3. Leseabschnitt: 1893 - Kapitel 15 bis 21 (S. 191 bis 275)

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Zeitsprung. Mehr als 20 Jahre später sind die Paare gesettelt. Chanele, Fräulein Hanna, und Janki führen erfolgreich ihre Stoffhandlung/en. Die eine wird von Chanele geleitet. Insofern ist Chanele Frau Meier geworden und eine ganz eigenständige Geschäftsfrau.
Ihre Ehe mit Janki läuft. Es ist nicht rosig, aber schon ok. In wichtigen, sehr wichtigen Dingen setzt Chanele sich durch. Sie hat 3 Kinder. Francois-Schmul. (Schmul ist echt hässlich), Hilda/Hulda und Arthur.
Mimi dagegen hatte eine Totgeburt und ist seitdem unausstehlich. Na, war sie ja schon immer. Aber ihr Pinhas liebt sie sehr. Die ehelichen Pflichten läßt Mimi über sich ergehen.

Golde ist gestorben und Salomon trauert. Er hadert auch ein bisschen mit Gott und ist wunderlich geworden. Aber nicht wunderlich genug ...

Die Stoff- Meiers geben große Abendessen. Mit den Honoratioren der Stadt. Da dies unwissende und bornierte Christen sind, kommt es immer wieder zu schwierigen Momenten. Die Männer diskutieren über das Gesetz, dass man Tiere nicht mehr schächten darf. Das betrifft natürlich nur die Juden. Die Muslime sind derzeit nicht in der Schweiz ansässig. Jedenfalls nicht in einer Zahl, die ins Gewicht fiele.

Schmul-Francois ist ein Schlingel. Was er wohl in der heutigen Zeit wäre? Forscher, Politiker -sehen, was sich machen lässt?

Mimi macht in Seancen und HildaHulda trifft ihren Zukünftigen. So kommt man mit Amerika und mit den Sozialisten in Berührung.
 

sursulapitschi

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18. September 2019
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Der Zeitsprung hat mich ein bisschen kalt erwischt. Ich war noch nicht so weit. Ich sehe ein, wir müssen vom Fleck kommen, klar.
Solomon gewinnt in diesem Abschnitt. Aus dem braven Kaufmann wurde ein herrlich schrulliger Alter.

Die Dinnerparty war etwas arg lang. Viel Party für wenig Erkenntnisgewinn.

Solomon hat einen Brief, der macht, dass es egal ist, dass Schmul die Verkäuferin geschwängert hat? Was steht da drin??? Fieser Cliffhanger.

Mit dem Auftritt von Zalman Kamionker (wieder ein Name, der auf der Zunge zergeht!) bekommen wir wieder jede Menge historische Infos durch die kalte Küche. Der Friedrich Engels war auch da, dabei ist er Unternehmer, und der August Bebel auch… das macht Spaß.
Hoch interessant fand ich auch das Faustrecht als probates politisches Mittel. Man muss sich wohl vor Augen halten, dass die Menschen Ende des 19.Jhd. nur halb so ehrwürdig waren, wie sie auf den Fotos aussehen. Ich habe da erst unlängst haarsträubend Medizinisches gehört...
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Die Dinnerparty war etwas arg lang. Viel Party für wenig Erkenntnisgewinn.
Das sehe ich nicht so. Lewinsky zeigt hier sehr anschaulich, wie damals so ein „ Geschäftsessen“ ablief, aber v.a. was sich auch anerkannte Juden an Gemeinheiten und fiesen Bemerkungen anhören mussten. Janki tut alles, um von der lokalen Gesellschaft als gleichwertiges Mitglied akzeptiertt zu werden, vergeblich. Die, die sich hier den Bauch vollschlagen, werden bei der nächsten Gelegenheit seine Gegner sein. Bestes Beispiel ist dafür sein Angestellter.
Aber auch die einzelnen Figuren sind doch bestens dargestellt, knapp an der Grenze zur Karikatur.
Salomon ist nun kein Geschäftsmann mehr; er kann es sich leisten, seine Meinung zu äußern, die Gesellschaft vor den Kopf zu stoßen.
 

Emswashed

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20 Jahre.... und spätestens jetzt frage ich mich, wer von euch noch nicht auf den Stammbaum gespickt hat... aber egal!

Lewinsky ist klasse. Nichts vergisst er zu erzählen. Alle Länder hat er im Blick. Alle Personen bekommen einen Ehrenplatz. Dreyfuss, Marx, Engels... und immer mit dabei Melnitz!

Herrlich amüsant, wie er die Ereignisse alltagstauglich miteinander verquickt: Mutter Chanele, die dringend ihren Sohn Francois zur Rede stellen will, geladene Gäste, die ihren Gastgeber scheinheilig bloßstellen wollen und "Tante" Mimi, die ihre Ersatztochter zu Höherem erziehen will und dabei unverhofft einen ungehobelten Bräutigam aus dem Wasser zieht.

Er hat nur eine eigene Meinung zum Thema Schächten als Tierquälerei.

Ach, papperlapapp. Tierquälerei ist nur der vorgeschobene Grund, weil er zu feige ist zu sagen, dass er im Prinzip mit den Juden nicht einverstanden ist. Er hat sich schlichtweg vom Zeitgeist mitreißen lassen.

Solomon hat einen Brief, der macht, dass es egal ist, dass Schmul die Verkäuferin geschwängert hat? Was steht da drin??? Fieser Cliffhanger.

Japp, Schnappatmung!!
 

Renie

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Das sehe ich nicht so. Lewinsky zeigt hier sehr anschaulich, wie damals so ein „ Geschäftsessen“ ablief, aber v.a. was sich auch anerkannte Juden an Gemeinheiten und fiesen Bemerkungen anhören mussten. Janki tut alles, um von der lokalen Gesellschaft als gleichwertiges Mitglied akzeptiertt zu werden, vergeblich. Die, die sich hier den Bauch vollschlagen, werden bei der nächsten Gelegenheit seine Gegner sein. Bestes Beispiel ist dafür sein Angestellter.
Aber auch die einzelnen Figuren sind doch bestens dargestellt, knapp an der Grenze zur Karikatur.
Salomon ist nun kein Geschäftsmann mehr; er kann es sich leisten, seine Meinung zu äußern, die Gesellschaft vor den Kopf zu stoßen.
Das geht mir auch so. Das Besondere bei diesem Essen sind für mich die Personen der ach so feinen Gesellschaft, die sich der jüdischen Gemeinde überlegen fühlen. Lewinsky zieht sie durch den Kakao. Ein bisschen Alkohol dazu und schon bröckelt die Fassade. Und Janki will unbedingt dazugehören. Natürlich hat er geschäftliche Interessen bei seiner Anbiederung. Aber fühlt er sich als Jude minderwertig, dass er bei diesen Leuten Anerkennung sucht?
 

Renie

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Mir gefällt mal wieder, was wir an geschichtlicher Entwicklung im Alltag mitbekommen. Interessant war für bspw. wie sich der Einzelhandel entwickelt (Chanele in ihrem Warenhaus) oder wie es Frauen in der Schweiz ergangen ist. Eine Bedürfnisanstalt für Frauen als etwas Besonderes zu erwähnen, ist aus heutiger Sicht schräg.

Und dann hat es mir das Hobby von Salomon angetan: Gematrie! Was es nicht alles gibt. ;)
 

Wandablue

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Lewinsky ist arg detailversessen. Ich würde nicht so viele Beschreibungen von Anziehsachen brauchen. Er trug dies, sie trug das: das macht man heute auch eleganter in der Literatur. Man bindet Anziehzeug ein in die Erzählung. Wenn ich mal ein Beispiel finde, von anderen Autoren, tue ich es kund.
 
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Renie

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Machen wir das nicht alle heute noch? Man denke nur an die 13 oder die 666.
Das ist für mich noch etwas Anderes, hat etwas mit Aberglauben zu tun. Aber in der Gematrie geht es darum Worte mit der Hilfe von Zahlen zu interpretieren. Jedem Buchstaben steht ein Zahlenwert gegenüber. Du kannst daher jedes Wort in eine Zahl umrechnen. Keine Ahnung, was das bringen soll, denn die Interpretationen von Salomon sind zwar lustig, aber doch sehr fragwürdig.

Gematrie
 

RuLeka

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. Aber fühlt er sich als Jude minderwertig, dass er bei diesen Leuten Anerkennung sucht
Er war als Jude minderwertig, das wird ihm immer wieder zu verstehen gegeben. Aber als Geschäftsmann war er darauf angewiesen, eine Stellung in der Gemeinde zu haben. Und ja, es war ihm sicher auch persönlich wichtig, obwohl er sich wenig Illusionen über diese Leute macht.
Lewinsky ist arg detailversessen
Ich mag das . Erinnert mich z.B. an den Roman „ Effingers“ von Gabriele Tergit. Für mich ergibt das alles zusammen ein stimmiges Bild. Die Kleiderfrage sagt hier ja auch immer was über die Stellung aus. Da hat jedes Detail seine Bedeutung.
 

Barbara62

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Und Janki will unbedingt dazugehören. Natürlich hat er geschäftliche Interessen bei seiner Anbiederung. Aber fühlt er sich als Jude minderwertig, dass er bei diesen Leuten Anerkennung sucht?
Einerseits will er aus Eitelkeit dazugehören, andererseits hat er bereits einmal (bei der Geschäftseröffnung) erlebt, wie schnell sie einen vernichten können.
 

Barbara62

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Ich lese zwar gerade etwas langsamer, aber das liegt nicht an den Details oder an Langatmigkeit, im Gegenteil. Ich liebe die Beschreibungen, egal, ob es sich um Kleider, um Rauchgewohnheiten, um Geschäftstätigkeit oder um Salomons abstruses Hobby handelt.

Mimi ist mir in diesem Abschnitt etwas sympathischer geworden. Zwar ist sie immer noch eitel, oberflächlich und zickig, aber sie tut mir mit ihrer Totgeburt leid. Dass sie sich so um Hinda kümmert, ist einerseits Therapie, andererseits aber auch nett. Hinda wird als "Sonnenschein" beschrieben, sie lacht gern und tut Mimi gut.

Bei der Séance musste ich an "Die Beichte einer Nacht" denken. Es war ein Phänomen der Zeit.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Die Dinnerparty war etwas arg lang. Viel Party für wenig Erkenntnisgewinn.
Nee. Fand ich nicht. Diese unterschiedlichen Figuren mit ihren Eigenheiten wurden doch wunderbar beschrieben. Immer eine Prise Humor oder Überzeichnung dabei:
5 Tage steht die arme Christine in der Küche und Janki stapelt mit einem "Stück Butterbrot" tief...
Soviel Heuchelei. Hab mich bestens unterhalten lassen. Wenn mir etwas zu lang war, dann wäre das Zalmans Ausführungen zum Kongress - ist aber Jammern auf hohem Niveau.
20 Jahre.... und spätestens jetzt frage ich mich, wer von euch noch nicht auf den Stammbaum gespickt hat... aber egal!
Warum sollte ich schauen, solange ich noch den Überblick über die Figuren habe?! Ihr habt mir jetzt schon erzählt, dass Hilda diesen Kamionka heiraten wird. Aber mir reicht das Wissen auch später. Brauche (noch) keinen Stammbaum.
Ja genau, Effingers von Tergit habe ich nach der Hälfte aufgegeben: uferlos.
Ich habe es sehr gern gelesen. Haha!
Ich liebe die Beschreibungen, egal, ob es sich um Kleider, um Rauchgewohnheiten, um Geschäftstätigkeit oder um Salomons abstruses Hobby handelt.
Ach, alles ist so wunderhübsch formuliert, dass es eine Freude ist:)