Rezension Rezension (5/5*) zu Die Geschichte der Baltimores: Roman von Joël Dicker.

Janine2610

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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Geschichte der Baltimores von Joël Dicker
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Die unzerstörbare und legendäre Goldman-Gang


Lange, lange habe ich auf einen neuen Roman von Joël Dicker gewartet. Nach dem Debüt »Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert«, das ich sowohl gelesen als auch als Hörbuch gehört habe, ist nun endlich »Die Geschichte der Baltimores« erschienen: ein Familienroman mit demselben Protagonisten: Marcus Goldman.
Weil ich bereits das Erstlingswerk von Dicker so überwältigend fand, hatte ich hier nun selbstverständlich hohe Erwartungen ... die absolut erfüllt worden sind! Nein, mit dieser Geschichte hat mich der Autor ganz und gar nicht enttäuscht! - Auf jeden Fall ein Lesehighlight in diesem Jahr.

Schon allein der Klappentext hat mich unheimlich neugierig auf den Inhalt gemacht. Marcus Goldman, der berühmte Schriftsteller, der in seiner Jugend zu den weniger glamourösen Montclair-Goldmans gehört hat und nun ein Buch über ›die‹ Katastrophe der Baltimore-Goldmans schreibt?

~ Waren sie wirklich diese außergewöhnlichen Menschen, die ich so sehr bewundert hatte? Und wenn das alles nur eine Schöpfung meiner Fantasie gewesen wäre? Und wenn ich seit jeher mein eigener Baltimore gewesen wäre? ~
(S. 433)

Was ist das denn für eine verheerende Katastrophe, über die hier die ganze Zeit drumherum geschrieben wird? - Ich konnte mir keinen Reim darauf machen.
Marcus hat also begonnen, die Geschichte seiner Jugend zu erzählen, in der die Baltimores natürlich eine große Rolle spielen. Das muss er auch, denn es ist wichtig über all die vorkommenden Protagonisten zu lesen und deren Vorgeschichten und Beziehungen untereinander zu kennen, ansonsten würde einen ›die‹ Katastrophe gar nicht so mitnehmen. Es war wichtig, dass ich Onkel Saul, Tante Anita, Marcus' Cousin Hillel und Woody, den Adoptivsohn der Baltimores, kennenlerne.
Je mehr Marcus von ihnen geschrieben/erzählt hat, desto sympathischer fand ich sie alle. Ja, ich habe mich sogar regelrecht verliebt in die Protagonisten. Und genau deshalb hatte diese Katastrophe für mich etwas sehr Tragisches an sich. Ich kann es gar nicht beschreiben ... Es hat mich mitgenommen, obwohl ich weiß, dass es "nur" eine Geschichte ist. Aber wenn man liest, wie die liebgewonnenen Charaktere anfangen zu zerbrechen und langsam aber sicher auf ihren Abgrund zusteuern ... mir war wirklich zum Heulen zumute!

~ »Versprich mir, mein lieber Neffe, dass du uns wieder gut machst. Mach die Baltimores wieder gut.
»Wie denn? «
»Bring uns wieder zusammen. Nur du kannst das. « ~

(S. 506)

Was mir besonders gefallen hat, war das Gefühl, das der Autor bei mir hervorgerufen hat, als er von der Goldman-Gang geschrieben hat. Hillel, Woody und Marcus waren ein Dreiergespann, das nichts und niemand (auf Dauer) auseinanderreißen konnte. Durch diese drei Jungs wird einem erst so richtig bewusst, was wahre Freundschaft wirklich bedeutet. Keine Frau, kein Streit und keine Eifersucht hat die Macht über deren Freundschaft ... und das ist einfach wundervoll zu lesen gewesen. - Ein ganz eigenes, überwältigendes Gefühl!

~ Es gab immer Katastrophen, es wird immer Katastrophen geben, und das Leben geht trotzdem weiter. Katastrophen sind unvermeidlich. Sie haben im Grunde keine große Bedeutung. Wichtig ist nur, wie wir sie überwinden. ~
(S. 505)

Ich habe dieses Buch geliebt, denn einen tragischeren Familienroman, der derart fesselt, habe ich noch nie gelesen. Das, was der Autor uns hier über Freundschaft, Familie und Zusammenhalt erzählt, ist Gold wert und lässt einen das Buch mit einem ganz eigenen, zufriedenen Gefühl zuklappen.


 
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Reaktionen: anne_weiss und parden

anne_weiss

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www.bonnerweiss.de
Oh, hat Dir Quebert ncht gefallen.
Nein, leider gar nicht - ich weiß, ganz viele Leser waren davon begeistert. Aber mich hat gestört, dass die Handlung sich so langsam entwickelt (da bin ich vielleicht einfach zu ungeduldig) und dass mir weder Harry Quebert noch der ihn anbetende Ich-Erzähler so richtig sympathisch waren. Die Szenen im Diner gingen mir einfach auf die Nerven, dennoch habe ich weitergelesen, weil ich wissen wollte, wie das Ganze aufgelöst wird. Und dann fand ich die Auflösung nicht so clever - da hatte ich mir mehr erhofft. Aber ich will hier nicht spoilern ;-)
Möglicherweise ist das das Problem von gehypten Romanen - um Harry Quebert wurde ja vorher eine Menge Wirbel gemacht. Da war ich dann enttäuscht, und das ging mir bei "Girl on a train" nicht anders... Viel Wirbel im Vorfeld, und dann eine so larmoyante Alkoholikerin als Erzählerin - das hat für mich die Vorschusslorbeeren nicht eingelöst ...
 

Helmut Pöll

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Möglicherweise ist das das Problem von gehypten Romanen - um Harry Quebert wurde ja vorher eine Menge Wirbel gemacht. Da war ich dann enttäuscht,
ja gut, das kann schon passieren. Mir ging es erst kürzlich mit "Berlin 1936" so. Man traut sich dann gar nicht in die begeisterte Runde hinein zu sagen: ömm, ich fand es nicht so toll, @anne_weiss
 

parden

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Nein, leider gar nicht - ich weiß, ganz viele Leser waren davon begeistert. Aber mich hat gestört, dass die Handlung sich so langsam entwickelt (da bin ich vielleicht einfach zu ungeduldig) und dass mir weder Harry Quebert noch der ihn anbetende Ich-Erzähler so richtig sympathisch waren. Die Szenen im Diner gingen mir einfach auf die Nerven, dennoch habe ich weitergelesen, weil ich wissen wollte, wie das Ganze aufgelöst wird. Und dann fand ich die Auflösung nicht so clever - da hatte ich mir mehr erhofft. Aber ich will hier nicht spoilern ;-)
Möglicherweise ist das das Problem von gehypten Romanen - um Harry Quebert wurde ja vorher eine Menge Wirbel gemacht. Da war ich dann enttäuscht, und das ging mir bei "Girl on a train" nicht anders... Viel Wirbel im Vorfeld, und dann eine so larmoyante Alkoholikerin als Erzählerin - das hat für mich die Vorschusslorbeeren nicht eingelöst ...
'Girl on the train' fand ich auch furchtbar. Aber Harry Quebert hat mir unglaublich gut gefallen. Aber ich mag Erzählungen auch, die sich Zeit lassen. Meistens jedenfalls... ;)
 

anne_weiss

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29. Juni 2016
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Harry Quebert hat mir unglaublich gut gefallen. Aber ich mag Erzählungen auch, die sich Zeit lassen. Meistens jedenfalls... ;)
:) ... Ist halt immer auch von den Lesevorlieben abhängig, außerdem davon, was derzeit sonst so los ist im eigenen Leben. Ich persönlich empfand die Suche des jungen Autors nach der Wahrheit als etwas aufgesetzt, außerdem kam mir Harry Quebert wie ein unangenehmer, eingebildeter Fatzke vor - da konnte ich irgendwie nicht mitgehen. (Gut erzählt fand ich die Bücher von Gillian Flynn, allerdings hatte "Gone Girl" am Ende einen Dreh zu viel für mich. Der Twist hat mich an die Krimis von Minette Walters oder "Tödliche Intrige" von Arnaldur Indridason erinnert, das fand ich sehr gut. Aber das nur nebenbei...)
Ich mag übrigens "langsam" erzählte Romane durchaus, das Schwelgen in der Erzählkunst wie bei Gabriel Garcia Marquez, TC Boyle, Carlos Ruiz Zafon oder John Irving. Aber die sind in meiner Wahrnehmung alle üppiger, reicher, lässiger als Harry Quebert. Ich halte dem Autor jedoch zugute, dass er noch jung ist, und sich noch entwickeln kann. Daher bin ich nach der Rezi hier nicht abgeneigt, es noch mal mit ihm zu probieren ;-)
 

anne_weiss

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29. Juni 2016
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Ohje, jetzt habe ich was gesagt :( es gab sogar ne kleine Leserunde dazu.
whatchareadin.de: Leserunde zu "Berlin 1936: Sechzehn Tage im August" - ab 01.09.16

Mit der Eingabe von "Berlin 1936" in die neue Suche rechts oben, findest Du noch mehr.
Habe mir einiges angeschaut, danke! Ich glaube, es ist gar kein Roman, sondern eher ein Zeitporträt (ich hatte es in der Verlagswerbung auch so wahrgenommen, eher so wie Illies 1913, das ich ziemlich großartig fand), und wenn man etwas anderes erwartet, dann ist man natürlich enttäuscht...