Violet: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Violet: Roman' von Scott Thomas
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4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Violet: Roman"

Dreißig Jahre nach dem Tod ihrer Mutter bricht für Kris Barlow erneut die Welt zusammen: Ihr Mann stirbt bei einem Autounfall. Geschockt beschließt Kris, sich zusammen mit ihrer kleinen Tochter Sadie in das alte Ferienhaus ihrer Familie am Lost Lake, nahe Pacington, zurückzuziehen. Doch der Ort hat sich verändert, die Einwohner sind misstrauisch, denn im Laufe der letzten Jahre verschwanden mehrere Mädchen spurlos. Zunächst schenkt Kris den Warnungen der Leute keine Beachtung, aber dann ereignen sich seltsame Dinge in ihrem Haus. Als auch Sadie beginnt, sich zunehmend merkwürdiger – und unheimlicher – zu verhalten, wird Kris klar, dass sie sich den Dämonen ihrer eigenen Vergangenheit stellen muss, wenn sie das Leben ihrer Tochter retten will ...

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:576
EAN:9783453320321

Rezensionen zu "Violet: Roman"

  1. Schön und einfühlsam

    Violet hat im 1. Weltkrieg ihren Verlobten verloren, genau wie ihren Bruder. Sie lebte sie allein mit ihrer zänkischen und herrschsüchtigen Mutter und als Enddreißigerin wagt sie den Schritt und zieht aus. Sie reiht sich in das Heer der alleinstehenden, berufstätigen Frauen ein, die schlecht bezahlt und mitleidig angesehen werden. Sie genießt ihre Freiheit, auch wenn sie kaum mit Lohn überleben kann. In der Kathedrale von Winchester trifft sie zufällig auf einen Gruppe von Frauen, die Knie- und Sitzkissen besticken. Fasziniert von dieser Arbeit tritt sie dem Stickkreis bei. Auch die Begegnung mit Arthur, einem der Glöckner der Kathedrale, wird ihrem Leben eine neue Richtung geben.

    Nach den ersten Seiten war ich zunächst etwas enttäuscht. Ein Roman über ein „spätes Mädchen“, dass ihr Leben zwischen Büro, reichlich Tee und Handarbeiten verbringt – auf den ersten Blick nicht sehr ereignisreich. Aber schon bald hatte mich die Geschichte gefangen. In sehr ruhigem Ton wird die Geschichte einer Frau in den Zwischenkriegsjahren erzählt. Enttäuschte Hoffnungen, zerplatzte Lebensträume und die Schwierigkeit ein selbst bestimmtes Leben zu führen, das alles spornt Violet an, sich nicht unterkriegen zu lassen.

    Man kann sagen, es ist eine Emanzipationsgeschichte, gelebt zu einer Zeit, als Emanzipation eher ein Schimpfwort war. Der Krieg hat so viele Opfer gefordert, dass kaltherzig vom „Frauenüberschuss“ gesprochen wurde und diese Frauen mussten sich einen Platz in der Gesellschaft erobern. Das alles in einer Gesellschaft, in der weibliche Berufstätigkeit allenfalls als Übergang zwischen Schule und Eheakzeptiert wurde.

    Das zweite Thema ist die Stickerei und es wirklich schön zu lesen, wie diese Handarbeiten entstanden sind und welchen Stellenwert sie im kirchlichen Leben hatte. Violet findet im Sticken nicht nur ein Hobby, sie findet darin auch Ruhe und Bestätigung durch die anderen Stickerinnen. Freundschaften entstehen, die Violet stützen und tragen.

    Ein sehr schönes, leises Buch für das man sich Zeit nehmen sollte um die Sprache zu genießen und sich in das Leben dieser Frau zu denken.

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  1. Öffnet Augen

    Nach dem letzten Buch von Tracy Chevalier habe ich mir einen Goldpepping in den Garten gepflanzt. Jetzt möchte ich sticken lernen. Die Autorin ist vielseitig und kann Begeisterung für Themen wecken, auf die man nie gekommen wäre.
    Mit diesem Buch zeigt sie, dass wir in Sachen Emanzipation doch schon dazugelernt haben.

    1932 war der letzte Krieg zwar vorbei, trotzdem hatte die Bevölkerung noch mit den Folgen zu kämpfen. Violet hat zum Beispiel ihren Verlobten verloren und ist „sitzengeblieben“, 38 Jahre alt, keinen Mann abbekommen und muss in der Zeitung lesen, wie man über den Frauenüberhang witzelt.
    Irgendwann hält sie es nicht mehr aus daheim mit ihrer Mutter, der man nichts rechtmachen kann, und zieht nach Winchester, besorgt sich einen Job, ein Zimmer und tritt der Stickgruppe bei, die die kunstvollen Sitzkissen für die Kathedrale gestaltet.

    Eigentlich geht es um nicht viel. Eine Frau möchte ein selbstbestimmtes Leben, was nicht verboten ist, aber überall misstrauisch beobachtet wird. Die Vermieterin kontrolliert Telefonate, Besuch und den Kohlenkonsum, alleine essen gehen ist ein Spießrutenlauf, abends ausgehen höchst anrüchig und Bruder und Mutter erwarten ganz selbstverständlich, dass Violet immer zur Verfügung steht, hat sie doch keine eigene Familie zu versorgen. Nur beim Sticken kann Violet abschalten, eine kontemplative Tätigkeit, die ihr Freude bereitet, gesellschaftlich anerkannt ist und bei der Schönes entsteht.

    Nichts davon ist neu, es ist auch keine große Geschichte, die einen in Atem hält, allerdings habe ich dieses Thema noch nie so komprimiert vor Augen geführt bekommen. Violets Leben ist trist und leidvoll, auch wenn sie nichts Offensichtliches zu erleiden hat. Es geht um gesellschaftliche Normen, bei denen alleinstehende Frauen nicht vorgesehen sind, Engstirnigkeit, ein Frauenbild, das Frauen irgendwo zwischen Kindern und Haustieren ansiedelt. Das ist tragisch und schockierend, wenn auch kein Pageturner. Im Mittelteil zieht es sich ein klein wenig.

    Ein bisschen aufgelockert wird das Geschehen durch eine sehr zaghafte Liebelei, bei der man Interessantes über Glocken und den Beruf eines Glöckners lernt.
    Dieses Buch ist beeindruckend, fesselnd und lenkt dem Blick auf ein Thema, was öfter am Rande wahrgenommen, aber selten direkt beleuchtet wird. Es öffnet Augen.

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