4. Leseabschnitt: Teil II. Kapitel 30 bis 42 (S. 274 bis 371)

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Leider hatte dieser Abschnitt für mich zum Teil doch erhebliche Längen. Gefehlt hat mir hier die Verbindung zwischen Vergangenheit und - mehr oder weniger - Gegenwart durch das Haus, wie es Stefan Hertmans vor allem im zweiten Abschnitt so meisterlich gelang.

Die heimliche Liebe Adris zu Lieve hat mich zwar berührt, allerdings fand ich den späteren Lieve-Abschnitt zu lang, weil er ja eher am Rande etwas mit dem Haus zu tun hatte.

Recht spannend fand ich die Darstellung des Prozesses und dass sich Stefan traut, in die Akten zu schauen.

Von der einstmals recht ambivalenten Figur Willem ist wenig übrig geblieben. Im Grunde scheint mittlerweile alles an ihm negativ. An dieser Sicht ändern auch seine Gedichte und Briefe nichts, im Gegenteil.

Für den letzten Abschnitt erhoffe ich mir, dass es atmosphärisch wieder stärker wird und das Haus durch alle Zeiten hindurch wieder vermehrt in den Vordergrund rückt.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Nach dem 4. LA bin auch ich ein wenig ernüchtert. Wir folgen tatsächlich einzig und allein dem Leben von Verhulst. Das Haus und die Gegenwart spielen eine untergeordnete Rolle.
Dennoch ist es ganz interessant mitzuerleben, wie Mien überlebt. Wie sie die Zimmer vermietet in ihrem Haus - und was für illustre Herrschaften ein- und ausgehen. Ja, diese Leute haben keine großen Auftritte, das ist wahr, sie kommen und gehen.
Die Kernfamlile von Willem unterstützt Mien und ihre Kinder finanziell. Hier wäre doch Gelegenheit gewesen, auch von diesen Menschen etwas zu erzählen.
Die Auslassungen schaden dem Buch. Der Autor hätte auch mehr vom WallonnenFlamen-Konflikt bringen können und ob dieser heute noch eine Rolle spielt. Aber es konzentriert sich nun einmal alles auf Willem.
Mientje läßt ihn eine ganze Weile fallen, weil auch Griet ihn im Zuchthaus besuchen kommt und sich Willem dazu nicht äußert. Überhaupt ist er kein dankbarer Mensch. Er beklagt sich und beklagt sich und ist nie dankbar für die Zuwendung, die er erhält.
Nun ja, Zuchthaus ist kein Zuckerschlecken, da hat er schon recht, zumal er wohl in Isolationshaft ist. Kein Wunder, dass er teilweise wahnsinnige Phantasien hat.
Aber dann ist ihm das Glück wieder hold, er wird begnadigt.
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Das Buch hat Längen. Deshalb bin ich froh, dass Hertmans sich im Wesentlichen auf Willem und Mientje beschränkt.
Willem bleibt unverändert, kein Gesinnungswandel, keine Veränderung in seinem Charakter. Er versucht sich durchzulavieren, wie alle damals. Keine Reue, keine Einsicht, nur Selbstmitleid.
Mientje dagegen wird eine immer stärker werdende Persönlichkeit. ihr Glaube trägt sie durch die Zeit, wobei ich mehr Verständnis für sie hätte, wenn sie Willem endlich zum Teufel jagen würde.
Für die Kinder von Willem ist es nicht leicht, so einen Vater zu haben. „ Wie viel Wahrheit kann ein Mensch ertragen, wenn es um den eigenen Vater geht?“
 

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28. Oktober 2018
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In diesem Kapitel stehen Mien und die Kinder mehr im Mittelpunkt, um finanziell irgendwie über die Runden zu kommen, muss sie vermieten. Halt für ihr eigenes Leben findet sie zunehmend in der Religion. Deutlich wird geschildert, dass Willem auch im Gefängnis seine Einstellung kaum geändert hat, er bemitleidet sich, sieht sich als Opfer. Ich frage mich, wie es Griet wohl geschafft hat, so rasch wieder in Freiheit zu sein. Verständlich, dass Mientje und dann auch Letta ihn nicht mehr besuchen, als sie erfahren, dass er regelmäßig von seiner Geliebten besucht wird. Dennoch sind es Mientje und sein Sohn Adri, denen es schließlich gelingt, dass Willem vorzeitig das Gefängnis verlassen kann. Willem scheint für die Familie trotz allem Ehemann und Vater zu bleiben. Diese Thematik erinnert mich etwas an "Ein Leben lang", wie geht man damit um, dass der Freund plötzlich ein Mörder sein soll, und in diesem Fall, wie geht man damit um, als durch den Prozess klar wird, wie viele Menschenleben der Ehemann/Vater tatsächlich auf dem Gewissen hat (und nach wie vor überzeugt ist, das Richtige getan zu haben). Die Geschichte wird in diesem Abschnitt langsamer, der Schwerpunkt liegt auf dem Erzählen, Schildern, weniger auf den Ereignissen, wir lernen in kurzen Episoden neue Personen kennen, Lieve, Tante Mee, was den Text für mich etwas zerrissen, unruhig macht, dennoch lese ich nach wie vor mit Interesse weiter.
 

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29. März 2022
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Diesen Abschnitt fand ich detwas interessanter, als den davor. Im Prozess geht es tatsächlich um die Abgründe, um die Uneinsichtigkeits Willems. Ich hatte ja zuvor infragegestellt, ob er sich schämt. Hier ist klar, er ist weit davon entfernt. Ein richtiger Unsympath. Mitleid kann ich mit ihnen keines haben.
Mientje muss sehen, wie sie über die Runden kommt und vermietet Teile des Hauses. Ds gibt es interessante Passagen, denn sie muss aufpassen, an wen sie vermietet. Sie steht alles in allem hinter Willem, lässt es sich aber immerhin nicht bieten, dass Grient ihn im Gefängnis besucht. Ähnlich ist es bei Adri. Dennoch kümmern sich beide um die Freilassung. Mann bleibt Mann, Vater Vater, wie es scheint. Egal, was passiert ist. Insofern wohl ein Zeugnis der Zeit.
Mir hat Adri leid getan, als er für die Vergehen seines Vaters einstehen soll bzw. mit ihm in einen Pott geworfen wird.

In dem Abschnitt ist das Buch ansatzweise das, was ich erwartet habe: die Auseinandersetzung mit den Persönlichkeiten, die im Haus lebten, deren ABfgründe.
 

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Für den letzten Abschnitt erhoffe ich mir, dass es atmosphärisch wieder stärker wird und das Haus durch alle Zeiten hindurch wieder vermehrt in den Vordergrund rückt.
Es geht doch gerade in diesem Abschnitt sehr viel um die Personen, die im Haus lebten. Dies betrachtet der Autor wohl rückwirkend kritisch, da er das Haus gekauft hat. Ob er am Ende versuchen wird, das Haus loszuwerden?
 

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Nach dem 4. LA bin auch ich ein wenig ernüchtert. Wir folgen tatsächlich einzig und allein dem Leben von Verhulst. Das Haus und die Gegenwart spielen eine untergeordnete Rolle.
In diesem Abschnitt geht es doch endlich mal mehr um die Personen, die im Haus lebten. Der Autor wirft, da er das Haus gegenwärtig besitzt, einen Blick zurück darauf, wer darin lebte. Logisch wäre es für mich, wenn die Auseinandersetzung mit Willem und seinesgleichen am Ende dazu führen würde, dass er das Haus verkauft.
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Es geht doch gerade in diesem Abschnitt sehr viel um die Personen, die im Haus lebten. Dies betrachtet der Autor wohl rückwirkend kritisch, da er das Haus gekauft hat. Ob er am Ende versuchen wird, das Haus loszuwerden?
'Im ersten Jahr des neuen Jahrtausends fiel mir ein Buch in die Hände, aus dem ich erfahren sollte, dass ich zwanzig Jahre im Haus eines ehemaligen........gewohnt hatte.' Also er braucht es nicht mehr loszuwerden, er hatte es schon vorher verkauft.
 

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Im ersten Jahr des neuen Jahrtausends fiel mir ein Buch in die Hände, aus dem ich erfahren sollte, dass ich zwanzig Jahre im Haus eines ehemaligen........gewohnt hatte.' Also er braucht es nicht mehr loszuwerden, er hatte es schon vorher verkauft
Oh stimmt, da war ich vielleicht etwas unaufmerksam. Danke, dass Du mich daran erinnerst :)
 

Literaturhexle

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Ich hatte mir vorgenommen, mich in der weiteren Leserunde etwas zurückzunehmen, um euch das schöne Leseerlebnis nicht zu versalzen, aber mittlerweile seid ihr alle so ernüchtert, dass ich es euch zumuten kann. Außerdem fällt mir das Schweigen ziemlich schwer...

Hier wird eigentlich ziemlich authentisch all das geschrieben, was ich aus anderen Filmen und Büchern schon zuhauf kennengelernt habe. Man kann es nicht oft genug wiederholen - ja. Es ist ein wichtiges Buch - ja. Es ist ein Buch gegen das Vergessen - ja. Und dennoch langweilt es mich entsetzlich. Ich kann nichts dafür. Ich bin diese Geschichten leid.

Der Autor hält sich hier sehr, sehr genau an seine Quellen. Sehr interessant, dass Andri ,obwohl Historiker, nie in die Akten über den Vater hineingeschaut hat. Er wollte sich den Rest Vaterliebe und -respekt nicht nehmen lassen. Dass die Kernfamilie ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Willem hatte, wird mehr als deutlich und wirklich gut
Wie viel Wahrheit kann ein Mensch ertragen, wenn es um den eigenen Vater geht? 317
herausgearbeitet. Ich bewundere Mientje. Sie wurde im Grunde von Willem allein gelassen, als dieser mit seiner Geliebten floh. Sie musste das Haus und die Kinder völlig alleine wuppen, was ihr großartig gelingt. Sie bleibt dem untreuen Gatten gegenüber höchst loyal. Erst als Griet auch noch im Gefängnis auftaucht, bröckelt ihre Treue. Recht hat sie! Nur durch ihre Loyalität ist es möglich, dass die Kinder nicht ausschließlich negativ über ihren Vater denken. Mien muss sehr viel mit sich alleine ausmachen. Dafür braucht sie die Kirche und den Glauben. Sie hat das Herz am rechten Fleck, versucht unparteiisch zu bleiben.

Vor Gericht wurde gelogen, dass sich die Balken biegen - nichts Neues. Willem zeigt keinerlei Einsicht oder Reue - auch das hat er mit zahllosen Nazis gemein. Die hanebüchenen "Briefe" sowie seine Dichtungen hätte ich nicht gebraucht. Teilweise abstoßend, teilweise unglaubwürdig. (Nein, ich weiß, dass Nazis eine Liebe zur Kunst nachgesagt wird). Er war keinesfalls harmlos. Er hat um die Vernichtungsmaschinerie der deutschen "Kollegen" gewusst und ihnen Material ans Messer geliefert, eiskalt.

Selbst bei Anerkennung seines Gnadengesuches zeigt er keinerlei Dankbarkeit. Immer nur am Jammern, nur die eigenen Befindlichkeiten sehend. Er ist der Prototyp des uneinsichtigen, lügenden, wetterwendischen Nazis. Sympathiewerte bleiben keine.

Mir erging es wie euch: Der LA war sehr detailliert und hat mir viel abverlangt. Ich habe nicht viel Neues erfahren. Auch in Frankreich und anderen besetzten Gebieten gab es Kollaborateure, die Geschichten klingen ähnlich. Willem Verhulst ist nur in dieses Rampenlicht getreten, weil ein Schriftsteller zufällig das Haus gekauft hat, indem Willem lange lebte. Ich brauche keine Biografie über diesen Mann. Hertmans war sehr fleißig, hatte Glück, so viele Quellen und Schriften vorzufinden. Dennoch hätte es dem Buch gut getan, nicht jeden Fitzel hineinzuschreiben. Die ganze familiäre Tragik als "richtiger" Roman hätte mich vermutlich stärker gefesselt.

Die Nebenfiguren erreichen mich kaum. Beiwerk.
 
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Ich hatte mir vorgenommen, mich in der weiteren Leserunde etwas zurückzunehmen, um euch das schöne Leseerlebnis nicht zu versalzen, aber mittlerweile seid ihr alle so ernüchtert, dass ich es euch zumuten kann. Außerdem fällt mir das Schweigen ziemlich schwer...

Hier wird eigentlich ziemlich authentisch all das geschrieben, was ich aus anderen Filmen und Büchern schon zuhauf kennengelernt habe. Man kann es nicht oft genug wiederholen - ja. Es ist ein wichtiges Buch - ja. Es ist ein Buch gegen das Vergessen - ja. Und dennoch langweilt es mich entsetzlich. Ich kann nichts dafür. Ich bin diese Geschichten leid.
Eine wirklich tolle Analyse, der ich fast uneingeschränkt zustimme. Nur lese ich nach wie vor immer mal gerne über diese Zeit, wenn es denn literarisch gut aufbereitet ist.
Ansonsten, ja- mich hat auch vieles gelangweilt.
Mienke ist ein Lichtblick- eine unglaublich starke Frau, die Halt im Glauben findet. Mir tut es jedoch leid, was für einen M;ann sie erwischt hat. Aber das waren wohl auch Zeiten, wo eine Trennung nicht so ohne Weiteres in Frage kam. Insofern war es vermutlich schon ein starkes Signal, als sie Willem nicht mehr im Gefängnis besuchte, als sie von Besuchen der Geliebten erfuhr.
 

Wandablue

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In diesem Abschnitt geht es doch endlich mal mehr um die Personen, die im Haus lebten. Der Autor wirft, da er das Haus gegenwärtig besitzt, einen Blick zurück darauf, wer darin lebte. Logisch wäre es für mich, wenn die Auseinandersetzung mit Willem und seinesgleichen am Ende dazu führen würde, dass er das Haus verkauft.
Wir wissen schon, dass er es verkauft hat. Er hat es schon einmal erwähnt. 20 Jahre hat er dort gewohnt und dann hat er das Haus verkauft. Ob allerdings wegen der Zeitverläufe, keine Ahnung. Ich meine immer noch, was kann das Haus dafür? Ich würde natürlich bei bestimmten Gebäuden auch Abstand nehmen - aber hier, warum?
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Die persönlichen Geschichten der Figuren? Oder wie meinst du das genau?
Ist ein leicht misszuverstehender Satz, der aus meiner Unzufriedenheit herrührt. Ich bin die Geschichten leid, die mir schon oft in ähnlicher Form erzählt wurden. Viele Nazi Schergen gehorchten ja einem System. Sie wurden nach Kriegsende verhört, waren uneinsichtig, stritten alles ab, kamen in Haft und wurden frühzeitig begnadigt. Das hier ist eine Geschichte von vielen. Durch den Stil berührt sie mich nicht. Das einzig Besondere ist die starke Mientje, die die Familie zusammengehalten hat und den Kindern den Vater nicht schlecht machte.
 

Sassenach123

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Im Prozess geht es tatsächlich um die Abgründe, um die Uneinsichtigkeits Willems. Ich hatte ja zuvor infragegestellt, ob er sich schämt. Hier ist klar, er ist weit davon entfernt. Ein richtiger Unsympath. Mitleid kann ich mit ihnen keines haben.
Geht mir ähnlich. Wobei er mit diesem Verhalten ja nicht allein war, vor ein paar Monaten haben wir hier ein Buch über Eichmann gelesen, der war genauso überzeugt von allem, auch im Nachhinein. Unvorstellbar mit unserem Denken
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Aber Christian hat schon recht. Hätte Stefan uns mehr darüber erzählt über die Zeit, die er im Haus verbrachte und was er für einen Bezug zu den einzelnen Teilen hatte, hätte uns die Geschichte viel mehr zugesagt.
Am Anfang sah es für mich auch eher danach aus, ab der. Titel etwa hat es sich doch etwas mehr in die andere Richtung entwickelt. Mal sehen, es sind ja noch ein paar Seiten
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Und der Blauregen blüht…..schön wie wichtig er Mien zu sein scheint, denn ansonsten gibt es nicht viel schönes in ihrem Leben. Leid tat sie mir, als der Briefumschlag mit dem Geld kam, und sie fast nichts damit anfangen konnte. Eine schreckliche Zeit mit vielen Entbehrungen, wobei sie zum Glück das große Haus hatte, und so noch untervermieten konnte. Eine Geldquelle die viele nicht hatten. Als sie die Unterlagen über Willem einsehen konnte, wurde sie extrem mit seinen Taten konfrontiert, ich konnte mir sehr gut vorstellen wie schrecklich das gewesen sein muss.
Ansonsten bin auch ich manchmal etwas gelangweilt