Unsichtbare Tinte: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Unsichtbare Tinte: Roman' von Patrick Modiano
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3 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Unsichtbare Tinte: Roman"

Wer ist Noëlle Lefebvre? Warum verlor sich Mitte der 60er Jahre ihre Spur? Jean Eyben ist knapp zwanzig, als er in einer Pariser Detektei anheuert und auf die verschwundene Noëlle Lefebvre angesetzt wird. Alle Hinweise führen ins Leere, doch das Rätsel lässt Jean auch Jahre später nicht los. Da sind die Namen von Noëlles Kontakten, das schmale, damals heimlich entwendete Dossier und ihr sporadisch geführter Kalender mit dem geheimnisvollen Satz „Wenn ich gewusst hätte…“. Als Jean einen Jugendfreund trifft, erscheint ihm ein Detail plötzlich von Bedeutung: Noëlle Lefebvre stammt aus „einem Dorf in der Umgebung von Annecy“. So wie er selbst. Ein verblüffender, tief berührender Roman über die Hoheit der Erinnerung und die Deutung der eigenen Geschichte.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:144
Verlag:
EAN:9783446269187

Rezensionen zu "Unsichtbare Tinte: Roman"

  1. Über Leerstellen im Leben und Erinnerungsprozesse

    Als junger Mann arbeitet der Ich-Erzähler Jean Eyben für kurze Zeit in einer Privatdetektei in Paris. Sein erster Auftrag lautet, Erkundungen über die plötzlich spurlos verschwundene junge Frau Noëlle Lefebvre anzustellen. Die Informationen im Fall-Dossier sind äußerst spärlich. Die Nachforschungen, die Eyben durch das 15. Arrondissement von Paris in den 1960er Jahren führen, sind kaum ergiebig. Eybens Tätigkeit in der Privatdetektei ist nur von kurzer Dauer und an seinem letzten Arbeitstag, steckt er, ohne zu wissen warum, das Dossier über den Fall Noëlle Lefebvre in seine Tasche. 30 Jahre später fällt ihm genau dieses Ermittlungsdossier wieder in die Hände. Er versucht sich zu erinnern und macht sich erneut auf die Suche nach der Verschollenen, immer auch mit dem vagen Gefühl, die Vermisste irgendwie zu kennen. Der Erzähler blickt aus der Gegenwart in die Vergangenheit zurück. „Es gibt Leerstellen in einem Leben und Aussetzer des Gedächtnisses (S. 68)“. „(…) wenn du manchmal Gedächtnislücken hast, so stehen alle Einzelheiten deines Lebens irgendwo geschrieben, mit magischer Tinte“ (S. 95). Die Erinnerungen müssen nur wieder sichtbar gemacht werden und manchmal verliert sich der Erzähler in jenen Zonen, wo Erinnerung und Vergessen durcheinander geraten.
    Ein viel zu dunkles Foto, ein Dossier mit himmelblauer Tinte geschrieben, ein fast leeres Notizbuch, Namen von Personen und Straßen, Geschäfte, Lokale, das Ledergeschäft Lancel, ein Brief - alles hängt irgendwie zusammen. Manchmal braucht es ein Gesicht im Profil, einen Gegenstand, einen Namen und etwas beginnt zu tauen - Erinnerungen werden langsam freigelegt und ein magischer Prozess wie bei der Bildentwicklung in der Dunkelkammer setzt ein.
    Die Protagonisten in Modianos Roman sind schemenhaft, nicht wirklich greifbar - eben verschwommen in der Erinnerung. Eine Identifikation mit ihnen kaum möglich. Die Unschärfen der Personen und Handlungen stehen allerdings im Kontrast zu den sehr präzisen Ortsangaben in Paris.
    Es geschieht wenig in diesem Roman. Vieles findet zwischen den Zeilen statt. Die Atmosphäre ist ruhig, abgeklärt und ein bisschen melancholisch. Auch wenn die Nachforschungen zunächst wenig ergeben, schafft es Modiano doch unterschwellig immer einen gewissen Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Das empfinde ich bei der Handlungsarmut als große Kunst. „Unsichtbare Tinte“ ist ein sehr poetisches und leises Buch, das mit seinen Unschärfen eher wie ein Traum daher kommt. Die Stimmung für dieses Buch muss passen, dann lesen sich die 141 Seiten in einem Rutsch weg und einige sehr poetische Formulierungen hallen bei mir noch nach. Mein erstes Buch von Modiano wird bestimmt nicht mein letztes sein.

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    27. Sep 2021 

    Trügerische Erinnerungen...

    Wer ist Noëlle Lefebvre? Warum verlor sich Mitte der 60er Jahre ihre Spur? Jean Eyben ist knapp zwanzig, als er in einer Pariser Detektei anheuert und auf die verschwundene Noëlle Lefebvre angesetzt wird. Alle Hinweise führen ins Leere, doch das Rätsel lässt Jean auch Jahre später nicht los. Da sind die Namen von Noëlles Kontakten, das schmale, damals heimlich entwendete Dossier und ihr sporadisch geführter Kalender mit dem geheimnisvollen Satz „Wenn ich gewusst hätte…“. Als Jean einen Jugendfreund trifft, erscheint ihm ein Detail plötzlich von Bedeutung: Noëlle Lefebvre stammt aus „einem Dorf in der Umgebung von Annecy“. So wie er selbst. (Klappentext)

    Erster Satz: "Es gibt Leerstellen in diesem Leben."

    Der zu Beginn der Handlung etwa zwanzigjährige Jean Eyben arbeitet in den 1960er Jahren für einige Monate in der Pariser Detektei Hutte und wird in diesem Rahmen mit dem mysteriösen Verschwinden der Noëlle Lefebvre beauftragt. Die Hinweise sind mehr als dürftig, und der schüchterne Jean ist kaum geeignet, etwaigen Zeugen die passenden Fragen zu stellen. Dennoch begibt er sich auf die Suche und streift durch die Gassen des 15. Arrondissements von Paris. Dabei stößt er zuletzt auch auf ein Notizbuch der verschwundenen Noëlle, in dem es allerdings nur wenige Einträge gibt.

    "Ich hatte gedacht, diese zeitweilige Arbeit würde mir einen Haufen Material liefern, das mich später einmal inspirieren könnte, falls ich mich der Literatur widmete."

    Letztendlich bleibt die Suche vergeblich, doch als Jean die Detektei verlässt, nimmt er das spärliche Dossier mit und widmet sich einige Jahre später rein aus privatem Interesse erneut der Suche, indem er versucht, strukturierter an die Sache heranzugehen. Doch er scheitert auch diesmal. Als gealterter Mann schließlich hat ihn der Fall der veschwundenen Noëlle Lefebvre immer noch nicht losgelassen, und Jeans Gedankengänge und Erinnerungen zu dem Fall sind das, was den Leser in diesem schmalen Roman erwartet.

    Was als Suche nach der unbekannten Frau beginnt, entpuppt sich hier nach und nach als Vexierspiel mit trügerischen Erinnerungen und den unumgänglichen Leerstellen im Leben. Sowohl die Erinnerungen der von Jean befragten Personen als auch seine eigenen erweisen sich häufig genug als unzuverlässig, und selbst der Name der Noëlle Lefebvre scheint nicht in Stein gemeißelt zu sein.

    "Diese Nachforschungen könnten den Eindruck erwecken, ich hätte ihnen viel Zeit gewidmet – schon über hundert Seiten, aber das stimmt nicht. Zählt man die Augenblicke zusammen, die ich bisher in einer gewissen Unordnung erwähnt habe, dann kommt ein knapper Tag heraus. Was ist ein Tag in einem Zeitraum von dreißig Jahren?"

    Leider konnte mich der Roman mit dem fortlaufend mäandernden Gedankenfluss des Ich-Erzählers Jean Eyben nicht erreichen. Trotz der geringen Seitenzahl trieb ich nur langsam durch die Erzählung und hatte oft genug Mühe, bei den häufig springenen Zeitebenen noch mitzubekommen, wo ich mich gerade befand. Auch wenn sich der Verdacht aufdrängt, dass Jean womöglich das Alter Ego des Literaturnobelpreisträgers ist, wurde es für mich dadurch nicht spannender.

    Ein Alterswerk, in dem der Schriftsteller sicher auch auf sein eigenes Leben zurückblickt. Ein anspruchsvoll zu lesendes Werk, das mich thematisch diesmal leider nicht ansprach.

    © Parden

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