt in die Reha gefahren ist. Manuela hat ihn scheinbar überzeugt. Da er aber nicht den Eindruck auf mich macht, dass er sich einen Deut um das schert, was seine Kinder sagen, frage ich mich, wie sie es geschafft hat, ihn in die Reha zu bekommen.
 

Sassenach123

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Ich lese ja sehr gerne Thriller, was ich damit sagen will, ich bin nicht zartbesaitet. Aber hier komme ich mit der massiven Gewalt die mir geboten wird nicht so gut klar. Vielleicht liegt es daran das alles sehr authentisch rüber kommt. Die ausgeartete Schlägerei hat mich sehr schockiert.
Heiko wollte sich mit diesem Alleingang etwas beweisen, aber der Schuss ging eindeutig nach hinten los.
 

Sassenach123

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@Momo
Die Sprache passt mit ihren Sprüchen und derben Ausdrücken gut zum Thema. Obwohl ich zugeben muss, dass ich manchesmal regelrecht schockiert bin. Trotzallem ist es ab und an auch witzig
 

Helmut Pöll

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"Schwierig, Dein Vater. Hat viele Probleme. Aber ganz, ganz lieber Mann. Du auch", sagt Mie zu Heiko.
Ich habe bis dahin Heikos Vater nie als "lieben Menschen" empfunden, aber nach und nach blitzt zwischen all seinen destruktiven Aktivitäten doch auch seine eigene Verletzlichkeit durch.

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis einer der Jungs bei einer Keilerei bleibende Schäden davontragen würde. Früher mochten sie mich, sagt Heiko über Kais Eltern. Aber jetzt halten sie ihn für mitschuldig am Unglück ihres Sohnes, der vermutlich nie mehr so ganz auf die Beine kommen wird. Und das ist aus Sicht der verzweifelten Eltern natürlich auch verständlich. Niemand wünscht sich für seine Kinder einen Umgang wie Heiko, wo absehbar ist, dass irgendwann die Katastrophe eintritt.

Mit das Schockierendste an diesem Buch ist die gnadenlos realistische Beschreibung von Winkler, dass auch "liebe Menschen" in ihrer Hilflosigkeit, Tatenlosigkeit und mangels Eigenverantwortung so viel Schrecken anrichten können.
 

Sassenach123

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"Schwierig, Dein Vater. Hat viele Probleme. Aber ganz, ganz lieber Mann. Du auch", sagt Mie zu Heiko.
Ich habe bis dahin Heikos Vater nie als "lieben Menschen" empfunden, aber nach und nach blitzt zwischen all seinen destruktiven Aktivitäten doch auch seine eigene Verletzlichkeit durch.

Ich denke um das näher zu ergründen, müssen wir die Vergangenheit kennen. Aber es wirft ein anderes Licht auf Hans, als bisher angenommen. Mie ist eine gute Beobachterin, vielleicht durchschaut sie mehr als man denkt. Der Geist der unscheinbar wirkt, aber alles mitbekommt?!
 
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Sassenach123

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Mir blieb in diesem Abschnitt komischerweise eine eigentlich ganz banale Szene im Gedächtnis. Heiko kritisiert gedanklich die Sitte der Familie Seidel sich um halb 4 zum Kaffee zu treffen. Das hat mich sehr berührt, es zeigte mir sehr deutlich, dass es in Heikos Familie schon lange, oder vielleicht auch nie, gut lief. Heiko ist geprägt worden und es ist nicht leicht da wieder herauszukommen. Ich denke er bräuchte ein gänzlich anderes Umfeld um eine berechtigte Chance zu haben, einen anderen Weg einzuschlagen.
Das der Vater von JoJo nach wie vor sehr unter dem frühen Tod seines jüngsten Sohnes leidet, zeigt sich am Ausgang dieses Nachmittags. Mich wunderte, dass dazu nicht mehr geschrieben wurde. Vielleicht wird es ja im späteren Verlauf erneut aufgegriffen.
 
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@ Sassenach 123: Es gibt irgendwo im Buch eine kurze Beschreibung, dass Heikos Familie auch mal eine ganz normale Familie war, und dazu noch mit Großvater und Großmutter. Und sie zeigt, woran diese Familie gescheitert ist. Trotzdem bleiben noch Rätsel, in dieser Beschreibung wird nicht alles geklärt. Das bleibt unserer Fantasy überlassen ...
 

Helmut Pöll

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Das hat mich sehr berührt, es zeigte mir sehr deutlich, dass es in Heikos Familie schon lange, oder vielleicht auch nie, gut lief
Das sehe ich ganz genauso, @Sassenach123 Ich glaube auch nicht, dass es irgendwann wirklich gut lief. Natürlich ist das ein Stück weit auch Spekulation, aber das Unglück hat nicht erst damit begonnen, als die Mutter verschwunden ist.

Was mir aufgefallen ist, dass Heiko zwar sehr viel von Begebenheiten in anderen Familien erzählt, wir im Grund aber nie etwas erfahren, wie es früher bei ihnen gewesen ist. Es wäre ja auch denkbar, dass er sich an die Zeit, als sie alle zusammen waren, sehr gerne erinnert. Er könnte erzählen, wie schön seine Kindheit und die Zeit, bevor der Vater den Unfall hatte, gewesen ist. Dass er es nicht tut zeigt, dass es eben nicht so war und dass es nichts gibt, an das er sich sehr gerne erinnert. Stattdessen vergleicht er Kleinigkeiten und stellt immer wieder den Mangel fest, den er erlebt hat.
 
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