FAZIT und Nachwort "Gentleman über Bord"

Literaturhexle

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2. April 2017
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49
Wie hat euch der Roman als Ganzes gefallen? Welche Erkenntnisse bringt das Nachwort von Jochen Schimmang?

Bitte schreibt ein spontanes Fazit in ein paar Sätzen.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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1.502
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Das Nachwort ist sehr informativ und erklärt weitere Umstände. Schimmang verdeutlicht das Anliegen des Autors.
Besonders gelungen ist die bis zum Schluss gehaltene Spannung. Meine Empfehlung hat das Buch!
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Ein Kleinod ist dieser Roman. Klein, aber fein und so geschickt sprachlich, literarisch gestaltet, dass er eine ungemeine Tiefe entwickelt. Ein existentieller Ansatz, der hier auf relativ wenigen Seiten überzeugend und packend abgehandelt wird.
Irgendwie fühlte ich mich zwischendurch immer wieder an Hemingways "Der alte Mann und das Meer" erinnert. In kleiner Form gestaltet schildern beide eine existentielle Situation auf dem Meer. Dass ich diesen Vergleich ziehe, zeigt vielleicht schon die Ehrfurcht, die mir diese literarische Leistung von Lewis einflößt. Chapeau! Ich werde in meiner Rezension für dieses literarische Kleinod bestimmt auf die volle Punktzahl kommen: 5 STERNE!
 

Federfee

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13. Januar 2023
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8.233
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Er hätte allerdings auch nicht länger sein dürfen. Das Nachwort fand ich nur teilweise gut; die Lebensumstände des Autors zu erfahren ist immer hilfreich und informativ; eine Auslegung des Romans würde ich doch lieber unbevormundet vornehmen.
Anfangs dachte ich: in diesem Buch möchte ich länger schwelgen, aber zum Schluss war es mir genug mit seinem Todeskampf und es war mir auch genug mit den unerbittlichen Reaktionen der Menschen auf der Arabella.
Das Nachwort fand ich auch nur teilweise gut.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Mir hat es sehr gut gefallen: die Schilderung der Charaktere, die Gedanken von Standish, die Beschreibung seiner letzten Minuten - das war schon großartig in Gedanken und in Sprache, nicht so karg wie Hemingway, aber auch nicht überladen.

Dass Standish erst zum Schluss zur Einsicht kommt, dass er sein bisheriges Leben nicht genug geschätzt hat, ist nichts Neues. Aber wahrscheinlich kann man das nicht oft genug lesen; man vergisst es so leicht...

Das Nachwort fand ich nur teilweise gut; er hat mir an manchen Stellen 'das Wort aus dem Mund genommen' und 'Spiegel der amerikanischen Gesellschaft der 30er fand ich zu eng gesehen. Für mich waren die Reaktionen der Menschen auf der Arabella zeitlos, typisch. Insofern ist das tatsächlich ein Klassiker.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Ich finde den Roman und das Nachwort sehr gelungen. Mit leiser Ironie, aber auch Empathie ist es Lewis gelungen, die mentale Krise des Protagonisten und seinen Umgang damit darzustellen und einen Einblick in die amerikanische Gesellschaft der 30er Jahre zu geben. Mir gefällt auch die Länge des Romans, ich bin ein Fan dünner Bücher.
Und wie der Titel sagt und auch schon das Ende vermuten lässt: Einem GENTLEMAN passiert so etwas nicht. 5 Sterne
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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49.155
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Ich habe den Roman sehr gerne gelesen,konnte aber erst im letzten LA erst richtig in eure Begeisterung einstimmen.

Die Entwicklung und die Gedanken des Protagonisten haben mich fasziniert. Als die Arabella erst nach über 10 Stunden das Fehlen Standishs registriert und 13 braucht um umzukehren - da war mir klar: das gibt nichts mit der Rettung.

Die privilegierte Gesellschaft der Zeit wird vorgeführt. Sie ähnelt aber der unseren so sehr, dass ich den Roman als absolut zeitlos betrachte. Wie schnell und empathielos sich Gerüchte über mögliche Gründe für den vermeintlichen Suizid finden lassen, das erinnert an das Tempo sozialer Medien;)

Das Nachwort hat mir sehr gut gefallen. Die Deutung entspricht weitgehend meiner eigenen. Schimmang hat sich vom Geschriebenen leiten lassen und dem Buch keine ideologische Interpretation aufgedrückt.

Die ersten zwei Abschnitte hatten für mich rund 4 Sterne, aber der letzte war locker bei 5, so dass ich aufrunden werde. Tolles außergewöhnliches Buch, dessen Ausstattung Leserherzen höher schlagen lässt (ich hatte gestern das HC in der Hand:)).
 

Lesehorizont

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29. März 2022
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Mainz
Auch nach ein paar Tagen noch hält sich meine Begeisterung.
Ich fand die Geschichte sehr ergreifend. Der Überlebenskampf, die Kleinheit des Menschen in Relation zur Natur, gar zum Universum - all das wird sehr deutlich und atmosphärisch transportiert.
Man kann denke ich nun darüber diskutieren, ob nicht allein die Fokussierung auf den Gentleman genug Stoff für den Roman hergegeben hätte. Dennoch kann ich aber auch dem Geschehen auf dem Schiff Einiges abgewinnen.
So oder so: ein kleiner, aber sehr feiner Roman. Für mich vielleicht sogar ein Lebenshighlight.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ich kann mich der allgemeinen Begeisterung vorbehaltlos anschließen. Das trotz der unerbittlichen Lage mit augenzwinkerndem Humor unterlegte "dahintreiben" von Standish ist grandios gezeichnet, ebenso die "Moral" der restlichen Passagiere der Arabella.
Das Nachwort fand ich okay; mich hat es nicht gestört, dass Schimmang uns "seine" Interpretation geliefert hat - hier bin ich bei @Literaturhexle dass sie mit meinen eigenen Deutungen übereinstimmt.
Von mir wird es definitiv auch 5* geben und die gebundene Ausgabe schon so gut wie gekauft. Solche Perlen MÜSSEN im Regal stehen! :cool:
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Wie gut, dass es hier mehrere Verrückte gibt und man sich stets in guter Gesellschaft befindet. Diese mare Klassikerausgaben sind aber auch echte Schmuckstücke :joy
Absolut. Darum gebe ich auch mein Exemplar von
Buchinformationen und Rezensionen zu Deephaven von Sarah Orne Jewett
Kaufen >
nicht mehr her :cool:.
 

Renie

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19. Mai 2014
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Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Kaum zu glauben, wieviel in 150 Seiten stecken kann. Sprachlich und stilistisch ist dieser Roman ein kleines Wunderwerk. Der Stimmungsverlauf vom amüsanten Anfang bis zum tragischen Ende ist mitreißend. Mit nachlassendem Optimismus des Gentleman und steigender Verzweiflung kippte auch die Stimmung bei mir. Ich wurde immer nachdenklicher und versuchte mich auf die Gedankenspiele von Mr. Standish, was sein bzw. das menschliche Dasein betrifft, einzulassen - was mir aber nicht leicht gefallen ist, weil ich mich dabei sehr unbehaglich gefühlt habe. Also: alles in allem ein sehr intensives Leseerlebnis mit philosophischem Ausmaß ... und das auf 150 Seiten.

Das Nachwort besteht aus 2 Teilen. Teil 1 liefert Interpretationsansätze und somit eine Lesart dieses Romanes. Ich bin da immer skeptisch und betrachte diese Ausführungen als eine von vielen Möglichkeiten - je nach Leser. Natürlich ist es interessant andere Meinungen zu hören, die ich aber nie als Maßstab betrachte, sondern als eine von vielen Möglichkeiten.
Teil 2 war für mich viel interessanter: da Mr. Lewis für mich ein Unbekannter war, hat mir gefallen, ihn näher kennenzulernen, genauso wie die aufgezeigten Parallelen zwischen ihm und seinem Mr. Standish.
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Mit nachlassendem Optimismus des Gentleman und steigender Verzweiflung kippte auch die Stimmung bei mir. Ich wurde immer nachdenklicher und versuchte mich auf die Gedankenspiele von Mr. Standish, was sein bzw. das menschliche Dasein betrifft, einzulassen - was mir aber nicht leicht gefallen ist, weil ich mich dabei sehr unbehaglich gefühlt habe.
Mir erging es ähnlich - ein intensives, dabei aber durchaus auch unbequemes Leseerlebnis, auch was die Gerüchte über den so selbstverständlich vermuteten Selbstmord anbelangt. Selbst wenn Standish gerettet worden wäre, hätte er diese Gerüchte vermutlich kaum entkräften können... Nur tröstlich, dass er selbst nicht auf den Gedanken kam, dass dem so sein könnte und dass seine Frau nun die Nachricht von seinem vermeintlich freiwilligen Ableben erhalten wird. Von wegen "Held"...
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Ich erkenne die Kunstfertigkeit des Autors an, Gesellschaftsportrait und existenzialistische Betrachtungen auf so wenigen Seiten überzeugend zu präsentieren. Trotzdem habe ich mich mit dem Kurzroman nicht immer wohlgefühlt, v.a. gegen Ende hin. Ja, ein Happy End hätte nicht gepasst, und letztlich kann es Standish ja auch egal sein, wer was von ihm nach seinem Ableben denken mag. Aber Eigenwahrnehmung (er wird unüberbrückbare Lücken in seinem Umkreis hinterlassen und hätte eigentlich noch Heldengesichten zu erzählen) und Fremdwahrnehmung (Standish als unglücklicher Mann, der in den Selbstmord getrieben wurde) klaffen hier wohl deutlich auseinander. Neben dem zeitweiligen Unbehagen beim Lesen störte mich auch die Distanz zum Geschehen, die ich einfach nicht überbrücken konnte. Ich war eher neugierig auf das Ende denn das es mich betroffen machen konnte... Emotional blieb ich hier eher gleichgültig, was vermutlich in der Absicht des Autors lag, was mich aber doch störte. Von mir wird es daher 4 gute Sterne geben...