Wie viel von diesen Hügeln ist Gold

Buchseite und Rezensionen zu 'Wie viel von diesen Hügeln ist Gold' von C Pam Zhang
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Inhaltsangabe zu "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold"

Mit einer Pistole in den Händen und der Leiche des Vaters auf dem Rücken des Pferdes sind die chinesischen Waisenkinder Lucy und Sam auf der Flucht durch die Prärie. Amerika ist ein unbarmherziges Land, von Bisonknochen übersät und dem Goldrausch verfallen. Die Geschwister wollen den Vater gemäß dem chinesischen Ritual begraben – mit zwei Silberdollars auf den Augen. Nur auf diese Weise kann Ba nach Hause finden. Doch wo in dieser fremden Welt ist für Lucy und Sam das Zuhause, das so unerreichbar scheint wie das versprochene Gold in den Hügeln? Mit wilder Sprachmagie erzählt C Pam Zhang, Tochter chinesischer Einwanderer in Amerika, in ihrem Roman »Wie viel von diesen Hügeln ist Gold« von der Sehnsucht anzukommen – an einem Ort und in einer Identität, die sich über die Grenzen von Herkunft und Gender hinwegsetzt.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:352
Verlag: S. FISCHER
EAN:9783103973921

Rezensionen zu "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold"

  1. Was macht ein Zuhause zum Zuhause?

    Die von chinesischen Einwanderern abstammenden Geschwisterkinder Lucy und Sam begeben sich im Wilden Westen des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit dem gestohlenen Pferd Nellie auf eine abenteuerliche Reise. Ihre schwere Last: eine Truhe der verstorbenen Mutter, darin die Leiche des Vaters. Doch die beiden sind nicht nur auf der Suche nach einer Begräbnisstätte...

    In ihrem bemerkenswerten Debütroman "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold" erzählt die 1990 in Peking geborene C Pam Zhang eine nahezu unglaublich wirkende Geschichte, die sich komplett auf die Sichtweise ihrer jungen Protagonist:innen einlässt. Es ist nicht nur sprachlich ein Fest. Zhang schafft es auch, so grundlegende Themen wie (sexuelle) Identität, Herkunft, Heimat, Familie, Tod und Trauer miteinander zu verbinden, dass alles wie aus einem Guss wirkt. Dabei gelingt es der Autorin mehr als einmal, mit gesellschaftlichen - und literarischen - Konventionen zu brechen und die Leser:innen immer wieder zu überraschen. In poetische Beschreibungen der schrecklich-schönen Natur mischen sich in Rückblicken brutale väterliche Gewaltausbrüche. Ein Tigerschädel liegt wie selbstverständlich neben einem Bisonskelett. Ein Kapitel wird "Pflaume" betitelt, dreht sich aber um das verwesende männliche Geschlechtsteil des Vaters. Immer wieder hält Zhang den Leser:innen den Spiegel vor, spielt mit den Erwartungen und den vorgefertigten Meinungen, um in einem nächsten Kapitel alles über den Haufen zu werfen und die Geschichte aus einer völlig anderen Perspektive zu erzählen. An der Grenze zum magischen Realismus lässt Zhang Geisterstimmen in den Wind hineinfließen und verwirrt damit nicht nur Lucy.

    Wo sich andere Autor:innen verheben könnten, schafft es Zhang in ihrer Mischung aus Coming-of-Age-, Abenteuer- und Familienroman fast spielerisch, die Spannung und das sprachliche Niveau hochzuhalten. Während die ein Jahr ältere Lucy die eigentliche Hauptfigur ist, hatte es mir vor allem das jüngere Geschwisterkind Sam angetan. Insbesondere im überragenden ersten Teil des Romans ist Sam so voller Wut und innerer Zerrissenheit, dass ich fast schon körperlichen Schmerz spürte und mich komplett in dieser Figur verlor.

    Und auch wenn die zweite Hälfte des Romans den Vergleich mit der einzigartigen ersten verlieren mag, ist sie keinesfalls enttäuschend. Die zentrale Frage des Buches "Was macht ein Zuhause zum Zuhause?" zieht sich konsequent wie ein roter Faden durch das Geschehen, um Lucy und Sam letztlich ganz unterschiedliche Antworten darauf finden zu lassen.

    Man muss sicherlich kein großer Prophet sein, um vorauszusagen, dass man von C Pam Zhang noch viel hören wird. Sämtliche amerikanischen Vorschusslorbeeren sind berechtigt, und es ist der Autorin und dem Roman zu wünschen, dass das Buch auch in Deutschland für die nötige Aufmerksamkeit sorgen wird. In diesem Zusammenhang sei auch die großartige deutsche Übersetzung von Eva Regul erwähnt.

    "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold" ist ein bemerkenswertes Buch von eindringlicher Intensität. Aufregend, überraschend und mit Themen wie Rassismus, der Ausbeutung der Natur und Fragen nach der sexuellen Identität äußerst zeitgemäß - ein echtes Ereignis.

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  1. This land is not your land

    „This land is not your land” steht auf der ersten Seite des Buches, und so ist es wohl.
    Sam ist elf und Lucy zwölf, als ihr Ba stirbt und sie allein zurückbleiben in einer heruntergekommenen Unterkunft mitten in den Hügeln, wo Ba Gold suchen wollte und schließlich Kohle schürfte.

    Für eine Beerdigung braucht man nach chinesischer Tradition zwei Silberstücke für die Augen, Wasser und ein Zuhause. Das hat Lucy von Ma gelernt. Ma ist schon lange fort…

    Selbst wenn sie Silberstücke hätten, wo mag Bas Zuhause sein? Die beiden Mädchen machen sich auf den Weg mit einem gestohlenen Pferd und der Leiche ihres Vaters.
    Hier erlebt man den wilden Westen und den Goldrausch aus ganz ungewöhnlicher Sicht. Mit großen Erwartungen kamen „Die 200“ nach Amerika, um festzustellen, dass sie in Amerika als billige Arbeitskräfte benötigt werden und das Gold nicht auf der Straße liegt.

    Traurig und anrührend erzählt Lucy von ihre Geschichte. Sam und sie sind in Amerika geboren, aber man sieht ihnen ihre Abstammung an. Sie wissen, sie werden nie richtig dazugehören und so versucht jede, ihren eigenen Weg zu finden. Sam findet sogar, sie käme als Junge besser zurecht. Aber obwohl die beiden Schwestern so unterschiedlich sind, verbindet sie doch ihre gemeinsame Vergangenheit. Ihre schicksalhafte Kindheit hat sie zusammengeschweißt, ihre Herkunft, die sie anderswo ausgrenzt, verbindet sie auch.

    Sie Sprache ist einfach, hat aber einen ganz eigenen Charme, einfache Worte, die Einsamkeit, Armut, Traurigkeit und Fatalismus transportieren und mitten ins Herz gehen. Ein Hauch chinesische Lebensklugheit schwingt mit. Die Mädchen haben in ihrem jungen Leben schon einiges gelernt von Ma und Ba.

    Erde, Wasser, Fleisch, Schädel, Salz, Gold, Pflaume, Blut heißen die Kapitel immer wieder und zeigen, dass man sich auf elementare Dinge besinnen muss, wenn das Leben schwierig ist.

    Dieses Buch ist besonders, zart und traurig, anrührend, grausam und auch schön, ein historischer Roman, der statt geschichtlicher Fakten ein Zeitgefühl wiedergibt und damit umso eindrucksvoller ist.

    Inka Löwendorf liest das Hörbuch 7 Stunden lang und transportiert ganz wunderbar eindringlich diese poetische Schlichtheit der Sprache. Auch gelegentliche chinesische Phrasen liest sie souverän. Dieses Buch ist als Hörbuch ganz besonders zu empfehlen.

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  1. Großartige Familiengeschichte im Goldgräbermilieu mit aktuellen

    Hätte dieser Roman nicht auf der Longlist für den renommierten Bookerpreis gestanden, hätte ich ihn wohl nie gelesen. Was wäre mir da entgangen?! Wir Vielleser sind doch immer auf der Suche nach dem besonderen Buch, nach der Perle, die aus dem Gewöhnlichen heraussticht. C. Pam Zhangs Debüt ist zweifellos ein solches Buch. Geschildert wird das harte Leben einer „unerwünschten“ chinesischen Einwandererfamilie in den USA zu einer Zeit, als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Glückssucher in den amerikanischen Westen kamen.

    Die Autorin erzählt ihre Geschichte, der gewiss auch autobiografische Erfahrungen zu Grunde liegen, in vier Teilen überwiegend aus Lucys Perspektive. Im ersten Teil stellt sie uns die Geschwister Lucy (12) und Sam (11) vor, deren Vater Ba vor Kurzem gestorben ist. Ba war als Goldgräber in diese Hügel gekommen. Wie es scheint erfolglos, denn in letzter Zeit hat er sich im Kohleabbau verdingt, um das Lebensnotwendige für seine Familie zu verdienen. Die Mutter scheint bei einer schweren dritten Geburt ums Leben gekommen zu sein. Sehr berührend werden die Erinnerungen an diese ausgleichende, liebevolle und lebenspraktische Frau geschildert. Nun sind Lucy und Sam allein und suchen, wie es die Familientradition vorschreibt, nach dem geeigneten Platz, um Bas sterbliche Überreste zu begraben und ihm damit ein neues Zuhause zu geben.

    „Was bedeutet Zuhause, wo doch Ba mit ihnen ein so rastloses Leben gelebt hat? Er wollte im Handumdrehen sein Glück machen und trieb die Familie unermüdlich weiter wie ein Sturmwind im Rücken. Auf zu Neuem. Etwas Wildem. Dem Versprechen von großem Reichtum und großem Glanz.“ (S. 40)

    Die Geschwister sind sehr verschieden. Sam bemüht sich stets, der ersehnte Sohn des Vaters zu sein, eifert ihm nach, war dessen Liebling. Lucy sehnt sich nach einem anderen Leben, will lernen und sesshaft werden. Sam ist impulsiv, Lucy eher angepasst. Die Autorin gibt uns Rückblicke ins Familienleben, während die beiden Kinder durch die trockene Wildnis streifen. Der Vater hat sich nach dem Tod der Mutter sehr verändert, er trinkt viel und wird leicht aggressiv: „An Zahltagen brachte er seinen Lohn nach Hause, und dann flogen die Fäuste im rumpelnden Rhythmus. Lucy lernte, sich im Takt zu bewegen: Schritt und Drehung, wendig und still. Wenn sie schnell genug war, erwischten Bas Fäuste sie kaum. Sam lernte, zwischen Ba und Lucy zu treten, wenn der Tanz zu gewaltsam wurde.“ (S. 49)

    Im zweiten Teil des Buches wird die Uhr um drei Jahre zurückgedreht. Die Familie hat es schwer, von den überwiegend weißen Einwanderern akzeptiert zu werden. Sie bekommen eine menschenunwürdige Herberge, verdienen geringeren Lohn, werden gemobbt und stehen auch sonst am Rande der Gesellschaft. Während Ba sich aufs Träumen versteht, die Realität teilweise ausblendet und vom Gold erzählt, wird die Mutter zunehmend desillusionierter, flüchtet sich in chinesische Mythen und wünscht sich eine baldige Rückkehr in die Heimat. Es ist absolut faszinierend, dieser Geschichte zu folgen. Man kann die verschiedenen Stimmungen, die Charaktere, die Handlung wunderbar abgreifen. Jede Figur hat eine Vergangenheit, hat Hoffnungen und Wünsche. Es wird der Familie nicht nur von außen schwer gemacht, auch innerhalb gehen die Meinungen auseinander, gibt es Konflikte, die eben auch Auswirkungen auf die Geschwister und ihre Entwicklung haben.

    Im dritten Teil wird der Leser durch eine neue Perspektive völlig überrascht, die die bisherigen Erkenntnisse in einem absolut neuen, veränderten Licht erscheinen lässt. Im vierten Teil kehrt man schließlich zu den beiden Waisen zurück.

    Der Roman liest sich von Beginn an sehr spannend und besticht durch seine sprachliche Raffinesse, die man schon Kunst nennen darf. An dieser Stelle sei die Übersetzungsleistung von Eva Regul ausdrücklich gelobt, der es gelungen ist, die Wärme und Poesie, den Facettenreichtum und die Stimmungen wunderbar ins Deutsche zu übertragen. C. Pam Zhang erspart uns nichts von der trostlosen, gewaltumwölkten Kindheit der beiden Protagonistinnen, versteht es aber literarisch, ihr etwas den Schrecken zu nehmen. Es gibt unglaublich viele schöne Sätze, feine Sprachbilder und Metaphern, die man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte. Die Liebe zur Natur ist stets spürbar, die entsprechenden Beschreibungen sind eine Wonne. Mit den Augen Lucys sieht man das Schöne in all der Öde.

    Die Autorin bedient in diesem historischen Roman eine große Bandbreite an höchst aktuellen Spannungsfeldern: Es geht um den Raubbau an der Natur, auch heute noch werden Bodenschätze, Wälder, Tiere und Meere rücksichtslos ausgebeutet, ohne die Lebensgrundlage künftiger Generationen zu berücksichtigen. Es zählt nur das schnelle Geld.

    „Denn dieses Land, in dem sie leben, ist ein Land der verschwundenen Dinge. Ein Land, dem man sein Gold genommen hat, seine Flüsse, seine Bisons, seine Indianer, seine Tiger, seine Schakale, seine Vögel, sein Grün, seine Lebenskraft.“ (S. 160)

    Gleichfalls sind Rassismus, Ausgrenzung bestimmter Volksgruppen oder Migranten, die Bedeutung von Herkunft und Heimat omnipräsente Themen auf der ganzen Welt. Sehr sensibel greift die Autorin auch die Genderdiskussion mit ihrer Figur des androgynen Sam auf. Daran schließt sich das Hinterfragen tradierter, überkommener Rollenklischees an.

    Der Roman befriedigt literarische Ansprüche. Beim aufmerksamen Lesen findet man wiederkehrende Symbole und Motive, aus denen sich auch die attraktive Covergestaltung ergibt. Es wundert mich in diesem Fall nicht, dass „Wie viel von diesen Hügeln ist Gold“ ein Lieblingsbuch Barrack Obamas ist. Mit Sicherheit wird es auch eines meiner Lieblinge dieses Jahres werden. Es sticht aus der Fülle der Neuerscheinungen wohltuend heraus. Ich wünsche diesem Roman ganz viele Leser und bewerte ihn inhaltlich und sprachlich mit Bestnoten.

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  1. Die Reise ihres Lebens...

    Das auffällige Cover hat mich auf diesen Roman aufmerksam werden lassen und gebannt begann ich mit der Lektüre.

    In der Geschichte geht es um Lucy und Sam, die mit 12 und 11 Jahren ihren frisch verstorbenen Vater unter die Erde bringen müssen. Was wird ihnen die Reise bringen und werden sie dabei Hilfe bekommen?

    Besonders hervorheben möchte ich den Schreibstil der Autorin, der mich sofort in den Bann gezogen hat. Er erzeugt beim Leser direkt Bilder im Kopf und ein enormes Wohlfühlgefühl. Die schreckliche Situation der Kinder und das unwirtliche Leben sind intensiv beschrieben.

    Die beiden Hauptfiguren Lucy und Sam sind wie Feuer und Wasser und dennoch halten sie in der für beide stressigen Situation zusammen. Ich mochte vor allem Sam, weil sie einfach macht was sich für sie richtig anfühlt. So jemanden würde ich als Freigeist bezeichnen. Lucy als Beschützerin und große Schwester hat aber auch ihren Reiz.

    Klasse fand ich zudem, dass der Roman nicht geradlinig verläuft, sondern wir in der Zeit springen und so auch Gelegenheit bekommen die Eltern kennenzulernen und wie die Familie überhaupt erst in die Situation geraten ist.

    Überrascht hat mich, dass mit Geschlechterrollen gespielt wird. Hier merkt man als Leser, dass man selbst durch Klischees geprägt ist und der erste Eindruck nicht unbedingt der wichtigste sein muss.

    Fazit: Ein intensiver Roman, der mich auf besondere Weise unterhalten hat. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung. Klasse!

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