3. Leseabschnitt: Kapitel 27 bis Ende (S. 195 bis Ende)

RuLeka

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30. Januar 2018
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Beinahe atemlos habe ich den letzten LA verschlungen. Was für eine Geschichte! Stoff für ein griechisches Drama! Ein paar Tage, eine Begegnung, die das Leben von drei Menschen unwiederbringlich verändern.

Welche Demütigung für Karin, bei der öffentlichen Lesung von ihrer Abtreibung zu hören. Dinge, die sie Sven anvertraut hat, präsentiert er hier, vor ihren Augen, einem Publikum.
Wie viele der Zuhörer werden vermutet haben, um welche Frau es hier geht?
Olof hat verstanden.

Durch das, was Alex Schulman hier herausfindet, ändert sich auch sein Bild vom Großvater. Der war nicht nur im höchsten Maße unhöflich und egozentrisch, sondern einfach böse.

Gleichzeitig ist er bei seinen Recherchen auf eine Liebesgeschichte gestoßen, wie man selten von einer liest. Absolut, tragisch, anrührend und, obwohl ( oder weil?) sie nicht gelebt werden konnte, ein Leben lang andauert.
Wunderschöne Liebesbriefe!

Her erfahren wir auch mehr über den Anfang der Beziehung zwischen Karin und Sven. Viele Gespräche und das Kräfteverhältnis ein anderes. Karin war diejenige, die gebildet war, von der Sven was lernen konnte.

Sven erpresst Karin moralisch, er würde sterben, wenn sie ihn verlässt und er droht ihr.
Karin verlässt der Mut. Und nach dem missglückten Mord- und Selbstmordversuch ist es für sie zu spät.
Sie träumt sich stattdessen in „ das Land, das nicht ist“.
Der eigene Großvater hat versucht, seine Frau umzubringen. „ Doch das misslang, und so brachte er sie Stück für Stück um, über Jahrzehnte hinweg.“

Am Schluss eine Erklärung für das Denken und Verhalten des Großvaters: das verlassene Kind. Auch hier liegen die Gründe in der Vergangenheit.

Für Alex scheint es Hoffnung zu geben. Er kann sich lösen von den Wurzeln und neu beginnen. Zumindest will er es, vereint mit seiner Frau, versuchen.

Was für eine Familiengesvhichte!
 

alasca

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13. Juni 2022
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Eine tragische Geschichte, zwei nicht gelebte Leben. Und aus was für Gründen! Das ist für mich äußerst schwer zu verstehen. Wie konnte sie bei diesem Mann bleiben - und sich Stück für Stück töten lassen?

Vor allem, wenn es diese Alternative für sie gab, sie wäre nicht allein gewesen, hätte nicht, auf sich gestellt, ein neues Leben anfangen müssen, nein, sie wäre von Anfang an gestützt worden. Die Pistole - warum hat sie sie nicht an sich genommen und weggeworfen?

Das Theaterstück, für das er ihre Abtreibung missbraucht hat - das geht über Vertrauensbruch noch weit hinaus, das ist sadistisch, das ist BÖSE. Und wurde zum Grund, sich von ihm zu trennen. Wie jämmerlich, sie mit seiner Krankheit emotional erpressen zu wollen. Ihm ins Gesicht zu lachen wäre dafür angemessen gewesen. Und sie geht auch trotzdem.

Dass sie überhaupt noch einmal mit ihm ins Auto gestiegen ist. Dann der Mord-/Selbstmordversuch.

Ich kann es mir nur so erklären, dass die Erfahrung des Mordversuchs sie gebrochen hat; dass sie dies als Folge ihres Ausbruchsversuchs wahrnahm und einfach nicht mehr die Kraft hatte, sich zu befreien. Sie war schwerst verletzt, Verbrennungen!, äußerst schmerzhaft, Hauttransplantationen, wochenlang im Krankenhaus... das macht was mit einem. Warum hat sie nicht die Wahrheit gesagt? Wahrscheinlich hätte man ihr nicht geglaubt. Dass der nette, brillante Stolpe versucht, sich und seine Frau umzubringen. Allerdings hätte man ja nur seine kranken Bücher lesen brauchen, um zu wissen, dass er nicht sauber tickt. Nur war damals Misogynie noch weit normaler als heute.

Die Episode in der Psychiatrie! Der schiere Horror. Gewalt pur.

Eine gebrochene Frau - aber auch das stimmt nicht ganz, denn Alex beschreibt sie als Frau mit geradem Rücken, mit Stolz und Selbstachtung.

Und dieser Unmensch hat, wenn er über den "Unfall" erzählt hat, was er offenbar gerne tat, immer nur von seinen Verletzungen gesprochen, als wäre sie gar nicht dabei gewesen. Ein derartiger Hass...

Ich komme trotzdem mit dieser Geschichte irgendwie nicht klar, alles kommt mir so VERMEIDBAR vor. Gut, es war eine andere Zeit, nicht so wie bei Dröschers Mutter, die sich in den 1980ern noch knechten ließ. Aber es gibt Parallelen.

Das einzig Gute: Alex´ findet in der enthüllten Familiengeschichte einen Ausgangspunkt für sich, etwas zu ändern.

Seufz.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Gut, es war eine andere Zeit
Vor 90 Jahren, da tickte die Welt noch ganz anders.
Sven hat sie ja schon vor der Begegnung mit Olof „ umerzogen“. Alles, was spontan und eigenständig war, hat er durch seine Reaktionen ganz subtil unterdrückt.
Kurz blüht die frühere Karin auf, um bald darauf noch mehr zu schrumpfen. Sie hatte auch, begründet, Todesangst vor ihm, fürchtete nicht nur um ihr Leben, sondern auch um das von Olof.
 

RuLeka

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wal.li

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Ich hatte so ähnliche Gedanken und Empfindungen wie ihr beim Lesen. Auch ich habe nach Bildern gesucht. Die sprechen echt Bände. Hoffentlich kommt Alex auf dem Weg, die Wut zu überwinden, gut voran.
 

alasca

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Gast
So ein intensives Buch, dieses Buch ist fast noch intensiver als "Die Überlebenden"!

Diese derartig eindringliche Liebesgeschichte, die Liebesbriefe, wunderschöne Gedanken, ein Blick auf eine nicht gelebte Möglichkeit, die beide nie vergessen und die Formulierung, ein Land, das nicht ist. Einfach wow!

Wenn uns dies so mitnimmt, möchte ich mir nicht vorstellen wie diese Erkenntnis beim Autor ankam. Man merkt ja, wie er sich immer mehr in die Suche begibt, wie er fahriger und hektischer sucht, man merkt in der Schreibe, dass ihn dies trifft und darin liegt für mich auch irgendwie eine weitere Hoffnung, dass er seine Gewalt in den Griff bekommt. Denn sein Großvater in seiner Bösartigkeit ist dann doch ein abschreckendes Beispiel!

Diese Dramaturgie bei der Lesung, der Stuhl, den Karin erst noch als Ehrenplatz begreift, nur um dann zu erkennen, dass ihr Mann sie hier vorführt, vor einem Publikum niedermacht. Das ist schon ein Psychopath! Dass sie ihn dann verlässt ist ein mutiger Schritt, er erkennt aber, dass er handeln muss und tut dies auch. So ein manipulativer Mensch! Wenn sie ihm nur nicht gesagt hätte wohin sie verschwindet! Grauenhaft! Mit Olof hätte Karin ein anderes Leben gehabt. Ein Land, das nicht ist!

Was ich mir auch noch gedacht habe, was für eine Leserschaft hatte der Autor Sven Stolpe wohl? Eigentlich ist die bei ihm behandelte Thematik immer ähnlich, ein Muster erkennbar, wer liest so etwas, genauso kranke Köpfe?!

Was ich auch noch wichtig finde, ist die Schuld des Autors Alex Schulman. Er hat die Briefe für den Großvater sichtbar gemacht. Unwissentlich. Ja. Aber dies wird ja auch an ihm nagen. Wenn der Topflappen schon eine Bedeutung hat.

Interessant ist ebenso, dass die Familie von Olof seine Liebe kannte und nicht negativ bewertete. Das ist etwas, was in der Familie von Alex Schulman aus der Angst vor gewalttätigen Taten nicht möglich war. Zeigt aber genauso dass es auch in der damaligen Zeit verschiedene Bewertungen gab.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Finnisch ist doch zu skurril: Alex Schulmanille. :rofl
Ich habe den Text von Google übersetzen lassen, keine Offenbarung, aber einigermaßen lesbar:

Eine schwedische Autorin hat einen Bestseller über die Dreiecksbeziehung ihrer Großeltern geschrieben – Oma hat die Briefe ihres Geliebten aufbewahrt, obwohl sie sie hätte umbringen können Kürzlich fand Enkel Alex Schulman heraus, warum der Sommer 1932 eine tiefe Wunde für seine Familie war. Sommer-Kertula 8.6.2020 20:33 Warum trage ich unfassbaren Hass in mir, dachte der schwedische Schriftsteller Alex Schulman. Der erfolgreiche Journalist hat Schwedens beliebtestes Podcast-Programm. Er lebt in einer noblen Gegend von Stockholm, und seine Tochter ist in der gleichen Klasse wie Prinzessin Estelle. Trotz der schönen Umgebung ist er seit acht Jahren in Therapie. Einmal in der Therapie erhielt er die Aufgabe, eine große Familienkarte zu zeichnen. Es basiert auf der Idee, dass sich alle Familienmitglieder gegenseitig beeinflussen. - Ich war voller Wut, die in mir kochte, sagt Alex Schulman, 44. Die Familienkarte zeigt, dass der Ärger von der Familie der Mutter ausgeht. Gleichzeitig erkennt Alex Schulman, wo alle Konflikte in der Familie der Mutter beginnen. Alle Linien zeigen auf dieselbe Person. Alexi bewacht Sven Stolpe. Alex Schulmann hat in der Familientherapie erkannt, wo alle Konflikte in der Familie der Mutter beginnen.- Alle Linien deuteten auf meine Gefahr hin, Sven Stolpe, sagt er. Foto: Viktor Fremling Sven Stolpe (1905 –1996) war ein bekannter schwedischer Autor, der 94 Bücher geschrieben hat. Seine Bücher erzählen unter anderem über das Christentum, die französische Literatur und historische Persönlichkeiten. - Er war sehr narzisstisch, sagt Alex Schulman. - Ich erinnere mich, dass er seine eigenen Bücher immer wieder gelesen hat. Er hatte fantastisch, genial an den Rand seines eigenen Buches geschrieben. Jedes Buch von Sven Stolpe hatte einen treuen Mann und eine Frau, die eine Hure war. - Eine betrügerische Frau, die alles zerstört, das war ihr Thema. Alex Schulman lernte die Bücher seines Vaters erst als Erwachsener kennen, als er anfing, in der Vergangenheit seiner Familie nach einer Erklärung für seine eigene Aggression zu suchen. Er las auch 7.000 Briefe seines Vormunds. - Mir wurde klar, dass ich wütend bin, weil meine Mutter wütend war und meine Mutter wütend war, weil Sven wütend war. Wut ist ein zentrales Thema in Alex Schulmans neuem Roman Burn these letters (Nemo). In dem Buch erzählt er die Geschichte seiner Großeltern. Sven Stolpe wollte seine Frau Karin Stolpe besitzen. - Meistens war Sven lustig. Er redete viel, aber er konnte wütend werden, und er hasste Lärm. Die Kinder durften nicht weinen, erzählt Alex Schulman von seiner Gefahr. Als Kind verbrachte Alex Schulman viel Zeit mit seinen Großeltern Sve und Karin Stolpe. - Ich habe eine zweigeteilte Meinung über Sven, sagt er. Als würde man fast Gott begegnen. So fühlte sich Alex in Vaars Gesellschaft. Alex wollte ab seinem achten Lebensjahr selbst Schriftsteller werden. - Meistens war Sven lustig. Er redete viel, aber er konnte wütend werden, und er hasste Lärm. Die Kinder durften nicht weinen. Alex hatte Angst, am Wochenende zu seinen Großeltern zu fahren. Sven Stolpe konnte sehr gemein sein. Er nahm viel Platz ein und behandelte seine Frau Karin Stolpe hässlich. - Er wollte meine Großmutter besitzen. - Bereits im Alter von zehn Jahren wurde mir klar, dass meine Großmutter traurig war und ich nicht verstand, warum. Jetzt verstehe ich, dass Sven Karin kaputt gemacht hat. - Mir wurde klar, dass ich wütend bin, weil meine Mutter wütend war und meine Mutter wütend war, weil Sven wütend war, sagt Alex Schulman. Foto: Viktor Fremling Als Kind hörte Alex Schulmann in der Küche zu, wie Karin und Sven sich unterhielten. Es war wie in einer Schule des Schreckens. - Es war wie eine Universität der schlechten Beziehungen, männliche Gewalt. Karin Stolpe musste im Sommer 1932 für den Rest ihres Lebens für eine kurze Romanze büßen. Foto: Privat Der Sommer 1932 erweist sich als entscheidend im Leben von Sven Stolpe. Dann passierte etwas, das Sven – und Karin Stolpe – nicht vergessen konnte. - Als ich mehrere Bücher las, fragte ich meine Familie, was 1932 passiert ist. - Sven Stolpe schrieb über sexuelle Übergriffe, erwähnte aber nicht, was er damit meinte. Alex Schulman begann, die Angelegenheit wie ein Detektiv zu untersuchen. Er erkannte, dass es irgendwie mit dem Schriftsteller Olof Lagercrantz zu tun hatte, der der Erzfeind der Vaar war. - Ich dachte, dass die Wut intellektuell war, aber später wurde mir klar, dass es etwas anderes war. Olof Lagercrantz war ein bekannter schwedischer Schriftsteller und Kritiker und von 1960 bis 1975 Chefredakteur von Dagens Nyheter. Karin Stolpe und Olof Lagercrantz hatten im Sommer 1932 eine kurze Beziehung. - Sven Stolpe versuchte, seine Frau Karin zu töten, nachdem er gespürt hatte, dass sie einen anderen Mann gefunden hatte, sagt Alex Schulman. Für die Familie des Schriftstellers Olof Lagercrantz war der Sommer 1932 kein Mysterium. - Ich traf Olofs Sohn David Lagercrantz. Er sagte, mein Vater hatte eine Affäre mit deiner Großmutter. - Die Beziehung ist nie aus der Erinnerung der Familie Lagercrantz verschwunden. Es war immer noch eine offene Wunde. Die Beziehung zwischen Karin Stolpe und Olof Lagercrantz begann im Sommer 1932 bei der Sigtuna-Stiftung. Es endete zwei Wochen später mit dem versuchten Mord an Karin. Sven Stolpe versuchte, seine Frau Karin zu töten, nachdem er bemerkt hatte, dass sie einen anderen Mann gefunden hatte. - Sven sagte, wenn du gehst, werde ich der ganzen Welt sagen, was für eine widerliche Frau du bist. Er drohte, sie zu vernichten. Sven Stolp hatte einen Revolver zu Hause. Damit drohte er seiner Frau. - Ich erinnere mich, dass ich als Kind im Zimmer des Hausmeisters einen Revolver angeschaut habe, sagt Alex Schulman. - Bereits im Alter von zehn Jahren wurde mir klar, dass meine Großmutter traurig war und ich nicht verstand, warum. Jetzt verstehe ich, dass Sven Karin kaputt gemacht hat. Foto: Viktor Fremling Die Beziehung zwischen Karin Stolpe und Olof Lagercrantz hielt nur eine Woche. Sie trafen sich nie wieder. Olof und Sven wurden 91 Jahre alt, Karin 95 Jahre. - Karin hat Olofs Briefe auf dem Dachboden aufbewahrt, obwohl sie ihn hätten töten können. - Er las die Briefe immer und immer wieder. Es war seine Art, Sauerstoff zu bekommen und damit fertig zu werden. Mit fast 90 Jahren schrieb Karin Stolpe einen Brief an Olof Lagercrantz, aber es war zu spät. Olof war in einem Pflegeheim. - Olof schrieb in jedem seiner Bücher an Karin und bat darum, zu ihm zu kommen. Olof Lagercrantz starb 2002. Karin Stolpe verstarb ein halbes Jahr später. Karin Stolpe war Übersetzerin und Autorin. Sein Vater, Hans von Euler-Chelpin, erhielt den Nobelpreis für Chemie. - Ich trauere, wer er hätte sein können. Ich denke an Astrid Lindgren. Er hätte die Schweden genauso markieren können. Karin Stolpe mit ihren Enkelkindern. Foto: Privat Als erster ging 1996 Sven Stolpe, der 91 Jahre alt wurde. - Sven wunderte sich oft, dass er noch lebte. Im Alter von 27 Jahren hatte er Tuberkulose und nur eine Lunge. Sven Stolpes Leben wurde schon als Kind zerstört. Deutlich wird die Sache aus den Notizen, die Alex Schulman bekannt wurden. - Als Sven von der Schule nach Hause kam, war sein Vater gegangen. Er hatte eine andere Frau kennengelernt. - Sven wurde wütend auf die Frau, die die Familie verriet. Er machte Frauen zu seinen Feinden. Aus den Büchern von Sven Stolpe sieht Alex Schulmann den Kampf seiner Waren. Er kämpft jetzt den gleichen Kampf mit sich selbst. - Den Kreislauf der schlechten Gefühle zu durchbrechen, ist der größte Kampf meines Lebens. Es muss in dieser Generation enden. - Es ist ein Kampf, der schwer zu gewinnen ist. Es ist vielleicht das Einzige, was im Leben zählt. Ich existiere, um diese Kette zu durchbrechen, sagt Alex Schulman. Sven Stolpe hätte sich sehr über das Offenbarungsbuch seines Enkels geärgert. - Ich wäre sein Feind gewesen, über den er bald geschrieben hätte, sagt Alex Schulman.
 

Barbara62

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19. März 2020
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So ein intensives Buch, dieses Buch ist fast noch intensiver als "Die Überlebenden"!
Das geht mir ebenso. Ich fand schon "Die Überlebenden" wirklich klasse und habe mich auch - wie manch andere - nicht an der Wendung am Schluss gestört, aber "Verbrenn all meine Briefe" kommt mir noch näher.

Interessant ist ebenso, dass die Familie von Olof seine Liebe kannte und nicht negativ bewertete. Das ist etwas, was in der Familie von Alex Schulman aus der Angst vor gewalttätigen Taten nicht möglich war. Zeigt aber genauso dass es auch in der damaligen Zeit verschiedene Bewertungen gab.
Was mag es für die Frau von Olof bedeutet haben, dass er zeitlebens seiner Liebe zu Karin nachhing? Wie die Ehe wohl war? Und auch die Kinder wussten, dass ihre Mutter immer nur zweite Wahl war. Nicht einfach.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Ich war gestern Abend bei einer Lesung von Denis Scheck aus seinem "Kanon" und es kam die alte Frage aus dem Publikum nach Trennung von Werk und Autor. Er kann das, wie er sagte, sehr gut, kann auch Texte von nachgewiesenen Päderasten der griechischen Antike genießen (zu anderen Themen, nehme ich an). Er macht sich sowieso keinerlei Illlusionen über den Charakter vieler Autorinnen und Autoren. Ich bin da empfindlicher. Ein Buch von Sven Stolpe könnte und wollte ich nun nicht mehr lesen - mit diesem Hintergrundwissen. Schon deshalb, weil ich mich ständig fragen würde, wen er damit verletzt oder zerstört hat. Wie geht es euch damit?
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Ich würde schon deshalb kein Buch von ihm lesen, weil mich die Themen langweilen. Obendrein in jedem Buch das gleiche Thema! Ein Autor, der ein ganzes Buch schreibt über einen anderen Autoren, den er verachtet! Wer sollte denn sowas lesen wollen? Man kann sich schon fragen, welches Licht es auf die örtliche Kulturszene wirft, wenn ein Autor mit solcher Produktion überhaupt populär wird.

Ich war gestern Abend bei einer Lesung von Denis Scheck aus seinem "Kanon" und es kam die alte Frage aus dem Publikum nach Trennung von Werk und Autor. Er kann das, wie er sagte, sehr gut, kann auch Texte von nachgewiesenen Päderasten der griechischen Antike genießen (zu anderen Themen, nehme ich an).
Griechische Päderasten - wenn man darüber spricht, sollte man wohl im Hinterkopf haben, dass die Kindheit und Jugend in der Antike ein wesentlich kürzerer Zeitraum war als heute. Die Lebenserwartung war sehr viel geringer, und mit dreizehn, vierzehn Jahren galt man als erwachsen. Das nur nebenbei, ich weiß ja nicht, auf welche Phänomene Scheck konkret anspielt.

Was mich nach wie vor an Schulmans Roman beschäftigt, sind die Auswirkungen auf die Lebenden. An einer Stelle schreibt er über seinen Bruder und dass er - also Alex Schulman - sich mit seinen Büchern über seine Familie quasi die Deutungshoheit über die gemeinsame Kindheit angeeignet hätte, was für seinen Bruder wohl nicht immer leicht war. Ich kann das sehr gut nachvollziehen und finde es gut, dass er sich wenigstens mit einem einzigen Absatz damit auseinandersetzt. Seine Mutter hätte ihn verraten, schreibt er (S. 296). Ich kann nicht anders als mir vorstellen, wie die Mutter zum Beispiel beim Einkaufen gefragt wird: "Tag, Frau Schulman, was meint Ihr Sohn denn damit, wenn er schreibt, Sie hätten ihn verraten?" Das mag überzogen klingen, aber ich möchte nicht in ihrer Haut stecken. Für mich ist das nach wie vor eines der Hauptthemen, wenn ich dieses Buch beurteilen soll, auch wenn ich damit anscheinend ziemlich allein dastehe ...
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Was mich nach wie vor an Schulmans Roman beschäftigt, sind die Auswirkungen auf die Lebenden. An einer Stelle schreibt er über seinen Bruder und dass er - also Alex Schulman - sich mit seinen Büchern über seine Familie quasi die Deutungshoheit über die gemeinsame Kindheit angeeignet hätte, was für seinen Bruder wohl nicht immer leicht war. Ich kann das sehr gut nachvollziehen und finde es gut, dass er sich wenigstens mit einem einzigen Absatz damit auseinandersetzt. Seine Mutter hätte ihn verraten, schreibt er (S. 296). Ich kann nicht anders als mir vorstellen, wie die Mutter zum Beispiel beim Einkaufen gefragt wird: "Tag, Frau Schulman, was meint Ihr Sohn denn damit, wenn er schreibt, Sie hätten ihn verraten?" Das mag überzogen klingen, aber ich möchte nicht in ihrer Haut stecken. Für mich ist das nach wie vor eines der Hauptthemen, wenn ich dieses Buch beurteilen soll, auch wenn ich damit anscheinend ziemlich allein dastehe ...
Nein, du stehst nicht alleine da, es beschäftigt mich auch. In diesem Fall waren allerdings zumindest die Hauptbeteiligten tot. Was natürlich auch bedeutet, dass sie keine Gegendarstellung mehr liefern konnten.