Bei mir kommt zur Verwirrung über die vielen Seitenwechsel des Vaters noch hinzu, dass ich nicht jede Gruppierung, über die hier zu lesen ist, wirklich einordnen kann. Dazu ist mir die Geschichte Frankreichs dieser Zeit einfach nicht bekannt genug. Schade!Alles, was du behauptet hattest, war falsch und alles, was du erzählt hattest, war wahr.
Genau daran musste ich auch denken während der Lektüre. Dass der alte Vater sich durch Tricksereien Zutritt zum Gericht verschafft: das ist nachvollziehbar. Er hat Lebenserfahrung im Tricksen gesammelt und nutzt sie. Aber ein 22Jähriger, der aus der wievielten Klasse 5. (?) aus der Schule ist und jetzt wie ein Schachspieler vorausdenkt, dass er Zeugen braucht, falls er vor ein Gericht gestellt wird? Das ist die Deutung des Sohnes. Vielleicht war es noch ganz anders. Ich bereite mich für den letzten Leseabschnitt auf alles vor. Hier kann die Geschichte des Vaters noch wieder in eine ganz andere Richtung kippen, eine neue Interpretation bekommen.Der Erzähler bezeichnet dies als "Lebensversicherung" (S. 197), um sozusagen schon für eine geringere Strafe vorzuplanen. Aber ist das wirklich plausibel? Es wird oft betont, wie ungebildet der Vater sei. Denkt ein solcher Mensch so umfassend voraus? Natürlich hat er eine gewisse Bauernschläue, aber reicht die für solche Handlungen aus?
Gute Frage. Vielleicht hat strategisches Planen in dieser Hinsicht wenig mit Klugheit und einem scharfen Verstand zu tun? Vielleicht ist es das 'Böse', was hier der Phantasie keine Grenzen setzt??? Ich weiß es nicht.Denkt ein solcher Mensch so umfassend voraus? Natürlich hat er eine gewisse Bauernschläue, aber reicht die für solche Handlungen aus?
Umso trauriger, wenn man bedenkt, dass solche Vorfälle für viele, viel zu viele Menschen Realität waren.Beeindruckt hat mich der Kontrast zwischen seiner Geschichte und den Schilderungen vor Gericht. Denen von Lise, aber vor allem die unglaublich traurige Geschichte mit dem roten Pullover
Das könnte ich mir auch sehr gut vorstellen. Dann folgt im letzten Abschnitt möglicherweise auch noch ein richtiger Paukenschlag...Das ist die Deutung des Sohnes.
Da bin ich ganz bei Dir. Ich finde den Roman auch sehr gut konstruiert.Gerade die Parallelität der Gerichtsverhandlung um Barbie und das Erarbeiten des Wissens aus den Akten finde ich unglaublich gut komponiert. Das macht für mich den besonderen Reiz dieses Buches aus.
Ich glaube nicht, dass der Vater planvoll vorgegangen ist, und auch nicht, dass er eine Gesinnung hatte. Er wollte schlicht immer auf der Seite der Gewinner stehen, und das möglichst ohne Anstrengung und Gefahr. Dass er Barbie noch immer so bewundert, passt in dieses Bild. Er sieht ihn als Helden, die Opfer als Verlierer, zu denen er nie gehören wollte.Überrascht hat mich die Wendung, dass Jean seinen Opportunismus nutzt, um etwas Gutes zu tun, um Leben zu retten. Der Erzähler bezeichnet dies als "Lebensversicherung" (S. 197), um sozusagen schon für eine geringere Strafe vorzuplanen. Aber ist das wirklich plausibel? Es wird oft betont, wie ungebildet der Vater sei. Denkt ein solcher Mensch so umfassend voraus? Natürlich hat er eine gewisse Bauernschläue, aber reicht die für solche Handlungen aus?
Ja, oder? Das kann man verurteilen, aber "Stratege" passt in meinen Augen sehr gut. Findest du nicht auch, dass diese strategischen Ausrichtungen nicht konform gehen mit der Meinung des Erzählers, sein Vater sei völlig untalentiert und zu nichts zu gebrauchen?Im Moment scheint der Vater ja ein Stratege zu sein, der vorausschauend geplant hat, um ggfs. eim mildes Urteil zu erhalten.
Auf den ersten Blick scheint es so. Aber da schwelt ja auch ein gewaltiger Vater-Sohn Konflikt. Wie verlässlich da der Eindruck des Sohnes ist, gilt es abzuwarten. Ich bin jedenfalls sehr auf den Ausgang gespannt. Ich denke, ich werde den letzten Abschnitt heute Abend lesen.Ja, oder? Das kann man verurteilen, aber "Stratege" passt in meinen Augen sehr gut. Findest du nicht auch, dass diese strategischen Ausrichtungen nicht konform gehen mit der Meinung des Erzählers, sein Vater sei völlig untalentiert und zu nichts zu gebrauchen?
Der ist ähnlich einprägsam wie der rote Mantel im Film Schindlers Liste. Er wird mir im Gedächtnis bleiben, wenn ich später erneut über das Buch spreche wird die Geschichte hängengeblieben sein, auch wenn ich sonst einiges vergessen haben werde, da bin ich mir jetzt schon sicher.aber vor allem die unglaublich traurige Geschichte mit dem roten Pullover.
Stimmt, die Mutter hat im Grunde keine Anerkennung bekommen, weder in der Ehe, noch im Beruf. Das wird sehr deutlich bei dem kargen Abschied, mit einer Salatschüssel zum Dank für die vielen Jahre, auch ihrem Sohn geht es nah. Wobei ich auch nicht unbedingt das Gefühl habe, dass er seine Mutter oft besucht, was wohl am angespannten Verhältnis zum Vater lügen dürfte…..Ich finde das Kapitel mit dem Abschied der Mutter
Ich befürchte auch, dass es solche Beziehungen in den 1950er-Jahren zuhauf gab. Wenn der Mann tatsächlich zumindest physisch lebendig aus dem Krieg zurückkehrte, war er oft so traumatisiert, dass nicht selten Frau und Kinder darunter leiden mussten. Ich habe schon sehr oft solche Bücher gelesen.Als hätten sie Mutter Chalandon beschrieben. Was natürlich auch eine Frage der Epoche ist, es geht in beiden Fällen um die 1950er Jahre.
Das empfinde ich sehr ähnlich und das ist auch mein Kritikpunkt am Roman. Der Autor hat seine Distanz verloren, er will uns jeden Schritt (und jedes Schrittchen) seines Vaters akribisch aufzeigen und belegen. Das ermüdet, zumal einem die einzelnen französischen Gruppierungen nicht vertraut sind (trotz Glossar). Die ganze Kriegsvita des Vaters hätte gern kürzer ausfallen dürfen, die Grundzüge hätten mir persönlich ausgereicht, um das Dilemma zu zeigen, dass der Sohn hat. Diese langen Passagen haben mich ermüdet. Zum Glück stachen dann immer mal wieder zusammenfassende Sätze heraus, die mich wieder erwachen ließenSo ist der 3. LA gegenüber den ersten beiden zugegebenermaßen deutlich weniger interessant für mich
Schwer vorstellbar. Aber schwere Zeiten lassen Menschen immens schnell reifen, man darf einen 22-jährigen in Kriegs- und Spannungszeiten nicht mit einem aus unserer Wohlstandsgesellschaft vergleichen. Außerdem braucht man für Bauernschläue und Hochstaplerei nicht unbedingt ein Abitur. Es ist der Charakter dieses Mannes, der Überlebenswillen. Und auch die Tatsache, dass er auf der Seite der Stärkeren, der Gewinner, stehen will.Aber ein 22Jähriger, der aus der wievielten Klasse 5. (?) aus der Schule ist und jetzt wie ein Schachspieler vorausdenkt, dass er Zeugen braucht
Genau das ist das große Plus auch in meinen Augen: die Verzahnung dieser beiden "Prozesse".Gerade die Parallelität der Gerichtsverhandlung um Barbie und das Erarbeiten des Wissens aus den Akten finde ich unglaublich gut komponiert.
Danke. Das will ich auch sagen. Ein Mensch ohne wirklichen politischen Standpunkt, ein Wendehals.wollte schlicht immer auf der Seite der Gewinner stehen, und das möglichst ohne Anstrengung und Gefahr
Richtig! Daran musste ich auch denken. Die Verbitterung des Sohnes ist schon riesig. Hat er selbst kein Leben, um das er sich kümmern kann? Wanda schrieb heute in einem anderen Kontext: "Ab einem gewissen Alter spielt es keine Rolle mehr, was die Eltern gemacht haben."Aber da schwelt ja auch ein gewaltiger Vater-Sohn Konflikt. Wie verlässlich da der Eindruck des Sohnes ist, gilt es abzuwarten.
Genau. Meine VokabelBauernschläue
Da macht es sich der Sohn auch zu leicht. Mann kann sich mit Muttern auch auswärts treffen, wie hier geschehen. Allerdings sind das Vermutungen. Die Mutter ist nicht das Thema des Romans.nicht unbedingt das Gefühl habe, dass er seine Mutter oft besucht, was wohl am angespannten Verhältnis zum Vater lügen dürfte…..
Ich glaube eher, dass er spontan gehandelt hat und erst im Nachhinein beschlossen hat, das zu seinem Vorteil zu nutzen.Der Erzähler bezeichnet dies als "Lebensversicherung" (S. 197), um sozusagen schon für eine geringere Strafe vorzuplanen. Aber ist das wirklich plausibel?
Gerade durch solche individuellen Schicksale bekommt das Grauen ein Gesicht. Man kann sich nicht Millionen Opfer vorstellen, das ist eine unfassbare Zahl, aber durch Geschichten Einzelner kann man ermessen, was passiert ist. Deshalb verstehe ich nie, wenn manche meinen, sie hätten nun genug gehört davon. Nein, jede Geschichte ist es wert, erzählt und nicht vergessen zu werden.Am berührendsten fand ich in diesem Abschnitt die Stelle, wo die Mutter an einem anderen Kind den Pullover ihres Sohnes wiedererkennt. Sie versucht sich an jegliche Hoffnung zu klammern - wider aller Wahrscheinlichkeit. Schlimm!
Ich habe schon soo viel über diese Zeit gelsen, aber immer wieder bin ich tief erschüttert und kann das Geschehene einfach nicht begreifen - so unvorstellbar.
Solche Prozesse waren unglaublich belastend für die Opfer - nochmals alles wieder zu erleben, dem früheren Peiniger gegenüber zu stehen und der bleibt davon völlig unberührt.Es ist extrem schwer sich dem Schicksal dieser Menschen zu stellen. Alle sind gebrochen, haben eine tragische Geschichte zu erzählen und erleben dann den Angeklagten, der sich sogar vor Gericht aus der Affäre zieht indem er gar nicht erscheint, oder die Aussage verweigert.