Wellenflug: Roman

Rezensionen zu "Wellenflug: Roman"

  1. Interessante Familiengeschichte

    Anna wird als Tochter eines Tuchhändlers geboren. Sie heiratet, wie es ihre Eltern von ihr erwarten, einen vermögenden Mann aus angesehener jüdischer Familie. Da ihr Mann bald verstirbt, heiratet sie den Bruder. Heinrich, ihr Erstgeborener, bereitet Probleme, denn er schert sich nicht um Konventionen, genießt das Leben in vollen Zügen und verliebt sich in Marie, die nicht standesgemäß ist. Heinrich geht nach Amerika und holt seine Marie nach. Doch der 1. Weltkrieg bricht aus und Heinrich muss zurück. Marie wird aber von seiner Familie nicht akzeptiert. Anna stirbt 1932 und erlebt nicht mehr mit, was dann über Deutschland hereinbricht.
    Constanze Neumann erzählt in ihrem Roman die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Frauen, die ihrer Urgroßmutter Anna und ihrer Großmutter Marie.
    Anna ist eine Frau ihrer Zeit und ihres Standes. Ihr Leben ist vorgezeichnet und sie stellt das nicht in Frage, sondern lebt es nach den Konventionen, die von ihr erwartet werden. Als ihr Sohn sein Leben so ganz anders gestaltet, als sie es von ihm erwartet, verstößt sie ihn und verträgt sich auch bis zu ihrem Tod nicht mehr mit ihm. Marie verliert durch Heinrich ihren Job als Garderobiere. Sie folgt ihm und versucht das Beste aus ihrem Leben zu machen. Doch sie ist nicht standesgemäß und das lässt sie Heinrichs Familie auch spüren, als sie nach Deutschland zurückkehren. Die Charaktere sind authentisch und vielschichtig beschrieben. In Marie konnte ich mich gut hineinversetzen, dagegen habe ich Annas Handlungen nicht immer nachvollziehen können.
    Es ist eine interessante Familiengeschichte, die auch die düsteren Zeiten des Nationalsozialismus gut darstellt. Ein lesenswerter Roman!

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  1. Du bist nicht die Richtige!

    Klappentext:

    „Als ihr Sohn Heinrich 1881 zur Welt kommt, setzt Anna Reichenheim große Hoffnungen auf diesen Erstgeborenen. Doch Heinrich schert sich nicht um die Konventionen seiner großbürgerlichen jüdischen Familie. Er erliegt den Verlockungen des Berliner Nachtlebens und verliebt sich in die ganz gewöhnliche Marie, die seine Mutter nicht akzeptieren kann. Gemeinsam suchen Heinrich und Marie in den USA ihr Glück, bis der Erste Weltkrieg sie zurück nach Deutschland holt. Sie bleiben ausgeschlossen aus der Familie, auch als die Schatten der Weltwirtschaftskrise und des aufkommenden Nationalsozialismus sich über das Land legen. Anna stirbt 1932 unversöhnt mit Heinrich, nicht ahnend, was ihrer Familie bevorsteht. Während seine Geschwister fliehen oder vertrieben werden, bleibt Heinrich in Deutschland zurück. Wieder ist es Marie, die ihm Halt gibt, als sie ums Überleben kämpfen….“

    Die Geschichte von Constanze Neumann hat mir eine sehr gute Leseunterhaltung beschert und genau deshalb gab es auch 4 von 5 Sterne. Es sei hier gleich vorweg festgehalten, dass die Autorin hier ihre ganz persönliche Geschichte erzählt und aus diesem Grund wirklich sehr intim und privat wird. Man merkt an ihrem Schreibstil wie viel Freude sie dabei hatte, die Geschichte nochmal zu beleuchten und sie für die Leserschaft zu öffnen.

    Die Story rund um einerseits Anna und eben auch um Marie ist sehr faszinierend und ja, hier war der Lesesog recht schnell da. Die beiden Damen, aber auch die andere Charaktere werden sehr bildhaft und detailliert beschrieben, wir dürfen erfahren Wie und Was und Warum und haben dadurch eine besondere Bindung zu beiden. Schnell ist aber klar, dass diese Bindung vom Unmut der Anderen überschattet wird und als Leser mag man sich nicht für eine „Lieblingsfigur“ entscheiden - warum auch?! Hat doch jede ihren Charakter. Das eine Mutter/Schwiegertochter-Geschichte so besonders und fesselnd sein kann, hätte ich so nicht hinter diesem soften Cover vermutet. Schnell wird aber klar, dass das Leben in dieser Beziehung bestimmt vielen Frauen aus der Seele spricht und viele Leserinnen hier kopfnickend so einigen Situationen zustimmen und eine gewisse Kommunikation mit sich selbst anfangen und selber mal reflektieren…..und eben auch dadurch diese Geschichte bewerten….

    Eine wirklich fesselnde und sehr besondere Geschichte! Hier gibt es eine klare Leseempfehlung!

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  1. 5
    20. Sep 2021 

    Familiengeschichte und Zeitroman

    Constanze Neumann hat mit „ Wellenflug“ einen Roman geschrieben, der sich eng an ihre eigene Familiengeschichte anlehnt. Sie konnte sich dabei auf verschiedene Quellen stützen, so z.B. eine 1936 aufgeschriebene Familien- und Firmenchronik, Briefe und andere Dokumente. Mit viel schriftstellerischer Phantasie füllte sie die Leerstellen, erweckte die historischen Figuren zum Leben.
    Im Zentrum ihres Romans stehen zwei starke Frauen - Anna und Marie.
    Anna ist die Tochter eines jüdischen Tuchhändlers. Ihr Vater, Isidor Eisner, hat es aus dem jüdischen Schtetl in Oberschlesien bis nach Leipzig geschafft. Er möchte, sehr zum Leidwesen seiner Frau, nichts mehr von seiner Vergangenheit wissen, will mit der neuen Zeit gehen. Sein Tuchhandel entwickelt sich prächtig und er kann Verbindungen knüpfen zur wohlhabenden Industriellenfamilie Reichenheim in Berlin. Anna, die sich schon früh für das Geschäft ihres Vaters interessiert- mehr als ihre Brüder- lernt dadurch Adolph Reichenheim kennen. Die beiden heiraten, doch bald steht Anna da als Witwe mit einer kleinen Tochter. Es folgt kurz darauf die Heirat mit Julius, dem älteren Bruder ihres verstorbenen Mannes. Das Paar bekommt zahlreiche Kinder und Anna hat ihre Rolle gefunden, als Vorstand einer großbürgerlichen Familie, als angesehene Frau in der Berliner Gesellschaft. Um endgültig die jüdische Vergangenheit hinter sich zu lassen, konvertiert das Ehepaar.
    Anna setzt große Hoffnungen in ihren erstgeborenen Sohn Heinrich. Doch der enttäuscht sie schwer. Heinrich fehlt jeglicher Ehrgeiz, er ist ruhelos und unbeständig und hat eine fatale Neigung zum Glücksspiel. Dann verliebt er sich zu allem Übel in Marie, eine Gardarobiere im Varieté. Seine Mutter ist entsetzt und versucht mit allen Mitteln, das Verhältnis zu unterbinden. Und als alles nichts hilft, bricht sie rigoros jede Verbindung zu ihrem Sohn und der unerwünschten Schwiegertochter ab.
    Heinrich und Marie wandern in die USA aus, bauen sich dort eine Existenz auf und knüpfen Freundschaften. Doch als der Erste Weltkrieg ausbricht, entwickelt Heinrich nationale Gefühle und meldet sich freiwillig. Für Marie bedeutet das Jahre des Bangens und Wartens. Nach Ende des Krieges zieht es Heinrich zurück in die alte Heimat. Eine fatale Entscheidung! Marie wird zu ihrem Mann stehen, auch in schwersten Zeiten und Anna bleibt unversöhnlich bis zu ihrem Tod im Jahr 1932.
    Constanze Neumann hat ihren Roman in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil über Anna umfasst die Jahre 1864 bis 1905, der zweite Teil über Marie die Jahre 1905 bis 1957.
    Dabei arbeitet sie den gesellschaftlichen Hintergrund ihrer Figuren sehr genau aus. Anna kommt aus gutem Hause und schafft es durch Heirat ins Großbürgertum aufzusteigen. Sie ist selbstbewusst und zielstrebig und achtet auf Regeln und Konventionen. Hat sie anfangs noch die Sympathie des Lesers, so ändert sich das im Verlauf der Lektüre. Schicksalsschläge lassen sie hart werden, vor allem gegenüber ihrem Sohn und dessen Frau.
    Marie dagegen entstammt ärmlichen Verhältnissen. Sie ließ ihr Heimatdorf und ihre verhärmte Mutter hinter sich, um in der Großstadt Berlin Geld zu verdienen. Anfangs mag sie kaum glauben, dass der junge Mann aus reichem Hause sie zur Frau nehmen will. Doch bald zeigen sich die Schattenseiten ihres Mannes. Sie hält trotzdem zu ihm, gibt ihm Kraft und Halt. Auch in den Zeiten, als Heinrich als Jude diskriminiert und verfolgt wird.
    Beide Frauen aber, sind trotz ihrer Stärke, abhängig von den Männern in ihrem Umfeld. Auch das zeigt dieser Roman.
    „Wellenflug“- der Titel geht auf das gleichnamige Karussell im Dresden der Zwanziger Jahre zurück und steht als Metapher für das Auf und Ab im Leben der beiden Hauptfiguren.
    Neben der spannenden Familiengeschichte zeichnet der Roman auch 150 Jahre Zeitgeschichte nach. Vom Berlin der Gründerjahre über den Ersten Weltkrieg, Weltwirtschaftskrise bis zur Nazi - Herrschaft; von Schlesien nach Berlin bis in die USA und wieder zurück.
    Constanze Neumann hat gründlich recherchiert und schafft ein lebendiges Bild dieser Zeit. Dabei gelingen ihr glaubhafte Figuren, die nachvollziehbar eine Entwicklung durchlaufen. Einfühlsam und ohne Kitsch erzählt sie die bewegende Geschichte ihrer eigenen Familie.
    „ Wellenflug“ ist ein spannender und unterhaltsamer Zeit- und Generationenroman, den ich sehr gerne empfehle.

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  1. 5
    18. Sep 2021 

    Ein Pageturner, so schön wie das wahre Leben

    Als kleines Mädchen hörte Anna begeistert ihrem Vater zu, der wunderschöne Märchen erzählen konnte. Besonders die Geschichte über ein armes Waisenmädchen, das dank einer silbernen Spinne zwischen dem Sonnen- und dem Mondjüngling wählen dürfte, hat Anna und ihren Schwestern sehr gefallen.

    Aber in ihrer großbürgerlichen Welt galten andere Gesetze, die nichts mit den schönen Märchen gemeinsam hatten. So heiratet Anna den Mann, der für sie ausgewählt wurde und später, als ihr geliebter Sohn Heinrich sich in ein armes Mädchen Marie verliebt hatte, wurde diese Beziehung weder von Anna noch von der übrigen Familie akzeptiert.

    In dem Roman „Wellenflug“ erzählt Constanze Neumann über die beiden Frauen: Anna und Marie, deren Schicksale durch die Liebe zu Heinrich miteinander verbunden waren. Obwohl Marie als Heinrichs Frau von Anna missachtet wurde, steht sie das ganze Leben ihrem geliebten Mann zur Seite und kämpft um ihre Liebe.

    Aber dieser Roman ist viel mehr als die Geschichte einer nicht standesgemäßen Beziehung. Die Autorin erzählt hier über das Schicksal einer angesehenen wohlhabenden jüdischen Familie vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Genauso wie die damaligen Zeiten ist das Schicksal der Familie voller Veränderungen, Höhen und Tiefen, Glücks und Katastrophen, der Unruhe, des ständigen Wechsels.

    Sehr bewegend ist diese Geschichte. Besonders das Leben von Marie, das zuerst wie ein Märchen beginnt und später viel von der herzensguten Frau verlangt, hat mich sehr berührt. Den Teil des Buches, der ihre und ihrer kleinen Familie Geschichte erzählt, habe ich in einem Rutsch ausgelesen.

    Der Roman über Annas und Maries Leben ist auch größtenteils die wahre Familiengeschichte der Buchautorin. Vieles davon ist wirklich passiert; es gibt zahlreiche Dokumente darüber.

    Mit ihrer bildhaften Erzählweise konnte die Autorin mich auf eine emotionale Reise in die jüngste Vergangenheit ihrer Familie mitnehmen. Ich bin in diese spannende, authentisch wirkende Geschichte vollkommen eingetaucht und musste später noch lange über das Gelesene nachdenken.

    „Wellenflug“ ist ein lesenswerter Roman, hochinteressant und so schön, wie das wahre Leben selbst.

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  1. Das Leben geht weiter

    Anna ist die Tochter eines jüdischen Stoffhändlers aus kleinen Verhältnissen, der Schlesien verlassen und sich in Leipzig ein großes Stoffkontor erarbeitet hat.
    Annas Kindheit endet im Alter von 11 Jahren. Sie wird gefordert, eine standesgemäße Ehe einzugehen, ein großes Haus zu führen und ihrer großen Kinderschar einen möglichst noch höheren Stand zu verschaffen. Dies gelingt ihr bei fast allen Kindern. Bei Heinrich, dem Erstgeborenen, stößt sie jedoch an ihre Grenzen. Heinrich entflieht der bürgerlichen Enge, genießt das Nachtleben und verspielt große Summen. Er heiratet Marie, die aus der Tristesse ihres Elternhauses mit 12 Geschwistern von Burg allein nach Berlin gegangen ist, um dort eine Ausbildung zu machen und zu arbeiten.
    Heinrich und Marie sind gezwungen, nach Amerika auszuwandern, aber die Wirren des ersten Weltkrieges führen sie zurück nach Deutschland mit Wirtschaftskrise und aufkommendem Judenhass.Eine wunderbare und doch traurige Familiengeschichte mit Höhen und Tiefen im Wellenflug, die Constanze Neumann hier hinter den Zahlen und Fakten gefunden und mitreißend erzählt hat.

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