Raif Badawi - 1000 Peitschenhiebe: Weil ich sage, was ich denke

Helmut Pöll

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Das Schicksal des Internet-Aktivisten und Bloggers Raif Badawi bewegte die ganze Welt. Weil er auf seiner Webseite seine Meinung frei äußerte, verurteilte ihn ein saudisches Gericht zu 10 Jahren Gefängnis und 1000 Peitschenhieben. Begründung: Apostasie, Abfall
vom Glauben. Das Gericht warf ihm vor, er habe Muslime, Christen, Juden und Atheisten als gleichwertig bezeichnet, nach saudischem Rechtsverständnis eindeutig ein Fall von Terrorismus.

Der Fall zeigte der Weltöffentlichkeit das wahre Gesicht einer zahlungskräftigen mittelalterlichen Diktatur, in der Menschenrechte keinen Pfifferling wert sind. Trotz vieler internationaler Proteste: passiert ist trotzdem nichts. Die Panzermilliarden der Saudis wollen sich die Bundesregierung und SPD-Chef Sigmar Gabriel nicht durch die Lappen gehen lassen.

Wir starten unsere Leserunde am 5. März und freuen uns sehr über Mitleser.

Buchinformationen und Rezensionen zu 1000 Peitschenhiebe: Weil ich sage, was ich denke von Raif Badawi
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Die Veröffentlichung dieses Buches ist ein Non-profit-Projekt zugunsten des Autors.


Raif Badawi – Wikipedia
www.zeit.de: Raif Badawi - News und Infos
www.zeit.de: Saudi-Arabien: Es muss wehtun
 
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Tiram

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4. November 2014
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Ich würde mich freuen, wenn sich noch viele Mitleser finden würden. Gebt euch doch bitte einen Ruck. Das Büchlein hat nur 64 Seiten und kostet knapp 5 Euro. Das ist zwar teuer, aber das Geld kommt insgesamt dem Autor zugute.
Es ist so ein wichtiges Thema und es wäre doch toll, viele Rezis dazu in Umlauf zu bringen.
 

Frank62

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Ich würde mich freuen, wenn sich noch viele Mitleser finden würden. Gebt euch doch bitte einen Ruck. Das Büchlein hat nur 64 Seiten und kostet knapp 5 Euro. Das ist zwar teuer, aber das Geld kommt insgesamt dem Autor zugute.
Es ist so ein wichtiges Thema und es wäre doch toll, viele Rezis dazu in Umlauf zu bringen.

Ich finde es berührend, wie hier einige WR-Mitglieder für einen eingekerkerten Autorenkollegen eintreten. Mit dieser Leserunde und diesem Buch zeigen wir Leser von WR letztendlich auch Flagge gegen Unmenschlichkeit und unterdrückte Meinungsfreiheit.

Und so dürften die 4,99 Euro für 65 Seiten - die einem Menschen mit 1000 Peitschenhieben vergütet werden (50 hat Raif Badawi schon als erste Rate "ausgezahlt" bekommen) eine wirklich lohnende literarische Investition jenseits von seiten-intensiven Bestsellern wie SoG oder ToP sein.

Mit dankbaren Gruß,
Frank
 
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Helmut Pöll

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Ich habe heute auch angefangen, @Sabine Schäfers . Das dünne Büchlein kann man eigentlich in einem Schwung durchlesen, was ich aber gar nicht will, so dass ich jetzt etwa erst ein Drittel gelesen habe.

Ich hätte in diesen Essays und Blogbeiträgen mehr Wut, mehr Zorn, Anklage und Verbitterung erwartet. Aber all das gibt es nicht. Stattdessen erklärt Badawi in einer sehr klaren Sprache die Situation seines Landes und seiner Generation. Er stellt ruhige Fragen, unangenehme Fragen, und man könnte ihn nur bezwingen, wenn man sich diesen Fragen stellt und sie mit guten Argumenten zurück.

"Wir müssen das Anders-als-wir-Sein" der anderen akzeptieren, fordert er. In seiner Unbeirrbarkeit und mit seiner verständnisvollen und humanistischen Haltung erinnert er an die Autoren der Aufklärung.
 

Helmut Pöll

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Hier findet Ihr einen kurzen Film mit Hintergrundinformationen

Interessant (ab Position 2:50): bei den Trauerfeierlichkeiten für Charlie Hebdo demonstrierte auch der stellvertretende Außenminister Saudi Arabiens in Paris mit. Da demonstrierte also ein saudischer Minister für die Meinungsfreiheit, während in seinem Land Menschen für die Forderung nach Meinungsfreiheit zum Tode verurteilt wurden.
 
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Frank62

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Hi,
nachdem ich das schöne Wetter für Gartenarbeiten genutzt habe, steige ich nun mal in die literarischen Kampfhandlungen ein.
Auf das Schicksal von Raif Badawi hat mich ein befreundeter Autor, der Religionswissenschaftler Michael Blume aufmerksam gemacht. Zurzeit beschäftigt sich Michael Blume intensiv mit aktuellen Fragen zum Islam. Im Dezember 2015 führten ihn die dramatischen Ereignisse um die IS-Terrormiliz in den Nordirak, wo er die Evakuierung von Yesidischen Frauen nach Deutschland organisiert hat. Mittlerweile wird Michael Blume aufgrund seiner Arbeiten und seiner Sciebooks zum Thema Islam von rechten Kreisen im Internet per Steckbrief bedroht, da er der rechtspopulistischen These vom GEBURTEN-DSCHIHAD widerspricht, womit sich der Kreis zu Raif Badawi auf schockierend aktuelle Weise schließt.


So nun wird gelesen,

Frank62


PS: Helmut vielen Dank für den thematisch begleitenden Link zum Thema Raif Badawi.
 

Frank62

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Raif Badawi hat als Internet-Aktivist das Online-Forum "Die Saudischen Liberalen" gegründet, um über Politik und Religion in Saudi-Arabien zu berichten – sein 1. Schritt zu 1000 Peitschenhieben; am 9. Januar – Anno 2015 haben dann die ersten 50 Peitschenhiebe seinen Körper heimgesucht.


- Scharia-Astronomie, diesen Begriff lese ich jetzt zum ersten Mal und bewundere die sarkastische, aber auch mutige Art, wie Raif Badawi seinem Land einen Spiegel vorhält. Augenzwinkernd stellt er die Wissenschaften der westlichen Welt in Frage und empfiehlt eine Neuausrichtung basierend auf der Scharia. Ein wenig erinnert mich die ironische Art Badawis an den guten alten Till Ulenspiegel.


Das Abendbrot ruft – man liest sich.

Frank
 

Frank62

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Im 2. Kapitel – Träume vom Kalifat – berichtet Badawi vom Schicksal eines Kollegen. Der Schriftsteller Turki al-Hamad schreibt in einem seiner Romans den Satz "Gott und der Teufel sind zwei Seiten einer Münze" und wird für "vogelfrei" erklärt …


Bei dieser Aussage muss ich an mein vor kurzem gelesenes Buch "Verschwörungsglauben" von Michael Blume denken, denn dort berichtet er von einer der folgenreichsten Fehlentscheidungen der Weltgeschichte:


"Im Jahr 1485 erließ Sultan Bayazit II- ein Verbot des Buchdruckes, um die Verbreitung von "Lügen" zu verhindern.

Die verheerende Folge: Bis heute hat die islamische und vor allem arabische Welt, den damit verbundenen Lese- und Bildungsrückstand nicht mehr aufholen können. So erreicht das kleine Israel mit 8,3 Millionen Einwohnern jedes Jahr mehr Patentanmeldungen und Veröffentlichungen von wissenschaftlichen Arbeiten als die gesamte arabische Welt zusammen, von der Anzahl der Nobelpreisträger ganz zu schweigen.


Badawis Schicksal untermauert diesen Irrweg eindrucksvoll – ein Irrweg, der das Saudi-Arabische Regime zunehmend in die Enge treiben wird, denn um intellektuell mit der Welt mithalten zu können, muss es seine zukünftigen Eliten in westliche Universitäten senden. Und selbst wenn saudi-arabische Studentinnen während ihrer Studienzeit einen männlichen und natürlich islamischen Aufpasser zu Seite gestellt bekommen, nehmen sie Errungenschaften wie Emanzipation und Meinungsfreiheit wahr und schmuggeln sie in ihrem Herzen in ihre arabische Heimat. Im Zeitalter der Smartphones und des Internets stellt sich mir ernstlich die Frage, wie lange dieses Regime sein Märchen aus 1000 und einer Nacht noch ins 21. Jahrhundert integrieren kann.


Nachdenkliche Grüße,

Frank
 
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Helmut Pöll

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@Frank62 - ich glaube generell, dass in Ländern, in denen es eine einschränkende Deutungshoheit gibt - sei sie nun religiös oder nicht - die Weiterentwicklung auf der Strecke bleibt. Neue Ideen, wenn sie wirklich gut sind, werden erstmal immer angefeindet. Auch der Ostblock ist letztlich auf der Strecke geblieben, weil er das freie Denken zu lange unterdrückt hat.

Ich habe vor kurzem in diesem Zusammenhang eine ganz interessante Reportage gesehen. Fazit: mit dem Verfall des Ölpreises und den wegbrechenden Einnahmen werden Länder, deren innere Stabilität durch großzügige Geldverteilungen erreicht wird, ziemlich schnell instabil. Mit dem Ende des Ölzeitalters ist Schicht im Schacht. Ob wir uns darüber uneingeschränkt freuen können ist wieder eine andere Sache.
 
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Frank62

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@Frank62 - ich glaube generell, dass in Ländern, in denen es eine einschränkende Deutungshoheit gibt - sei sie nun religiös oder nicht - die Weiterentwicklung auf der Strecke bleibt. Neue Ideen, wenn sie wirklich gut sind, werden erstmal immer angefeindet. Auch der Ostblock ist letztlich auf der Strecke geblieben, weil er das freie Denken zu lange unterdrückt hat.

Ich habe vor kurzem in diesem Zusammenhang eine ganz interessante Reportage gesehen. Fazit: mit dem Verfall des Ölpreises und den wegbrechenden Einnahmen werden Länder, deren innere Stabilität durch großzügige Geldverteilungen erreicht wird, ziemlich schnell instabil. Mit dem Ende des Ölzeitalters ist Schicht im Schacht. Ob wir uns darüber uneingeschränkt freuen können ist wieder eine andere Sache.

Hi Helmut,
diese Stagnation durfte ich 40 Jahre lang unter Diktatur des Proletariats am eigenen Leib "genießen", deshalb erinnern mich einige Aussagen von Badawi auf verblüffende Weise an die kommunistischen Doktrin und Realitäten.
Zum Thema Verfall der Ölpreise und innere Stabilität kann ich Dir ein Buch wärmstens empfehlen: "Öl-und Glaubenskriege ..."von Michael Blume.

Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
 
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Frank62

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3. Kapitel – Zum Jahrestag von 9/11

Badawi schämt sich seiner Glaubensbrüder, den New Yorker Muslimen, die den Bau eines islamischen Zentrums und einer dazu gehörigen Moschee, gleich neben Ground Zero fordern. Und er geht sogar noch einen folgenschweren Schritt weiter, und prangert dieses Vorhaben als Brutstätte für neue Terroristen an.


In diesem Zusammenhang passen die weltweiten, saudi-arabischen Investitionen zur Verbreitung des Islams in Höhe von 150 Milliarden US-Dollar. Warum werden solche Summen nicht einmal annähernd zur humanitären Hilfe für die derzeitigen Flüchtlingsströme der islamischen Glaubensbrüder eingesetzt?


In diesem Zusammenhang hinterfragt Badawi das Bauverbot für Kirchen durch die Saudi-arabischen Regierung obwohl kein Christ je eine Bluttat in diesem Land verübt hat. Mich beeindruckt der Mut und die Aufrichtigkeit, mit der Badawi diese Frage zu stellen wagt.

Beeindruckend ist auch seine klare und minimalistische Ausdrucksweise, z.B: "Ob es uns gefällt oder nicht, wir sind Teil der Menschheit!"

Der Saudi Badawi zollt Amerika Respekt für die dort gewährten religiösen Freiheiten. Am Ende dieses Kapitels stellt er eine einfache Frage: "Wie wäre es, wenn wir (Moslems) es den anderen einmal gleichtäten, und versuchen würden, eine humanistische Zivilisation und normale Beziehungen zu sechs Milliarden Menschen aufzubauen, von denen mehr als viereinhalb Milliarden nicht dem Islam angehören?


In diesem Zusammenhang fällt mir ein Bericht einer Erzieherin aus meinem Bekanntenkreis ein, die verbittert schilderte, dass sie von einem Kind aus einer muslimischen Familie angespuckt wurde …


Wie heißt es in unserem Kulturkreis so schön: Wehret den Anfängen.


Man liest sich,

Frank
 

Renie

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19. Mai 2014
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Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Ich habe heute auch mit diesem Buch angefangen. Mir geht es wie @Sabine Schäfers . Der Sprachstil ist sehr angenehm und lässt sich leicht lesen. Dazu noch Badawi's Humor und Ironie. Auch, wenn das Thema sehr ernst ist, es macht Spaß, seinen Gedankengängen zu folgen. Er macht es dem Leser sehr leicht.
Ich teile mir das Buch ein. Denn ich möchte die einzelnen Kapitel erst mal auf mich wirken lassen.

Was mich schon bei der Einleitung nachdenklich gemacht hat, ist diese Arroganz des Westens, immer nur mit den eigenen Maßstäben zu messen: Ein Land ist erst dann politisch akzeptabel, wenn es eine westliche Gesellschaftsform übernimmt. Auf die Idee, einem Land die Chance zu lassen, sich in eine eigene Richtung zu entwickeln und diese dann auch vorbehaltslos zu akzeptieren, kommen wir nicht.

Bei Badawi's Brief aus dem Gefängnis habe ich bewundert, dass er seiner Situation mit Humor begegnen kann. Hut ab! Das hat mich ein bisschen an Sam Millar erinnert, @Helmut Pöll , der im Gefängnis ja auch vieles ins Witzige gezogen hat. Wahrscheinlich ist dies die einzige Möglichkeit, seelisch einigermaßen unbeschadet aus so einer Situation rauszukommen.
 

Frank62

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4. Kapitel – Leben und leben lassen –


"Denke, was immer du willst – Meinungsfreiheit ist die Luft, die jeder Denker zum Atmen braucht …"

Je mehr ich mich mit Badawis Aussagen und den Realitäten seines Landes beschäftige, umso fremder wird mir der Saudi Badawi, den ich aufgrund seiner zeitgemäßen Ansichten eher als Europäer einordnen würde.

Er verweist auf die weltweiten Forderungen nach mehr Menschenrechten und demokratischen Reformen gegenüber den arabischen Regimen.

Und wieder bringt es diese Wahrheiten ganz einfach auf den Punkt: Du bist ein Mensch? Dann ist es dein gutes Recht, dich auszudrücken und zu denken, was immer du willst.

Und er endet mit einer fast prophetischen These: "Meine Befürchtung ist, dass die klugen Köpfe der arabischen Welt eines Tages alle auswandern werden …
 
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