Zweckfreie Kuchenanwendungen: Roman
„Ein Mann und eine Frau gehen durch einen Supermarkt.“
Dies ist der erste Satz des Romans „Zweckfreie Kuchenanwendungen" der singapurischen Autorin Yeoh Jo-Ann. Was darauf folgt, ist kein Witz, sondern eine Geschichte, die Ihresgleichen sucht und kaum zu vergleichen ist, mit dem, was die europäische Literaturszene aktuell zu bieten hat - nicht, weil dieser Roman aus Singapur besser oder schlechter als europäische Literatur ist, sondern, weil er ganz einfach herzerfrischend anders ist.
Der Inhalt ist schnell erzählt:
Unverheirateter Lehrer in den 30ern trifft per Zufall auf seine Liebe aus Schulzeiten und vielleicht, vielleicht aber auch nicht, kommen sie am Ende des Romans wieder zusammen.
Das hört sich ähnlich simpel an, wie der erste Satz dieses Romans, ganz so simpel ist die Geschichte dann aber doch nicht. Denn das, was die Autorin aus diesem unspektakulären Plot strickt, ist um einiges raffinierter und bringt den Leser zum Staunen. Und das hat folgende Ursachen:
1. Schauplatz: Singapur
„Zweckfreie Küchenanwendungen" ist von einer Autorin aus Singapur geschrieben und spielt an genau diesem eigenwilligen Ort, der als eines der reichsten, saubersten und sichersten Länder der Erde gilt. Singapur verspricht demnach eine extrem hohe Lebensqualität. Nur die Mittel, die dieses Land einsetzt, um diese Standards zu sichern, sind fragwürdig. Denn Singapur ist ein autoritärer Stadtstaat, welcher das Leben seiner Einwohner durchtaktet und lenkt. Das Strafrecht ist eigenwillig. Was bei uns als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe geahndet wird, kann in Singapur mit einer Körperstrafe enden. Es gibt hier noch die Todesstrafe, die regelmäßig praktiziert wird, die Statistiken von Amnesty International sind da sehr aussagekräftig. Singapur mag zwar nach Außen den Anschein erwecken, "the place to be" zu sein. Doch der Schein trügt.
Wer also dieses Buch liest, sollte niemals die Besonderheiten dieses Landes und seiner Gesellschaft außer Acht lassen und den Fehler machen, diese Lektüre nach europäischen Maßstäben zu messen. Es lohnt sich, im Vorfeld ein wenig Recherche zu betreiben, um die Eigenwilligkeiten der Geschichte, die durch ihren Schauplatz gegeben sind, überhaupt erkennen zu können.
2. Die Charaktere: Sukhin und Jinn
Der Lehrer Sukhin kommt anfangs als Eigenbrötler daher, dem die Gesellschaft anderer zuwider ist, was er auch nicht verbirgt. Auf den ersten Blick interpretiert man sein Verhalten als arrogant, überheblich und ich-bezogen. Doch die Autorin zeigt auf, dass auch ein Unsympath wie ihr Protagonist, Gründe für sein abweisendes Verhalten hat. Spätestens mit seiner Fürsorge für Jinn erobert Sukhin des Lesers Herz. Er kann also auch anders.
Jinn ist die große Geheimnisvolle in diesem Roman. Sie lebt auf der Straße (man beachte den Widerspruch: in Singapur gibt es offiziell keine Obdachlosigkeit!) und die große Frage, auf deren Antwort der Leser bis zum Schluss des Romans voller Spannung warten muss, ist, warum Jinn, die in geordneten Verhältnissen aufgewachsen ist, in diese Situation geraten ist.
Die Spannung wird dabei durch geheimnisvolle Zwischenkapitel in diesem Roman angeheizt, die scheinbar so gar nicht in die Handlung hineinpassen. Insbesondere sprachlich unterscheiden sich diese traurig-melancholischen Abschnitte von dem quirlig und salopp erzählten Handlungsstrang um Sukhin und Jinn.
3. Wohlfühlfaktor: Essen
Der Titel „Zweckfreie Kuchenanwendungen" deutet darauf hin: es wird gegessen. Man könnte jetzt unzählige Weisheiten zitieren, die Essen einen Wohlfühlfaktor bescheinigen. Auf diesen Roman träfen die meisten zu.
Natürlich ist es hier der Kuchen, der die Glückshormone befeuert, wobei der Leser auch sein Fett abbekommt, denn diese Wohlfühlstimmung überträgt sich.
Solange der Kuchen schmeckt, ist die Welt der Charaktere in diesem Roman in Ordnung. Aber bekanntlich schlägt zuviel Kuchen auf den Magen.
Unbedingt hervorzuheben ist die Leistung der Übersetzerin Gabriele Haefs, die es geschafft hat, den mitunter lakonischen Sprachstil der Autorin wiederzugeben. Die Herkunft dieses Romans und seine Besonderheiten hinsichtlich Lokalkolorit und der Umgangssprache in Singapur haben es Frau Haefs da sicherlich nicht leicht gemacht. Ihr haben wir auch das hochinteressante und unterhaltsame Glossar zu verdanken, in dem sie nicht nur auf die Eigenheiten Singapurs und seiner Sprache eingeht, sondern auch Erklärungen zu Begriffen liefert, die dem Singapur-Unkundigen fremd sind. Eine grandiose Leistung von Gabriele Haefs, die damit keinen unerheblichen Anteil an der Qualität dieses Romans hat.
Fazit
„Zweckfreie Kuchenanwendungen“ ist eine literarische Wundertüte voller Überraschungen, die mich durch ihre einzigartige Mischung aus Unterhaltung, Tiefgang und Fremdartigkeit verzaubert hat. Leseempfehlung!
„Zweckfreie Kuchenanwendungen“ machen richtig Appetit auf mehr – nicht nur auf die zahlreichen köstlichen Gerichte, Teesorten und Kuchenarten, die in dem Roman reichlich Beachtung finden, sondern auch auf mehr frische, feine, unterhaltsame und mutige Literatur aus Singapur. Yeoh Jo-Ann ist eine tiefsinnige, witzige, famos geschriebene Aussteigergeschichte vor der lebendigen Kulisse des bis ins Detail durchstrukturierten und stark reglementierten Stadtstaates gelungen, die sich traut Grauzonen anzusprechen und auf sympathische Weise zu präsentieren ohne didaktisch den Zeigefinger zu erheben.
Im Mittelpunkt der überaus lesbaren Story steht der Literatur-Dozent Sukhin, ein etwas griesgrämiger Mittdreißiger, der sein Fach liebt, seine Studenten und Kollegen (mit Ausnahme des temperamentvollen und überschwänglichen Dennis) aber gerade nur so toleriert. Sukhins Figurenzeichnung ist bis ins letzte Detail geglückt. Sie überzeugt nicht nur von der Anlage und Entwicklung her, Sukhin ist auch perfekt in seine Welt eingebettet. Sein Arbeitsleben wird äußerst präzise und zutreffend geschildert. So humorvoll und bisweilen unwahrscheinlich Klausurdiskussionen, Hausarbeitskorrekturen und Fachkonferenzen auch anmuten, nichts davon ist realitätsfern, sondern im Gegenteil ein authentisches Abbild des Dozentenleben.
Sukhins Einerlei wird eines Tages ordentlich durcheinandergerüttelt, als er seine alte Liebe Jinn zufällig wiedertrifft und feststellt, dass sie offiziell „verschwunden“ ist und ein – in Singapur fast unmögliches – Leben als Obdachlose führt. Durch den Kontakt mit Jinns Welt und ihrem Wunsch nach Freiheit gerät auch Sukhins festgefahrenes Denken ins Wanken.
Was sich nach einer simplen, möglicherweise mit leichten Achtsamkeits-Thesen verbrämten, Liebesgeschichte anhört, ist tatsächlich ein recht tiefsinniges Stück Literatur, das im Mantel eines fluffig-süffigen Erzählstils daherkommt, der nicht nur Dialoge ausgezeichnet beherrscht und Situationskomik punktgenau abliefert, sondern auch leichtfüßig Subtexte einbindet, die man aufgrund der hohen Lesbarkeit nur allzu leicht überliest. Beispiele hierfür sind die Auswahl der Namen, die Bedeutung von Blumen, die kurzen kursiv gedruckten Passagen, die jedem Kapitel folgen, die genaue Beschreibung von Singapurs gepflegten Parkanlagen mit ihrer künstlich hergestellten Wildheit oder auch die Einbindung von Lyrik, die (zumindest zu dem Zeitpunkt als der Roman in Singapur erschien) durchaus noch als subversiv gelten konnte. Für diese Aspekte sollte man sich Zeit nehmen und sie etwas in sich bewegen.
Auch wenn der Text auf den letzten Metern etwas schwächelt und in der vorliegenden Ausgabe insgesamt zu viele Grammatikfehler enthalten sind, bin ich von dem Roman überaus angetan und würde mir sehr viel mehr Geschichten dieser Art wünschen.
Der 35jährige Sukhin arbeitet an einer Schule als Lehrer für englische Literatur, meidet gleichzeitig aber weitesgehend soziale Kontakte. Lediglich ein Freund und Kollege lässt sich durch seine abweisende Art nicht abschrecken und erweist sich als hartnäckig und nicht abzuwimmeln. Sukhin ist jemand, der am liebsten unsichtbar wäre, der seine Tage vor sich hin lebt, sich den Zwängen des Alltags unterwirft, ohne jemals Vergnügen daran zu finden. Sukhin besucht z.B. regelmäßig seine Eltern und pflegt dabei deren Kartonsammlung, die mittlerweile das komplette Wohnzimmer erobert hat und nur für den Fall existiert, falls irgendwann einmal ein Umzug anstehen sollte. Bei jedem Besuch werden die Eltern nicht müde, ihn darauf hinzuweisen, dass es allmählich Zeit wird, dass er sich endlich eine Frau sucht.
Als Sukhin nach einem Einkauf in einer abgelegenen Gasse in ein Wohngebilde aus Pappkartons stolpert, stößt er dabei auf eine obdachlose Frau. Erst auf den zweiten Blick erkennt er, dass er diese Frau von früher kennt. Es handelt sich um Jinn, eine ehemalige Schulfreundin, mit der er eine Zeitlang sogar liiert war. Weshalb lebt sie nun auf der Straße? Sukhin lässt diese Frage keine Ruhe und versucht ihr auf den Grund zu gehen. Allmählich nähert er sich Jinn und ihrem Geheimnis an, und Kuchen, Tee und Kartons spielen dabei eine große Rolle.
Der Roman spielt in Singapur - ein Insel- und Stadtstaat in Südostasien, über den ich bisher so gut wie gar nichts wusste. Wenn man ein wenig nachforscht, erfährt man, dass es sich hierbei um ein mittlerweile erfolgreiches Industrieland handelt - tatsächlich gilt es als eines der reichsten, saubersten und sichersten Länder der Welt mit einer extrem hohen Lebensqualität -, dessen Regierung und Gesetzeslage die Bevölkerung jedoch in einem engen Korsett hält. Wo bereits vermeintliche kleine Ordnungswidrigkeiten wie Kaugummibesitz, Spucken, Müll auf die Straße werfen oder in der Stadt einen Drachen steigen lassen hohe Strafen nach sich ziehen, Lügen mit Prügelstrafe beantwortet werden und auch die Todesstrafe noch existiert, da bleibt für individuelle Ausbrüche kaum Spielraum. Obdachlosigkeit beispielsweise existiert (offiziell) gar nicht, der Staat stellt ausreichend erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung. Lebt jemand auf der Straße, wird auch das bestraft.
Hinzu kommt der intensive Einfluss der Elterngeneration auf die Kinder. Klare Erwartungshaltungen sollen erfüllt, vorgegebene berufliche Karrieren eingeschlagen, eine Familie gegründet werden. Sukhin erträgt das fremdbestimmte Leben kaum und versucht dem in seinem Rahmen auszuweichen. Von einer Ehefrau ist nichts zu sehen, und Lehrer war jedenfalls nicht der Traumberuf seines Vaters. Trotzdem fühlt sich Sukhin von den ständigen Erwartungen anderer stark eingeengt, weiß aber nicht, was er dem erfolgreich entgegensetzen kann. Jinn dagegen hat sich aus diesem Zwangskorsett gelöst, lässt auch Sukhin nur sehr allmählich wieder in ihr Leben. Die Begegnung der beiden reißt Sukhin jedenfalls aus seinem Alltagstrott. Wohin das führt, sollte man unbedingt selbst lesen! Und nein, das ist alles, aber mit Sicherheit keine 0-8-15-Liebesgeschichte.
Die Autorin spielt in ihrem Debüt demonstrativ mit den Tabus des Landes. Obdachlosigkeit, Homosexualität, Leben nach eigenen Vorstellungen - alles nicht denkbar. Eigentlich. Hier aber eben schon. Hier geht es u.a. um Individualität vs. Konformität. Aber eben sehr unterhaltsam eingebettet in eine soghafte Erzählung mit interessanten und schrägen Charakteren, ein wenig Sightseeing und einem oftmals trockenen Humor, der fast unfreiwillig erscheint und deshalb um so besser wirkt. "...selbst, wenn er einer wäre, der sich von einem Keks ungrammatische Ratschläge erteilen lässt." (S. 22) Noch dazu ist der Roman außergewöhnlich konzipiert. Die eigentliche Handlung wird immer wieder von kursiv geschriebenen Passagen unterbrochen, die lange Zeit Fragezeichen aufwerfen hinsichlich des Zusammenhangs, letztlich aber für ein absolut rundes Bild sorgen. Es ist in jedem Fall spannend zu verfolgen, wie sich Sukhin ganz allmählich verändert.
Definitiv 5 Sterne von mir, für mich ist der Roman ein Jahreshighligt. Ich würde sogar noch einen Stern drauflegen, wenn es ginge. Für mich stimmte hier alles. Ein wirklich starker, ungewöhnlicher, mutiger Roman.
© Parden
Auf meiner literarischen Landkarte ist Singapur ein weißer Fleck.
Singapur - ist das nicht jener hochentwickelte Stadtstaat in Asien, der aufgrund seiner florierenden Wirtschaft, seiner guten Versorgung im Bereich von Bildung und Gesundheitswesen und seiner niedrigen Kriminalitätsrate eine der attraktivsten Gegenden ist? Allerdings werden dort auch relativ harmlose Vergehen sanktioniert, z.T. mit drakonischen Strafen.
Einen nicht geschönten Einblick in den Alltag dieser Metropole erhält man mit dem ersten Roman der aus Singapur stammenden Autorin Yeoh Jo- Ann.
Der Protagonist Sukhin ist ein 35jähriger Lehrer für englische Literatur an einem College. Der Beruf macht ihm wenig Freude und mit den Jahren hat er sich zu einem richtigen Sonderling entwickelt, der den Lärm nicht mehr erträgt, seine Kollegen meidet, ab und zu bei seinen Eltern vorbeischaut, aber am liebsten allein mit seinen Büchern ist.
Einzig sein homosexueller Kollege Dennis lässt sich von Sukhins Sozialphobie nicht abschrecken, sondern versucht ihn mit seiner beständigen guten Laune aus seinem Trott herauszureißen .
Den Eltern gefällt es garnicht, dass ihr einziger Sohn noch immer unverheiratet durchs Leben geht. Deshalb versuchen sie ihn immer wieder zu verkuppeln. Doch als Sukhin bei einem Treffen mit so einer potentiellen Heiratskandidatin mitbekommt, dass die junge Frau keine Kuchen mag, ergreift er die Flucht. Völlig unvorstellbar für ihn, mit einem Menschen zusammenzuleben, der nicht der Süße von Kuchen verfallen ist.
Eines Tages stolpert Sukhin über die Kartonbehausung einer obdachlosen Frau. Sein Schreck darüber wird noch größer, als er feststellt, dass er die Frau kennt. Sie ist Jinn, mit der er seit Schulzeiten jahrelang liiert war und deren Verschwinden er immer noch nicht überwunden hat. Was war geschehen, dass die Tochter aus reichem Hause nun als Obdachlose lebt ? Hatte sie doch bei ihrer letzten Begegnung noch einen lukrativen Job bei einer Eventagentur, die „Partys für sehr gelangweilte, sehr reiche Leute“ organisierte.
Sukhin bringt anfangs nicht den Mut auf, ihr diese Frage zu stellen. „ Wo ist das Handbuch für Idioten, das erklärt, wie man die Frau, die man einmal geliebt hat, fragt, warum sie in einer Seitengasse unter einem Haufen von Kartons haust?“
Doch Sukhin kümmert sich um seine frühere Freundin, versorgt sie mit selbstgebackenem Kuchen und anderem Essen. Und er bekommt durch sie einen Einblick in eine ihm unbekannte Welt. Gemeinsam mit ihr und anderen Gleichgesinnten wird er zu einem Lebensmittel- Retter, der in Mülltonnen nach Essen fischt und daraus Gratis- Essen zubereitet für Obdachlose und Arme.
Und er erfährt, dass Jinn freiwillig dieses Leben gewählt hat, eines jenseits von Konsum und Gier.
Diese Treffen führen zu einer vorsichtigen Wieder- Annäherung der beiden, auch wenn dabei einige Missverständnisse überwunden werden müssen. Und der Misanthrop Sukhin findet zurück ins Leben.
Nicht nur der Titel des Romans ist außergewöhnlich, sondern das ganze Buch. Es ist in einem locker - leichten Ton geschrieben, liest sich, auch durch den immer wieder hervorblitzenden Humor und die pointierten Dialoge, sehr unterhaltsam. Doch davon darf man sich nicht täuschen lassen. Verhandelt die Autorin doch das große Thema nach einem sinnerfüllten Leben. Auch übt sie offen Gesellschaftskritik und spricht Probleme an, die nicht zur sauber glänzenden Kulisse Singapurs passen.
Die Figuren, obwohl meist leicht skurril, wirken glaubwürdig und lebendig und werden von der Autorin mit sehr viel Empathie gezeichnet. Sukhins Marotten sind eher liebenswert und verständlich. Im Laufe der Erzählung wächst er einem immer mehr ans Herz. Auch kann der Leser Jinns radikale Entscheidung nachvollziehen.
Sprachlich ist der Roman äußerst abwechslungsreich. Mal leicht und witzig, dann wieder melancholisch und nachdenklich. Gerade in den kursiv gesetzten Zwischentexten zeigt sich die Autorin von ihrer poetischen Seite. Diese Abschnitte geben zu Anfang Rätsel auf, ihr Sinn erschließt sich erst gegen Schluss . Es empfiehlt sich deshalb, sie dann ein zweites Mal zu lesen.
Ganz nebenbei erfährt man als Leser einiges über das Leben und die Kultur Singapurs und Essen spielt im Buch eine sehr große Rolle.
Ein großartiger Roman, der ohne jeglichen Kitsch eine ungewöhnliche Liebesgeschichte erzählt, eine Hauptfigur, die eine glaubwürdige Entwicklung durchläuft, eine rätselhafte Geschichte, die bis zum Schluss seine Spannung hält. Dazu einige kluge Sätze, wie „ Aber wenn wir nicht versuchen, bessere Menschen zu werden, fangen wir an, schlechtere Menschen zu werden.“
Schon allein, dass Yeoh Jo - Ann solch brisante Themen wie Obdachlosigkeit, Armut und Homosexualität, die es nach offizieller Lesart in Singapur garnicht gibt bzw. unter Strafe stehen, in ihrem Roman anspricht, ist mutig und lobenswert. Das dürfte neben ihrem literarischen Können auch verantwortlich sein für den großen Erfolg dort. Die Autorin erhielt für „ Zweckfreie Kuchenanwendungen“ den wichtigsten Literaturpreis ihrer Heimat.
Positiv hervorzuheben ist die feine Aufmachung, mit der der Kröner- Verlag das Buch ausgestattet hat.
Dem Roman ist zu wünschen, dass sich der Geheimtipp schnell rumspricht.
Sehr gerne begebe ich mich literarisch auf die ein oder andere Fernreise. Mit Jo-Anns Roman "Zweckfreie Kuchenanwendungen" begab ich mich in die Millionenstadt Singapur und erhaschte so den ein oder anderen Blick auf eine weitgehende fremde Kultur. Ich lernte nicht nur viel über die hohe Bedeutung des Kulinarischen in dieser Kultur, sondern ebenso Einiges über harte Regeln und das feinmaschige System strenger Strafen bei Regelverstößen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Sukhin: ein 35jähriger Lehrer, Singlemann und Eigenbrödler. Er ist unzufrieden im Job, meidet alles, was mit Menschen zu tun hat. Einzige Ausnahme ist seiner Lehrerkollege und Freund Dennis, der sein Gegenbild zu verkörpern scheint. Sukhin hat eine ausgeprägte Leidenschaft für Kuchen und Kulinarisches allgemein. Seinen Eltern zuliebe hegt und pflegt er deren ausufernde Kartonsammlung. Als er eines Tages mit einem Einkauf beauftragt wird für eine anstehende Feierlichkeit, trifft er auf eine in Kartons lebende Obdachlose, in der er seine Exfreundin Jinn wiedererkennt. Eine schicksalhafte Begegnung. Jinn hat ihn vor fünf Jahren verlassen und alle Zelte abgebrochen. Nun nähern sich die Beiden sehr behutsam Schritt für Schritt wieder an. Sukhin erfährt so portionsweise, was es mit ihrem Verschwinden auf sich hatte. Sukhin nimmt sich Jinns an, verwöhnt sie mit Kuchen, untersützt ihr Engagement in einer Freiküche, wo sie aus geklauten Essensresten für Arme und Obdachlose Kulinarisches zaubert. Eine Liebesgeschichte? Das muss jede/r durch eigene Lektüre herausfinden, ebenso wie jede/r das Rätsel der parallelen Erzählung selbst entschlüsseln muss.
Das vom Körner Verlag sehr schön gestaltete Buch hat seinen eigenen Erzählton, es ist erfrischend "anders": eine Mischung aus Melancholie und Nachdenklichem, immer versehen mit einem Spritzer Humor. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Ich lese es als subtile Kritik an Strukturen und Umgangsweisen Singapurs mit prekären Themen wie Obdachlosigkeit und Armut. Als solche habe ich das Buch mit großem Gewinn gelesen. Auch bin ich gerne den Protagonisten und ihrer schicksalhaften Begegnung sowie deren Konsequenzen gefolgt. Sehr gut gefallen hat mir die Konstruktion der Geschichte an sich: die verschiedenen Erzählstränge rund um Sukhin sowie auch die parallele Erzählung, auf die ich hier nicht eingehen möchte, um nicht unnötig zu spoilern.
Das Buch ist eine Art Geheimtip, aber man sollte es nicht mit leerem Magen lesen...
Eine Perle für Fans außergewöhnlicher Literatur
Die Autorin Yeoh-Jo-Ann stammt aus Singapur und auch ihr Roman "Zweckfreie Kuchenanwendungen" ist dort angesiedelt.
Sukhin arbeitet als Lehrer, doch er wirkt eher verdrossen, und will meistens einfach nur seine Ruhe haben. Menschen nerven ihn, er wirkt teilweise beinahe wie ein ausgemachter Misanthrop. Seine große Leidenschaft ist die Literatur, nicht nur beruflich, sondern auch privat. Seine Wohnung wird von vielen Büchern bevölkert, sie sind sein ein und alles.
Als Sukhin sich vor den Feiertagen ins unliebsame Getümmel in Chinatown stürzen muss, entdeckt er durch Zufall seine einstige Freundin Jinn, deren Trennung er noch immer nicht überwunden zu haben scheint. Jinn lebt als Obdachlose in einem Kartonhaus. Sukhin kann es kaum fassen, fragt sich wie sie so leben kann? Er macht sich ernsthafte Sorgen um sie, schafft es aber sie nicht zu bedrängen, und so beginnt eine zarte neue Verbindung.
Die weitere Handlung wird davon erfüllt, dass wir Sukhin näher kennenlernen. Seine Eltern würden ihn, der mit 35 Jahren immer noch Single ist, gerne verheiratet sehen. Die Versuche ihn zu verkuppeln sind mehr als amüsant. Zumal sie nichts davon ahnen, dass Jinn wieder in sein Leben getreten ist, wenn auch komplett platonisch. Der Kontakt zwischen ihm und Jinn geht meist von ihm aus, es kommt aber trotzdem ab und an vor, dass sie urplötzlich bei ihm vor der Wohnung steht. Dies wird allerdings bald anders, sehr zum Leidwesen von Sukhin. Was vor allem daran liegt, dass ihre Pappbehausung zerstört wurde, und sie nun etwas weiter entfernt in einem Park unter freiem Himmel campiert, so dass Sukhin Glück braucht sie zu finden, denn Jinn ist mal hier mal dort. Manchmal hilft sie auch bei einem sozialen Projekt, und in diesen Bereich lässt Jinn Sukhin früh ein, sehr zu seinem Gefallen.
Gleich zu Beginn der Lektüre habe ich mich gefragt, wie der Titel zur Handlung passt. Ganz einfach, und ich verrate damit definitiv nicht zu viel: Sukhins hat die Leidenschaft des Kochens und Backens für sich entdeckt, er will Jinn regelmäßig mit Leckerein überraschen. Daher, und auch von den kulinarischen Ritualen in Sukhins Familie, kommt der Leser kulinarisch gesehen wirklich auf den Geschmack, und der Roman zu seinem Titel.
Das Ende, welches auch die Umstände zu Jinns Obdachlosigkeit und einiger rätselhafter Passagen offenbart, ist stimmig und hat mir sehr gut gefallen. Die Charaktere, allen voran Sukhin, machen enorme und interessante Entwicklung durch. Wenn man sich allerdings mit der Stadt Singapur beschäftigt, was in der Leserunde in der wir das Buch gemeinsam gelesen und besprochen haben statt fand, stellt man fest, dass Obdachlose dort eigentlich gar nicht existieren dürften. Das wirft Fragen auf und zeigt, dass die Autorin mit dem Werk auch indirekt Kritik äußern wollte.
Der Titel klingt zunächst sperrig, das Buch ist indessen wunderschön aufgemacht und bereitet den Leser auf einen außergewöhnlichen literarischen Leckerbissen vor, der alles in sich vereinigt, was gute Literatur ausmacht und der wirklich viele Leserherzen erobern sollte.
Schauplatz ist der asiatische Stadtstaat Singapur, der als einer der reichsten und sichersten Länder weltweit gilt. Allerdings wird das Land autoritär geführt, man nimmt dort großen Einfluss auf das Privatleben der Bürger. Viele Dinge sind verboten, die Strafen für vermeintlich kleine Ordnungswidrigkeiten drakonisch. Vor diesem Hintergrund lernen wir den 35-jährigen Sukhin kennen, einen Lehrer für englische Literatur, der sehr zurückgezogen lebt, oft mit sich und seinem Beruf hadert und Menschenansammlungen lieber aus dem Weg geht. Ansonsten gilt er aber als ehrlicher und zuverlässiger Zeitgenosse. Sein Gegenentwurf ist sein stets gut gelaunter, flatterhafter und offensichtlich schwuler Lehrerkollege Dennis. Jener nimmt das Leben nicht allzu ernst, provoziert gern und lockt Sukhin immer wieder gut gemeint aus seinem Schneckenhaus heraus.
Eines Tages wird Sukhin beim Einkaufen von seiner Vergangenheit eingeholt: Er trifft Jinn wieder, seine große Liebe, die vor rund fünf Jahren auseinander ging. Jinn hatte sich damals entschlossen, nicht nur ihn, sondern auch ihre wohlhabende Familie zu verlassen. Sie brach alle Brücken hinter sich ab und tauchte unter. Jetzt lebt sie offensichtlich wohnungslos in einer Hütte aus Pappkartons auf der Straße. Von Beginn an wird Jinn von einem Geheimnis umwölkt, man fragt sich, welche Ursachen zu diesem radikalen Schritt geführt haben. Sukhin ist schockiert , zeigt sich aber sofort als hilfsbereiter Freund, indem er sich um Jinn kümmert und sie mit selbst gebackenem Kuchen verwöhnt. Kuchen scheint in Singapur ohnehin eine besondere Bedeutung zu haben. Für Sukhin ist er das Bindeglied zwischen Menschen: „Seinen Menschen jedenfalls – offenbar gab es tatsächlich Menschen, die nicht begriffen, wozu Kuchen gut war, die das einfach nicht begriffen und deshalb niemals Zutritt zur Kuchengemeinschaft haben, niemals seine Menschen sein würden.“ (S. 80) Die Bedeutung des Kuchens als Freundschaftsbeweis, als Liebesmahl oder als Geschenk durchzieht des Roman auf höchst sinnliche Weise.
Jinn und Sukhin nähern sich auf kameradschaftlicher Ebene wieder an. Jinn führt Sukhin in Bereiche der Stadt, die er noch nicht kennt. Zusammen engagieren sie sich in einer Küche für Obdachlose (die es per definitionem in Singapur gar nicht gibt). Sie suchen im Müll nach haltbaren Lebensmitteln, die in der Gruppe schmackhaft und aufwändig verarbeitet werden. Die dabei durchblitzende Kritik am Diktat der Wirtschaftlichkeit, an der Überflussgesellschaft und den sozialen Zuständen ist gewiss nicht zufällig, fügt sich aber auf einfühlsame Weise in den Roman ein, ohne dominant zu wirken.
Überhaupt versteht es die Autorin meisterlich, das Schwere mit dem Leichten in Einklang zu bringen. Sie wechselt gekonnt Szenen und Stimmungen. Mal flott, mal leicht und humorvoll im Ton, mal nachdenklich, tiefgründig oder poetisch. Der Erzählstil ist unglaublich facettenreich. Jedem der 18 Kapitel sind zudem Zwischentexte vorangestellt, die dem Gesamtverständnis wichtige Bausteine liefern und dafür sorgen, dass man den Roman an keiner Stelle unterschätzt. Er mag sich zwar flüssig und unterhaltsam lesen lassen, ein Leichtgewicht ist er deshalb jedoch lange nicht. Man spürt stets eine leise Melancholie, die sich durch den Text zieht. Die Konzeption des Romans ist außergewöhnlich und dennoch inhaltlich wunderbar austariert. Die Dialoge haben Pfiff und glänzen mit Esprit – es darf auch gelacht werden. Man lernt einiges über die kulturellen und sozialen Gegebenheiten Singapurs und sollte beim Lesen nie unsere europäischen Sichtweisen vor Augen haben. Die Autorin spricht auf hintergründige Weise einige Tabuthemen ihres Landes an, die hierzulande selbstverständlich sind.
Mich hat dieses Buch total begeistert. Jede Figur wird mit Hingabe gezeichnet, jede kann man sich genau vorstellen, keine wirkt schablonenhaft. Die Protagonisten, allen voran Sukhin, unterlaufen eine glaubwürdige Entwicklung. Während Jinn sich ihrer Vergangenheit stellen muss, hat Sukhin mit der Gegenwart zu kämpfen und muss sich fragen, wie er seine Zukunft gestalten will. In diesem Spannungsfeld verhalten sich die Figuren zutiefst menschlich. Es geht um Freundschaft, (Nächsten-)Liebe, Familie und ihre Erwartungen, um Selbstfindung und Identität.
Dies ist eines der Bücher, die man guten Gewissens einem großen Lesepublikum empfehlen kann, weil es die richtige Mischung aus feinem Humor, Tiefgründigkeit und Unterhaltung bietet. Als Geschenk eignet es sich auch deshalb, weil es wunderschön augenfällig gestaltet wurde und „was her macht“. Die Übersetzung stammt aus der Feder der versierten Gabriele Haefs, die zudem ein hilfreiches Glossar zusammengestellt hat.
Jo-Ann Yeoh ist eine Autorin, die ich mir merken werde. In ihrem frischen, originellen Ton möchte ich noch viele Geschichten lesen.
Dringende Lese-Empfehlung!
„Zweckfreie Kuchenanwendungen“ heißt der wunderbare, warmherzige Debütroman der Autorin Yeoh Jo-Ann, der in Singapur ein großer Erfolg war.
Im Mittelpunkt steht Sukhin, ein 35-jähriger Lehrer für englische Literatur, ein verschrobener, eigenbrötlerischer Charakter, der soziale Kontakte meidet, unbeholfen im Umgang mit anderen Menschen ist und am liebsten Zeit alleine mit seinen Büchern verbringt. Regelmäßig besucht er seine Eltern, um dort beim Abstauben der zahlreichen Kartons zu helfen, die seit 30 Jahren akribisch gesammelt werden, um bei einem möglichen Umzug bereit zu stehen. Zum Leidwesen der Eltern ist Sukhin trotz seines fortgeschrittenen Alters noch nicht verheiratet, eine potentielle Ehefrau nicht in Sichtweite. Sukhins einziger Freund, ein Kollege, geht ihm mit seiner direkten und bestimmenden Art oft gehörig auf die Nerven, bringt ihn mehr als einmal an seine Grenzen und aus seinem üblichen Trott heraus.
Als die Fakultätsparty für das chinesische Neujahrsfest ansteht, erhält Sukhin die Aufgabe, die Dekoration zu besorgen. Er fährt dafür nach Chinatown und stolpert mit vollen Tüten beladen über die „Pappkarton-Wohnung“ einer obdachlosen Frau, die sich als alte Freundin entpuppt. Es ist Jinn, mit der er vor vielen Jahren zusammen war, und die ganz plötzlich aus seinem Leben verschwand.
Aufgewühlt und irritiert fragt sich Sukhin, warum Jinn auf der Straße gelandet, was in ihrem Leben geschehen ist. Er beginnt sie zu besuchen, Kuchen für sie zu backen - vorsichtig und langsam beginnt ein zarter Annäherungsprozess.
Besonders wird der Roman durch seine sehr poetischen, zunächst rätselhaften, melancholischen Einschübe, in denen Episoden aus dem Leben von einer nicht näher bezeichnenden Frau und einem Mann erzählt werden, die in unmittelbaren Zusammenhang zu Sukhins und Jinns Leben zu stehen scheinen. Die sonst eher leichtfüßig, mit einem feinen Humor durchsetzte Geschichte, wird dadurch spannend, mysteriös und zu einem literarischen Leckerbissen.
Die Autorin spricht zahlreiche Tabus bzw. Verbote an, die für die Gesellschaft in Singapur gelten. Dazu gehören Homosexualität ebenso wie Obdachlosigkeit, deren Existenz verleugnet wird, oder auch das Entsorgen von Abfall auf die Straße, was mit hohen Strafen geahndet wird. Weitere zentrale Themen sind das Konsumverhalten, die Verschwendung von Lebensmitteln und das Entsorgen von Gegenständen, die durchaus noch funktionstüchtig sind bzw. repariert werden könnten. Auch Formen des sozialen Zusammenlebens, die Bedeutung von Ehe, Familie, Freundschaft und Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen werden hinterfragt.
All das durchzieht die Geschichte wie die feinen Aromen eines gelungen Kuchens, in dem jede Zutat perfekt abgestimmt ist.
Es war eine Freude diesen Roman zu lesen, in dem viel gekocht, gebacken und gegessen wird. Ich habe großen Appetit auf ein weiteres Buch der Autorin bekommen.
Nicht nur der Titel weckt Neugier, auch die Finger streichen voller Vorfreude immer wieder über den erhabenen Zuckerguss, der die regenbogenfarbene Torte des Covers ziert. Aber der Kröner Verlag lässt sich auch unter dem Schutzumschlag nicht lumpen, prägte kurzerhand alles noch einmal zweifarbig auf den Deckel und (ich liebe sowas) fügte noch eine Karte Singapurs auf den Innenseiten hinzu.
Wie bedeutungsschwer die Farbgestaltung ist, erfährt man dann im Buch.
Denn zunächst sind es die köstlichen Kuchen, die Sukhin, 35, im Schuldienst tätig, das Leben als Single erträglich machen. Seine leicht autistischen Züge erschweren ihm zwar den Kontakt zu seinen Kollegen, seine Vorliebe fürs Alleinsein, macht ihn aber zum fürsorglichen Sohn, der regelmäßig die Kartonsammlung seiner Eltern abstaubt. Und da wirds dann auch schon schräg. Nicht nur, dass Sukhin potentielle Partnerinnen nach ihrer Vorliebe für Kuchen beurteilt, auch seine Eltern sortieren ihre Kartons sorgfältig nach Benutzbarkeit und Schönheit. Sie wegzuwerfen kommt nicht in Frage.
Keiner ist glücklich, keiner lässt los, weder die Eltern die Pappen, noch Sukhin den ungeliebten Schuldienst, für den er sich einst entschieden hat, um sich dem Berufswunsch seines Vaters zu widersetzen.
Erst als Sukhin bei Besorgungen im Chinatown-Viertel von Singapur über eine Kartonburg auf der Straße stolpert, wendet sich sein geordnetes Leben. Er kennt die Bewohnerin dieses Provisoriums aus seiner Jugend. Jung, aus gutem Hause, aber seelisch instabil, steht sie nun voller Selbstbewusstsein vor ihm. Irritiert beginnt Sukhin ungefragt Jinn zu helfen, mit Kuchen und Kartons.
Es sieht aus und schmeckt wie eine Liebesgeschichte, die wir da mit Sukhins detailverliebten aber schüchternen Versuchen, Jinns Leben auf der Straße erträglicher zu gestalten, verfolgen. Aber im Verlauf wird klar, dass es soviel mehr zu entdecken gibt, in diesem auf Leistungsstärke optimierten Land der strengen Regeln und drakonischen Strafen. Das saubere Singapur hat auch seine Schmuddelecken und Heimlichkeiten. Hier und da kann man sie erahnen und mit dem breitgefächerten Personal rund um Sukhin und Jinn, brechen sie in diesem Roman auf skurrile und witzige Weise Bahn.
Yeoh hat genau den richtigen Ton getroffen, wenn es darum geht, anzuprangern, aber nicht zu jammern, aufzuzeigen, ohne den erhobenen Zeigefinger. Die Nebenfiguren veranschaulichen gut den Gegensatz von Effizienz und Lebensfreude. Jinns Schwester verkörpert das Singapur der Hochglanzmagazine, die unzähligen Kartons in der Geschichte berichten vom Ausstieg und der Sehnsucht nach dem wahren Leben. Sukhins hartnäckiger Lehrerkollege ergänzt diese Komposition noch um Diversität, ein Thema, mit dem sich der Stadtstaat auch nicht identifizieren möchte.
Die Schwere der Themen bekommen mit diesem tollen Roman eine Leichtigkeit, die den Kopf freipustet und Platz für die eigene Kartonburg schafft.
Ich bin begeistert und möchte einfach jedem dieses Werk der zu recht ausgezeichneten Autorin an Herz legen.
Eine "Kuchenanwendung" - das klingt nach einem Widerspruch in sich. Als sei ein so vertrauter und heimeliger Luxus wie ein Kuchen etwas, was einer Rechtfertigung bedürfte, als setze man einen Kuchen zur Behebung einer Malaise oder eines Defizits ein. Mit dem Attribut "zweckfrei" wird diese Kuchenbedeutung aber gleich wieder aufgehoben. Man backt, isst oder verschenkt den Kuchen einfach so. Ohne Absicht oder Grund. Ein Kuchen braucht keine Bedeutung.
Mit dem "einfach so" hat Sukhin Dillon, Mitte dreißig und Lehrer für englische Literatur an einer Schule in Singapur, seine Schwierigkeiten. In seinem Leben gibt es nichts, was unkompliziert oder selbstverständlich läuft. Die Schüler sind desinteressiert, die Kollegen und Vorgesetzten nerven, die Eltern hätte ihn lieber als Arzt gesehen oder wenigstens sollte er längst verheiratet sein und Enkel großziehen. Nur widerwillig (und mehr oder weniger verschusselt) lässt Sukhin sich in Anlässe wie Familienfeste oder Betriebsfeiern einspannen. Sein Selbstverständnis als misslauniger Eigenbrötler hat sich er über lange Zeit erarbeitet. Da begegnet er in einer abgelegenen Gasse einer jungen Frau, die dort obdachlos und mit leichtem Gepäck - in einem Kartonstapel haust: Jinn Hwa, die er von früher kennt. Jinn ist eine ehemalige Schulkameradin. Eine kapriziöse, leicht schrullige, aber liebeswerte Person, so hat er sie in Erinnerung. Warum lebt sie in Kartons? Sie verrät es Sukhin nicht.
Offiziell gibt es in Singapur keine Obdachlosen. Das Leben in dem dicht bevölkerten Stadtstaat ist durchreglementiert, die Straßen und Parks sind pieksauber, alles und jeder hat seinen Platz. Trotzdem ist Jinn nicht die einzige, die sich ein Zuhause aus Kartons (oder auch einem Zelt) bauen muss oder will. Sukhin sucht Jinns Gesellschaft, hilft ihr bei einem Umzug (von einem "Trebe"-Kiez in einen anderen) und unterstützt sie bei ihrer Tätigkeit in einer Küche für Verarmte und Obdachlose. Essen, gemeinsames Kochen und Backen, gemeinsam verzehrte oder verschenkte Kuchen sind ein Schwerpunkt dieses Romans. In fast jedem Kapitel wird etwas eingekauft, zubereitet oder verspeist. Auch wer nicht unbedingt für die asiatische Küche schwärmt, kann das Behagen nachfühlen, das mit dem gemeinschaftlichen Supperühren und Kuchenschmaus aufgebaut wird. Die Leichtigkeit und Spritzigkeit der Dialoge, Sukhins bissige Kommentare zu Lifestyle-Moden und verordneter Feierlichkeit, die farbigen Schilderungen von Festen und Gemeinschaftsessen machen das Buch zu einem besonderen Lesegenuss.
"Zweckfreie Kuchenanwendungen" ist jedoch keineswegs ein Feelgood-Buch mit Zuckerguss. Die straff und lebhaft durcherzählten Episoden um Sukhin und Jinn, in denen immer neue Fäden aus der gemeinsamen Vergangenheit aufgenommen und mit eingewebt werden, alternieren mit kurzen, kursiv gesetzten Kapiteln in ruhiger, poetischer Sprache, die anfangs anmuten wie ein zweiter Erzählstrang und erst nach und nach mit dem Hauptstrang verwachsen. Hier tun sich wunderschöne, ruhige Momente auf, die immer wieder dazu anregen, die Geschichte des Hauptstrangs neu zu überdenken. Was ist eigentlich passiert, warum lebt Jinn auf der Straße, warum sucht ihre Familie seit Jahren vergebens nach ihr? Unter dem sinnenfrohen, lebhaften und oft witzigen Geschehen schwingt eine tragische Note mit, die sich erst am Ende ganz erschließt.
Ich kann nicht genug betonen, wie mich dieses Buch begeistert hat. Es entführt in eine fremde Welt, ist mit großer sprachlicher Meisterschaft geschrieben (dankenswerter Weise ist ein Glossar landestypischer Ausdrücke beigefügt!), es erzählt eine spannende, geheimnisvolle Geschichte, transportiert jede Menge Kulturkritik in bissiger, aber letztlich optimistischer Weise, es behandelt alle vorkommenden Personen (und deren sind viele) mit Respekt und Würde, und es bietet eine sinnenfrohe Erzählweise, die stets ein wunderbares Gleichgewicht zwischen Leichtigkeit und Tiefe einhält. Besser geht es nicht! Ich gebe mindestens sechs von fünf möglichen Punkten.
Die Handlung dieses außergewöhnlichen Romans spielt in Singapur, im Mittelpunkt steht der 35-jährige Lehrer Sukhin, der leicht autistische Züge aufweist.
Eigentlich mag er keine Kinder, unterrichtet jedoch englische Literatur und ist sogar Abteilungsleiter. Grummelnd und wenig zugewandt durchlebt er seine Tage, besucht hin und wieder seine Eltern, deren Wohnzimmer eine Kartonsammelstelle ist - man könnte ja umziehen und einen Karton brauchen. Ganze Türme bauen sich dort auf, enge Gassen zum Durchgehen werden frei gehalten. Während sie dort auf ein weiteres Leben warten, dienen sie Jinn, Sukhins einstiger Freundin, als Wohnstätte mitten in Chinatown, Singapur. Dort entdeckt Sukhin sie zufällig und dieses Treffen wirbelt sein geordnetes Leben gehörig durcheinander.
Warum lebt sie als Obdachlose mitten auf der Straße? Schließlich kommt sie aus einer wohlhabenden Familie? Was ist zwischen ihr und ihrer Schwester, die sich einst so nahestanden, vorgefallen?
Sukhin beschäftigt sich immer mehr mit Jinn statt mit seinem Beruf, was seinem Freund Dennis, einem Homosexuellen - immer noch ein Tabuthema in Singapur - auffällt. Er vermutet eine Frau hinter Sukhins Veränderungen und liegt somit nicht falsch.
Der Titel des Romans spiegelt Sukhins große Leidenschaft für Kuchen wider. Jedes Mal, wenn er Jinn besucht, bringt er ihr einen Kuchen mit und er beginnt sogar für sie zu backen. Eine potentielle Heiratskandidatin, die seine Eltern für ihn ausgewählt hatten, scheiterte daran, dass sie keinen Kuchen mochte. Kuchen und Kartons bilden einen Rahmen um diese wunderbar skurrile, humorvolle und warmherzige Geschichte.
Eine Besonderheit sind die Zwischenkapitel, die in einer kursiven Schrift gesetzt sind und die man am besten ganz am Ende noch einmal lesen sollte ;) - weil sie die Geschichte der beiden Protagonisten fortsetzen und beleuchten - und aus der Perspektive Jinns verfasst sind.
Insgesamt hat mir der Roman außerordentlich gut gefallen, weil er so leicht daherkommt, auch sprachlich, und doch hinter die Kulissen schaut und unserer Wegwerfgesellschaft den Spiegel vorhält. So gehört Jinn zu einer Gruppe von Menschen, die Essen von Märkten sammeln, das weggeworfen werden soll, um daraus für Obdachlose und Bedürftige zu kochen. Die kritischen Töne schwingen jedoch eher mit - im Vordergrund stehen die beiden Hauptfiguren und ihre Entwicklung.
Ein wunderbares Debüt, dem hoffentlich noch viele weitere Romane folgen ;)
Sukhin befindet sich mit gerade einmal 35 Jahren in einer Midlife-Crisis. Sein Lehrerjob nervt ihn ebenso wie die Anwesenheit vieler Menschen. Und auch der einzige Freund, sein homosexueller Kollege Dennis, ist oftmals eher Plage denn Unterstützung. Da bleiben ihm nur seine geliebten Bücher als Rückzugsort - und natürlich seine Vorliebe für Kuchen. Als er in Singapurs Straßen im wahrsten Sinne des Wortes über eine Obdachlose stolpert, hat dies nicht nur für ihn ungeahnte Folgen. Denn diese Obdachlose ist niemand Geringeres als Jinn - seine Ex-Freundin, die ihn vor langer Zeit Hals über Kopf verließ....
"Zweckfreie Kuchenanwendungen" ist der Debütroman von Yeoh Jo-Ann, der jüngst in der deutschen Übersetzung von Gabriele Haefs beim Alfred Kröner Verlag erschienen ist. In Singapur war das Buch ein "Sensationserfolg", wie es auf dem Schutzumschlag heißt, und gewann den Epigram Books Fiction Prize. Es ist dabei tatsächlich so seltsam, wie sein Titel es vermuten lässt. Seltsam im positiven Sinne, denn Yeoh Jo-Ann backt darin eine wunderbare Überraschungstorte aus luftigem Hefeteig in Form eines nicht erdrückenden Plots, einer Prise Liebeszucker, die den Roman aber kaum einmal zu süß werden lässt, sprachlichen Sahnehäubchen und einer bunten Mischung an Figuren, denen der Roman seine Verzierung und somit seine Besonderheit verdankt.
Spricht man von der Verzierung, kommt man jedoch nicht umhin, zunächst einmal die wirklich schöne Ausgabe des Buches zu loben. Der Schutzumschlag leuchtet nicht nur in den verschiedenen Farbschichten der abgebildeten Torte, sondern der Zuckerguss und der Buchtitel lassen sich sogar erfühlen. Und auf dem Einband findet man die Torte ein zweites Mal. Ein gelungenes Plädoyer des Kröner Verlags für Printexemplare.
Das große Plus des Romans sind zweifelsfrei die Figuren und die Warmherzigkeit, die das Buch in nahezu jedem Moment ausstrahlt. Sukhin ist trotz seiner überwiegend schlechten Laune ein liebenswerter Protagonist. Man kann seinen Missmut überwiegend sehr gut nachvollziehen, was bei mir für ein hohes Identifikationspotenzial sorgte. Und auch Jinn strahlt in ihrer Eigenheit eine große Faszination aus. Warum lebt diese Frau auf der Straße, obwohl sie doch eigentlich aus einer betuchten Familie stammt? Und was ist damals eigentlich genau vorgefallen und hat zur Trennung der beiden geführt?
Stück für Stück nähert sich Yeoh dem Geheimnis und beweist dabei große Empathie für ihre Charaktere. Trotz der Fehltritte, die beide begehen, verurteilt sie sie nicht und verzichtet wohltuend auf jede Form von Zynismus. Und so spürt man sukzessive und eindringlich die Veränderungen, die ihr Wiedersehen auf beiden Seiten bewirkt.
Ferner ermöglicht "Zweckfreie Kuchenanwendungen" der deutschsprachigen Leserschaft die Auseinandersetzung mit einem literarisch bislang noch nicht so häufig in Erscheinung getretenen Land wie Singapur. Gesellschaftliche Themen wie Armut, Homosexualität, Bildung und Essen ermöglichen einen unverstellten Blick auf den Stadtstaat, der in Europa häufig nur mit Dingen wie Urlaub, Luxus, Sauberkeit und unglaublichen Wolkenkratzern in Verbindung gebracht wird. Auch wegen des informativen Glossars bekommt man das Gefühl, Singapur zu riechen und vor allem zu schmecken, denn neben den titelgebenden Kuchen nehmen auch herzhafte Gerichte einen nicht geringen Raum ein.
Sprachlich gelingt Yeoh Jo-Ann nahezu mühelos der Spagat zwischen Witz und Ernsthaftigkeit, zwischen Schalk und Melancholie. Während ich mich auf den teils recht skurrilen Humor im Haupthandlungsstrang erst einlassen musste, waren es vor allem die kursiv gedruckten kurzen Zwischenparts, die mich sehr berührten und mein Interesse an der Geschichte stets aufrechterhielten. Sie waren für mich die oben genannten sprachlichen Sahnehäubchen, die die Geschichte im Finale kongenial und schmackhaft abrunden.
So habe ich "Zweckfreie Kuchenanwendungen" mit großem Gewinn gelesen. Thematisch und sprachlich hallt der Roman lange nach und die Figuren bleiben lange in Erinnerung. Doch Vorsicht: Der Appetit auf Süßes und weitere kulinarische Köstlichkeiten wird durch die Lektüre sicherlich nicht kleiner...
Wer dieses wunderbar gestaltete Buch des Kröner Verlags in die Hand nimmt und zum Lesen aufschlägt, kann sich zweier Dinge sicher sein: Dass man währenddessen ständig Appetit bekommen wird und dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte, bis man es bis zur letzten Seite inklusive jeder Anmerkung eingesogen hat. Oder sollte ich besser sagen, weg gefuttert hat?
Die Singapurische Autorin Yeoh Jo-Ann erschafft in ihrem ersten Roman eine Welt, die die Lesenden fasziniert, überrascht aber vor allem warm hält. Zunächst bekommen wir den grummeligen Sukhin vorgestellt, welcher als 35jähriger Lehrer irgendwie mit sich und der Welt unzufrieden zu sein scheint. Dem tut er manchmal offen verbal, meist aber nur gedanklich kund und wirkt dadurch unwillkürlich in seiner Grantigkeit urkomisch. Schnell schließt man diesen Menschen ins Herz, wie eigentlich jede andere Figur auch in Yeoh Jo-Anns Roman. Die Handlung der Geschichte kommt ins Rollen, als Sukhin vollbeladen mit Schnickschnack für das Chinesische Neujahrsfest quasi in die Wohnung seiner ehemaligen Schulfreundin und großen Liebe Jinn hineintrampelt. Diese besteht nämlich aus einem Haufen Kartons, da Jinn auf der Straße lebt.
Aus dieser schicksalhaften Begegnung entspinnt sich nun eine über einen längeren Zeitraum hinweg erzählte Geschichte, die sich keineswegs nur um Sukhin und die zaghafte Wiederannäherung an Jinn dreht, sondern ebenso um Themen wie Homosexualität in Singapur, die Ressourcenverschwendung in einer heutigen, modernen Gesellschaft, der Zusammenhalt von Familie oder der selbstgewählten Familie. Mit sehr viel Feingefühl nähert sich die Autorin ihren Figuren durch Rückblicke an und kann dadurch diese facettenreich und wandlungsfähig darstellen. Tiefsinnig beschäftigt sie sich dabei mit ihren Figuren und deren Beziehungen untereinander wie auch den ausgesuchten gesellschaftlichen Themen. Nie wirkt der Roman dabei überfrachtet, immer leicht zu lesen und ausgeglichen. Allein die Darstellung der (offiziell in Singapur nicht vorhandenen) Obdachlosigkeit sowohl selbstgewählt bei Jinn als auch bei anderen auftauchenden Menschen, die auf der Straße leben, erschien mir bisweilen ein klein wenig zu unproblematisch.
Sprachlich besticht der Text durch seinen auflockernden, trockenen und immer ins Schwarze treffenden Humor. So häufig musste ich während der Lektüre schmunzeln, um seiner wahren aber nie zynischen Einschübe. Den Roman außergewöhnlich machen sporadisch eingefügte, kursiv gesetzte Texteinschübe, in welche eine gewisse Melancholie, die man in der Haupthandlung sonst nicht findet, beinhalten und sich sukzessive in das Wissen, welches man während der Lektüre erwirbt, einweben. Diese Passagen muten im Rahmen des ansonsten eher süffig geschriebenen Romans besonders poetisch an und entwickeln ihren ganz eigenen Sog, der einen großen Anteil am Spannungsbogen des Buches hat.
Dieser amüsante, einfühlsame, literarische Unterhaltungsroman verströmt meines Erachtens mit jeder Pore die Atmosphäre, die vergleichbar in der deutschsprachigen Literaturwelt Mariana Leky in ihren Romanen um interessante, liebenswerte Charakterköpfe, die vor ihren ganz eigenen Problemen und den Problemen der Welt stehen und gemeinsam irgendwie einen Weg durch die schweren Zeiten finden, heraufbeschwört. Für mich wäre „Zweckfreie Kuchenanwendungen“ ein guter Anwärter auf den Preis „Lieblingsbuch der Unabhängigen“. Eins meiner Lieblingsbücher des Jahres 2022 ist es schon jetzt geworden. Also lest dieses wunderbare Buch und lernt den multikulturellen Stadtstaat Singapur, seine Einwohner und gleich mit den Verlag Kröner kennen! Denn dieser hat nicht nur ein schön anzusehendes Buch entworfen, sondern auch noch für eine großartige Übersetzung durch Gabriele Heafs und deren Anmerkungen zum Text gesorgt.
4,5/5 Sterne
Keine Verabredung mit jemanden, der keinen Kuchen mag
Sukhin, Mitte dreißig, Lehrer für englische Literatur an einem Junior College in Singapur. Er lebt alleine, besucht manchmal seine Eltern, hat einen besten Freund, quält sich manchmal auf Familienfeiern und ist ansonsten lieber alleine.
Auf dem Nachhauseweg kommt er in einer Seitenstraße an einem kleinen „Häuschen“ gebaut nur aus Kartons vorbei. Er erschreckt sich beinahe zu Tode, als ihn die Frau, die dort wohnt, mit Namen anspricht. Und dann, dann muss er sich mit seiner Vergangenheit aber auch mit seiner weiteren Lebensgestaltung auseinander setzen.
Der Autorin und Magazinherausgeberin Yeoh Jo-Ann gelingt mit ihrem Buch „Zweckfreie Kuchenanwendungen“ ein grandioses Debüt. Sie schreibt unaufgeregt, präzise. Mit ihrem Schreibstil erschafft sie eine eigene Atmosphäre, die man als Leser das ganze Buch hindurch spürt.
Diese unaufgeregte Art empfand ich einerseits als sehr angenehm. Während des Lesens gelang es mir gut zwischendurch innezuhalten und über manche Formulierungen bzw. Textpassagen nachzudenken. Es gab aber leider auch Abschnitte in denen die Handlung so dahin plätscherte und ich Mühe hat mich bei der Sache zu bleiben.
Grundsätzlich aber schreibt Yeoh Jo-Ann sehr wertschätzend. Ohne mit Wertungen oder Pauschalisierungen um sich zu werfen, stellt uns die Autorin ihre Protagonisten vor, die in gesellschaftlichen Zwängen und Erwartungen „festhängen“. So gehen z.B. Sukhin und Jinn auf unterschiedliche Weise mit diesen gesellschaftlichen Zwängen um. Die eine lebt als Aussteigerin zwischen Schachteln, der andere „vergräbt“ sich in seinen Büchern. Doch auch wenn beide so dem, was ihre Mitmenschen von ihnen erwarten, zeitweise entkommen, scheint es nicht so als seien sie rund herum glücklich.
Fazit:
Ein gelungenes Debüt aus Singapur. Zum Glück arbeitet Yeoh Jo Ann bereits an ihrem zweiten Buch.