Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse

Buchseite und Rezensionen zu 'Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse' von Thomas Meyer
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4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse"

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:236
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Rezensionen zu "Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse"

  1. Motti und der heiße Tuches...

    Nachdem mir von diesem Roman vorgeschwärmt wurde und ich den Film dazu herrlich fand, musste ich nun endlich dieses Buch lesen.

    In der Geschichte geht es um Mordechai Wolkenbruch, Spitzname Motti, der aus seiner jüdisch orthodoxen Familie ausbricht, weil er sich in eine Nicht- Jüdin verliebt. Wie wird seine Familie reagieren und wird sich das Risiko lohnen?

    Das Besondere hier ist, dass Motti als Ich- Erzähler mit jiddischem Zungenschlag zu uns Lesern spricht. Da muss man sich erst einmal dran gewöhnen. Mit der Zeit fand ich es richtig amüsant und sehr authentisch.

    Herr Wolkenbruch ist einfach eine Figur, die man gern haben muss. Es ist schön miterleben zu dürfen wie aus einem schüchternen Kerlchen, der alles macht was seine Mutter möchte, ein erwachsener Mann wird, der versucht seinen eigenen Weg zu gehen.

    Durch die Geschichte bekommt man einen guten Einblick in das Leben von orthodoxen Juden. Dies fand ich so interessant, dass ich mich bereits jetzt schon weiter mit der Thematik befasst habe.

    Der Roman bietet witzige und ernste Momente und kann in meinen Augen als Coming- of- Age- Literatur bezeichnet werden.

    Das Ende ist offen gehalten und kaum hat man das Buch geschlossen, vermisst man Motti. Zum Glück gibt es eine Fortsetzung ("Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin"), welche ich zeitnah lesen werde.

    Am Ende findet man ein Glossar mit Begriffserklärungen, so dass es keine Verständnisprobleme geben sollte.

    Fazit: Eine besondere Geschichte, die eure Aufmerksamkeit verdient hat. Gute Unterhaltung.

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  1. 4
    02. Mär 2017 

    Orthodox-jüdische Emanzipationsgeschichte mit viel Sprach- und S

    Mit „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ lässt uns Thomas Meyer einen Blick in den Kosmos der ansonsten sehr verschlossenen Welt des orthodoxen Judentums werfen, und das auf eine äußerst komische und unterhaltsame Art.
    Mordechai Wolkenbruch, kurz „Motti“ genannt, wächst in einer orthodoxen jüdischen Familie und Welt in Zürich aus, in der die mehr als klaren und unmissverständlichen Regeln des orthodoxen Judentums allgegenwärtig und unmissverständlich durch die allgegenwärtige Mutter repräsentiert werden. Für Abweichlertum und alternative Lebensweisen bleibt dabei so gar kein Platz und keine Gelegenheit. Motti ist inzwischen in einem Alter, in dem in den Augen seiner Mutter die Brautwahl und Heirat zentraler Lebensmittelpunkt zu sein hat. Und so lässt sie nichts unversucht, für ihn eine passende Braut aufzutreiben. Die traditionellen Bahnen der mütterlichen Heiratsanbahnung werden dabei immer wieder durchgespielt, ohne bei Motti den Hauch eines Interesses an einer der streng orthodoxen Kandidatinnen aus befreundeten und bekannten Familien zu wecken. Das ist kein Wunder, denn tief im Innern interessiert er sich allein für Laura, eine Kommilitonin aus seinem Studium. Als er seiner Mutter diese Gefühlslage schildert, ist diese mehr als tief erschüttert und findet einen möglichen Ausweg allein in der Konsultation mit dem Rabbi. Dieser schickt Motti zu einem Ausflug nach Israel, um ihn am Ort der Wurzeln des Judentums erneut jüdisch einstimmen zu lassen. Doch das Gegenteil passiert dort. In Israel, im Haus seines Onkels, wo hinduistische Meditationen ganz bruchlos den jüdischen Traditionen beigemengt erden, findet für Motti eine Art von Befreiung von der engen jüdischen Welt der Heimat statt. Die Reise wird zu einem Ausflug in Freiheit und Abenteuer eines Judentums der ganz anderen Art.
    „Es war eine andere Welt. Auch jüdisch aber anders. Auf einmal fiel es mir schwer zu glauben, dass die Zürcher jidn ebenso sein sollen wie jene hier in Tel Aviv.“
    Und da muss er sich entscheiden:
    „‘Welche Art, jüdisch zu sein, siehst du für dich?‘ Ich überlegte lange und sagte ‚Eine, bei der man schabbes geht und chanike feiert und mit frojen wie Michal zu tun hat, die einem ihre Telefonnummer geben. Während die eigene Mutter dafür nicht dauernd anruft. Gibt es diese Art? Jonathan lächelte und überlegte auch. Dann sagte er. ‚Diese Art gibt es. Aber es gibt sie nicht gratis. Es ist nicht die jiddischkait, in der du groß geworden bist‘. Ich überlegte weiter. Dann fragte ich: ‚Was ist denn der prajs für die jiddischkait, die ich mir wünsche?‘ ‚Dass du deinen eigenen Weg gehst‘, antwortete Jonathan. ‚nicht den deiner Mutter.‘“
    Für Motti steht nach Rückkehr ins heimische Zürich dann an, den harten eigenen Weg einschlagen zu müssen.
    Er erobert Laura und findet sein Glück auf der Suche nach dem ihm gemäßen Leben, an das er glaubt.
    „Und da erkannte ich das Geheimnis. Die Geschichten sind tatsächlich schon geschrieben, aber wir können sie verraten und uns mit dazu. Wir können so leben, wie wir glauben, leben zu müssen oder nicht anders leben zu können, doch es wird immer ein lebn geben, wie es für uns gemeint ist; es ist jenes, das uns am glücklichsten macht und das uns zu unserer wahren Größe erhebt; was auch immer der prajs dafür sein möge und wie viel auch immer wir dafür auf uns nehmen müssen. Ich beschloss, jenes lebn zu suchen und zu finden.“
    Der Preis – oder ‚prajs‘ wie es im Buch heißt – ist hoch und schwer zu begleichen, aber er führt letztlich zu Befreiung und Glück, das Motti genießt. Aber es ist ohne Frage eine steiniger Weg der Emanzipation, auf dem sich der Leser immer wieder an den Kosmos eines Woody Allen erinnert fühlt und das nicht nur, weil Motti sich – in einer seiner Abweichungsaktionen von den tradierten Wegen der Familie - in einem gojischen Optikergeschäft eine Brille à la Woody Allen anschafft und damit sein tradiertes Aussehen entscheidend verändert und ablegt.
    Mein Fazit:
    Ich habe Motti auf seinem Emanzipationsweg mit großem Lesevergnügen begleitet und habe mit ihm über seine Übermutter gelacht und an ihr gelitten. Motti hat mich authentisch in seine orthodoxe Welt entführt, mich mit der Sprach- und Situationskomik sehr gut unterhalten und ich habe gern mit ihm seine positive, abenteuerlustige Weltsicht geteilt und innerlich diskutiert.
    Wer sich in die sonst so verschlossene Welt orthodoxer Juden im westlichen Europa entführen lassen will, kann das mit Thomas Meyer sehr gut tun. Der ungewöhnliche Sprachstil, der, wie die obigen Zitate schon zeigen, immer wieder jiddische Sprachelemente einfließen lässt, ist zu Beginn gewöhnungsbedürftig, zieht den Leser, der sich mit Hilfe des umfangreichen Glossars am Ende des Buches schon zurechtzufinden weiß, aber sehr stimmig in die jiddische Welt und deren Denken hinein. Für mich ist dieser ungewöhnliche Sprachstil ein wichtiger Schlüssel für das Funktionieren dieses orthodox-jüdischen Emanzipationsromans, das ich den abenteuerlustigen Lesern wärmstens ans Herz legen kann.

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