5. Leseabschnitt: Kapitel 29 bis 35 (S. 360 bis 441)

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
In diesen Seiten stirbt Salomon. Die Familie kann wohl nicht mit Krankheit umgehen. Einzig der Jugendliche Arthur kommt damit klar und das auch nicht direkt wegen seiner angeborenen Pflegermentalität, sondern aus Forschungszwecken. Seine Anwesenheit dürfte dem Kranken dennoch gut getan haben. Ach ja und die Tochter des Hauses, Hinda, nimmt die Dinge auch ganz gut auf. Wenn sie nicht die tüchtige Christine hätten, ihre ungerührte Hausangestellte, die wohl keine guten Erfahrungen mit Männern machte. "Gut aussehend, die Meijerjungs", aber letztlich sind alle Kerle gleich.

Da die Kerle sich für das Nonultra der Schöpfung halten, haben Frauen auch keinen Zugang zur Versammlung des Volksvereins, der endlich gegründert worden ist. Bei solchen Versammlungen sollte Alkohol ebenfalls der Zutritt verwehrt werden. Pinchas soll dort eigentlich die Sache der Juden vertreten, sieht sich aber aber gleich zu Beginn mit fiesen Bemerkungen konfrontiert.

Das Volksvotum geht dann auch gegen seine Sache aus.

Mimi ist endlich schwanger und glücklich.
 

sursulapitschi

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18. September 2019
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Beeindruckend, wie abgebrüht Chanele sein kann. Das hätte ich ihr dann doch nicht zugetraut.

Diese Volksabstimmung ist doch eine wirklich perfide Art, Juden aus dem Land zu graulen. Der Tierschutz wird den Herren kaum so sehr am Herzen gelegen haben.

Hinda und Zalman sind ein entzückendes Paar. Erstaunlich, wie leicht er mit seiner Dreistigkeit durchzukommen scheint. Ein akzeptabler Schwiegersohn ist er ja ganz und gar nicht.

Von Arthur erwarte ich noch Großes.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Ich habe mich gewundert, dass das Gesetz zur Freizügigkeit der Juden und den vollen Bürgerrechten quasi nur am Rande erwähnt wurde, jedoch das Schächtungsgesetz in great length ausgewaltzt. Dabei ist das erste viel viel wichtiger.

Wiki schreibt dazu: "In der Alten Eidgenossenschaft lebten die Juden seit dem frühen 17. Jahrhundert in der Gemeinen Herrschaft Baden unter einem «teuren» Sonderstatut, letztmals beschlossen von der Tagsatzung 1776. Der Wohnsitz der Menschen jüdischen Hintergrundes war auf die beiden aargauischen Dörfer Endingen und Lengnau beschränkt (mit weiteren Ausnahmen im Raum der Westschweiz, u.a. in La Chaux-de-Fonds und Carouge). Die Helvetik trieb zwar die Idee der Emanzipation voran, setzte sie aber nicht umfassend durch. Im Jahr 1866 wurden die jüdischen Staatsbürger der Schweiz dann per Bundesverfassungsentscheid gleichberechtigt."

Das erklärt vieles. Man durfte also nur in Endingen und Lengnau leben. Deshalb ist dort ein jüdisches Ballungszentrum. Zu den geschilderten Zeiten ist das Gebot zwar aufgehoben, hat aber natürlich seine Auswirkungen. Das hätte Lewinsky ruhig ein wenig hervorheben können. Und dass Mimi verlangte, dass Pinchas nach Zürich zieht, ist nichts weniger als eine kleine Revolution. So was will ich nicht aus Wiki erfahren!
 

sursulapitschi

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18. September 2019
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Ich habe mich gewundert, dass das Gesetz zur Freizügigkeit der Juden und den vollen Bürgerrechten quasi nur am Rande erwähnt wurde, jedoch das Schächtungsgesetz in great length ausgewaltzt. Dabei ist das erste viel viel wichtiger.

Wiki schreibt dazu: "In der Alten Eidgenossenschaft lebten die Juden seit dem frühen 17. Jahrhundert in der Gemeinen Herrschaft Baden unter einem «teuren» Sonderstatut, letztmals beschlossen von der Tagsatzung 1776. Der Wohnsitz der Menschen jüdischen Hintergrundes war auf die beiden aargauischen Dörfer Endingen und Lengnau beschränkt (mit weiteren Ausnahmen im Raum der Westschweiz, u.a. in La Chaux-de-Fonds und Carouge). Die Helvetik trieb zwar die Idee der Emanzipation voran, setzte sie aber nicht umfassend durch. Im Jahr 1866 wurden die jüdischen Staatsbürger der Schweiz dann per Bundesverfassungsentscheid gleichberechtigt."

Das erklärt vieles. Man durfte also nur in Endingen und Lengnau leben. Deshalb ist dort ein jüdisches Ballungszentrum. Zu den geschilderten Zeiten ist das Gebot zwar aufgehoben, hat aber natürlich seine Auswirkungen. Das hätte Lewinsky ruhig ein wenig hervorheben können. Und dass Mimi verlangte, dass Pinchas nach Zürich zieht, ist nichts weniger als eine kleine Revolution. So was will ich nicht aus Wiki erfahren!
Guck an, danke, das ist erhellend.
Ich bin gerade über den ersten Satz des Klappentextes gestolpert, wo etwas von Bürgerrechten stand und habe mich gefragt, ob ich die etwa überlesen habe.
Das hätte man wirklich ausbauen müssen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Das erklärt vieles. Man durfte also nur in Endingen und Lengnau leben. Deshalb ist dort ein jüdisches Ballungszentrum. Zu den geschilderten Zeiten ist das Gebot zwar aufgehoben, hat aber natürlich seine Auswirkungen. Das hätte Lewinsky ruhig ein wenig hervorheben können.
Lewinsky ist ein Schweizer Autor. Vielleicht wissen die Schweizer das eh aus ihrem Geschichtsunterricht.
Beeindruckend, wie abgebrüht Chanele sein kann. Das hätte ich ihr dann doch nicht zugetraut.
Sie ist tatsächlich in ihre Rolle als Madame Mejer hineingewachsen. Die Ehe mit Janki hat sie härter gemacht
 

Wandablue

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18. September 2019
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Aber diesen Part übernehmen wir doch sehr gern, oder? Ärgerlich? Vielleicht! Andererseits finde ich es auch furchtbar, alles vorgekaut zu bekommen.
Zwischen quasi gar nichts sagen und vorgekaut bekommen, liegen Welten. Eigentlich gilt: was ich nicht im Buch selber finde, existiert nicht zur Beurteilung. Also von daher. Nein. Ich finde es furchtbar, dass man verlangt, sich Extrawissen aus anderen Quellen anzueignen. Das muss das Buch vermitteln. Darum lese ich doch. Nicht wegen ner Familiengeschichte. Diese langweilt auch mitunter. Ist mir doch egal, was die Meijers so treiben. Nein, ich will nebenbei was lernen. Und zwar nicht von Wiki. Bei 900 Seiten und extra. Das gibt Punktabzug.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Es hat ein wenig was von Slapstick-Komik, als Pinchas die Todesnachricht und Mimi gleichzeitig die freudige Neuigkeit überbringen wollen... a little bit too much, aber dramaturgisch gelungen.

Bei aller Freizügigkeit der Schweizer (Stichwort Bürgerrechte) sieht man beim neu gegründeten Volksbildungsverein, dass man zwar Gesetze ändern, die Köpfe aber so schnell nicht leer bekommen kann. Es brodelt unter den Leuten, sie wollen Rache. Oder ist es eher die Angst um ihren Stand? Schließlich sind die Juden als tüchtige Geschäftsleute bekannt, hatten bisher schlechte Karten und holen jetzt mächtig auf.

Nein, ich will nebenbei was lernen. Und zwar nicht von Wiki.
Das Haar in der Suppe? O.k.. Aber sei nicht zu hart.
 

sursulapitschi

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18. September 2019
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Nein, ich will nebenbei was lernen. Und zwar nicht von Wiki. Bei 900 Seiten und extra. Das gibt Punktabzug.
Hui, grundsätzlich hast du recht. 900 Seiten dürften auch gerne lehrreich sein, das hätte man ausbauen können, die historischen Informationen oft nur angedeutet und sehr dezent. Aber ein bisschen was lernen wir doch auch. Ich wusste nicht, dass es eine Antischächtungsbewegung gab.
Trotzdem ist es so grandios geschrieben, dass mir nicht einfallen würde, einen Stern abzuziehen. Vielleicht ziehe ich den siebten Stern ab...
 

Wandablue

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18. September 2019
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Melnitz ist überflüssig wie ein Kropf. Das Buch müsste Meijers heißen.
Ja, schon klar, dass es ein Familienroman ist, aber der Fokus ist doch sehr eng gefasst.
 
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sursulapitschi

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18. September 2019
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@Emswashed @sursulapitschi : Langweilen euch die Meijers nicht? Mir gehen sie allmählich doch etwas auf den Senkel. Es gibt keine anderen Menschen, die eine Rolle spielen würden.
Nö, bislang mag ich sie alle und finde immer wieder was, was mich interessiert. Ich brauche immer ein bisschen nach einem Zeitsprung. Mit dem neuen Abschnitt bin ich noch nicht warm geworden, würde aber drauf wetten, dass sich das gibt.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Darum lese ich doch. Nicht wegen ner Familiengeschichte. Diese langweilt auch mitunter. Ist mir doch egal, was die Meijers so treiben
Wenn ich nur lese, um Fakten zu erfahren, brauche ich keinen Roman, sondern greife zum Sachbuch. Eine gute Familiengeschichte zeichnet sich doch dadurch aus, dass wir durch Empathie etwas über die Zeit erfahren. Geschichte exemplarisch anhand verschiedener Figuren, mit denen ich mitleide, mitlache usw. Mich langweilt hier nichts Und es interessiert mich sehr, was die Meijers so treiben.
Und zwar nicht von Wiki.
Wie oft haben wir Wiki gebraucht bei Julian Barnes „ Mann im roten Rock“ und das haben wir alles erfahren.
Es hat ein wenig was von Slapstick-Komik, als Pinchas die Todesnachricht und Mimi gleichzeitig die freudige Neuigkeit überbringen wollen... a little bit too much, aber dramaturgisch gelungen.
Ja schon, dramaturgisch gut zugespitzt, aber zeigt es doch, wie nah Tod und Geburt zusammenliegen.
: Langweilen euch die Meijers nicht? Mir gehen sie allmählich doch etwas auf den Senkel. Es gibt keine anderen Menschen, die eine Rolle spielen würden.
Keine Zeile. Es ist ein Familienroman über mehrere Generationen und da geht es vorrangig um die Menschen dieser Familie. Doch es tauchen doch immer wieder andere auf, mit denen es die Familie zu tun bekommt, z.B. der lächerliche Schulmeister, der Verräter Dr. Stern oder der Widerling Gubser und und und …Mir reicht das Personal.
Melnitz ist überflüssig wie ein Kropf.
Überhaupt nicht. Er als der ewige Mahner, der auf das Unrecht an den Juden hinweist.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Geschichte exemplarisch anhand verschiedener Figuren, mit denen ich mitleide, mitmache usw. Mich langweilt hier nichts Und es interessiert mich sehr, was die Meijers so treiben.
Schön gesagt! Auch beim zweiten Lesen/Hören bin ich tief beeindruckt von der Fabulierkunst des Autors. Dieser feine Humor, die Schilderung der kleinen und großen Nadelstiche. Die Frauen, die sich mit ihrer Rolle zufrieden geben mussten, aber mit Klugheit und List doch die Zügel in der Hand hatten (ich bin mit meiner Zweitlektüre im dritten Teil). Da steckt soviel Zeit- und Gesellschaftskolorit drin, dass uns leichtfüßig und kurzweilig von Lewinsky näher gebracht wird.
Nein, ich bin nach wie vor begeistert von dem Buch und gebe Sursu Recht: Wenn Abzug, dann den siebenten Stern;) (diese Formulierung werde ich mir merken!)
 

Wandablue

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Brandenburg
@RuLeka : wir brauchen ein Phhft-Smiley.

Das meine ich alles nicht. Ich meine, es gibt keinen Perspektivwechsel über die Familie hinaus. Der Fokus ist schon recht eng. Meilenweit werden Kleider beschrieben, aber es gibt wenige Sätze zum Hintergrund. Das ist in anderen Romanen besser gelungen. Finde ich eben.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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@RuLeka : wir brauchen ein Phhft-Smiley.

Das meine ich alles nicht. Ich meine, es gibt keinen Perspektivwechsel über die Familie hinaus. Der Fokus ist schon recht eng. Meilenweit werden Kleider beschrieben, aber es gibt wenige Sätze zum Hintergrund. Das ist in anderen Romanen besser gelungen. Finde ich eben.
Jedem seine Meinung :)