Ich finde, dass die Figur in diesem Abschnitt durchaus eine Entwicklung durchmacht - in Richtung Abgrund. Allerdings nicht der Roman selbst, der sich stets desselben Mittels bedient: der permanenten Rastlosigkeit und des Hungers des Ich-Erzählers.dass es im Verlauf noch eine Entwicklung unseres Protagonisten geben wird.
Eigentlich lässt er diese Würde ja schon Stück für Stück sterben, indem er bettelt. Allerdings erfolglos, da irgendwie halbherzig. Ich kann mir gut vorstellen, dass er am Ende des Romans dadurch den Tod finden wird.und statt fast zu sterben, doch Hilfe zu bekommen.
Ja, mich reibt das auch irgendwie auf. Man leidet mit, sieht die Rettung - und rums, hat er sie wieder in den Wind geschlagen.Der Protagonist "nervt" mich in seinen wiederholten Dummheiten
Das ihm einfach nur im Weg steht. Wenn es einem RICHTIG dreckig geht, geht es meines Erachtens nur noch um Erfüllung der Grundbedürfnisse.gleichzeitig zeigt sich aber auch sein überhöhtes Ehrgefühl
Ja. Ich habe das Grundproblem jetzt auch verstanden und brauche nicht noch weitere 20 Beispieleund eine weitere Entwicklung der Figur, vor allem aber des Romans.
Das hast du so was von herrlich ausgedrückt! Genau das ist unser Erzähler: ein perfekter Hungerkünstler!Er kann hungern. Aber ihm fehlt komplett die Kompetenz, sich zu ernähren.
Genau das entspricht auch meiner Gefühlslage. Es macht einen nervös. Man möchte eingreifen - und kann es nichtMich hat es beim Lesen dieses Buches immer furchtbar nervös gemacht, dass der Erzähler jede Gelegenheit, seine Lage zu verbessern, fahren lässt,
Tatsächlich ist es bei dieser Personengruppe eher so, dass das Hungergefühl nur eine Mittlerfunktion hat, denn letztlich nehmen sie durch das Hungergefühl (die Wahrnehmung von Hungersymptomen) ein Gefühl von Kontrolle wahr. Und Kontrolle ist für viele von ihnen das Wichtigste.Es soll Leute geben, die süchtig sind nach dem Hungergefühl. Anorektiker, die den Hunger brauchen wie eine Droge.
Das ihm einfach nur im Weg steht. Wenn es einem RICHTIG dreckig geht, geht es meines Erachtens nur noch um Erfüllung der Grundbedürfnisse.
Die Frage des Stalljungen nach Geld nimmt er als Beweis, dass er noch nicht ganz heruntergekommen aussieht.Den Begriff aus dem ersten LA von der "inneren Würde" finde ich passend, und gleichzeitig zeigt sich aber auch sein überhöhtes Ehrgefühl als der Stalljunge ihn nach fünf Kronen fragt, bover er ihn selbst nach einer Krone fragen kann. Ganz überzogen glücklich wirft er sich aufs Bett und meint: "Was für ein Schweineglück, dass er zu mir gekommen war! Meine Ehre war gerettet." Er begreift immer noch nicht, dass er weniger auf seine Ehre als vielmehr auf sein Überleben achten sollte. Hätte er Geld, Besitz und schicke Kleidung, kann ich ihn mir richtig als eleganten Gentleman vorstellen. Aber wahrscheinlich wäre er das nur für eine Woche, bis er all sein Geld und Hab und Gut mal wieder weggegeben hätte...
Insofern ist das Buch sehr aktuell. Auch bei uns gibt es Menschen, die nicht um Hilfe bitten können oder wollen, die nicht zum Sozialamt gehen oder zur Tafel, obwohl sie es bitter nötig hätten.Das ihm einfach nur im Weg steht. Wenn es einem RICHTIG dreckig geht, geht es meines Erachtens nur noch um Erfüllung der Grundbedürfnisse.
Gibt es zweifellos, ich hoffe aber es ist die Minderheit.Auch bei uns gibt es Menschen, die nicht um Hilfe bitten können oder wollen, die nicht zum Sozialamt gehen oder zur Tafel, obwohl sie es bitter nötig hätten.
Nein nein, ich habe es genauso verstanden. Scheinbar gab es im Rathaus sowohl Arrestzellen für Verbrecher aber auch Zellen, die für Obdachlose "reserviert" waren. Und ich hatte es schon so gelesen, dass die Tür abgeschlossen, wenngleich sie auch morgens wieder aufgeschlossen, wurde. Es scheint generell der Polizei lieber gewesen zu sein, die Obdachlosen von der Straße zu bekommen. So wird der Erzähler ja auch immer mal wieder von einem Wachtmeister angesprochen, wenn er in der Öffentlichkeit sitzend einschläft. Erst hatte ich die Befürchtung, dass er vielleicht tatsächlich verhaftet wird, weil eventuell Obdachlosigkeit damals in Oslo verboten war. Aber es scheint wirklich eine Fürsorgemaßnahme der Stadt gewesen zu sein. Auch wenn wir unter Fürsorge heutzutage natürlich etwas anderes verstehen, als jemanden nachts in eine Zelle zu packen. Trotzdem ist es mehr, als ich erwartet hätte für die Zeit.Hab ich das eigentlich richtig verstanden, dass er eine Nacht in einer Zelle geschlafen hat? Waren Obdachlosenasyle damals im Knast? Ich werde auch schon verwirrt... Wobei: er war ja nicht eingesperrt und im Kloster schläft man auch in Zellen. Vergesst es. Ich habe Hunger und rede wirres Zeug...
An diese Möglichkeit hatte ich auch schon gedacht. Ich habe auch das Gefühl, dass es zu der Zeit eine Sperrstunde gab; das ist mir schon häufiger in historischen Romanen so ergangen...Aber danke für deine Stellungnahme - dann ist ja doch noch nicht alles verloren bei mir ha ha ha.Obdachlosigkeit damals in Oslo verboten war.
Mich "nervt" er durchaus in einem negativeren Sinn. Muss man das verstehen? Es gibt eine absurde Situation nach der anderen, und ständig tut er so, als ob alles doch gar nicht so schlimm sei...Der Protagonist "nervt" mich in seinen wiederholten Dummheiten aus dem Hunger heraus. Das ist gar nicht mal so negativ gemeint, wie es vielleicht klingt. Bisher bin ich noch der Meinung, dass es ein literarisches Können des Autors ist, in mir diese "Genervtheit" oder nennen wir es auch „Ungeduld mit dem Protagonisten“ zu evozieren. Hoffentlich macht er daraus aber auch etwas.
Er muss tatsächlich zu seinem Glück "gezwungen" werden, so wie bei der letzten Begegnung in diesem Abschnitt, als schon gar keine Hoffnung mehr bestand...Es reiht sich eine "Dummheit" an die nächste. Nie kann ihm geholfen werden, wenn er immer seine Ehre wahren will. Ich denke, ab einem bestimmten Punkt des Hungers sollte er so verweifelt sein, um endlich diese äußerliche Würde fahren zu lassen und statt fast zu sterben, doch Hilfe zu bekommen.
Diese negative Einfärbung kam er in den folgenden Leseabschnitten bei mir dazu...Mich "nervt" er durchaus in einem negativeren Sinn. Muss man das verstehen? Es gibt eine absurde Situation nach der anderen, und ständig tut er so, als ob alles doch gar nicht so schlimm sei...
Lustig fand ich den Roman tatsächlich auch nie. Vielleicht nicht ganz so schwer erzählt, wie man es erwarten würde von einem Roman über langanhaltenden Hunger? Passt das besser?Aber hinreißend lustig?