Washington Square: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Washington Square: Roman' von Henry James
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Washington Square: Roman"

Er liebt sie, er liebt sie nicht, er liebt sie, er liebt sie nicht … Selten waren Herzensangelegenheiten undurchsichtiger als in diesem Roman. «Washington Square», eines von James’ bekanntesten und beliebtesten Werken, offenbart dessen Meisterschaft in der Analyse menschlicher Abgründe. Die vorliegende Neuübersetzung erschließt die komplexe, anspielungsreiche Sprachwelt des Autors und ermöglicht endlich auch im Deutschen höchsten Lesegenuss.

Catherine Sloper ist ein schüchternes, in jeder Hinsicht blasses Mädchen – und eine der besten Partien New Yorks. Als ihr der attraktive Abenteurer Morris Townsend den Hof macht, geht sie bereitwillig auf sein Werben ein. Doch Catherines Vater, zugleich der Verwalter ihres Vermögens, vermutet in Townsend einen Mitgiftjäger und will eine Heirat um jeden Preis verhindern. Hin- und hergerissen zwischen kindlichem Pflichtgefühl und dem Wunsch nach Selbstbehauptung, ringt Catherine um eine Entscheidung. Hin- und hergerissen ist auch der Leser, denn über die wahren Motive aller Beteiligten – des verarmten Bräutigams in spe, der ebenso naiven wie geschmeichelten Braut, des in seiner Autorität verletzten Brautvaters, der sein Vermögen einst selbst durch Heirat erworben hatte – lässt uns Henry James bewusst im Unklaren.



Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:272
EAN:9783328102199

Rezensionen zu "Washington Square: Roman"

  1. 5
    01. Mär 2019 

    Henry James geht immer

    Ab und an lese ich Klassiker. Oft empfinde ich die Lektüre dieser Klassiker als sehr anstrengend. Andere wiederum sind ein absoluter Lesegenuss. Zu der Genuss-Kategorie gehören für mich ohne Zweifel die Werke von Henry James.
    Für mich stehen seine Bücher für eine unterhaltsame Mischung aus Distinguiertheit und Sarkasmus, die ihresgleichen sucht. Dafür liebe ich den alten Henry und greife immer wieder gern zu seinen Romanen.

    In "Washington Square", einem seiner bekannteren Werke, führt er uns in die gehobene Gesellschaft von New York, etwa in der Zeit vor dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865). Der verwitwete Dr. Sloper lebt zusammen mit Tochter Catherine und seiner ebenfalls verwitweten Schwester Mrs. Penniman an besagtem Washington Square. Catherine ist schon seit ein paar Jährchen im heiratsfähigen Alter, nur heiratswillig war sie bisher nicht - ganz davon abgesehen, dass es bisher auch an Heiratskandidaten mangelte. Nüchtern betrachtet, ist dies nicht verwunderlich - geht man nach Dr. Sloper. Seiner Ansicht nach besitzt Tochter Catherine keinerlei Fähigkeiten, die sie für das andere Geschlecht reizvoll machen. Sie sieht durchschnittlich aus, besitzt wenig Esprit, mit der Intelligenz ist es auch nicht bestellt - wohlgemerkt, entspricht dies der Ansicht des liebenden Vaters. Dafür ist sie folgsam, leicht zu lenken und ständig darauf aus, ihrem Vater zu gefallen.

    "'Sie ist etwa so intelligent wie das Bündel Halstücher', sagte der Arzt; wobei er ihre Überlegenheit vor allem darin sah, dass das Bündel Halstücher manchmal verloren ging oder aus der Kutsche fiel, während Catherine immer auf ihrem Posten blieb, auf einem festen, breiten Sitz."

    Tante Penniman lebt seit einigen Jahren in dem Sloper Haushalt. Der Versuch, Catherine die Mutter zu ersetzen übersteigt ihre Kompetenz. Aber immerhin ist sie in Frauenthemen die richtige Ansprechpartnerin für ihre Nichte. Insgeheim ist Tante Penniman eine Romantikerin, nur dass die Zeiten der Romantik für sie schon längst abgelaufen sind. Sie verkörpert den Begriff der "Alten Jungfer". Von Jungfer kann zwar keine Rede mehr sein - schließlich war sie verheiratet. Aber ich will nicht kleinlich sein.

    Eine Eigenschaft, die die gute Catherine doch noch zu einer guten Partie machen könnte, ist ihr Vermögen, sowohl dasjenige, welches sie von ihrer Mutter geerbt hat als auch das, welches ihr der Vater vermachen wird. Diese Vorzüge hat auch der junge Mr. Morris Townsend entdeckt und so setzt er alles daran, dem Mädel den Hof zu machen, was es sich gern gefallen lässt. Und schon wird aus dem folgsamen Töchterlein ein Individuum mit eigenem Willen. Und ihr Willen ist stark, entspricht Morris doch ihrem Traum von einem Mann. Leider entspricht Morris nicht Dr. Slopers Traum von einem Schwiegersohn. Er hat erkannt, dass der Angebetete seiner Tochter ein "Windhund" ist. Mittel- und erfolglos erweckt er zu Recht den Verdacht, dass er es auf Catherines Vermögen abgesehen hat. Catherine muss sich zwischen der Rolle der folgsamen Tochter und der Rolle der Ehefrau entscheiden. Mehr oder weniger gute Entscheidungshilfen erhält sie dabei von Tante Penniman, die endlich mal an einem romantischen Abenteuer mitwirken kann.
    Wird es ein Happy End geben?

    "Catherine hätte eine Ehefrau von der sanften, altmodischen Art abgegeben - für die Begründungen so etwas wie Gunstbeweise oder glückliche Fügungen sind, die sie ebenso wenig alle Tage erwartete wie einen Strauß Kamelien. Doch in ihrer Verlobungszeit rechnet eine junge Dame, selbst wenn ihre Ansprüche äußerst gering sind, mit mehr Blumensträußen als zu anderen Zeiten; im Augenblick fehlte jeglicher Duft in der Atmosphäre, und das weckte doch Befürchtungen bei dem Mädchen."

    Liest man diesen Roman, muss man sich auf eines gefasst machen: Es gibt hier keine Sympathieträger. Dr. Sloper ist eher Wissenschaftler als Vater, der den Eindruck vermittelt, dass er sein einziges Kind als Studienobjekt betrachtet. Man könnte fast schon von Schadenfreude bei ihm reden, wenn sich seine Vorhersagen, was Catherines Verhalten und Reaktionen in dem Vater-Tochter-Heirats-Konflikt angehen, bewahrheiten. Doch dafür ist er ein viel zu rationaler Mensch, dem jegliche Gefühlsregung fremd zu sein scheint. Catherine nervt ein bisschen mit ihrer devoten Art sowohl gegenüber ihrem Vater als auch gegenüber dem Objekt ihrer Begierde (Morris). Erst mit Fortschreiten der Handlung kann sie Boden gutmachen, spätestens dann, wenn sie beginnt, ihren eigenen Kopf durchzusetzen. Und Tante Penniman ist eine alte Matrone, die bisher nicht viel in ihrem Leben erlebt hat und sich auf Kosten anderer vergnügt. Durch ihre intrigante Art versucht sie, an der romantischen Beziehung von Morris und Catherine teilzuhaben. Sie versucht, die beiden jungen Leute in die richtige Richtung zu lenken, damit diese an ihr Ziel gelangen. Das gemeinsame Ziel ist eine Heirat, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Bei Catherine ist es Schwärmerei, bei Morris ist es Geldgier.
    Über Morris muss man nichts weiter erwähnen, als dass er ein unaufrichtiger Filou ist, der immer auf Kosten anderer lebt.

    Wie ich eingangs bereits erwähnte ist der Sprachstil von Henry James immer ein Argument, um seine Bücher zu lesen. Scharfsinnig und zielsicher setzt er eine Pointe nach der anderen. Selbst in der Übersetzung hört man immer den Gentleman heraus. Seine Wortwahl ist sehr geschliffen und untadelig. Nichtsdestotrotz triefen seine Sätze vor lauter Sarkasmus. Das macht großen Spaß und ist daher immer wieder ein echtes Lesevergnügen.

    © Renie

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  1. Gesellschaftskritik mit Ironie und nervigen Charakteren

    „Catherine hatte unterdessen im Salon ihre Häkelarbeit wieder aufgenommen und sich damit niedergelassen – gewissermaßen fürs Leben.“ (S. 280)

    Dieser Satz – es ist der letzte in Henry James´ 1881 erstmals erschienenen Roman „Washington Square“ – kann die geneigte Leserschaft eigentlich als Quintessenz nehmen; charakterisiert er doch (meiner Meinung nach) Catherine´s wesentliche Züge: fast ihr ganzes Leben lebt sie im Schatten ihres Vaters Dr. Austin Sloper (ein erfolgreicher Arzt im New York des 19. Jahrhunderts) als Mauerblümchen und Jungfer.

    Warum sie den Schatten ihres Vaters (bis auf eine kurze Zeit) in ihrem Leben und über seinen Tod hinaus nicht verlassen hat und warum sie am Ende des Buches immer noch Jungfer ist – nun, das sollte jede*r selber herausfinden.

    Henry James hat die Handlung seines Romans in das dem Haus der Familie seiner Mutter angelehnte Heim am Washington Square gelegt, welches der Leser (bis auf ein paar, vom auktorialen Ich-Erzähler eingestreute Ortswechsel) kaum verlässt. Man kann also von einer Art „Kammerspiel“ reden, das mit immer neuen Konstellationen der handelnden Personen aufwartet.

    Dabei erweist sich Henry James immer mal wieder mit ironisch-spitzer Zunge als Kritiker des damals vorherrschenden Frauenbildes.

    Ich kann nicht behaupten, dass ich zu einer der handelnden Personen einen richtigen „Draht“ entwickelt habe; dafür hatten einfach alle einen ziemlichen Spleen, der teilweise auch immer nerviger wurde. Trotzdem muss man sagen, dass die Figuren in „Washington Square“ alle irgendwo Gefangene ihres Selbst waren – keiner konnte oder wollte aus „seiner“ Rolle ausbrechen. Über diese Aussage sollte aber jede*r selbst entscheiden.

    Alles in Allem ein ordentlicher Gesellschaftsroman mit Ironie!

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