Vilma zählt die Liebe rückwärts

Buchseite und Rezensionen zu 'Vilma zählt die Liebe rückwärts' von Gudrun Skretting
4.25
4.3 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Vilma zählt die Liebe rückwärts"

Wussten Sie, dass Bananen minimal radioaktiv sind? Der Verzehr ist riskant. Das nennt man Micromort. Noch riskanter ist wahrscheinlich nur, sich zu verlieben. Vilma Veierød, 35, hat sich auf ihre eigene, um nicht zu sagen skurrile Weise im Leben eingerichtet. Sie lebt allein in einem großen Haus in Oslo, gibt Klavierstunden und bemüht sich, radioaktive Bananen und andere lebenszeitverkürzende Genüsse weiträumig zu umgehen. Eines Morgens soll sich ihr Leben grundlegend ändern. Der Pfarrer überbringt Vilma ein Bündel Briefe von ihrem verstorbenen Vater, den sie nie gekannt hat. Und während Vilma gebannt in die Vergangenheit ihrer Eltern eintaucht, nähert sie sich selbst jenem Mysterium, das sie bislang gemieden hat: der Liebe.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:400
EAN:9783423290241

Rezensionen zu "Vilma zählt die Liebe rückwärts"

  1. wunderschön, traurig, schräg, witzig und nachdenklich

    Vilma Veierød wirkt wie aus der Zeit gefallen. Obwohl sie erst 35 Jahre alt ist, wirkt sie eigenartig mit ihrem Tick, möglichst lebenszeitverkürzende Dinge zu meiden. Ihren Vater Vilhelm Mozart Sandvik hat sie nie kennenlernt und ist um so überraschter, plötzlich mit seinem Tod und ihrer eigenen Geschichte konfrontiert zu werden.

    Gudrun Skretting hat mit diesem Liebesroman ihr erstes Werk für Erwachsene geschrieben. Vielleicht wirkt die Handlung deshalb so leicht, komisch und märchenhaft, weil der Autorin das Kindsein so nah liegt. Kinderbuch-Autoren müssen wesentlich anspruchsvollere Lesende zufriedenstellen.

    Die Heldin der Geschichte Vilma ist mir sofort ans Herz gewachsen. Die stille Musiklehrerin hat einen besonders ungewöhnlichen Charme. Ihre schüchterne, unbeholfene, teils skurrile Art, Dinge in Angriff zu nehmen, lassen beim Hören oft ein Schmunzeln entstehen. Sicherlich tragen auch die beiden Sprecher Felicity Grist und Wolfgang Gerber ihren Teil dazu bei. Ihre wundervollen Stimmen und ihr gemeinsames Agieren sind das Sahnehäubchen des Hörbuchs.

    Der Einblick in Vilmas Alltag ist anfänglich eher traurig als unterhaltsam. Vilma lebt allein im Haus ihrer verstorbenen Großtante Ruth in Oslo. Ihre Mutter verstarb schon früh und Vilma wuchs, ohne ihren Vater zu kennen, bei der Großtante auf. Schon fast panisch wertet sie all ihre Aktivitäten in Micromorts um. Diese Maßeinheit war mir bisher gar nicht bekannt. Wikipedia weiß Rat:

    "Ein Mikromort ist eine Maßeinheit für das Risiko und bezeichnet eine Wahrscheinlichkeit von 0,000001 (eins zu einer Million) zu sterben. Die Risikobehaftetheit von Tätigkeiten oder Umständen kann in Mikromort angegeben werden."
    Obwohl sie die Musik so liebt, macht ihre Tätigkeit als Musiklehrerin sie nicht wirklich glücklich. Als eines Tages ein Bündel Briefe von ihrem verstorbenen Vater zu ihr findet und der Klavierschüler Andre ausnahmsweise an ihrem Klavier übt, ändert sich für Vilma schlagartig das Leben.

    Plötzlich ist das Leben nicht mehr grau, sondern bunt und lebendig. Jeder Tag hält eine neue Überraschung für Vilma bereit. Die Briefe ihres verstorbenen Vaters liest sie wie einen Adventskalender. Jeden Tag ein neuer Brief - der wundervoll vom Sprecher intoniert wird - und eine weitere Erkenntnis. Nach und nach erfährt Vilma mehr über ihre Vergangenheit, wie sich ihre Eltern kennengelernt haben und warum es kein Familienleben geben konnte.

    Und langsam ganz langsam schleicht sich die Liebe ins Vilmas Leben. Es dauert eine Weile, bis sie ihre Gefühle richtig deuten kann, dann gibt es aber kein Halten mehr für die junge Frau. Sie genießt das Leben und entdeckt die Kraft der Musik und die Intensität der Liebe.

    Herrlich schräge, aber sympathische Charaktere untermalen die Geschichte. Robert der Pathologe, leidet unter Koprolalie und in den erdenklich unpassendsten Situationen rutscht ihm ein heftiges Schimpfwort heraus. Dank Vilma, die diese mit ideenreichen Wortfindungen lautstark übertönt, wird der ehemals ruhige Alltag Vilmas ordentlich durcheinandergewirbelt.

    Pfarrer Ivar Kerkebü berührt Vilma tief im Herzen. Doch was findet sie an diesem Mann mit den warmen Händen. Lange rätselt man zusammen mit der Protagonistin, was denn ihr Herz nun wirklich will.

    Mir hat dieses gefühlvolle Hörbuch mit wunderschönen, traurigen, schrägen, witzigen und nachdenklichen Momenten sehr gefallen.

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  1. Einsamkeit ist ebenso riskant wie Rauchen

    Vilma ist Mitte Dreißig, lebt alleine in dem alten Haus ihrer verstorbenen Tante und ist Klavierlehrerin. Ihre Lebensgestaltung dreht sich hauptsächlich darum Mikromorts, also das Risikos zu Sterben, zu minimieren. Und darin ist sie eine wirkliche Expertin. So weiß sie z.B. dass Bananen leicht radioaktiv sind und deren Verzehr somit automatisch die Lebenszeit verkürzt.
    Ihr Leben verläuft daher überschaubar, bis sie die Nachricht erhält, dass ihr Vater auf dem Weg zu ihr verunglückt ist. Nur hat sie überhaupt keine Ahnung wer ihr Vater überhaupt war, geschweige denn weshalb er sie gerade jetzt aufsuchen wollte. Doch vielleicht geben die, von ihm geschriebenen Briefe darüber etwas Aufschluss.

    Die Autorin hat mit Vilma eine verschrobene Protagonistin erschaffen. Auf Grund ihrer selbst eingeschränkten Lebenswelt wirkt sie in ihren Äußerungen und in ihren Gedankengängen eigentümlich, beinahe einfältig. Die junge Frau wirkt zudem einsam und scheint Emotionen wie Spaß, Geselligkeit oder Liebe nicht einmal richtig wahrnehmen zu können. Ab und zu sorgt Vilma daher mit ihrer weltfremden und teilweise ungeschickten Art für so manchen Lacher.
    Im Laufe der Geschichte verändern sich die Lebensumstände der jungen Frau. Und so wie sich ihr Leben verändert, verändert sich auch ihre Persönlichkeit. Sie geht aus sich heraus, nimmt mehr und mehr wahr wie schön es eigentlich ist in Gesellschaft zu sein und lernt sich besser in ihre Mitmenschen hinein zu versetzen.
    Die Idee sowie die Botschaft, die hinter Gudrun Skrettings Roman stehen, hat mich anfänglich begeistert. Geht es schließlich um Toleranz, Freundschaft und um den Mut die eigene Komfortzone zu verlassen um etwas Neues zu erleben. Leider hat mich deren Umsetzung nicht begeistert. Zu schleppend war der Beginn der Geschichte und das immer wieder abflauende Erzähltempo im weiteren Verlauf. Ich denke das war einer der Hauptgründe weshalb ich nicht in die Geschichte gefunden habe.

    Fazit:
    Grundsätzlich ein interessanter Plot, der mich trotz seiner eigenwilligen Charaktere nicht begeistern konnte.

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  1. 5
    20. Feb 2023 

    So schräg wie der Titel ist auch die Protagonistin...

    Vilma Veierød, 35, hat sich auf ihre eigene, um nicht zu sagen skurrile Weise im Leben eingerichtet. Sie lebt allein in einem großen Haus in Oslo, gibt Klavierstunden und bemüht sich, radioaktive Bananen und andere lebenszeitverkürzende Genüsse weiträumig zu umgehen. Eines Morgens soll sich ihr Leben grundlegend ändern. Der Pfarrer überbringt Vilma ein Bündel Briefe von ihrem verstorbenen Vater, den sie nie gekannt hat. Und während Vilma gebannt in die Vergangenheit ihrer Eltern eintaucht, nähert sie sich selbst jenem Mysterium, das sie bislang gemieden hat: der Liebe. (Klappentext)

    Eine schräge Protagonistin präsentiert Gudrun Skretting hier, liebenswert aber skurril, menschenscheu aber entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen. In Oslo lebt sie als Musiklehrerin und mag ihre Kolleg:innen nicht sonderlich, was wohl auf Gegenseitigkeit beruht. Small Talk liegt der spröden Vilma nicht wirklich, sie scheint aber mit ihrem Leben auch nicht unzufrieden zu sein. Immerhin unterrichtet sie einen Klavierschüler, dessen Talent sie erkennt und fördern will. Als eines Tages ein Pfarrer an ihrer Tür klingelt und ihr unter Ausdruck seines Beileids die Briefe ihres bis dato unbekannten Vaters in die Hand drückt, ist Vilma anfangs lediglich verwundert.

    Dann aber beginnt sie jeden Tag einen der Briefe zu lesen und muss sich schließlich auch ihrer eigenen Vergangenheit stellen, die sie bislang zu verdrängen gesucht hat. Vilma erkennt, was ihre Eltern auseinander getrieben hat, was aber bis zum letzten Atemzug blieb: ihre Liebe. Während sie tief in die Vergangenheit eintaucht, verändert sich allmählich auch Vilma - als würde sie langsam auftauen und aus ihrer langjährigen Erstarrung erwachen. Die rationale, funktionale Person, die alles logisch durchdenkt und einordnet, macht zunehmend Platz auch für Gefühle - oder wird von diesen einfach überwältigt.

    Verwirrung stiftet die Person des Pfarrers, den Vilma durchaus anziehend findet. Davon überzeugt, dass sich da etwas zwischen ihnen entwickeln kann, stürzt sie sich in so manch skurrile Szene. Gleichzeitig genießt sie die wachsende Freundschaft zum Rechtsmediziner Robert, der ihren bis dahin unbekannten Vater unter seinem Messer hatte. Dumm nur, dass Robert unter dem Tourette-Syndrom leidet und zu den unpassendsten Momenten Schimpfwörter von sich gibt ("fluchender Hobbit"). Obschon Vilma eigentlich Sozialkontakte meidet, wird ihr Leben immer turbulenter...

    Einen wundervoll warmherzigen, berührenden, amüsanten und unterhaltsamen Roman habe ich da gehört, die ungekürzte Hörbuchfassung (11 Stunden und 53 Minuten) herausragend gelesen von Felicity Grist und Wolfgang Gerber (Briefe). Die Kombination der beiden Sprecher ist wirklich gelungen, und die wechselnden Perspektiven verleihen der Erzählung Tiefe. Hier wachsen einem gleich mehrere Charaktere ans Herz, kann sie aber am Ende guten Gewissens ziehen lassen. Bis dahin folgt man ihnen sehr gerne und ist gespannt auf die Entwicklung, die sich da vollzieht.

    Kein billig-kitschiger Liebesroman, sondern eine wirklich schöne Geschichte...

    © Parden

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  1. 4
    17. Nov 2022 

    Mircomort

    Kleine Tode warten überall, das Leben ist gefährlich. Das weiß die 35jährige Vilma Veierød genau, sogar Bananen weisen eine geringe Radioaktivität auf. Vilma versucht den größten Gefahren zu entgehen. Sie lebt allein in einem Haus in Oslo, dass sie von ihrer Großtante Ruth geerbt hat. Sie gibt Klavierstunden auch gerne Online. Verwandte hat sie nicht mehr. Deshalb ist sie ausgesprochen überrascht, als ihr der Pfarrer mitteilt, ihr Vater sei während eines Fluges verstorben und habe ihr ein Bündel Briefe hinterlassen. Vilma hat überhaupt keinen Vater, jedenfalls kennt sie ihn nicht. Und doch beginnt sie, die Briefe zu lesen.

    Ihr Leben verlief in so ruhigen Bahnen, alles getaktet und geregelt. Auf Überraschungen steht Vilma nicht. Am liebsten würde sie ihren neuesten Klavierschüler nicht hereinlassen. Doch bei ihm daheim gibt es kein Klavier und er schafft es Vilma einige Überraschungen zu bereiten. Noch mehr beschäftigen sie jedoch die Briefe und der Umgang mit ihrem toten Vater. Wer kann schon behaupten, er habe seinen Vater erst nach dessen Tod kennengelernt. Doch durch die Briefe hat Vilma die unerwartete Gelegenheit, etwas über die Geschichte zu erfahren, wie sich ihre Eltern kennen- und lieben gelernt haben.

    Welch eine schöne Geschichte, die alles hat, was man von einem berührenden Roman erwartet. Vilma hat einen ein wenig eckigen Charakter, der sie sehr sympathisch macht, besonders je mehr man über die Erzählung ihres Lebens erfährt. Sie saugt die Briefe ihres Vaters förmlich auf, erst eher widerwillig, aber bald schon fällt es ihr schwer dem Wunsch des Vaters zu entsprechen, nur einen Brief pro Tag zu lesen. Sowohl Vilmas Geschichte als auch die ihres Vaters berührt das Herz. Da ist es unerheblich, dass manche Wendung vielleicht vorhersehbar ist. Hier ist wirklich der Weg das Ziel und diesen Weg beschreitet man ausgesprochen gerne. Dabei ist es ein Genuss, dass beim Hörbuch die Briefe von Wolfgang Gerber vorgelesen werden, während der Vortag der weiteren Handlung in die Stimme von Felicity Grist gelegt wurde. Zwar kann man sich das zum Glück ungekürzte Hörbuch nicht am Stück zu Gemüte führen, doch man freut sich immer wieder, wenn es weitergeht.

    4,5 Sterne

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