Und morgen du

Rezensionen zu "Und morgen du"

  1. Opfer ohne Gesicht

    Am Anfang quittierte ich mit einem tiefen Stoßseufzer, dass Fabian Risk mal wieder ein brillianter Ermittler mit berufsbedingten Eheproblemen ist. Das liest man ja immer wieder, in unzähligen Krimis und Thrillern! Später stellte ich fest, dass er noch ein anderes Klischee bedient: er ist der besessene Einzelkämpfer, der alle Regeln bricht, um den Fall zu lösen, ohne Rücksicht auf die eigene Karriere. Und das macht er oft noch nicht einmal gut.

    Ja, ich hatte mit Fabian Risk so meine Probleme. Vor allem, weil ich nicht nachvollziehen konnte, warum er eigentlich alles im Alleingang angeht! Hinter ihm steht ein motiviertes, fähiges Team, und oft hätte er nur kurz mal zum Handy greifen müssen, um seine Chefin wissen zu lassen, was er herausgefunden hat und was er jetzt vorhat. Einmal kostet seine Eigenmächtigkeit sogar eine unschuldige Person das Leben, und das nimmt ihn weit weniger mit, als es sollte.

    Sympathisch war er mir ohnehin nicht sonderlich. In seiner Schulzeit fehlte ihm anscheinend jegliche Zivilcourage; er schaute einfach weg, während ein anderer Schüler immer wieder auf brutalste Art und Weise gemobbt und gequält wurde. Und auch als Erwachsener schaut er weg, wenn sein eigener Sohn ganz offensichtlich unglücklich ist, weil er immer zu beschäftigt mit seiner Arbeit ist. (Wenn man mit dem Sohn vier Tage lang alleine ist, sollte man dann nicht wenigstens einmal in sein Zimmer gehen und kurz gucken, ob es ihm gut geht, statt ihm nur SMS zu schreiben?)

    Heißt das jetzt, ich fand das Buch schlecht? Jein.

    Zum einen gefielen mir viele der anderen Charaktere gut, wie zum Beispiel die schwedische Polizistin Dunja, die sich mit einem sexistischen Ekel von Chef rumschlagen muss, obwohl sie eigentlich eine richtig gute Ermittlerin ist.

    Und zum anderen fand ich die Geschichte an sich ziemlich originell. Ein Serienkiller, der seine Opfer ihrer (in seinen Augen) gerechten Strafe zuführt: einem brutalen Schläger amputiert er die Hände, einer Lästerzunge reißt er eben diese heraus... Und die Art und Weise, wie er das tut, ist manchmal auf kranke Art und Weise geradezu genial - sozusagen der MacGyver der Serienmörder. Da ist alles bis ins Kleinste durchdacht und inszeniert.

    Die Geschichte wartet auf mit vielen unerwarteten Wendungen. Besonders mit einer ganz bestimmten Sache hat der Autor mich nach Strich und Faden reingelegt - gegen Ende musste ich auf einmal feststellen, dass ich da völlig falsch gelegen hatte! Die Auflösung des Falles war dann auch eine ganz andere, als ich erwartet hatte. Deswegen blieb das Buch für mich auch durchgehend spannend, und ich fieberte, trotz aller Vorbehalte, mit Fabian Risk mit.

    Allerdings war ich mir am Ende ziemlich sicher, dass das im realen Leben niemals so hätte passieren können. Nicht nur, dass der Mörder manchmal geradezu unmenschliche Fähigkeiten an den Tag legt und ein Hauptquartier hat wie ein astreiner Superschurke, aber seine Taten beruhen auf etwas, das ich nicht wirklich glauben konnte. Ohne jetzt schon zu viel zu verraten: mein immer wiederkehrender Gedanke war "Wirklich? Niemand? Nicht einer?"

    Den Schreibstil würde ich als solide bezeichnen. Er ist klar und gut strukturiert, und er liest sich gut und flüssig runter.

    Fazit:
    Auch, wenn ich die Hauptfigur nicht mochte und gegen Ende manches unglaubwürdig fand, ist die Geschichte an sich in meinen Augen doch spannend und originell, die Wendungen (überwiegend) völlig unerwartet und der Schreibstil wirklich nicht schlecht.

    Das Buch schafft es nicht auf die Liste meiner Lieblingsbücher, ich werde die Reihe aber wohl weiterlesen.

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