Was der Fluss erzählt: Roman

Rezensionen zu "Was der Fluss erzählt: Roman"

  1. Poetisches Spiel zwischen Legende und Kriminalfall

    „Es war einmal ein Wirtshaus, das stand friedlich in Radcot, am Ufer der Themse, etwa vierzig Meilen stromabwärts von der Quelle. Zu der Zeit, in der unsere Geschichte spielt, gab es nicht wenige Schenken am Oberlauf des Flusses, und in jeder davon konnte man sich betrinken, doch über Bier und Apfelwein hinaus wartete eine jede mit ihrem ureigenen Angebot auf… Der Swan, ebenfalls in Radcot, lockte mit einer Besonderheit, die es so nirgends sonst gab: Dort kehrte man ein, um sich Geschichten zu erzählen.“

    Damit beginnt dieses zauberhafte Buch und tut genau das: Es erzählt eine Geschichte und zeigt gleichzeitig, wie Geschichten und Legenden entstehen.

    In Radcot fing es an, als eines Abends ein Mann ein kleines Mädchen aus dem Fluss fischte und in den Swan brachte. Es schien tot zu sein, man war sich ganz sicher, und dann schlug es die Augen auf. In Windeseile wanderte eine neue Geschichte den Fluss entlang.
    Wer ist dieses Mädchen, das nicht spricht? Das ist das große Rätsel, das gelöst werden will, wozu wir den Flusslauf verlassen und seine Nebenarme verfolgen. Die kleine Tochter der Vaughans wurde vor zwei Jahren entführt…

    Mit leichter Hand und zauberhafter Sprache gelingt Diane Setterfield hier ein Kunststück. Es liegt ein Rätsel auf dem Tisch, das kriminalistisch in finstere Ecken weist, dem aber auch etwas Wundersames anhaftet, was abergläubisches Gemunkel befeuert. Im aufgeklärten England glaubt man längst nicht mehr an Märchen, hat aber doch die Legende von Quietly, dem Fährmann, im Kopf, der die Menschen ans andere Flussufer oder „zwischen den Welten der Lebenden und der Toten, zwischen der Wirklichkeit und einer Geschichte, hin und her fuhr.“

    Hier wird der Leser elegant an der Nase herumgeführt, bis er meint, an Geister zu glauben und dann doch wieder eine vernünftige Erklärung für Unglaubliches serviert bekommt.
    Dieses Buch ist eine große Überraschung. Ich habe gute Unterhaltung erwartet und große Kunst bekommen, eine zauberhaft morbide Geschichte voller Poesie, very british, erstaunlich und mit einem Augenzwinkern erzählt.

    Teilen