Wenn das Eis bricht: Psychothriller

Rezensionen zu "Wenn das Eis bricht: Psychothriller"

  1. Subtil und raffiniert

    Mehr als 600 Seiten umfasst dieser Psychothriller und ist also ausdauernden und geduldigen Lesern zu empfehlen. Geduld braucht man auch deshalb, weil nicht so sehr viel passiert, sondern Erinnerungen und Gedanken den Hauptteil des Buches ausmachen.
    Drei Personen erzählen in der Ich-Perspektive, sodass man als Leser radikal auf deren Sicht beschränkt wird. Da ist zum einen Emma, eine junge Verkäuferin, die ein heimliches Verhältnis mit ihrem Chef hat. In Rückblenden erfährt man von ihrer traurigen Kindheit in einem lieblosen, konfliktbeladenen Elternhaus. Zum anderen der Ermittler Peter, der absolut bindungsunfähig ist, aber auch selbst darunter leidet. Außerdem kann er immer weniger Sinn darin erkennen, Morde und andere Verbrechen aufzuklären.
    Als in der Wohnung des reichen Geschäftsmannes Jesper Orre die Leiche einer unbekannten Frau gefunden wird, erinnert dies Peter und seine Kollegen an einen alten Fall. Vor 10 Jahren war die Leiche eines Mannes auf dieselbe Art und Weise in Szene gesetzt worden und dieser alte Fall konnte nie aufgeklärt werden. Deshalb wird die Kriminalpsychologin Hanne, die auch beim damaligen Fall an den Ermittlungen beteiligt war, wieder hinzugezogen. Sie ist die dritte Figur, aus deren Perspektive erzählt wird. Sie leidet an beginnendem Alzheimer und versucht, ihr Leben neu zu ordnen.
    Durch die abwechselnden Perspektiven, die sich auch zeitlich aufeinander zu bewegen, erhält man nach und nach einzelne Puzzlestückchen. Die Ich-Perspektive der Figuren führt dazu, dass man eine sehr genaue und sehr ehrliche Innensicht auf sie bekommt, was aber nicht unbedingt zur Identifikation mit ihnen führt. Stellenweise ist man sogar abgestoßen oder man fühlt mit und will helfen. So z.B. Peter, der mit seiner Ex-Frau und seinem 15-jährigen Sohn nicht klarkommt und lieber alles verdrängt oder vor sich herschiebt, als endlich zu handeln.
    Trotz der eher ruhigen Erzählweise ist die Handlung packend und spannend, da man auch als Leser nicht weiß, wessen Sicht man nun eigentlich trauen soll und wann das Eis tatsächlich bricht.

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  1. 4
    25. Apr 2017 

    Spannend, wenn auch weniger Thriller als erwartet

    Angekündigt wird dieser 600-Seiten-Wälzer als Psychothriller, "... so kalt und gewaltig wie kaum einer sonst." (Daily Mail) Wenn sich Letzteres auf das Wetter beziehen sollte, dann stimmt es vermutlich sogar, denn die Handlung spielt um Weihnachten herum, bei widerlich ekligem Wetter ;-) Ansonsten empfinde ich die Aussage aber deutlich übertrieben, denn mindestens die Hälfte der Handlung, wenn nicht sogar mehr, beschäftigt sich mit dem Innenleben zweier beteiligter Personen, das mit dem eigentlichen Fall absolut nichts zu tun hat.
    Im Hause eines reichen Geschäftsmannes wird eine enthauptete Frau aufgefunden, alle Indizien deuten auf den Hausbesitzer, der spurlos verschwunden ist. Erzählt wird abwechselnd aus drei Perspektiven: Da gibt es Hanne, Verhaltenstherapeutin und Psychologin, die neben schweren Eheproblemen auch mit ihrer Diagnose Demenz zu kämpfen hat und die Mitarbeit an diesem Fall nutzt, um in ihrem Leben reinen Tisch zu machen. Und Peter, einer der verantwortlichen Kommissare, der beruflich zwar erfolgreich, im Sozialen jedoch ein völliger Versager ist. Auch für ihn wird dieser Fall eine Auseinandersetzung mit seinem eigenen Leben, in dem Hanne ebenfalls eine Rolle spielt. Die Dritte im Bunde ist Emma, deren Bericht zwei Monate vor dem Fund der Leiche beginnt. Ist sie die Tote? Ihr Erzählpart steuert nach und nach auf den Tag der Tat zu und es ist klar, dass sie eine der Hauptfiguren darin ist.
    Neben den Ermittlungsschilderungen sind sicherlich mehr als die Hälfte Rückblenden der drei Personen, was in Emmas Fall durchaus zur Spannung beiträgt, da sie direkt mit dem Verbrechen verbunden ist. Bei Hanna und Peter sind es dagegen (nur) Erinnerungen an das eigene Leben; wie sie zu den Menschen wurden, die sie jetzt sind; weshalb sie jetzt so und nicht anders handeln. Camilla Grebe schreibt gut und die Psychogramme ihrer Protagonisten sind schlüssig und auch fesselnd zu lesen - nur mit dem eigentlichen Fall haben sie nichts zu tun. So könnte, wer aufgrund der Lobeshymnen auf dem Cover und dem Klappentext einen durchweg packenden Thriller erwartet, enttäuscht werden. Denn die überraschenden Wendungen beginnen erst ca. 100 Seiten vor dem Ende, aber dann haben sie es auch in sich. Bis dahin ist es ein gut geschriebener und spannend aufgebauter Krimi mit zwei Figuren, die durchaus das Potenzial für einen weiteren Fall hätten.

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