Wie Sterben geht

Es ist die Zeit des Kalten Krieges. Die Staaten misstrauen einander. Daher ist es auch die Zeit der Agenten und Spionagetätigkeit. Jeder will dem anderen einen Schritt voraus sein.
Zu dieser Zeit wird Nina Winter, Analystin beim BND, in Russland eingesetzt. Rem Kukura - Deckname Pilger, ein Top-Agent in Moskau, will sie als Führungsoffizier, um weiterhin Information zu liefern. Nina will sich die einmalige Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen. Doch dafür muss sie eine Metamorphose durchleben, sie muss in kürzester Zeit zu einer Frau werden, die alle Schwierigkeiten meistern und auf feindlichem Gebiet überleben kann. Alles läuft auch nach Plan, doch dann kommen ihr Gefühle in die Quere. Sie verliebt sich in Rems Sohn.
Auch mit diesem Buch konnte mich Andreas Pflüger wieder packen. Er führt uns zurück in eine Zeit, die noch gar nicht so lange zurückliegt und dennoch weit weg erscheint. Allerdings sind die jetzigen politischen Verhältnisse leider wieder sehr ähnlich.
Nina Winter ist eher unscheinbar, bis sie in Moskau Pilger führen soll. In ganz kurzer Zeit bekommt sie eine Ausbildung, die sie dafür befähigen soll. Sie entwickelt sich zu einer toughen Frau, die unter den unterschiedlichsten Namen operiert. Aber sie hat auch einen Feind beim KGB, der sie tot sehen möchte. Ich finde die Entwicklung von Nina und wie sie als Anfängerin im Job agiert nicht so ganz glaubwürdig. Aber trotzdem ist sie mir sympathisch. Mit den anderen Personen konnte ich eher keine Beziehung aufbauen.
Als im Winter 1983 ein Agentenaustausch ansteht, bei dem Kukura gegen den Sohn eines Politbüromitglieds ausgetauscht werden soll, muss Nina die Identität Pilgers bestätigen. Es kommt zu einem Inferno auf der Glienicker Brücke, bei der Nina schwer verletzt wird.
Es ist ein sehr spannender Spionage-Thriller, der mich von Anfang an gefesselt hat.
Andreas Pflüger ist ein deutscher Hörspiel- und Drehbuchautor. Sein erster Roman Operation Rubikon erschien 2004. Wie sterben geht ist für mich das erste Buch des Autors.
Die Geschichte spielt zu Beginn der 1980er Jahre. Die Beziehungen zwischen Ost und West sind auf dem Gefrierpunkt angelangt und die Spionagetätigkeiten auf beiden Seiten laufen auf Höchsttouren. Die junge Agentin Nina Winter wird als Verbindungsoffizierin eines Top-Spions nach Moskau geschickt. Von Beginn an steht Nina unter KGB-Überwachung und es ist klar, dass es einen Maulwurf geben muss.
Die Geschichte ist spannend und actionreich geschrieben. Man merkt, dass der Autor Drehbücher schreibt, denn das Kopfkino ist sofort angeschaltet. Ich hatte allerdings zu Beginn etwas Schwierigkeiten in das Buch hineinzufinden. Es gibt viel Personal und viel „Agentensprache“, die Sätze empfand ich meist als kurz und abgehackt, dadurch soll wohl auch Tempo erzeugt werden. Als ich dann in der Geschichte ankam, entwickelte sich ein sehr spannender Spionagethriller, mit allem was dazu gehört. Die Wandlung der zunächst etwas zurückhaltenden Nina in die toughe, in James-Bond-Manier agierenden Topspionin ist vielleicht etwas unglaubwürdig, aber das tut der Lesefreude keinen Abbruch. Der Autor hat gut recherchiert und wurde auch von Mitarbeitern von BND und BKA beraten.
Insgesamt ist es ein sehr lesenswerter und packender Spionagethriller, in dem auch ein leiser Humor seinen Platz findet.
Nina Winter, Analystin beim BND, wird ausgewählt, um als „Verbindungsführerin“ eine sogenannte Quelle in Moskau zu führen. Rem Kukura, ein Offizier des KGB, hat sie namentlich verlangt. Das bedeutet, vor Ort zu sein und alles an Informationen entgegenzunehmen, was diese Quelle liefern kann. Ein großer Kunstfehler ist es, so erfährt sie bei ihrer Blitzausbildung, sich emotional auf ihre Quelle einzulassen. Und doch tut sie nach kürzester Zeit genau das – mehr noch, sie verliebt sich in den Sohn dieser Quelle. Erfahrungsgemäß werden Quellen nicht alt. Und so beschließt sie, Vater und Sohn aus Russland herauszuholen.
Der Roman spielt Anfang bis Mitte der 80er Jahre; der kalte Krieg ist noch in vollem Gange und jeder falsche Schritt der Geheimdienste kann einen Atomkrieg auslösen. Pflüger schreibt unglaublich filmisch, es würde mich nicht wundern, von einer Verfilmung zu hören. Von Anfang an spult sich beim Lesen permanent Kopfkino ab; die Gegensätze des Moskauer Stadtbilds, das Nebeneinander von Protz und Plattenbau, der in den 80ern noch spärliche Verkehr, die leeren Prospekte, die Kälte, die Schlangen vor den Läden. Dagegen das satte, selbstzufriedene München mit seinem alten Geld und seiner Dekadenz und das links-alternative Berlin vor dem Mauerfall.
Wichtiger Schauplatz des Romans ist die mit viel nationaler Bedeutung aufgeladene Glienicker Brücke, die Pflüger gleich als Erstes umstandslos in die Luft sprengt. (Das wird so realistisch beschrieben, dass ich ganz besorgt gegoogelt habe: Sie steht noch…!) Wie ist es zu dieser Situation gekommen? Die Story ist ein Spur verschlungener, als es einem Thriller gut tut; dennoch ist der Roman ungemein fesselnd. Das liegt auch an der Action-Haltigkeit des Romans - Pflüger ist nicht zimperlich in seinen Szenarien.
Nach seiner Trilogie um Jenny Aaron hat der Autor nun mit Nina Winter eine weitere weibliche Superheldin geschaffen. Nina spricht 6 Sprachen, läuft drei Mal die Woche die Marathonstrecke und ist jedem ihrer meist männlichen Verfolger an Fitness haushoch überlegen. Das muss sie auch sein, den jeder ihrer Kontrahenten würde ihr zu gerne beibringen „Wie Sterben geht“. Unscheinbar ist sie nur ihrer eigenen Einschätzung nach. Die Figur Nina steht in der Tradition von James Bond, nur ohne den Sexismus. Ich fand Nina faszinierend. Natürlich kann man die Wahrscheinlichkeit ihrer Erfolge in Zweifel ziehen – sie ist Anfängerin in ihrem Job. Das war für mich aber überhaupt kein Thema; im Gegenteil fand ich es ungeheuer befriedigend zu lesen, wie Mut, Talent und Entschlossenheit jedes Hindernis beiseite fegen - auch und gerade dann, wenn es mitten durch die Angst und den Schmerz geht.
Ich mochte die Charaktere, die rotzig-geschliffenen Dialoge, den Witz darin. Aber auch die Action, das Helldunkel, die Gegensätze. Die permanente Unsicherheit eines Agentenlebens, das ständige Misstrauen, die Vorsicht, die Wachsamkeit, all das hat seit John le Carré niemand mehr so eindrücklich beschrieben. Vor allem aber mochte ich die Sprache: Pflüger weiß damit umzugehen. Seine Sätze haben Rhythmus und erzeugen Tempo, seine Metaphern sind expressiv, manchmal brachial, die Verben treffend, die Vergleiche kraftvoll. „Ihr war, als würde sie mit nackten Füßen über Glasscherben spazieren.“ „Seine Haut spannte über dem Gesicht wie eine Strumpfmaske.“ „…die Brücke, eine avantgardistische Skulptur aus Stahl und Angst.“
Die Story switcht ständig vom Katastrophenszenario der Eingangsszene in die Vergangenheit und wieder zurück. Bis zum Schluss bleibt unklar, ob Nina die Explosion des Anfangskapitels überlebt hat. Das Finale führt uns aus dem winterlichen Russland an die frühlingsmilde Cote d´Azur und bleibt damit dem Prinzip des Kontrastes treu. Nach alldem kann es doch wohl kein Happy End geben?
Gibt es auch nicht. Oder doch? Lesen Sie selbst!
Die Spionin, die in die Kälte ging
Andreas Pflügers Stil ist gewöhnungsbedürftig – rasant, fast schon abgehackt, mit schnellen Szenenwechseln wie im Actionfilm. Vieles wird nur angedeutet, die Dialoge sind äußerst knapp gehalten, sodass die Lektüre kein erholsamer Spaziergang ist, was das Thema an sich schon verbietet.
Nina Winter arbeitet zu Beginn der 80er Jahre beim BND und wertet Spionage-Informationen aus. Doch dann wird sie vom Schreibtisch weggeholt. Pilger, ein mysteriöser Agent des BND in Moskau, fordert explizit sie als seine neue Führungsoffizierin an. Obwohl Nina für diesen Posten eigentlich gar nicht ausgebildet ist, sieht sie, dass dies die Chance ihres Lebens ist. Dank ihrer sehr guten Russisch-Kenntnisse gibt es für sie keine sprachlichen Hürden, zudem reizt sie offensichtlich das Abenteuer. Auch hält sie nichts in München, da sie mit ihren Eltern nur wenig Kontakt hat.
In Moskau trifft sie Rem Kukura, den Pilger, von dem sie alle Raffinessen der Spionage erlernt. Doch so wie Kukura seit Jahren eine Doppelexistenz führt, muss auch Nina Winter eine andere werden, um in dem gefährlichen Netz des KGB, der Stasi und auch BND-Leuten, die für alle möglichen Seiten arbeiten, nicht unterzugehen.
Ich gestehe, dass ich das Buch gleich zweimal hintereinander gelesen habe, da mir beim ersten Lesen nicht alle Zusammenhänge und Verbindungen zwischen den Personen klar wurden. Zwar weiß man dann beim zweiten Durchgang, wie es ausgeht. Dennoch war es immer noch spannend und zudem erschlossen sich einige Aspekte erst dann so richtig. Nina Winter ist jedoch eine schwierige Protagonistin. Ihre Emotionen werden oft nur angerissen, ihr Kampfgeist, ihr Mut und ihre Selbstdisziplin dagegen sind extrem ausgeprägt, sodass man kaum mit ihr mitfühlen kann, sondern sie eher als Super-Heldin wahrnimmt. Hier hätte mir eine ,,menschlichere“ Version besser gefallen.
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