Ich bin mir nicht sicher, dass hier was fiktionalisiert ist. Alle Figuren werden mit ihren tatsächlichen Namen eingeführt, das spricht mehr dafür, eine wahre Geschichte präsentiert zu bekommen.seine eigene Familiengeschichte fiktionalisiert
Mir ging es zuletzt so bei "Bergljots Familie" von Vigdis Hjort. Das habe ich einerseits mit angehaltenem Atem gelesen, andererseits mit schlechtem Gewissen, weil ich mich nicht dazu berechtigt fühlte. Immerhin hat eine Schwester sogar eine Gegendarstellung geschrieben, wem soll man also glauben?So interessiert wie ich das verfolge, frage ich mich doch, ob man so etwas darf. Als Enkel die eigene Familie so bloßstellen. Ich fühle mich als Leser wie ein Voyeur.
Wenn ich mich recht erinnere, hatte Schulman zu diesem Zeitpunkt schon zwei gescheiterte Ehen hinter sich, kein Wunder also die Angst, wieder zu scheitern. Immerhin scheint er in Bezug auf sich selbst genauso ehrlich wie mit dem Großvater und Lagercrantz zu sein, das Selbstporträt wirkt nicht geschönt.Da ist der Enkel schon weiter, er wirkt zunächst auch nicht sympathisch, aber wenigstens bemerkt er, dass an seinem Verhalten was nicht in Ordnung ist und er versucht, etwas zu ändern.
Muster werden auf jeden Fall weitergegeben.ob die Wut selbst tatsächlich vererbt werden kann
Das stimmt und so kann ich mich auch mit seiner schonungslosen Beschreibung seiner Familie aussöhnen. Er stellt sich ja gewissermaßen in die Tradition seiner Familie. Außerdem wirkt es glaubhaft, dass er, um seine Emotionen in Griff zu kriegen, die Gründe in seiner Familiengeschichte sucht.Immerhin scheint er in Bezug auf sich selbst genauso ehrlich wie mit dem Großvater und Lagercrantz zu sein, das Selbstporträt wirkt nicht geschönt
Ich denke, ein negatives und pessimistisches Weltbild vererbt sich auf jeden Fall, oder vielmehr, es wird, wie erwähnt, als "Muster" weitergegeben.Muster werden auf jeden Fall weitergegeben.
Das stimmt und so kann ich mich auch mit seiner schonungslosen Beschreibung seiner Familie aussöhnen. Er stellt sich ja gewissermaßen in die Tradition seiner Familie. Außerdem wirkt es glaubhaft, dass er, um seine Emotionen in Griff zu kriegen, die Gründe in seiner Familiengeschichte sucht.
Dazu gehört aber wiederum eine Veranlagung und die ist ebenfalls vererbt. Wäre er mit einem optimistischen, sonnigen Gemüt zur Welt gekommen, vielleicht von Vaterseite geerbt, hätte die großväterliche Traumatisierung vermutlich keinen Nährboden gefunden.Ich denke, ein negatives und pessimistisches Weltbild vererbt sich auf jeden Fall, oder vielmehr, es wird, wie erwähnt, als "Muster" weitergegeben.
Ja. Ich bin auch förmlich durch diesen Leseabschnitt durchgeflogen und habe die ganze Zeit gedacht. 5 Sterne. 5 Sterne. 5 Sterne.Ich habe in einem Rutsch den ersten Leseabschnitt gelesen. Wie auch beim letzten Roman zieht Alex Schulman den Leser direkt in seine Geschichte.
Ich verstehe was du meinst. Ich finde es wichtig, dass der Autor niemand Lebenden mehr mit seinen Sichten/Ergüssen brüskiert und/oder beschädigt. Alex Schulmans Großeltern und Olof Lagercrantz lebten 2018 zur Herausgabe dieses Buches nicht mehr und auch seine Mutter starb 2015, der Vater starb 2003, was das Ganze in meinen Augen etwas erträglicher macht.So interessiert wie ich das verfolge, frage ich mich doch, ob man so etwas darf. Als Enkel die eigene Familie so bloßstellen. Ich fühle mich als Leser wie ein Voyeur.
Wieder eine richtig interessante Thematik! Was wir erleben macht etwas mit uns. Und was der Autor über das Elternhaus erlebte hat natürlich Folgen. Und manches im Wesen der Eltern hat wieder Gründe im Verhalten der vorigen Generation. Von daher ist die Sicht auf die Vergangenheit sicher etwas Zielführendes. Und auch die Psycho-Therapie ist eine gute Entscheidung, zumindest wäre dies eine Möglichkeit der Verarbeitung von Erlebtem. Das Gelingen dieser Therapie hängt natürlich auch von der Möglichkeit des Patienten ab, dem Geschehenen eine andere Bewertung zu geben. Veränderungen geschehen zu lassen. Neues anzunehmen.Ein Erlebnis war ausschlaggebend für dieses Buch. Im Bewusstsein, dass er mit seinem enormen Wutpotential umgehen lernen muss, beginnt der Autor in seiner Familiengeschichte zu suchen.
Ehrlich gesagt interessiert mich das nicht sonderlich. Das ist eine Entscheidung, die der Autor treffen muss, ja. Aber wenn ich mich im Wissen um den biographischen Charakter entscheide, dieses Buch zu lesen, dann geht es für mich um die Qualität, den Erkenntnisgewinn, kurz, um den Roman an sich.Ich verstehe was du meinst. Ich finde es wichtig, dass der Autor niemand Lebenden mehr mit seinen Sichten/Ergüssen brüskiert und/oder beschädigt. Alex Schulmans Großeltern und Olof Lagercrantz lebten 2018 zur Herausgabe dieses Buches nicht mehr und auch seine Mutter starb 2015, der Vater starb 2003, was das Ganze in meinen Augen etwas erträglicher macht.
Auch finde ich es wichtig bei solchen Bloßstellungen, dass der Autor sich selbst auch nicht schont. Und dies gelingt dem Autor in meinen Augen.
Und ich hoffe natürlich, dass Alex Schulman sein Buch und dessen Thematik im familiären Kreis bespricht und damit die Familie vorwarnt.
Das alte Dilemma: Nature vs. nurture. Muss leider Spekulation bleiben. Davon abgesehen ist es ansteckend, wenn man von klein auf Aggression als angemessene Reaktion auf emotionalen Stress vorgelebt bekommt.Dazu gehört aber wiederum eine Veranlagung und die ist ebenfalls vererbt. Wäre er mit einem optimistischen, sonnigen Gemüt zur Welt gekommen, vielleicht von Vaterseite geerbt, hätte die großväterliche Traumatisierung vermutlich keinen Nährboden gefunden
Ganz klar der Autorin. Die Familie hat das verletzte Schaf ausgesondert. Ich kenne einen Fall, wo es ganz genauso gelaufen ist. Eine Tochter der Familie war ein Opfer des Vaters geworden - die Mutter reagierte, indem sie die Tochter ins Internat steckte - die sich dadurch auch noch bestraft fühlte. Als sie später den Vater angeklagt hat, hat sich die gesamte Familie, alle Geschwister, die Mutter, gegen sie gestellt und sie als verrückt bezeichnet. Diese Frau hat mehrere Psychiatrien durchlaufen und ist nicht arbeitsfähig - was die Familie in ihrem Urteil bestätigt.Mir ging es zuletzt so bei "Bergljots Familie" von Vigdis Hjort. Das habe ich einerseits mit angehaltenem Atem gelesen, andererseits mit schlechtem Gewissen, weil ich mich nicht dazu berechtigt fühlte. Immerhin hat eine Schwester sogar eine Gegendarstellung geschrieben, wem soll man also glauben?
Eben. Beide sind bereits öffentliche Personen.Was mich hier versöhnt, ist die Tatsache, dass sowohl der Großvater als auch der Liebhaber die Tragödie selbst in ihren Werken abgebildet haben, wenn auch verschlüsselt. Früher oder später wäre vermutlich ein Literaturwissenschaftler darauf gestoßen.
Übrigens hat Schulman in "Die Überlebenden" schon Ähnliches mit seinen Eltern gemacht, die in Schweden ja auch Promis sind. Nur der Plot war Fiktion.
Genau. Das nötigt mir höchsten Respekt ab.Wenn ich mich recht erinnere, hatte Schulman zu diesem Zeitpunkt schon zwei gescheiterte Ehen hinter sich, kein Wunder also die Angst, wieder zu scheitern. Immerhin scheint er in Bezug auf sich selbst genauso ehrlich wie mit dem Großvater und Lagercrantz zu sein, das Selbstporträt wirkt nicht geschönt.
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Hm.Ich mag solche "Familienbloßstellungen" überhaupt nicht
Mir geht es hier nicht um Moral. Ich habe ja , wie gesagt, das Buch regelrecht verschlungen. Und da es um reale Figuren geht, habe ich gegoogelt. Ich wollte tatsächlich wissen, wie die Menschen ausgesehen haben, von denen ich hier lese. Und dabei kam ich mir wie ein Voyeur vor.Ehrlich gesagt interessiert mich das nicht sonderlich. Das ist eine Entscheidung, die der Autor treffen muss, ja. Aber wenn ich mich im Wissen um den biographischen Charakter entscheide, dieses Buch zu lesen, dann geht es für mich um die Qualität, den Erkenntnisgewinn, kurz, um den Roman an sich.
Ich halte moralisierende Überlegungen in diesem Kontext eher für kontraproduktiv.
Das hat mich ebenfalls beeindruckt. sein eigenes Verhalten ist der Ausgangspunkt und der Grund für seine Recherchen . Es geht ihm nicht darum, in der Öffentlichkeit „ schmutzige Wäsche zu waschen“.Der Erzähler hat meine volle Sympathie: Selbsterkenntnis, Einfühlung in seine Kinder und Frau, Reue, Bedauern, der Wunsch, etwas ändern zu wollen, zu erkennen, dass er etwas ändern MUSS. Die wenigsten kommen überhaupt soweit, dazu ist ziemliche Härte mit sich selbst vonnöten.
Diese Frage wird später beantwortet.Ist swe Großvater durch den Betrug der Ehefrau so geworden, wie der Erzähler ihn kennenlernt? Oder war er schon immer ein schwieriger, besonderer Charakter?