Ist der Nobelpreis für Bob Dylan ein Witz?

Ist der Nobelpreis für Dylan gerechtfertigt oder ein Witz?


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Helmut Pöll

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Der diesjährige Literatur-Nobelpreis geht an den Folkmusiker Bob Dylan. Das gab die schwedische Akademie der Wissenschaften heute um 13 Uhr bekannt.

Damit wird ein Musiker geehrt, dessen Songtexte auch Einfluss auf die Literatur genommen haben. Die Reaktionen auf diese völlig überraschende Entscheidung sind unterschiedlich. Sie reichen von Verständnis bis Empörung.

Die FAZ nennt die Auszeichnung für Dylan eine "schöne Überraschung". Anders sieht es beispielsweise die Literaturkritikerin Sigrid Löffler. Sie spricht von einer "fantastischen Fehleinschätzung". Sie habe den Eindruck, dass sich die Schwedische Akadmeie selbst durch extravagante Auszeichnungen interessant machen wolle.

Der Autor Irvine Welsh schrieb auf Twitter
[zitat]Ich bin ein Dylan-Fan, aber das ist ein schlecht durchdachter Nostalgie-Preis, gerissen aus der ranzigen Prostata von senilen, idiotischen Hippies.[/zitat]

Der Thriller-Autor Jason Pinter twitterte, wenn Bob Dylan den Literatur-Nobelpreis bekomme, dann sollte Stephen King in die Rock'n Roll Hall of Fame aufgenommen werden.

Verständnis dagegen zeigte Autor Salman Rushdie, der die enge Bezehung zwischen Literatur und Musik betonte.

Wie seht ihr das?


diepresse.com: Reaktionen auf Dylan: Von "verdient" bis "Witz"
www.faz.net: Nobelpreis für Bob Dylan: Eine schöne Überraschung
 

Sakuko

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Ich finde es zumindest seltsam. Wenn ich das recht sehe hat Bob Dylan ein Buch mit Gedichten veröffentlicht, einen Teil Autobiographie und sonst nur Lyrics und Artbooks.
Ich hatte ja im anderen Thread noch behauptet Literaturnobelpreise werden nur an Leute vergeben, die für kleine, elitäre Gruppen schreiben, und Bob Dylan ist das absolute Gegenteil davon, eher der kleinste gemeinsame Nenner.
Aber ich finde als Literaturnobelpreisträger, sollte man zumindest eine Reihe von Büchern veröffentlicht haben, und Songtexte fallen für mich dann doch eher nicht darunter. Für Songtexter gibt es dann wieder eigene Preise, das ist für mich ein eigenes Genre.
 

Atalante

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Ich sehe kaum einen Unterschied zwischen Liedtexten und Gedichten oder Versepen. Ist nicht das Lied der Ursprung aller Lyrik?

Natürlich gibt bei Lied und Lyrik gute wie schlechte Exemplare.

Doch bevor demnächst Helene Fischer oder Bushido ausgezeichnet werden, sind sicherlich Coelho oder Ähnliches an der Reihe. ;)

Scherz beiseite, welche Romane hat die letztjährige Preisträgerin verfasst?
 
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Sakuko

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Die Letzte hat mehrere Bücher veröffentlicht, mündliche Überlieferungen und Interviews über Kriegsereignisse, wenn ich das recht verstanden habe, aber zumindest Bücher.

Und selbst wenn wir Liedtexte als Form von Gedichten zulassen, habe ich immer noch Schwierigkeiten Bob Dylan als den besten, innovativsten oder wegweisensten Dichter unserer Zeit zu sehen.
 

Atalante

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Der Literaturnobelpreis kann niemals einen Absolutheitsanspruch einnehmen, das sehe ich genauso wie du. Aber den wird es, egal in welchem Bereich, ob Literatur oder Naturwissenschaft, wohl auch nie geben können.
 

Atalante

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Zu den Büchern als unabdingbare Voraussetzung für den Preis, könnte man die ketzerische Frage stellen, ob denn alle Bücher auch Literatur beinhalten?
MRR hatte darauf eine schöne Antwort.;)
 

Helmut Pöll

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Ist nicht das Lied der Ursprung aller Lyrik?
Man findet natürlich immer eine Reihe von Argumenten, warum der Preis für Bob Dylan wichtig und richtig ist. Und im nächsten Jahr dann die Beatles? Oder nur Paul McCartney? Die Beatles waren mit ihren Musiktexten bestimmt genauso einflussreich wie Dylan.

Murakamis "Naokos Lächeln" beispielsweise heisst im japanischen Original "Noruwei no mori", was eine direkte Übersetzung des Beatle-Titels "Norwegian Wood" ist.

Scherz beiseite, welche Romane hat die letztjährige Preisträgerin verfasst?
Buchinformationen und Rezensionen zu Tschernobyl: Eine Chronik der Zukunft von Swetlana Alexijewitsch
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Swetlana Alexijewitsch hat eine ganze Reihe dokumentarischer Romane verfasst, die sich mit der Situation der Menschen im zerfallenden Ostblock beschäftigen. Es gab sogar im letzten Jahr eine Leserunde hier @Atalante
 
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Was ist ein dokumentarischer Roman? Ist das verlinkte Buch nicht eine Sammlung von Reportagen? Die sind zweifelsohne gut geschrieben und recherchiert, von ihrem historischen und ethischen Wert ganz zu schwiegen. Aber hätte Alexijewitsch damit nicht eher einen Journalisten- oder Historiker-Preis verdient?
Diese Frage ist meiner Ansicht genauso berechtigt, wie die nach den Kriterien für die diesjährige Preisvergabe.

Obwohl ich früher Beatles gehört habe und immer weggerannt bin, wenn die Gitarrenspieler auf Klassenfahrten Dylan gesungen haben, sind Beatles-Texte doch nun wirklich nur ganz nette Liedchen.
 

Serapion

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Ich finde das sehr positiv und zwar aus folgendem Grund: Seit Jahren geistert die Idee, Bob Dylan den Literaturnobelpreis zu verleihen, durch die Nobelpreissphäre. Jetzt haben wir es hinter uns und man kann ab nächstem Jahr wieder ohne dieses ständig störende Thema den Preis verleihen. (Polemik uns Sarkasmus sind beabsichtigt und nein, ich finde diese Entscheidung sehr fragwürdig. Das hat was von "lasst uns den Preis durch eine polarisierende Verleihung moderner machen. Hat der Grand Prix auch versucht. Hat suuuuuper geklappt...)
 

Helmut Pöll

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Was ist ein dokumentarischer Roman?
Naja, einer, der eine wahre Begebenheit nacherzählt. Hat Truman Capote auch mal gemacht.
Aber hätte Alexijewitsch damit nicht eher einen Journalisten- oder Historiker-Preis verdient?
Die Übergänge sind sicher fliessend, da stimme ich Dir zu, @Atalante . Mit diesem "wir machen jetzt mal auf modern", das @Serapion angesprochen hat, könnte der Preis aber in Richtung Beliebigkeit abdriften.
 
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Atalante

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Ich finde die Bezeichnung "Dokumentarischer Roman" nicht gut.

Entweder ist es ein Roman oder eine Dokumentation. Ich kann einen Roman schreiben, der auf historischen Geschehnissen beruht, erschaffe aber alleine durch meine schriftstellerische Fantasie und Sprache meinen Roman. Die Fakten sind nur die Ursuppe. So wie Capote, den du genannt hast, @Helmut Pöll .

Alexijewitsch macht etwas völlig anderes, sie schreibt Reportagen, Essay, Interviews oder eben Dokumentationen.

Wenn man sich die Frage stellt ob der Literaturnobel-Preis für Dylan angemessen sei, muss man diese Frage noch eher bei Alexijewitsch stellen.
 

Sebastian

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18. April 2014
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Nach Nobels Testament, das den Statuten der Nobel-Stiftung zugrunde liegt, soll mit dem Preis für Literatur ausgezeichnet werden, wer „das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen hat".

Große Bandbreite also. Idealismus kann man Dylan wohl nicht absprechen, ob man die Entscheidung nun gut findet oder nicht.

Na ja... Den Idealismus hat r er eigentlich schon abgegeben, als er das erste Mal die Gitarre in einen Verstärker gestöpselt hat. Just my two cents.
 
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Helmut Pöll

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Ich selbst hätte mich gefreut, wenn Philip Roth den Nobelpreis bekommen hätte, aber irgendwie war die diesjährige Verleihung ... erfrischend! Als ob da jemand kräftig mit dem Staubwedel durch die illustren Reihen gewirbelt hätte! ;)
Mein Favorit wäre McEwan gewesen. Für Aufsehen hat die Entscheidung bestimmt gesorgt. Ich weiß aber nicht, ob man immer alles dieser angesagten Effekthascherei unterordnen muss. Klar finden es auch nicht wenige Leute aus dem Literaturbetrieb interessant, dass Dylan den Preis bekommt.

Ich habe jetzt mit Einigen geredet bzw. haben sie mich angesprochen, die es wahnsinnig toll fanden, dass Dylan ausgezeichnet wurde, obwohl sie sonst mit Büchern nicht so viel am Hut haben. Gestern erst wieder im Fitness. "Hey, hast gehört, Dylan Nobelpreis! Was sagst?"
"Finde ich doof", sage ich dann, "warum nicht gleich Udo Lindenberg?"
Eines jedenfalls hat die Nobelpreistruppe erreicht: dass sich auch Leute für den Preis interessieren, die nicht lesen.
 
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Atalante

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20. März 2014
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Ich habe Ähnliches erlebt, nur fiel meine Antwort anders aus. Meine höchstens Sachbücher lesende Freundin: "Was sagst Du zu Dylan?" "Denk an Homer! Außerdem alles besser als Murakami."