Unter Wasser Nacht: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Unter Wasser Nacht: Roman' von Kristina Hauff
4.25
4.3 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Unter Wasser Nacht: Roman"

Wie lebt man weiter nach einem großen, unerklärlichen Verlust? Mit psychologischem Gespür erzählt Kristina Hauff eine Geschichte voller Hoffnung und Trauer und vom Wert der Freundschaft In den idyllischen Elbauen im Wendland teilen zwei Paare Hof, Scheune und Kräutergarten - doch ihre einst enge Freundschaft ist zerbrochen. Thies und Sophie trauern um ihren Sohn Aaron, der unter ungeklärten Umständen ertrank. Allein mit ihren Schuldgefühlen müssen sie Tag für Tag Ingas und Bodos scheinbar perfektes Familienglück mit ansehen. Bis ein Jahr nach Aarons Tod eine Fremde in den Ort kommt und ans Licht bringt, was die vier Freunde lieber verschwiegen hätten.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:288
Verlag: hanserblau
EAN:9783446269453

Rezensionen zu "Unter Wasser Nacht: Roman"

  1. Wie ein grauer Schleier

    Klappentext:
    „In den idyllischen Elbauen im Wendland teilen zwei Paare Hof, Scheune und Kräutergarten - doch ihre einst enge Freundschaft ist zerbrochen. Thies und Sophie trauern um ihren Sohn Aaron, der unter ungeklärten Umständen ertrank. Allein mit ihren Schuldgefühlen müssen sie Tag für Tag Ingas und Bodos scheinbar perfektes Familienglück mit ansehen. Bis ein Jahr nach Aarons Tod eine Fremde in den Ort kommt und ans Licht bringt, was die vier Freunde lieber verschwiegen hätten.“

    Bei diesem Buch von Kristina Hauff stimmt einfach alles: der Titel, das Cover mit dem Graureiher, der Inhalt. Hier ist einfach ein komplett gelungenes Werk vor dem Leser.
    Hauff beschreibt intensiv und feinfühlig die Geschichte zweier Paare, die einem in gewisser Weise auf Distanz bleiben und das ist gar nicht mal so schlecht. Wir erleben ein Hofleben, das nicht an Bullerbü erinnert, sondern ein dunkler Schatten über allem liegt was dort stattfindet obwohl es nach außen ganz anders scheint. Der Schmerz, den Thies und Sophie durch den Verlust von Aaron erleiden geht einem beim lesen durch Mark und Bein. Alles scheint verständlich und doch wieder nicht. Es fehlt einfach an Konversationen zwischen den Paaren, aber niemand kann sie zwingen, auch wenn wir Leser dies gern täten. Aber wir werden eines besseren belehrt auch was Emotionen betrifft. Hier ist zu Beginn nichts wie es scheint!
    Kristina Hauff beschreibt natürlich auch das zweite Paar Inga und Bodo....Sie wechselt dabei immer wieder nach den Kapiteln die Sichtweise und als Leser erleben wir dadurch alle Seiten. Wir Leser sollen verstehen, was dort los ist, welche Stimmung herrscht und hinter die Seelen blicken. Durch Hauff‘s Schreibstil und Wortwahl ist dies alles gar kein Problem, aber man muss sich die Protagonisten erlesen. Hier wird nichts einfach „hingeworfen“, sondern feinsinnig und tiefgründig beschrieben mit sehr vielen Hintergedanken. Ich mag solche anspruchsvolle Literatur sehr gern, denn es entsteht ein gewisser Sog, eine Lust immer weiter lesen zu wollen und zu erfahren was denn das eigentliche Problem ist. Wie einige andere Leser bereits angemerkt haben, hat dieser Roman eine gewisse Düsternis, die ich nur unterschreiben kann. Ja, wie bereits am Anfang gesagt, hier stimmt einfach schon die äußere Gestaltung des Buches mit dem Inhalt vortrefflich überein. Der Tenor der Geschichte: eine Freundschaft kann und muss viel aushalten, sonst ist es keine wahre Freundschaft. Aber wieviel Leid erträgt sie? Lesen Sie selbst!
    Dieses Buch ist wie ein grauer, vernebelter Tag, an dem die Natur wie tot erscheint, die Vögel krächzen und nicht singen, weil sie Angst haben vor dem Schönen in der Welt, aber das Schöne setzt sich immer durch!
    Dieser Roman hat mich tief und nachhallend beeindruckt und verdient 5 von 5 Sterne sowie eine glatte Leseempfehlung!

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  1. Trauer, Schuld und Neid

    Der Roman "Unter Wasser Nacht" mit einem so herausragenden Cover, dem Handlungsort Wendland und einem so interessant klingenden Titel stand in diesem Frühjahr weit oben auf meiner Leseliste, ist mir doch ein wunderschöner Fahrradurlaub im Mai 2020 mit Quartier nahe Gorleben und der traumhaften Elbe noch frisch im Gedächtnis. Für zumindest zwei der Protagonisten ist jedoch die Elbe Hassobjekt:

    "Er [Thies] wollte Edith nicht begegnen. Wenn es jemanden gab, der den Fluss noch mehr hasste als er, dann war sie es, die Fährfrau wider Willen. Er wollte ihre stummen Blicke nicht ertragen. Nicht wissen, was sich dahinter verbarg. Unausgesprochenes. Es ging ihm schlecht genug." (S. 7)

    Abschied von Bullerbü
    Thies und seine Frau Sophie haben vor gut einem Jahr ihren Sohn Aaron verloren. Zwei Tage nach seinem Verschwinden wurde er tot in der Elbe gefunden, die Umstände liegen im Dunkeln. Thies und Sophie entfernen sich seither in ihrer Trauer und ihren Schuldgefühlen immer mehr voneinander, leben in getrennten Welten. Auch die Freundschaft zu ihren Nachbarn Inga und Bodo mit den Kindern Lasse und Jella, alte Mitstreiter aus ihrer Vergangenheit als politische Aktivisten gegen die Castor-Transporte, ist daran zerbrochen.

    Aus der Bullerbü-Idylle der beiden Familien wurde blanker Neid Sophies auf das scheinbar perfekte Leben der anderen. Dabei war auch vorher nicht alles gut, denn das Wunschkind Aaron terrorisierte, seit er laufen konnte, alle mit seinem Hass, seinen Aggressionen und seiner Wut.

    Gerade als die Ermittlungen der Polizei eingestellt werden, taucht die mysteriöse Mara aus Christiania auf, eine Frau Ende vierzig, selbstbewusst, attraktiv, unkonventionell, lebendig. Thies fühlt sich vom ersten Moment magisch zu ihr hingezogen, aber auch auf Sophie, Inga und Jella macht sie großen Eindruck. Nur Ingas Mutter Edith, die Fährfrau, reagiert schroff. Noch ahnt keiner, wie sie aller Leben auf den Kopf stellen wird.

    Ein Roman mit Schwächen
    Kristina Hauff, die unter ihrem wirklichen Namen Susanne Kliem bereits mehrere Krimis veröffentlichte, überschreibt die kurzen Kapitel mit der Person, aus deren Sicht erzählt wird, bei Rückblenden ergänzt durch eine Zeitangabe. Zweiundzwanzig Kapitel heißen „Sophie“, zwölf „Thies“, acht „Inga“, drei „Jella“ beziehungsweise „Edith“ und eines „Mara“.

    Leider nahm meine anfängliche Freude während des Lesens zunehmend ab, zumal die Auflösung irgendwann absehbar wurde. Hauptgründe dafür waren die auf mich unecht wirkenden Dialog und die Charaktere, die mir zu eindimensional (Aaron), zu konstruiert (Mara) oder zu unverständlich in ihrem Verhalten (Thies und Jella) waren. Außerdem störten mich Ungenauigkeiten und Fehler, die ich so bei einem Buch aus dem Hanser Verlag nicht kenne: Da wird beispielsweise eine Hündin am „Armband“ gezogen (S. 156), „Hausbesetzerfreunde“ werden zu „Hausbesitzerfreunden“ (S. 228), die Kapitelüberschriften heißen mal „Dreizehn Monate zuvor“ (S. 127), mal „Vor 13 Monaten“ (S. 202) und Mara liegt, nur mit einem Slip bekleidet, auf einem Bett (S. 281), um sich kurz darauf T-Shirt und Hose auszuziehen (S. 284). Schade, denn die Grundidee des Buches ist gut, die Autorin hat zur Vergangenheit der Protestbewegungen recherchiert, hat Zeit im Wendland verbracht und viele Naturbeschreibungen, vor allem des Wassers, sind gelungen. Wer sich an den genannten Kritikpunkten also nicht stört, kann sich bei der Lektüre sicher gut unterhalten.

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  1. 5
    22. Feb 2021 

    Vielschichtig und psychologisch stimmig

    Die Geschichte hier führt uns ins Wendland, in die malerische Landschaft der Elbauen. Das Wendland steht aber auch für den Widerstand gegen die Atomkraft. Damals, im Kampf gegen das geplante Endlager in Gorleben, waren sie vereint, die Freunde Thies, Botho und Inga. Als Thies später Sophie heiratete und mit ihr zusammen einen Hof kaufte, da bauten Botho und Inga sich nebenan ein Haus . Es war ein „ Leben wie in Bullerbü“, um das sie ihre auswärtigen Freunde beneidete. Doch bald bekam die Idylle erste Risse. Während Sophie und Thies jahrelang vergeblich auf ein Kind hofften, bekamen die Freunde schnell nacheinander einen Sohn und eine Tochter. Als sich dann endlich das ersehnte Wunschkind ankündigte, schien das Glück vollkommen. Aber Aaron erwies sich schon früh als unnahbar, zornig und aggressiv. Mit Schuleintritt entwickelte er sich immer mehr zum Einzelgänger, begann andere Kinder zu schikanieren und lehnte jegliche Nähe ab. Seine Eltern verzweifelten beinahe an ihm. Was hatten sie nur falsch gemacht bei der Erziehung?
    Dann passierte das Schreckliche. Aaron, mittlerweile elf Jahre alt, ertrinkt unter ungeklärten Umständen in der Elbe.
    Das Geschehen liegt dreizehn Monate zurück, als die Handlung des Romans einsetzt. Die Ehe von Thies und Sophie ist an diesem Schicksalsschlag beinahe zerbrochen. Beide gehen unterschiedlich mit ihrer Trauer um. Thies wurde depressiv und ist seitdem arbeitsunfähig. Er sitzt täglich an der Elbe, sieht die Leiche seines Sohnes vorübertreiben und fragt sich, was an jenem Abend tatsächlich geschehen ist. War es wirklich ein Unfall oder waren andere dabei beteiligt?
    Sophie erstickt ihren Kummer und ihre Schuldgefühle in Arbeit.
    Auch durch die alte Freundschaft zwischen den Paaren geht ein tiefer Riss. Voller Neid beobachtet Sophie die Bilderbuchfamilie von gegenüber mit ihren perfekten Kindern. Botho und Inga dagegen wissen kaum, wie sie mit dem Unglück ihrer Nachbarn umgehen sollen. Vorsichtige Hilfsangebote stoßen auf wenig Resonanz.
    Da taucht eines Tages Mara auf, eine fremde Frau Ende Vierzig. Sie ist schwer zu durchschauen; die Gründe für ihr Kommen bleiben lange unklar. Aber sie wirkt wie ein Katalysator auf die eingefrorene Situation. Sie wird schnell aufgenommen von der Hofgemeinschaft, stellt dann aber unliebsame Fragen, provoziert und bringt so das Beziehungsgefüge durcheinander.
    Kristina Hauff erzählt ihre Geschichte aus wechselnden Perspektiven. Die kurzen Kapitel lassen verschiedenen Figuren zu Wort kommen. So gewinnt der Leser einen genauen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonisten und kommt ihnen so sehr nahe. Manches erscheint dadurch auch in einem neuen Licht. Nach und nach entwickelt sich das Geschehen, mit z.T. überraschenden Wendungen.
    Einmal angefangen mochte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Subtil baut die Autorin Spannung auf, nicht nur um das Geheimnis um Aarons Tod.
    Der Roman stellt viele weitere Fragen, so z.B.
    Was macht eine glückliche Familie aus?
    Wie lebt es sich weiter mit einem solchen Schicksalsschlag?
    Gibt es die Chance auf einen Neuanfang für die Eltern?
    Woran zerbrechen Freundschaften und auf welcher Basis lässt sich neu daran anknüpfen?
    Kristina Hauff schreibt in einer klaren und präzisen Sprache. Mit viel Empathie entwirft sie Figuren, die glaubhaft und psychologisch fundiert sind. Und mit stimmungsvollen Bildern schafft sie Atmosphäre. Dabei spielt die Landschaft und die Natur eine wesentliche Rolle. Der Fluss, Sinnbild für steten Wandel und Veränderung, wirkt einerseits idyllisch, birgt aber ebenso Gefahren.
    „ Unter Wasser Nacht“ ist ein packender und vielschichtiger Roman, dem ich viele Leser wünsche.

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  1. Freundschaft für immer?

    Mich hat der Klappentext des Buches so enorm angesprochen, dass ich einfach mehr wissen wollte. Und dann kam es komplett anders als ich erwartet hatte.

    In der Geschichte geht es um die vier Freunde Sophie, Thies, Inga und Bodo, die über Jahre alles geteilt und immens viel zusammen unternommen haben. Doch dann stirbt Aaron, der Sohn von Thies und Sophie. Plötzlich ist nichts mehr wie davor. Kann es das Paar aus dem dunklen Loch wieder heraus schaffen? Und was wird aus der Freundschaft, die seit dem Ereignis zerstört scheint?

    Ein beobachtender Erzähler führt uns durch die Handlung und der Leser begleitet diverse Charaktere mitsamt ihren Empfindungen nach dem Erlebten. Jedes Kapitel ist mit dem Protagonistennamen überschrieben, der gerade dran ist. Das hilft beim Orientieren.

    Genau das ist auch die Stärke des Romans. Ein schlimmes Ereignis wird aus der Sicht unterschiedlicher Personen beleuchtet und so wird deutlich, dass nicht alles so ist wie es scheint. So real ist sonst nur das echte Leben.

    Das Setting im Wendland passte in meinen Augen gut, da die Gegend Idylle pur ist, aber hinter der Fassade eben auch Gefahren lauern.

    Mir gefiel, dass die handelnden Akteure Menschen wie du und ich sind, mit denen man sich leicht identifizieren kann. Mittels Thies wird so greifbar wie eine Depression sich äußern kann. Sein Verhalten war so intensiv beschrieben, dass ich Gänsehaut bekam. Obwohl ich eine Frau bin, konnte ich mich in ihn am besten einfühlen.

    Zudem mochte ich die Thematisierung von Neid und Missgunst innerhalb einer Freundschaft. Nie möchte das jemand zugeben und dennoch wird dies täglich gelebt. Auch wird deutlich, was die Gesellschaft von einem erwartet, nämlich die perfekte Familie, aber dass es die eben nicht wirklich gibt. Wer ist schon perfekt?

    Während sich der Leser dem Lüften des Geheimnisses immer mehr näherte, hatte man fast das Gefühl einen Krimi zu lesen, so spannend wurde es. Ich hatte etwas komplett anderes erwartet, so dass mich der Schluss echt überrumpelt hat.

    Fazit: Eine tragische Geschichte, die mich spannend unterhalten hat. Gern spreche ich eine Empfehlung aus.

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