2. Leseabschnitt: VIER bis ACHT (Seite 71 bis 146)

Sassenach123

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Lars hadert mittlerweile mit seiner Beziehung zu Yvonne. Was ich mich frage ist, was findet Yvonne an ihm? Ihr Versuch ihm eine endgültige Liebeserklärung abzuluchsen, brachte nicht den gewünschten Erfolg. Bei einem Mann, der seine Frau und sein Kind von heute auf morgen für mich verlässt, muss man sich doch fragen, wann er es wieder tut. Vielleicht bin ich da spießig, aber ich könnte ihm nicht vertrauen. Ob Lars es tatsächlich in Erwägung zieht wieder zurück zu gehen? Wie würde Lise reagieren?

Marthas Vergewaltigung wirft ebenfalls Fragen auf. Warum hat sie es niemandem erzählt? Scham, Angst das ihr niemand glaubt?

Bisher lese ich alles mit großem Interesse. Ich denke der Vulkanausbruch wird noch einiges durcheinander bringen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Lars hat bei mir übrigens sowieso verspielt. Nicht nur, dass er seine Familie verlässt, er hätte Jon auch abtreiben lassen, damit er seine Frau zurückbekommt, wie sie vor der Schwangerschaft war. Aus purer Selbstsucht, nicht etwa, um ihr zu helfen. Anstatt sie während ihrer schwierigen Schwangerschaft zu unterstützen, hat er sich zurückgezogen.
Ja, ein Sympathieträger ist er wirklich nicht. Auch die Tatsache, dass er nun oft an Lise und Jon denkt, macht mir Angst. Es wirkt so, als wenn er sich vorstellen könnte zurückzugehen, da wieder anknüpfen wo er aufgehört hat. So wie es ihm gerade passt. Schrecklich
 

Literaturhexle

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Ich bin so von dieser Atmosphäre und Sprache gefangen, dass ich eure Kritik kaum nachvollziehen kann, auch wenn sie berechtigt sein mag. Alle Stimmen sind sehr poetisch. Ist das nicht von jeher ein Kennzeichen finnischer Autoren, die Poesie in der Sprache? Warum dürfen dann nicht alle Figuren auch einen solchen Duktus haben? Mich stört es nicht, ich geselle mich zu @Irisblatt ;).

Durch die verschiedenen Perspektiven kommen die Innensichten der Figuren hervorragend zur Geltung. Lars hat lange alleine gelebt, sich dann aber offensichtlich in die nur 4 Jahre jüngere (sie war da 32 und gehörte auch schon zum "alten Eisen") Lise verliebt. Man sollte meinen, er hätte sich zu diesem Zeitpunkt die Hörner schon abgestoßen. Doch sein Sohn spürt, dass er den Frauen im Garten gefällt und er für jede ein eigenes Lächeln hat... Lars ist demnach eine Art Womenizer. Ehrlich gesagt kann ich mir kaum vorstellen, dass er Martha vergewaltigt hat. Das wäre mir zu diesem Zeitpunkt fast zu einfach. Warum sollte er auch, wenn er viele Frauen freiwillig haben kann? Er scheint ja durchaus ein romantischer Typ zu sein. Nicht jeder Mann, der seine Frau wegen einer anderen verlässt, ist ein Vergewaltiger. Ich erwarte da noch eine Auflösung. Vielleicht war es der hämische Paul, der das Bett seines Freundes entweiht hat? Oder Martha ordnet falsch zu? Oder es war einvernehmlicher Sex, nur dass er Martha nicht dauerhaft wollte?

Wenn Lars es gewesen ist, könnte es am Hochzeitsabend seinen Ausgang genommen haben. Er beschreibt den Geruch des Mädchens sehr genau als "Geruch aus einer anderen Welt, ein süßer Geruch, unter den sich etwas Festsitzendes mischt, eine Flechte, die durch Trauer wächst..." S. 114 Würde man das Mädchen so beschreiben und ihm dann Gewalt antun??? Ich kann mir das nicht denken.
Warum sollte dann auch die Lehrerin so ein positives Verhältnis zu Jon haben? Nein, die Vergewaltigung passt nicht. Das war ein anderer.
(Leiser Zweifel im letzten Absatz S. 146: "Sie trug die Trauer wie einen Eimer abgestandenes Wasser, und ich wollte sie ihr abnehmen." Redet er da von Martha - Rätsel überall!)

Yvonne ist ein ganz anderer Typ als Lise. Sie kommt aus bestem Hause, hat sich aber vom dortigen Lebensstil entfernt. Sie opponiert gegen die Eltern, ist schlampig und unorganisiert. Die Eltern sehen den deutlich älteren Insulaner an der Seite ihrer Tochter kritisch. Kann man nachvollziehen. Für Lars stumpfen sich Yvonnes Reize offenbar ab. Er macht keine Zusagen, denkt immer häufiger an Tristan, Lise und seinen Sohn. Lars hat Fehler gemacht, aber er scheint mir kein Unmensch zu sein. Ich kann mittlerweile auch deutlich sein schlechtes Gewissen, seinen Betrug herauslesen. Er kann sich im Grunde nicht sehr lange etwas vormachen. Er leidet unter der Trennung. (Ich habe aber natürlich kein Mitleid mit ihm, er ist ja selbst schuld).

Dass er mit den Schmerzen seiner Frau nicht umgehen konnte... Männer wurden darauf nicht vorbereitet, es ist 1961 und eine einsame Insel. Er will ja auch helfen. Sich selbst, aber auch Lise. Am Ende ist zum Glück nichts geschehen.

Auch Marthas Emotionen werden wunderbar transportiert. Sie ist allein auf dem Berg, erlebt schreckliche Szenen und Todesangst. Fühlt sich kurz versucht, im Tod zu verschwinden, sich von den Alltagssorgen verschlingen zu lassen, bevor sie rennt...
Ebenso hatte sich auch Lars schon einmal für das Leben entschieden, als er ins Meer gestürzt war. Diese Szenen haben (wie viele andere) große Intensität.
Bevor sie geht, legt Martha die Decke aufs Bett, und alles dahinter bleibt verborgen. 136
Hoffentlich ist das nicht der Fingerzeig, dass es keine Auflösung gibt
 

Christian1977

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Oder es war einvernehmlicher Sex, nur dass er Martha nicht dauerhaft wollte?
Aber Martha ist zu diesem Zeitpunkt doch ein Kind. Sie ist 1961 18 Jahre alt und der sexuelle Missbrauch liegt "viele Jahre zurück", wie sie an einer Stelle sagt. Ohne dass ich jetzt auf die konkrete Männerfigur eingehe.
 

Literaturhexle

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Das stimmt. Man könnte höchstens einwenden, dass die lyrische Betrachtungsweise des Lebens eine Spezialität der Bewohnerinnen und Bewohner ist.
Das will ich unbedingt einwenden :p
Ich glaube, dass Martha dieses Mädchen war und der Missbrauch kurz nach der Hochzeit von Lise und Lars stattfand. Ihr "dickes Haar " wird betont.
Er beschreibt auch ihren Geruch als mit Trauer durchsetzt. Aber würde man so einfühlsam über jemanden denken und ihm anschließend Gewalt antun? Noch dazu als frisch gebackener und glücklicher Ehemann? Ich kann mir das nicht vorstellen. Bin in dem Punkt wirklich auf eine Auflösung gespannt.
Ebenso berichtet Jon, dass seine Mutter Martha nicht leiden kann, obwohl sie jeden leiden kann.
Ja. Das hat mich auch verwundert. Vielleicht ist Martha Lars auch nachgestiegen? Vielleicht hat er sie abgewiesen und es gab keine Vergewaltigung? Das würde in gewisser Weise ihre Zuneigung zu Jon erklären. Es ist vieles möglich.
 

Literaturhexle

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Aber Martha ist zu diesem Zeitpunkt doch ein Kind. Sie ist 1961 18 Jahre alt und der sexuelle Missbrauch liegt "viele Jahre zurück", wie sie an einer Stelle sagt. Ohne dass ich jetzt auf die konkrete Männerfigur eingehe.
Ja gewiss. Ich habe nur mal verschiedene Szenarien durchspielen wollen. Insbesondere auch welche, in denen Lars nicht als Täter in Frage kommt. Du ordnest immer sehr genau ein: Hat die Vergewaltigung definitiv in der Kindheit stattgefunden oder nehmen wir das nur an, weil wir die Tat mit der Hochzeit in Verbindung bringen?
 
G

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Aber Martha ist zu diesem Zeitpunkt doch ein Kind. Sie ist 1961 18 Jahre alt und der sexuelle Missbrauch liegt "viele Jahre zurück", wie sie an einer Stelle sagt. Ohne dass ich jetzt auf die konkrete Männerfigur eingehe.
S. 45 1956 Martha ist 18 ....
... und bald wird sie ein eigenes Haus haben, einen Mann, der das Haus baut
S. 53 1957 Martha unter den Schichten ihres Hochzeitskleides
S. 99 1961 zur Zeit des Vulkanischen Geschehens erinnert sich Martha, obwohl ich hier den Begriff tausend Jahre symbolisch verstehe, wie lange her, nicht mehr daran denken, ist lange vorbei
 

Christian1977

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ich hier den Begriff tausend Jahre symbolisch verstehe, wie lange her, nicht mehr daran denken, ist lange vorbei
Genau, sie schiebt es durch die "tausend Jahre" weit von sich weg, weil sie vergessen will, aber nicht kann. Aber wenn wir Marthas Perspektive glauben wollen, und ich erkenne keinen Grund dafür, warum wir es nicht tun sollten, war sie zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall ein Kind.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Aber wenn wir Marthas Perspektive glauben wollen, und ich erkenne keinen Grund dafür, warum wir es nicht tun sollten, war sie zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall ein Kind.
Woran machst du das fest? Ich habe mir jetzt noch einmal Seite 99 vorgenommen. Dort steht:

Sie ist im Zimmer, unter der Decke, und es ist kalt. Sie steht auf , um das Fenster zu schließen, und da, plötzlich, ist da der Mann. Hinter ihr. Er fast sie an den Schultern, berührt ihr Schlüsselbein und sagt: Martha. Und Martha kann ihn nicht hindern.

Weiter oben steht das es ein Geheimnis sein soll. Wer kann ein Geheimnis bewahren? Kindern droht man um zu bekommen was man will. Wo fand dies statt? Zuhause bei der Mutter und ihrem Bruder. Warum bemerkt dies keiner? Apropos, was ist mit Marthas Vater?
 
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RuLeka

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Marthas Vergewaltigung wirft ebenfalls Fragen auf. Warum hat sie es niemandem erzählt?
Sie kennt den Täter und in einer so überschaubaren Gemeinschaft ist es nicht leicht, auf einen zu zeigen.
So wie es ihm gerade passt. Schrecklich
Er ist bestimmt hin und her gerissen zwischen Yvonne und der Freiheit und seiner Familie auf der SindelfingerInsel.
dass ich eure Kritik kaum nachvollziehen kann,
ich habe ja geschrieben, dass es Mäkeln auf hohem Niveau ist. Mir gefällt die Sprache, war mir nur am Anfang etwas zu viel. Nun habe ich mich an den poetischen Stil gewöhnt und genieße ihn.
Oder es war einvernehmlicher Sex, nur dass er Martha nicht dauerhaft wollte?
Das kann ich mir nicht vorstellen. So wie die Szene beschrieben wird gab es kein Signal von Martha in dieser Richtung.