Wiener Straße

Buchseite und Rezensionen zu 'Wiener Straße' von Sven Regener
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4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Wiener Straße"

Ein großer Roman voll schräger Vogel in einer schrägen Welt. Derbe, lustig und bizarr wie seine Protagonisten.
Wiener Straße beginnt im November 1980 an dem Tag, an dem Frank Lehmann mit der rebellischen Berufsnichte Chrissie sowie den beiden Extremkünstlern Karl Schmidt und H. R. Ledigt in eine Wohnung über dem Café Einfall verpflanzt wird, um Erwin Kächeles Familienplanung nicht länger im Weg zu stehen. Österreichische Aktionskünstler, ein Fernsehteam, ein ehemaliger Intimfriseurladen, eine Kettensäge, ein Kontaktbereichsbeamter, eine Kreuzberger Kunstausstellung, der Kampf um die Einkommensoptionen Putzjob und Kuchenverkauf, der Besuch einer Mutter und ein Schwangerschaftssimulator setzen eine Kette von Ereignissen in Gang, die alle ins Verderben reißen.Außer einen!
Kreuzberg, Anfang der 80er Jahre – das war ein kreativer Urknall, eine surreale Welt aus Künstlern, Hausbesetzern, Freaks, Punks und Alles-frisch-Berlinern. Jeder reibt sich an jedem. Jeder kann ein Held sein. Alles kann das nächste große Ding werden. Kunst ist das Gebot der Stunde und Kunst kann alles sein. Ein Schmelztiegel der selbsterklärten Widerspenstigen, die es auch gerne mal gemütlich haben, ein deutsches Kakanien in Feindesland.
Wer könnte böser und zugleich lustiger und liebevoller darüber schreiben als Herr-Lehmann-Erfinder Sven Regener?

Autor:
Format:Hörbuch-Download
Seiten:0
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Rezensionen zu "Wiener Straße"

  1. Berliner Luft

    In diesem Buch wird das Lebensgefühl der berliner Tage in den 1980er vor dem Mauerfall wiedergegeben. Die Protagonisten unterhalten sich schnodderig mit derbem Vokabular und es wird auch die Besetzerszene in Berlin porträtiert, die nicht so gut davon kommt.

    Alle leben so in den Tag. Sie haben ein abgevrochenes Studium und versuchen sich als Künstler durchzuschlagen. Was natürlich nicht gelingt. Sie leben in WGs und versuchen sich in der Kneipe zusätzliches Geld zu verdienen. Die in diesem Buch beschriebenen Menschen sind meistens ziellose Männder,, die sich aneinander reiben und irgendwie immer in Geldnot sind. Dabei werden diese Menschen sehr urig, teilweise verschroben und lustig dargestellt.

    Jedoch verlor mich der Autor als es um diese ArschArt Gallery und dem besetzten Haus ging.Ich hatte keinen Bock mich andauernd an Dieter Bohlen erinnert zu werden. Denn genau so wirkte der Herr P. Immel (der natürlich Peter von Immel hieß). Er war einfach nur prollig, größtenwahnsinnig, herschsüchtig und liebte es seine Macht auszuspielen.

    Alles in Allem war es eine nette Satire und eine gute Reminiszenz an die "jute" berliner Zeit vor dem Mauerfall, aber das Porträt von Herrn P. Immel und Kacki hätte ich gerne verzichtet!

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  1. Leerlaufkommunikation at it's best

    Wie soll man ein Buch vorstellen, das kaum Handlung enthält? Schwer, aber nicht unmöglich. "Wiener Straße" setzt da an, wo "Der kleine Bruder" aufgehört hat. Frank Lehmann ist frisch in Berlin angekommen und muss erst einmal sehen, wie er dort klar kommt.

    Doch ist der Roman keineswegs die Fortsetzung der Lehmann-Trilogie, denn dieses Mal geht es zwar auch um, aber nicht nur um ihn. Regner erzählt multiperspektivisch die Geschichten einzelner bereits bekannter Figuren wie Lehmanns bestem Freund Karl (der es hier aber noch nicht ist) oder dem Kneipenbesitzer und Exilschwaben Erwin, und einiger neuer Figuren in der selbsternannten Künstlerszene Kreuzbergs. Dabei gelingt ihm der Spagat zwischen witziger und spritziger Unterhaltung (zahlreiche Leerlaufdialoge und verschrobene Gedanken der Protagonisten sind einfach nur zum wegömmeln) und dem Wecken nostalgischer Gefühle. Für Berlinbesucher aus der ehemaligen Bundesrepublik, so wie ich es damals war, war gerade Kreuzberg mit seiner Mauernähe, seinem heruntergekommenen Charme und seinen zahlreichen Szenekneipen ein Muss und der Kiez, in dem der Frontstadtmythos am deutlichsten zu spüren war. Allein das Schwelgen in den Erinnerungen daran macht das Buch für mich zu einem Lesegenuss, den heutige Berlinbesucher wahrscheinlich gar nicht mehr nachvollziehen können. Früher war nicht unbedingt alles besser, aber irgendwie heimeliger.

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  1. 4
    11. Mär 2018 

    Einfall

    Über dem Café Einfall ist eine Wohnung frei. Frank Lehmann zieht mit Chrissie, der Nichte des Café-Besitzers, und den beiden Künstlern Karl Schmidt und H. R. Ledigt in diese WG-Wohnung. Man schreibt das Jahr 1980 zur Zeit der Aktionskünstler und Hausbesetzungen in Westberlin. Im Café übernimmt Frank das Putzen. Und Chrissie quengelt solange nach einen Job, bis sie die Frühschicht übernehmen darf. Derweil übernimmt ein neugieriger Nachbar das Renovieren der Wohnung. Und die Künstler erstellen Kunstwerke.

    Vielleicht muss man die 1980er inklusive einer Fahrt nach Westberlin erlebt haben, um sich in dieser schrägen Romankomödie wohl zu fühlen. Beim Lesen der Dialoge fühlt man sich in die alten Zeiten zurückversetzt. Mit großen Augen bestaunte man die große Stadt mit ihrer Subkultur, die wie eine Insel in einem ganz fremden Land lag. Keine Wehrpflicht, Berlinförderung und tosendes Leben in urigen Biergärten und auf den Straßen. Mit jedem „Ist schon offen?“ schmunzelt man erneut, mit jedem frech-aggressiven Spruch von Chrissie grinst man über die Berliner Schnauze, die nicht nur von Berlinern gesprochen wird. Auch die urigen Kunstwerke oder Kunstaktionen vermögen zu überzeugen. Würde da nicht immer mal der neue Kontaktbeamte des Kiez dazwischenfunken.

    Wie eine Momentaufnahme wirkt die Erzählung. Für ein paar Handlungstage kann man ins Westberlin des Jahres 1980 eintauchen und den Witz des Autors genießen. Wenn man die Welt des Frank Lehmann mag und aus den früheren Romanen kennt, wird man sich über die Wiederbegegnung mit den bekannten komischen Helden freuen und an diesem Ausschnitt aus ihrem Leben gerne teilhaben. Fast wie eine Milieustudie in nicht ganz so ferne Zeiten schlägt Sven Regener eine Brücke in die Erinnerung. Im Geiste hört man den Tonfall, sieht man sie agieren und amüsiert sich über die skurrilen Ideen. Es lebe der Punk, es lebe Berlin und es lebe Frank Lehmann.

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