Rezension (3/5*) zu Stella Maris von Cormac McCarthy

Naibenak

Bekanntes Mitglied
2. August 2021
1.208
5.302
49
Buchinformationen und Rezensionen zu Stella Maris von Cormac McCarthy
Kaufen >
Großes Kino, aber sehr anstrengend

Eine junge Frau, Alicia, 20 Jahre alt, weist sich zu Beginn der 1970er Jahre wiederholt selbst ein. Diesmal erneut in die Psychiatrie "Stella Maris" in Wisconsin, wo sie einige Patient/innen wiedersehen möchte. Aufgrund von anhaltenden Halluzinationen und insbesondere, weil eine Selbstmordgefährdung diagnostiziert wird, bekommt sie psychotherapeutische Gespräche. Diese Sitzungen mit Dr. Cohen werden aufgezeichnet. Wir als Leser/innen sitzen quasi nun vor dem Aufnahmegerät und hören uns die Sitzungen an - so macht es jedenfalls den Eindruck, denn der gesamte Roman ist als ein einziger Dialog aufgebaut, in sieben Sitzungen mit Alicia und dem Arzt.

In diesen großartig aufgebauten Gesprächen kommen wir der Patientin näher. Die hochbegabte Mathematikerin berichtet über die Erscheinungen, sie erzählt von ihrer -aufgrund ihrer Hochbegabung- schwierigen Kindheit, von den Eltern, der Großmutter und dem Bruder. Ganz besonders oft verfällt sie aber auch in ausschweifende Monologe über ihr liebstes Thema: die Mathematik. Aber auch über physikalische und philosophische Themen gibt es seitenlange Diskurse, über Wahrnehmung und Realität beispielsweise. Und da gerate ich mit meinem Verständnis an meine geistigen Grenzen. Leider sind diese Themen so hochkomplex, dass ich -ebenso wie der Arzt im übrigen- überfordert bin. Das (Weiter-)Lesen ist mir streckenweise sehr schwer gefallen.

Bei alledem wird aber eines mehr als deutlich: es lebt sich nicht unbedingt gut mit einem nimmermüden, hochintelligenten Kopf. Als Frau unter fast ausschließlich Männern zur damaligen Zeit. Es ist schwer sich im "normalen" Leben zu arrangieren und Gleichgesinnte zu finden. Alicia verzweifelt an so vielem und ist am Ende lebensmüde. Tragisch.

Die letzten Sätze erst haben mich im Nachhinein den Sinn/ das Ziel des Romanes erkennen lassen. Ich bin durchaus beeindruckt. Ein absolut toll konstruiertes, sprachlich besonderes Werk. Aufgrund der genannten komplexen Monologe über hochwissenschaftliche Themen, die kaum jemand verstehen wird und die m.M.n. sicherlich etwas kürzer hätten ausfallen können, muss ich aber Punkte abziehen. Es hat meinen Lesegenuss sehr geschmälert.

Dennoch: nicht übel, was McCarthy im so hohen Alter hier geschaffen hat! Hut ab!


von: Doris Knecht
von: Joachim B. Schmidt
von: Lize Spit