Ich hatte mir vorgenommen, mich in der weiteren Leserunde etwas zurückzunehmen, um euch das schöne Leseerlebnis nicht zu versalzen, aber mittlerweile seid ihr alle so ernüchtert, dass ich es euch zumuten kann. Außerdem fällt mir das Schweigen ziemlich schwer...
Hier wird eigentlich ziemlich authentisch all das geschrieben, was ich aus anderen Filmen und Büchern schon zuhauf kennengelernt habe. Man kann es nicht oft genug wiederholen - ja. Es ist ein wichtiges Buch - ja. Es ist ein Buch gegen das Vergessen - ja. Und dennoch langweilt es mich entsetzlich. Ich kann nichts dafür. Ich bin diese Geschichten leid.
Der Autor hält sich hier sehr, sehr genau an seine Quellen. Sehr interessant, dass Andri ,obwohl Historiker, nie in die Akten über den Vater hineingeschaut hat. Er wollte sich den Rest Vaterliebe und -respekt nicht nehmen lassen. Dass die Kernfamilie ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Willem hatte, wird mehr als deutlich und wirklich gut
Wie viel Wahrheit kann ein Mensch ertragen, wenn es um den eigenen Vater geht? 317
herausgearbeitet. Ich bewundere Mientje. Sie wurde im Grunde von Willem allein gelassen, als dieser mit seiner Geliebten floh. Sie musste das Haus und die Kinder völlig alleine wuppen, was ihr großartig gelingt. Sie bleibt dem untreuen Gatten gegenüber höchst loyal. Erst als Griet auch noch im Gefängnis auftaucht, bröckelt ihre Treue. Recht hat sie! Nur durch ihre Loyalität ist es möglich, dass die Kinder nicht ausschließlich negativ über ihren Vater denken. Mien muss sehr viel mit sich alleine ausmachen. Dafür braucht sie die Kirche und den Glauben. Sie hat das Herz am rechten Fleck, versucht unparteiisch zu bleiben.
Vor Gericht wurde gelogen, dass sich die Balken biegen - nichts Neues. Willem zeigt keinerlei Einsicht oder Reue - auch das hat er mit zahllosen Nazis gemein. Die hanebüchenen "Briefe" sowie seine Dichtungen hätte ich nicht gebraucht. Teilweise abstoßend, teilweise unglaubwürdig. (Nein, ich weiß, dass Nazis eine Liebe zur Kunst nachgesagt wird). Er war keinesfalls harmlos. Er hat um die Vernichtungsmaschinerie der deutschen "Kollegen" gewusst und ihnen Material ans Messer geliefert, eiskalt.
Selbst bei Anerkennung seines Gnadengesuches zeigt er keinerlei Dankbarkeit. Immer nur am Jammern, nur die eigenen Befindlichkeiten sehend. Er ist der Prototyp des uneinsichtigen, lügenden, wetterwendischen Nazis. Sympathiewerte bleiben keine.
Mir erging es wie euch: Der LA war sehr detailliert und hat mir viel abverlangt. Ich habe nicht viel Neues erfahren. Auch in Frankreich und anderen besetzten Gebieten gab es Kollaborateure, die Geschichten klingen ähnlich. Willem Verhulst ist nur in dieses Rampenlicht getreten, weil ein Schriftsteller zufällig das Haus gekauft hat, indem Willem lange lebte. Ich brauche keine Biografie über diesen Mann. Hertmans war sehr fleißig, hatte Glück, so viele Quellen und Schriften vorzufinden. Dennoch hätte es dem Buch gut getan, nicht jeden Fitzel hineinzuschreiben. Die ganze familiäre Tragik als "richtiger" Roman hätte mich vermutlich stärker gefesselt.
Die Nebenfiguren erreichen mich kaum. Beiwerk.