1. Leseabschnitt: DER ABGRUND - Kapitel 1 bis 8 (Beginn bis Seite 58)

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Ich hatte es so verstanden, dass die Muttersäue ausrasten, als sie ihre Ferkel quieken hören. Und die Jungsau frisst ihre Ferkel, als sie die randalierenden Muttersäue hört. Andreas beobachtet das Ganze zwar, ist aber unbeteiligt.
Das stimmt so schon. Aber vielleicht gibt es ja doch auf einer tieferen Ebene einen Zusammenhang mit Andreas Ankunft auf der Insel? Ich hatte irgendwie das Gefühl...
Zumindest glaube ich, dass die Szene Symbolcharakter hat.
 

Barbara62

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Das stimmt so schon. Aber vielleicht gibt es ja doch auf einer tieferen Ebene einen Zusammenhang mit Andreas Ankunft auf der Insel? Ich hatte irgendwie das Gefühl...
Zumindest glaube ich, dass die Szene Symbolcharakter hat.
Ich hatte es so verstanden, dass es ihn retraumatisiert:

"Der Abgrund hat sich aufgetan. Was für einer?
Der Anblick dieses Sinnlosen brachte das Überspannte in ihm zum Reißen. In diesem Moment. Das war der letzte Anstoß, den er noch brauchte, um den Halt restlos zu verlieren. Das Verwundete in ihm verkraftete das nicht." (S. 57)


Ich erwarte, dass Andreas jetzt unberechenbar wird.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Ich hatte es so verstanden, dass es ihn retraumatisiert:

"Der Abgrund hat sich aufgetan. Was für einer?
Der Anblick dieses Sinnlosen brachte das Überspannte in ihm zum Reißen. In diesem Moment. Das war der letzte Anstoß, den er noch brauchte, um den Halt restlos zu verlieren. Das Verwundete in ihm verkraftete das nicht." (S. 57)


Ich erwarte, dass Andreas jetzt unberechenbar wird.
Der Anblick der Sau, die ihre Ferkel frisst, triggert ihn. Ich sehe da eine Verbindung zu seinen Erlebnissen während des Fabrikunglücks, wo er lebend geborgen wurde. Er hat vermutlich dort viele Tote gesehen. Vielleicht sind es aber auch die Geräusche im Todeskampf, die ihn triggern. Nicht umsonst ist auch davon die Rede, dass er Ruhe und Heilung sucht. Es könnten natürlich auch andere Erlebnisse eine Rolle spielen - Vesaas bleibt da vage.
Ich habe das, wie du verstanden, dass an sein Trauma gerührt wird und er dadurch unberechenbar wird.
 

dracoma

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16. September 2022
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Zumindest glaube ich, dass die Szene Symbolcharakter hat.
Darf ich Deinen Gedanken mal weiterspinnen?
Die kleinen Ferkel quieken, weil sie kastriert werden. Ich gehe davon aus, dass sich die Raserei der Sauen im Roman auf der menschlichen Ebene wiederholt, dass also die Inselbewohner Jagd auf Andreas machen und sich diese Jagd in einem Blutrausch entlädt.
Und dann müsste der Auslöser etwas Sexuelles sein - und da kann ich jetzt nur meine Vermutung wiederholen, dass Helga (die doch so jung und rosig ist wie die Ferkelchen) damit etwas zu tun hat oder, noch schlüssiger, Else; dann würde sich Rolv an der Raserei beteiligen.

Der Anblick der Sau, die ihre Ferkel frisst, triggert ihn.
Auf alle Fälle. Ich dachte aber , dass es die Widernatürlichkeit ist, die ihn irre macht und vor allem die Erkenntnis, dass die Insel - die ihn doch vorher gerufen und ihm Heilung versprochen hat - das nicht leisten kann, wenn Mütter ihre Kinder fressen...
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Seltsamerweise rasten die Schweine aus, als er ankommt. Ob es da irgendwie einen Zusammenhang gibt?
Ich denke, es gibt keinen Zusammenhang, stimme aber mit dir bei der Schlüsselszene überein. Ich befürchte nämlich, die Inselbewohner machen sein Auftauchen für die schlimmen Szenen mitverantwortlich.
 

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Ich befürchte nämlich, die Inselbewohner machen sein Auftauchen für die schlimmen Szenen mitverantwortlich.
Das ist ein Ansatz der mir aus der "Soziologie des Fremden" bekannt ist. Dort wird der Fremde auch oft als Eindringling aufgefasst, der die Ordnung durcheinanderbringt. Im Zweifelsfall muss der Fremde dann als Sündenbock herhalten, wenn Vorgänge außer Kontrolle geraten.
 

Literaturhexle

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Zumindest glaube ich, dass die Szene Symbolcharakter hat.
Das hat sie. Aber anders;)
Ich hatte es so verstanden, dass es ihn retraumatisiert:

"Der Abgrund hat sich aufgetan. Was für einer?
Der Anblick dieses Sinnlosen brachte das Überspannte in ihm zum Reißen. In diesem Moment. Das war der letzte Anstoß, den er noch brauchte, um den Halt restlos zu verlieren. Das Verwundete in ihm verkraftete das nicht." (S. 57)


Ich erwarte, dass Andreas jetzt unberechenbar wird.
Sehr gut beobachtet!
dass also die Inselbewohner Jagd auf Andreas machen und sich diese Jagd in einem Blutrausch entlädt.
Und dann müsste der Auslöser etwas Sexuelles sein
Interessant dieser Zusammenhang. Was ihr immer alles seht! Da wäre ich nicht drauf gekommen.
Hilft nur Weiterlesen...
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Puh, es ist schon eine bedrückende Atmosphäre die wir da erleben, ich fühlte mich fast anwesend im Schweinestall. Für mich ist es das erste Buch des Autors, daher kann ich keine Vergleiche ziehen. Ich frage mich die ganze Zeit was Andreas auf die Insel zieht? Eigentlich würde ich davon ausgehen, dass er einfach nur die Ruhe sucht, die man ja auf so einer Insel erwarten würde, aber ich denke es steckt mehr dahinter. Oder es ist sogar so, dass er nur dem Alltag entfliehen möchte, und er wird nun in schicksalshafte Ereignisse katapultiert, wie hier ja einige schon vermuten. Das der Fremde für die schrecklichen Dinge verantwortlich gemacht wird, wäre ja nicht neu.
Ich lese mit Spannung, habe aber noch sehr viele Fragezeichen im Kopf
 

Sassenach123

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Vor allem die rote, viel zu große Scheune, scheint hier im Mittelpunkt zu stehen. Prächtig und die beiden Parteien auf dem Hof vereinend.
Ja, aber sie wirkt auf mich auch ein wenig Unheil bringend. Sie war teuer, man habe sich verkalkuliert, und auch Rolv scheint so seine Probleme damit zu haben, dass darüber getratscht wird.
Beide erkennen den anderen, tun aber so als würden sie sich nicht kennen.
Wahrscheinlich wollen sie diese Wunden gar nicht wieder aufreißen, sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen. Ist es Zufall das Andreas sich gerade diese Insel aussucht? Oder wusste er, dass er dort einen Leidensgenossen finden könnte? Es wirkte ja eher zufällig, aber bei dem wenigen was ich bisher gelesen habe, traue ich dem Autor durchaus zu, dass da mehr hinter steckt
Und dann bricht das Unglück gleich mehrfach herein mit der Raserei der beiden Muttersauen und Vesaas setzt noch eins drauf: die dritte Muttersau frisst ihre gerade geworfenen Ferkel. Furchtbar beschrieben, schrecklich, entsetzlich, der Horror.
Auch wenn die Tiere sonst eher friedlich sind, ist der Mutterinstinkt noch starkausgeprägt und das Schicksal nimmt seinen Lauf, hätte man sicher anders lösen müssen die Beschneidung. Nicht nur das es furchtbar war dies mitzuerleben, wird es auch ein großer Verlust für die Familie sein die Tiere verloren zu haben.
Sie roden unterhalb des Li-Hofes, aber müssen es deshalb wirklich die beiden sein? Ist Rolv zu dieser Zeit nicht mit Else zusammen?
Da bin ich auch etwas verwirrt, teilweise muss man sehr gut aufpassen von wem die Rede ist.
Ich hatte es so verstanden, dass die Muttersäue ausrasten, als sie ihre Ferkel quieken hören. Und die Jungsau frisst ihre Ferkel, als sie die randalierenden Muttersäue hört.
So habe ich das auch verstanden, für mich übrigens eine sehr nachvollziehbare Handlung der Tiere, sie hatten halt Angst um ihre Jungen
 

Federfee

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Er führte dazu, dass ich die Szenen mit Andreas auch ein zweites Mal las.
Das habe ich auch gemacht und war erschreckt, was ich überlesen hatte, z.B. 'verletzlich durch alles, was ihm begegnete' (17). Aber vielleicht versteht man das auch besser, wenn man mehr weiß und umgekehrt. Kein Wunder, dass es ihn 'umhaut', zerreißt, als er sieht, wie die Mutter ihr Kind (ihre Kinder) frisst (57). Das ist sicher schon für gefestigte Menschen schrecklich zu sehen, aber wenn man labil und traumatisiert ist, muss es verheerend wirken.
 

Federfee

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Seltsamerweise rasten die Schweine aus, als er ankommt. Ob es da irgendwie einen Zusammenhang gibt?
Ich sehe es anders: die rasten aus, weil sie ihre Ferkel quieken hören, die gerade kastriert werden und das löst ihre animalischen Triebe aus, ihren Wildtierhintergrund. Und die Muttersau, die ihre Jungen frisst, ist durch das allgemeine Chaos aus dem Lot geraten. Ich glaube nicht, dass es etwas mit Andreas zu tun hat. aber leider wirft es ihn aus der Bahn, das alles mit anzusehen, wo er doch Ruhe und Frieden suchte.
 

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Ich sehe es anders: die rasten aus, weil sie ihre Ferkel quieken hören, die gerade kastriert werden und das löst ihre animalischen Triebe aus, ihren Wildtierhintergrund. Und die Muttersau, die ihre Jungen frisst, ist durch das allgemeine Chaos aus dem Lot geraten. Ich glaube nicht, dass es etwas mit Andreas zu tun hat. aber leider wirft es ihn aus der Bahn, das alles mit anzusehen, wo er doch Ruhe und Frieden suchte.
Inzwischen sehe ich das auch eher so. Hatte es in einer Buchbesprechung andersrum gehört und war anfänglich daher für eine andere Interpretation empfänglich.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ihr seid so schnell :eek:. Ich habe den 1. Abschnitt zum größten Teil zwei Mal gelesen; daher hinke ich hier hinterher.
Was ich merke, ist, dass man Konzentration für die Bücher von Herrn Vesaas braucht. Es ist kein Roman zum wegsuchten im Bus oder mit Musik auf den Ohren.
Fasziniert bin ich von der scheinbaren Leichtigkeit des Autors, den Leser:innen Gegensätze um die Ohren zu knallen wie z. B. die Schönheit der Natur auf der Insel und im Gegensatz dazu der dreckige und stinkende Schweinekoben. Oder die "Leichtigkeit des Lebens" auf der einen Seite mit dem "Recht" auf Pause und Bier trinken und die andere Seite mit den rodenden Männern.
Doch am stärksten ist diese bedrohliche Atmosphäre über der Insel, die am Ende des 1. Abschnittes im Ferkelfressen förmlich "explodiert" - ich hab jetzt noch Gänsehaut ob der plastischen Beschreibung. Ich werde also weiterhin etwas langsam, aber mit Begeisterung weiterlesen. :cool:
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Ich habe den 1. Abschnitt zum größten Teil zwei Mal gelesen
Ich habe das meiste auch zweimal gelesen und weitere bedeutsame Sätze entdeckt, die man vielleicht zuerst nicht beachtet, weil sie so einfach und leicht klingen. Wie macht Vesaas das bloß, ihnen so viel Schwere zu geben, die man auf den ersten Blick vielleicht nicht sieht?
Fasziniert bin ich von der scheinbaren Leichtigkeit des Autors, den Leser:innen Gegensätze um die Ohren zu knallen wie z. B. die Schönheit der Natur auf der Insel und im Gegensatz dazu der dreckige und stinkende Schweinekoben. Oder die "Leichtigkeit des Lebens" auf der einen Seite mit dem "Recht" auf Pause und Bier trinken und die andere Seite mit den rodenden Männern.
Ja, es ist unglaublich, wie er das macht. Mich spricht diese Art zu schreiben sehr an, wenn ich als Leserin selber nach Bedeutung suchen kann (und auch finde).