Trophäe: Roman
Ein Amerikaner mit dem sprechenden Namen Hunter White ist durch Börsen- und Immobilienspekulationen steinreich geworden. Er wurde schon als Junge von seinem Vater und Großvater zum Jagen mitgenommen und hat schon damals seine ersten Tiere erschossen. Jetzt fliegt er wieder einmal nach Afrika, wo er seinen Freund Van Heeren trifft. Van Heeren hat ihm für eine gewaltige Summe die Lizenz für die Jagd auf ein Spitzmaulnashorn verkauft. Wenn er dieses geschützte Tier tötet, macht er die Big Five voll. Die anderen vier - Löwe, Leopard, Elefant und Wasserbüffel - hat er bereits erlegt und seiner Frau als Trophäen mitgebracht. Zusammen mit Van Heeren und den Fährtenlesern verfolgen sie das ausgewählte Tier. Doch dann kommt alles anders. Wilderer töten das Nashorn, bevor Hunter vor Ort ist. Sein Freund bietet dem enttäuschten und wütenden Hunter die Big Six an. Für 500.000 Dollar kann er einen jungen Afrikaner jagen und töten. Hunter kann diesem Angebot nach kurzem Zögern nicht widerstehen. Er lernt die ausgewählte Beute kennen und nimmt an den vorbereitenden Stammesritualen in der Siedlung der Afrikaner teil. Dann nimmt die Handlung eine dramatische Entwicklung?
Auch wenn man alles andere als ein Fan von Jagen und Töten ist, liest sich der ungewöhnliche Roman sehr spannend. Man stellt sich den mit der Jagd auf Tiere und Menschen verbundenen ethischen Fragen, liest die packenden Beschreibungen von Flora, Fauna und Klima und begreift, dass die Ausbeutung des Kontinents auch in der postkolonialen Zeit nie aufgehört hat. Für Dollars ist alles zu haben: „Die Menschenjagd ist ein Nebenprodukt der Trophäenjagd.“ (S. 93). Mit den Riesensummen, die Van Heeren einnimmt, finanziert er paradoxerweise Artenschutz und bietet der indigenen Bevölkerung Lebensraum sowie medizinische Versorgung und eine Chance auf Bildung.
„Trophäe“ fasziniert und schockiert gleichermaßen und hat zu Recht große Beachtung gefunden.
Was für ein Buch! Selten habe ich mich beim Lesen eines Romans phasenweise so unwohl gefühlt und war gleichzeitig völlig fasziniert. Gaea Schoeters macht es möglich:
Der us-amerikanische Großwildjäger Hunter White, der im Hauptjob an der New Yorker Börse spekuliert, will in Afrika die „Big Five“ vollmachen und die Trophäe eines erlegten Nashorns seiner Frau mitbringen. Dafür zahlt er in Afrika undenkbare Summen, die für den dortigen Naturschutz verwendet werden. Allein diese Situation gibt mir als Leserin komplizierte Gewissensfragen auf. Großwild-/Trophäenjagd vs Naturschutz, männlicher Egotrip/Befriedigung männlicher Triebe vs gute Tat für bedürftige afrikanische Kommunen. Ich bin mehrfach hin und hergerissen ob dieser moralischen Herausforderungen. Spätestens, als alles auf die Spitze getrieben wird, nämlich mit dem Angebot der „Big Six“, das Hunter White gemacht wird, ist es mit dem Verständnis für dies oder jenes vorbei.
Die Autorin schreibt unglaublich fesselnd in toller bildhafter, teils poetischer Sprache. Verschiedene Jagdszenen ziehen sich durch den gesamten Roman. Fast wird es ein wenig ermüdend, doch schon bald gibt es derart spektakuläre und faszinierend beschriebene Szenen, dass ich am Ende doch durchweg sehr gefesselt bin. Die Art und Weise der Jagd, wie sie die Naturvölker (Buschmänner) betreiben, ist sagenhaft und wird sehr glaubhaft beschrieben. Ich lerne die Flora und Fauna auf spannende Weise kennen. Ausserdem wird einiges über die Lebensweise und Gemeinschaft der Naturvölker deutlich.
Zu guter Letzt muss ich die Charakterzeichnung des Hunter White hervorheben. Absolut gelungen! Extrem unbequem zugleich. Die Ambivalenz seiner Gefühlswelt wird teils derart auf die Spitze getrieben, dass es richtig weh tut. Und trotzdem hab ich das eine oder andere Mal ein wenig Mitleid. Oder doch nicht?
Wie alles ausgeht, soll für sich selbst herausfinden, wer sich diesen Roman zutraut. Gaea Schoeter hält uns mit diesem Roman einen sehr unbequemen Spiegel vor. Er geht ans Eingemachte und ist nichts für zarte Gemüter. Er beschäftigt mit einem großen Strauß an moralischen und ethischen Fragen auch noch lange Zeit nach der Lektüre. Absolut bemerkenswert und großes Kino!
Hunter White ist verheiratet und lebt als erfolgreicher Investmentmogul in New York. Regelmäßig geht er seinem exquisiten Hobby nach, der Großwildjägerei in Afrika. Hunter hat bereits jeweils eine Elefanten-, Büffel-, Löwen- und Leopardentrophäe ergattert und seiner Gattin als willkommenes Geschenk überreicht. Jetzt fehlt ihm nur noch die Nummer Fünf im Quintett der „Big Five“, weshalb Hunter seinem Agenten Van Heeren viel Geld gezahlt hat, um den Abschuss eines Spitzmaulnashorns perfekt zu organisieren.
Einheimische Fährtenleser begleiten die Jäger, um das freigegebene Tier zu finden und Gefahren aus dem Weg zu räumen. Gaea Schoeters beschreibt die Jagd unglaublich sinnenfreudig. Wir lernen die vielfältige Wildnis Afrikas kennen, die Tier- und Pflanzenwelt, die Besonderheiten des Landstrichs und dessen Schönheiten. Man taucht dabei tief in die Gedanken Hunters ein. Er liebt dieses Afrika, er hat Respekt vor Ureinwohnern und Tieren, er gibt Geld aus, um die Natur zu schützen. Er sieht auch seine Jagdlizenz genau als das an: einen aktiven Beitrag zum Schutz der Wildtiere im Nationalpark. Im Verlauf des Romans lernt man Hunter sehr genau kennen. Er ist ein Mann mit vielen Facetten. Auch wenn man die Jagd nach Trophäen aus tiefster Seele verabscheut, wird man den Jäger Hunter, den Prototyp des weißen, egoistischen Kapitalisten, nicht ohne weiteres hassen können. Seine ambivalente Haltung zwischen dem unbedingten Willen zum Töten und der Ehrfurcht vor der lebenden Kreatur lässt lange keine klare Positionierung zu.
Bei der Jagd nach „seinem“ Nashorn geht jedoch etwas gehörig schief. Hunter kann das Tier nicht selbst erlegen. Die Enttäuschung ist immens, so dass ihm Geschäftsmann Van Heeren ein anderes, vermeintlich noch reizvolleres Jagdangebot macht, zu dem Hunter nicht nein sagen kann. Was nun passiert, ist tatsächlich, wie der Klappentext suggeriert, „ethischer Mindfuck“. Der Leser wird gezwungen, sich mit einem scheinbar völlig unrealistischen, absurden Szenario auseinanderzusetzen. Ungemein fremd, packend und grausam ist das. Das Thema Jagd wird um eine Dimension erweitert. Ganz nah ist man erneut bei Jäger Hunter, man verfolgt seine Wege, macht seine Beobachtungen, nimmt teil an seinen Reflexionen, in denen deutlich wird, dass bereits Hunters Großvater ihn mit einem fragwürdigen Männlichkeitsethos ausgestattet hat. Zahlreichen existentiellen Situationen und Gefahren ist der Jäger ausgesetzt, was die Spannung permanent hochhält.
Schoeters erzählt kraftvoll und ausdrucksstark, ihr Stil ist vielseitig und kreativ. Wo es passt, wird sie poetisch, sie konstruiert eindrucksvolle, höchst atmosphärische Szenen, die cineastischen Anforderungen standhalten dürften. Sie führt uns in eine Welt ein, die den meisten Lesern fremd sein dürfte. Jagdszenen werden ausführlich, drastisch und präzise geschildert. Die großartigen Naturbeschreibungen bilden einen eindrucksvollen Kontrast dazu. Die Autorin beleuchtet Grauzonen und die verschiedenen Seiten derselben Medaille. Niemand wird direkt verurteilt oder freigesprochen. Die Indigenen Afrikas bilden einerseits einen Gegenpol zum jagenden Weißen, andererseits werden auch sie von eigenen, wenig altruistischen Motiven geleitet, die sie korrumpierbar machen. Die Spätfolgen des Kolonialismus sind spürbar und fließen in die Thematik ein.
Man muss sich auf diesen außergewöhnlichen Roman einlassen. Ich selbst musste ihn erst einmal sacken lassen, weil er fordert und wehtut, weil er direkt ist und nichts verschleiert. Die ausufernden Jagdszenen sind gewöhnungsbedürftig, Figuren- und Schauplatzgestaltung sind indessen großartig. Man muss seine eigenen Anschauungen ständig hinterfragen und abwägen. Schoeters vermeidet Belehrungen, sie traut ihren Lesern zu, ihre eigene Position selbständig auszuloten. Es werden bedeutende ethische Fragen gestellt, die ein intensives Nachdenken in Gang setzen.
Eine außergewöhnliche, gewinnbringende Lektüre, in der man einiges über die Trophäenjagd und Afrika lernen kann. Wer sich den Roman, der von Lisa Mensing kongenial aus dem Niederländischen übersetzt wurde, thematisch zutraut, sollte ihn unbedingt lesen.
Große Leseempfehlung!
Mag ich Jäger? Nö. Kann ich die verdrehte Arugumentation leiden, derzufolge Jagen Arten- und Naturschutz bedeutet? Nö. Weshalb also nun dieser Roman über die Großwildjagd?! Nun, der Klappentext deutet etwas an, das undenkbar scheint - oder vielleicht doch nicht? Meine Neugierde war jedenfalls geweckt.
"Deine westliche Moral ist ein Luxusprodukt, das man sich leisten können muss. Der Rest der Welt muss mit Pragmatismus auskommen." (S. 103)
Uff, und nun sitze ich hier, das Buch zugeklappt, die letzte Zeile gelesen - und der Kopf arbeitet weiter. Definitiv ein Roman, der einen gewaltig aus der eigenen Komfortzone herausschiebt, der fasziniert, zweifeln lässt, anekelt, und definitiv nicht gleichgültig lässt. Gaea Schoters denkt zuende, was postkoloniales Großherrentum für selbstverständlich hält.
Hunter White (schon der Name ist selbstverständlich Programm) ist ein wohlhabender weißer Amerikaner, der schon mit der Waffe in der Hand geboren wurde. Sein Vater und sein Großvater nahmen ihn von klein auf mit auf die Jagd, und so beherrscht er sein Handwerk. Fasane und Rehe interessieren ihn jedoch schon lange nicht mehr - Großwild muss es sein, Afrika ist sein Jagdgebiet. Die Big Five hat er schon nahezu vollständig erlegt, diesmal geht es auf die Jagd nach dem Spitzmaulnashorn, für das er endlich eine Jagdlizenz erhalten hat.
"Die Verschmelzung von Todesangst und Dominanz schenkt dem Jäger einen nahezu erotischen Genuss. Ein Höhepunkt, in dem sich jegliche Spannung, die sich vorher aufgebaut hat, in einem einzigen Augenblick entlädt. Die Befriedigung liegt nicht so sehr im Töten, sondern in der Unterwerfung der Beute: in der Bestätigung unserer Vorherrschaft über alles andere Leben." (S. 194)
Der Leser begleitet Hunter auf der Jagd nach dem Nashorn, und was ich nicht für möglich gehalten hätte: ich war fasziniert. Die Naturbeschreibungen, die Schilderungen von Farben, Gerüchen, Geräuschen - überaus bildhaft und eindringlich. Aber auch die Empfindungen bei der Jagd, die Spannung, die Angst, das Jagdfieber - so geschildert, dass man sich nahezu selbst in der Szene befindet. Hunter selbst ist durchaus kein sympathischer Genosse - aber er, der vieles von dem verkörpert, was ich abstoßend finde, war mir eben auch nicht von Grund auf zuwider. Allein schon diese Tatsache fand ich anhaltend verwirrend. Als Wilderer Hunter einen Strich durch die Rechnung machen und das Nashorn vor ihm erlegen, war die Enttäuschung nahezu greifbar - auch für mich.
Van Heeren als sein Jagdleiter und Freund weiß, dass er nun für einen adäquaten Ersatz sorgen muss. Und er macht Hunter einen Vorschlag, auf den dieser zunächst fassungslos reagiert. Die Big Six? Doch dann führt Van Heeren ihn in ein afrikanisches Dorf, zu einem sehr ursprünglich lebenden Stamm, der seine Traditionen noch lebt. Und Hunter beobachtet einen jungen Mann beim Jagen...
Gaea Schoeters geht hier an Grenzen - und darüber hinaus. Dabei lässt sie Argumente so geschickt einfließen, dass man sich sehr bewusst davon distanzieren muss, um nicht automatisch zustimmend zu nicken. Später fällt die Distanzierung leichter, aber auch da ist die Argumentation eine perfide. Die bestehenden Fakten - größtenteils hervorgerufen durch die Zeit der Kolonialisierung sowie der postkolonialen Zeit mit der Ausbeutung durch weiße Großmächte - schaffen an manchen Stellen eine derart desolate Lage, dass unglaubliche Handlungszwänge entstehen. Da kreiselt der moralische Kompass gewaltig. Traurig zu lesen, teilweise nur schwer auszuhalten. Aber die belgische Autorin geht noch weiter...
"Aber in dem Blick des Kudus war nur das Begreifen des nahenden Todes abzulesen gewesen: Das Tier hatte gespürt, wie das Leben aus ihm floss, verstanden, dass flüchten keinen Sinn hat, und sich dem Sterben hingegeben. Was in seinen Augen erlosch, war nur die Gegenwart. Das Hier und Jetzt. Das Ende seines Lebens war ein Übergang von atmen zu nicht atmen. Nicht mehr und nicht weniger..." (S. 198)
Ein fordernder Roman, eine Erzählung von radikaler Konsequenz. Ein interessanter, lesenswerter, überzeichneter, abstoßender, faszinierender, lehrreicher Roman, der unglaublich viele Themen anreißt, Spiegel vorhält, Fragen aufwirft. Manche Szenen empfand ich als unglaublich atmosphärisch, die Naturschilderungen immer wieder großartig. Insgesamt wirklich harter Tobak, manches fand ich auch wirr und anstrengend zu lesen, es bleibt passagenweise ein deutlicher Interpretationsspielraum - die erzählerische Wucht jedoch zieht sich durch den ganzen Roman. Und: er hinterlässt definitiv einen bleibenden Eindruck. Die Gewalt, Brutalität, Grenzenlosigkeit des Menschen, auch die Gegenpole der Sozialisierung, daneben die wilde Schönheit der Natur mit all ihren Gefahren - unglaublich gut herausgearbeitet.
Für mich absolut ein 5-Sterne-Buch - etwas, das ich bei der Thematik nie für möglich gehalten hätte!
© Parden
Hunter White ist passionierter Jäger und reich. Bereits als kleiner Junge begleitet er seinen Vater und Großvater auf der Jagd und erlegt erste Tiere. Für ihn ist der Augenblick kurz vor dem präzisen, tödlichen Schuss, in dem sein Blick sich mit dem seiner Beute trifft, der befriedigendste Moment einer Jagd. Als er eine Lizenz zum Abschuss eines Nashorns erhält, erfüllt sich ein Traum. Ein Nashorn ist das letzte Tier der „Big Five“, das ihm noch fehlt.
Er möchte diese besondere Trophäe seiner Frau, die ein Faible für solche Geschenke hat, überreichen.
Hunter reist voller Vorfreude nach Afrika und begibt sich dort mit seinem langjährige Freund und Vermittler der Jagdlizenzen, van Heeren, auf die Jagd nach dem für ihn freigegebenen Tier. Einiges geht schief auf dieser Jagd; Hunter ist am Boden zerstört, doch dann unterbreitet ihm van Heeren ein neues Angebot.
Sehr detailliert lässt uns Gaea Schoeters am Ablauf einer Jagd und den Gedanken Hunters teilnehmen. Der Autorin gelingt es ausgesprochen gut, Hunters Weltbild und seine emotionalen Beweggründe schlüssig darzulegen. Obwohl mir Hunter in allem fremd ist, fühlte ich mich ihm auf eine gewisse Art nah und verbunden und wäre beinahe seinen Ausführungen, warum die Trophäenjagd so wichtig für den Arten- und Naturschutz sei, auf den Leim gegangen. Diese „Nähe“ erzeugt Spannung und Anspannung zugleich. Der Text fordert ein ständiges Auseinandersetzen mit den eigenen Werten und Moralvorstellungen. Dabei liest sich das Buch wie ein fesselnder Abenteuerroman, der neben Szenen voller Spannungsmomente auch wunderschöne Naturbeschreibungen liefert.
Ganz nebenbei erfahren wir etwas über Naturschutz, Jagdlizenzen, das Fährtenlesen, Wilderei, Bestechung und die Wechselwirkungen in einer kapitalistisch geprägten Welt sowie über die Überlebensstrategien und einige Rituale der indigenen Bevölkerung.
Die Geschichte entwickelt sich in eine unerträgliche Richtung. Gerade aber diese Radikalität und die drastische, ungeschönte Art, in der die Autorin ihren Plot vorantreibt, haben mich noch einmal anders über das Jagen, Töten und den Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen nachdenken lassen.
Ich bin den Geschehnissen entsetzt, aber auch fasziniert gefolgt, was letztendlich auch der absolut stimmigen Figurenzeichnungen geschuldet ist. Dabei waren gerade die ambivalenten Gefühle, denen ich beim Lesen permanent ausgesetzt war, für mich eine Bereicherung. Dieses Buch wird mir mit Sicherheit im Gedächtnis bleiben.
Trophäe wurde von Lisa Mensing aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzt.
Gaea Schoeters „ Trophäe“ ( 2020/2024)
Die Journalistin und Autorin Gaea Schoeters, geboren 1976, hat mit diesem Roman in ihrer flämischen Heimat Aufsehen erregt. Nun ist „ Trophäe“ auch in Deutschland erschienen und dem Buch wurde auch hier schon viel Aufmerksamkeit geschenkt. Denn es ist eine gleichermaßen faszinierende wie abstoßende Geschichte, die sie uns hier erzählt.
Der Protagonist mit dem sprechenden Namen White Hunter ( wem das zu plump erscheint, bekommt von der Autorin eine schlüssige Erklärung dafür ) ist ein schwerreicher Amerikaner, dessen große Passion die Jagd ist, vornehmlich die Großwildjagd. Er ist in Afrika, um endlich seine „ Big Five“ abzuschließen. Nach Elefant, Löwe, Leopard und Kaffernbüffel fehlt ihm nur noch das Spitzmaulnashorn. Seiner Frau, einer Kunst- und Antiqitätenhändlerin, will er die Trophäe für ihre Sammlung zum Geschenk machen. Hunter hat sehr viel Geld für die Jagdlizenz bezahlt und gemeinsam mit dem Jagdleiter und Freund van Heeren begibt er sich auf die Spur des begehrten Tieres. Doch Wilderer kommen ihm zuvor, denn das Horn ist wertvoll und verspricht viel Geld. Hunter ist enttäuscht. Da macht ihm van Heeren ein verlockendes Angebot. Ob er schon mal von den „ Big Six“ gehört habe? Anfangs ist Hunter schockiert , doch dann siegt sein Jagdtrieb über seine moralischen Bedenken.
Es ist ein erschreckendes Gedankenexperiment, auf das uns die Autorin hier mitnimmt. Und sie versteht es sehr geschickt, uns beinahe zum Komplizen ihrer Hauptfigur zu machen. Sie nimmt uns mit in seine innersten Gedanken, Gefühle und Überlegungen und schreibt dabei so eingängig, dass man anfänglich bereit ist, seiner Argumentation zu folgen. Auch wenn man die Großwildjagd vehement ablehnt, scheint es doch glaubwürdig, dass eine gezielte Jagd dem Schutz der Tiere dient. Denn, so Hunter, das viele Geld, das einer bereit ist für den Abschuss eines Tieres zu bezahlen, werde in den Arten- und Umweltschutz der Region gesteckt. Die anderen Tiere werden weiterhin vor Wilderen geschützt, das Fleisch bekommt die Bevölkerung und die wiederum erhält Arbeit und Verdienst als Fährtenleser und Treiber. Angeblich eine Situation, bei der alle nur gewinnen können. Doch Recherchen im Netz haben mir dann gezeigt, dass es sich Hunter mit seiner Argumentation etwas sehr einfach macht, denn die Problematik erweist sich als weitaus vielschichtiger als er es darstellt. Umweltschützer und Ethnologen kommen auf ganz andere Ergebnisse als Jäger und Jagdverbände.
Doch das ist nur eine von vielen Erkenntnissen, die ich aus dem Roman mitnehme.
Denn es geht der Autorin nicht nur um das Thema Großwildjagd, sondern auch um den Zusammenprall zweier Kulturen und die Folgen des Kolonialismus.
Mit Hunter haben wir einen typischen Vertreter des weißen Mannes, der von seiner Überlegenheit und der der westlichen Kultur überzeugt ist.
„ Denn nur er, Hunter, und niemand anderes, steht ganz oben in der Nahrungskette.“ Trotzdem treibt ihn eine Art romantischer Sehnsucht nach Afrika. „ Für ihn ist Afrika ein großes Naturreservat, von Gott geschaffen, um ihm Freude zu bereiten….Afrika ist sein Vergnügungspark, sein Jagdgebiet.“
In seinem Beruf als Börsenspekulant geht es um wenig Konkretes. Er lebt von den Hoffnungen anderer, oft an der Grenze zur Illegalität. Aber im Privaten sucht er das wahre, das authentische Leben, das Archaische und Ursprüngliche, die existenzielle Gefahr. Das scheint er in der Jagd zu finden, in der wilden Natur Afrikas. Dabei weiß er schon lange, dass es das wahre Afrika, das Afrika vor den Weißen, nicht mehr gibt. Zerstört von Menschen wie ihm. Und am Ende muss Hunter erkennen, dass seine westliche Überlegenheit nur eine vermeintliche ist angesichts den Gesetzen, die in der wilden Natur herrschen.
Auch van Heeren, der sehr gut von den reichen Weißen lebt, die sich bei seinen organisierten Jagden vergnügen und bestätigen, weiß, welche Schuld die Kolonialherren von früher an der jetzigen Situation in Afrika tragen. „ Unsere Vorfahren haben sie umgesiedelt, was eine nette Formulierung dafür ist, dass wir uns ihr Land unter den Nagel gerissen haben. Weil wir sie gezwungen haben, in Städten zu wohnen, sind die besten Jäger des Kontinents innerhalb von drei Generationen zu Alkoholikern und Drogensüchtigen verkümmert.“
Und die Ausbeutung von Land und Leuten geht ja weiter. Der Leser wird sich entsetzt abwenden von der grausamen Jagd im Verlauf des Buches. Gleichzeitig nehmen wir es aber hin, dass die westliche Welt mit ihrem Geld immer noch die Bedingungen stellt und die afrikanische gezwungen ist, sich denen zu unterwerfen.
Doch nicht nur die weißen „ Herrenmenschen“ werden im Roman porträtiert. Der Leser bekommt auch einen kleinen Einblick in afrikanisches Leben und afrikanische Kultur. Dabei legt sich die Autorin nicht konkret fest auf eine Region oder eine Ethnie. Sie zeigt nur den Gegensatz zwischen westlicher Individualität zu afrikanischem Gemeinschaftsdenken, die unterschiedlichen Motivationen zur Jagd und die Unterschiede im Wertesystem. „ Deine westliche Moral ist ein Luxusprodukt, das man sich leisten können muss. Der Rest der Welt muss mit Pragmatismus auskommen.“ Auch das wieder Sätze, die zum Nachdenken zwingen.
„ Trophäe“ ist in vieler Hinsicht ein Roman, der Augen öffnet, uns neue Blickwinkel eröffnet, ohne belehrend zu sein. Die Autorin beschreibt, schildert Situationen und Abläufe, ohne zu werten. Ein Urteil muss sich der Leser selbst bilden.
Dabei ist das Buch unglaublich spannend und fesselnd. Die Autorin erzeugt faszinierende Bilder und schafft eine Atmosphäre, die den Leser direkt teilhaben lässt. Grandiose Tier- und Landschaftsbeschreibungen im Wechsel mit actionreichen Szenen und griffigen Dialogen entwickeln einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Ein ungewöhnlicher Roman, der Stoff bietet für lange Diskussionen.
Der Amerikaner Hunter White ist leidenschaftlicher Jäger und Afrika ist sein Spielplatz. Er mag, was er tut, doch die ausgestopfte Beute überlässt er seiner Frau und die Menschen ihrem Schicksal. Sein Interesse gilt ausschließlich dem Moment des Tötens, dem Höhepunt all seiner Mühen. Entsprechend wenig Luxus gönnt er sich auf seinen Ausflügen, er verlässt sich allein auf die Vorarbeit Van Heerens, der ihm vertrauensvoll die Lizenzen zum Töten vermittelt.
Das Spitzmaulnashorn ist das letzte Tier, welches Hunter für die Vollendung seiner Big Five in Afrika, zu denen der Elefant, Büffel, Leopard, Löwe und Nashorn gehören, noch benötigt. Ein prächtiges Exemplar hat sein Jagdleiter jetzt für ihn ausfindig gemacht. Alles ist bezahlt und bereit, die Spurensucher haben es gefunden. Doch Wilderer kommen Hunter zuvor, das Geschäft scheint geplatzt und die Trophäe als Mitbringsel für seine Frau hinfällig.
Hunters Enttäuschung ist groß, da macht ihm Van Heeren ein unglaubliches Angebot. Es gibt ein noch kostbareres Wild in Afrika.
Das Nashorn ziert das Cover vor ockerfarbenen Hintergrund, die strukturiert braunen Buchdeckel ähneln Tierleder, die Goldprägung erinnert an das koloniale Afrika mit seinen weißen Herrenmenschen. Der Zsolnay Verlag stimmt damit auf eine Welt ein, die uns aus der Zeit von Umweltschutz und Arterhaltung gefallen zu sein scheint, oder doch zumindest nur den Superreichen für eine perverse, nostalgische Freizeitgestaltung vorbehalten bleibt.
Geschickt, ja fast schon einlullend, schafft Schoeters es, dem Leser die Argumente für eine kontrollierte Großwildjagd unterzuschieben. Der Fauna und den Menschen vor Ort kann mit dem Geld aus der lizensierten Jagd geholfen werden. So wird Hunters Beitrag seinem einheimischen Spurenleser Dawid ein Studium in den USA ermöglichen. Er ist der Klügste aus seinem Dorf und er ist befreundet mit dem Fähigsten aus demselben Dorf, dessen Ältestenrat eine schicksalhafte Wahl zu treffen hat. Es ist auch Hunters Schicksal.
Hunter entwickelt sich vom selbstbewussten Machthaber zum misstrauischen Büßer seiner viel zu hochnäsig getroffenen Entscheidungen. Er erkennt seine Fehler und bereut. Dawid wird zusammen mit Hunter in die USA fliegen, inklusive einem Geschenk für Hunters Frau.
Das Grauen kommt auf leisen Pfoten, Schoeters wiegt uns lange in Sicherheit. Doch sie kennt die Steigerung von Geschäftssinn, Entwicklungshilfe und käuflichem Recht. Sie treibt es auf die Spitze und lässt uns dort atemlos zurück, mit einem Nachhall in den Ohren, betäubend und schockierend. Genauso muss Literatur sein, sie muss wehtun. Die Übersetzerin Lisa Mensing hat in diesem Sinne beste Arbeit geleistet. Nichts für zarte Gemüter, trotzdem dringende Leseempfehlung.
Hunter White wurde von Kindes Beinen an mit der Jagd vertraut gemacht, obwohl sein eigener Vater bei einer Jagd getötet wurde, entwickelte er eine enorme Leidenschaft, die er mit seinem Großvater teilte, der ihm sehr viel diesbezüglich beigebracht hat.
Da Hunter viel Geld besitzt, ist er in der Lage an den sogenannten Trophäenjagden teilzunehmen.
Die Big Five will er voll machen, es fehlt ihm nur noch ein Nashorn. Van Heeren bietet Hunter auf seinem Land in Afrika eine Tour dazu an. Er darf allerdings nur ein ganz bestimmtes Nashorn jagen, es gibt strenge Regeln. Nach einer sehr anschaulich beschriebenen Verfolgung passiert es, dass Wilderer dem Team und Hunter zuvor kommen. Der Traum ist geplatzt. Wie soll Hunter dies nun seiner Frau erklären, die sich schon sehr auf die begehrte Trophäe freut?
Van Heeren bringt eine andere Option ins Gespräch, und die ist für einen friedliebenden Menschen sehr speziell, besser gesagt unvorstellbar. Hunter soll einen Menschen jagen und töten.
Gaea Schoeters wollte einen Abenteuerroman schreiben. Dies ist ihr gelungen, denn die Jagdszenen sind so authentisch beschrieben, dass der Leser das Gefühl hat, er säße direkt neben denJägern im Gebüsch. In meinen Augen ist der Roman aber noch viel mehr, besser gesagt, er umfasst noch viel mehr. Denn er setzt sich auch mit der Frage auseinander, ob diese organisierten Jagden, die viel Geld einbringen, sogar zum Artenschutz und der Artenvielfalt unterstützend beitragen.
Des Weiteren befinden sich Naturvölker dort, nun sind sie größtenteils auf Hilfe derjenigen angewiesen, die sich ihr Land genommen haben. Was gibt den Menschen das Recht diese Stämme zu enteignen und ihnen ihren Lebensraum streitig zu machen?
Hunter als Charakter ist abschreckend und faszinierend zugleich. Es wird beschrieben wie er sich fühlt, wenn er seine Beute erblickt, die Erregung, der Nervenkitzel, das Gefühl der Überlegene zu sein. Man bekommt beim lesen das Gefühl, dass das was dieser Mann tut abschreckend ist, doch kommt von der Handlung nicht los und liest einfach weiter.
Die Passagen, in denen Details aus der Tierwelt erörtert werden, sind interessant und waren mir sehr lieb, weil sie für mich einen Kontrast zu den brutalen Jagdszenen bildeten, denen ich auch mal entkommen musste, sonst wäre mir der Roman zu sehr an die Nieren gegangen.
Das Ende war anders als erwartet, und hatte ein paar Überraschungen parat.
Der Roman bietet viel Stoff zum nachdenken, doch er ist auch harte Kost, und sicher nicht für jeden das Richtige.
Hunter White ist das, was sein Name besagt: ein weißer Jäger. Schon als Kind durch Vater und Großvater auf Jagdeifer und -erfolg getrimmt, ist für ihn das Stellen und Töten der Beute das größte Erlebnis überhaupt. Er ist unermesslich reich und kann es sich leisten, in den entlegensten Ländern für einen Haufen Geld Jagdlizenzen zu kaufen, um außergewöhnliche Tiere zu erlegen, wobei er auch vor sehr seltenen Arten nicht halt macht. Hunter White jagt nur legal, Wilderer sind ihm ein Ärgernis. Er bezahlt für sein Vergnügen. Die Gelder kommen schließlich wieder dem Naturschutz zugute - sagt er sich -; so bleiben die Steppen und Dschungel, die großen Jagdreviere, erhalten. An den Trophäen hat er übrigens gar kein Interesse, er bringt sie seiner Frau mit, die damit ihr Heim dekoriert.
Für die in "Trophäe" geschilderte Jagd ist Hunter White in einem ungenannten westafrikanischen Land unterwegs, um ein seltenes Nashorn zu schießen. Damit hätte er alle "Big Five" Afrikas erledigt. Doch das Tier, das ihm der Jagdveranstalter van Heeren und dessen eingeborene Guides bezeichnen, wird wenig später von Wilderern erlegt, ehe Hunter zum Schuss kommt. Die Enttäuschung ist groß. Um den Kunden aufzumuntern, bietet van Heeren ihm als Ersatz eine Jagd auf ein besonderes Wild an - aus den Big Five sind die Big Six geworden. Mit etwas Phantasie kann man sich leicht ausmalen, wohin das führt. Im Klappentext heißt es dazu: "Hunter ist geschockt, aber als er die jungen Afrikaner beim flinken Jagen beobachtet ..."
"Weiße Männer machen im Busch dumme Sachen." (S. 211)
Oberflächlich betrachtet ist "Trophäe" eine Abenteuergeschichte, die nur wenige Tage umfasst: den Zeitraum, den Hunters Jagden ausfüllen. Die erfolglose auf das Nashorn; eine weitere, bei der er die Jagdmethoden der Afrikaner studieren kann, und schließlich die dritte, von van Heeren vermittelte. Es ist dabei wichtig zu wissen, dass der Stamm, bei dem Hunter zu Gast ist, die Ausdauerjagd betreibt, bei der das Wild tagelang zu Fuß verfolgt wird. Eine solche Jagd ist auch die auf Hunters letzte Beute. Mit seinem eingeborenen Guide läuft er bis zur Erschöpfung durch die Savanne, wobei wir reichlich Gelegenheit haben, in seine Gedankenwelt Einblick zu nehmen: "Hier steht er, Hunter White, am Rand einer Welt, durch die noch nie zuvor ein Weißer gelaufen ist. (...) Was ihn da überfällt, ist die Euphorie eines Entdeckers: die Erkenntnis, sich das Land anzueignen, schlicht und einfach indem man es betritt. Das gleiche Verlangen, das die Männer zu Jungfrauen treibt." Die fast schon krankhaft selbstbezogene Grundhaltung durchdringt Hunter Whites ganzes Ego: Alles, was er sieht, dient ausschließlich seinem Vergnügen.
"Sein Körper ist schneller als seine Gedanken, jedenfalls wird er sich das später selbst erzählen, als er sich fragt, wie das, was passiert ist, passieren konnte." (S. 197)
Obwohl uns diese Perspektive - die einzige, die der Roman bietet - mit Widerwillen erfüllt, sind die Landschafts- und Naturschilderungen eindringlich, bisweilen zauberhaft. Wir können aber nicht umhin, diese wunderbare Welt durch seine Augen zu betrachten. Und so bleibt es nicht aus, dass wir auch wenigstens zeitweise seiner Selbstrechtfertigung auf den Leim gehen. Die listige Autorin wickelt uns in der Person des Hunter White förmlich ein. Dazu trägt ihr großartiger, schillernder Stil bei, der sich jeder moralischen Wertung enthält, die Leser aber um so dringender auf jeder Seite dazu auffordert. "Trophäe" ist ein Buch, das man nicht lesen kann, ohne ständig um die eigene Position zu den Themen zu ringen: Jagd und Naturschutz, Neokolonialismus, Kulturchauvinismus. Dabei gibt das Buch selbst rein gar nichts vor, und sowohl die Literaturkritiken als auch die Diskussion in unserer Leserunde belegen, dass man es auf sehr unterschiedliche Weisen lesen kann.
Meine Begeisterung für den Roman war anfangs groß. Wenn ich trotzdem einen Punkt abziehe, dass deshalb, weil mir das völlige Fehlen einer eigenen Stellungnahme Unbehagen bereitet - vor allem angesichts des Zynismus, mit dem die Autorin ihre Hauptfiguren enden lässt. Es handelt sich dabei um ein sehr persönliches Gefühl; ich halte das Buch trotzdem für unbedingt lesenswert. Es ist geradezu atemlos spannend, aber von "Lesefreude" kann man - trotz der großartigen Naturschilderungen - kaum sprechen. Nicht lustig!
„Trophäe" von Gaea Schroeter ist ein fesselnder Roman, der die Leser auf eine intensive Reise durch die dunklen Abgründe der menschlichen Natur mitnimmt. Die Geschichte entfaltet sich vor dem Hintergrund des afrikanischen Kontinents und wirft dabei einen schonungslosen Blick auf Themen wie Kolonialismus, die Überheblichkeit des Westens, das Streben nach Männlichkeit und allgemein die Frage nach dem moralisch richtigen Handeln.
Im Mittelpunkt des Romans steht der Protagonist Hunter White, dessen Leben von grenzenloser Langeweile und einem unstillbaren Verlangen nach Nervenkitzel geprägt ist. Als wohlhabender Jäger begibt er sich auf eine Jagdreise nach Afrika, die ihn nicht nur körperlich, sondern auch moralisch herausfordert. Auf dieser Reise verlässt er immer mehr den Boden der Realität und verstrickt sich, einer pervertierten Logik und Moral folgend, immer mehr, bis er schließlich alle Grenzen in einer Mischung aus pervertierter Jägerromantik, Selbstüberschätzung und männlicher Überheblichkeit und Herrenmenschenmentalität überschreitet.
Schroeters Schreibstil zeichnet sich durch eine präzise und oft schonungslose, phasenweise fast schmerzhafte, Darstellung der Ereignisse aus. Die Jagdszenen sind authentisch und packend geschildert, sodass der Leser die Faszination und die Grausamkeit dieser Aktivität hautnah miterleben kann. Auch die erbarmungslose Lebensfeindlichkeit und Unberechenbarkeit der afrikanischen Wildnis, die zugleich atemberaubend schön und faszinierend sein kann, wird durch die Erzählkunst Schroeters vermittelt. Nicht zuletzt gelingt es der Autorin darüber hinaus, auch das für den Westen fremdartige Denken der afrikanischen Ureinwohner, deren eigene Interpretation der Wirklichkeiten und deren Mythologie und Götterwelt in romantisierend-beschaulichen, aber auch wahnhaften, fiebertraumartigen Szenen zu vermitteln.
Ein zentraler Konflikt des Romans ist die Frage nach der Moral und Ethik des westlichen Menschen, gespiegelt in dem Turbokapitalisten und Jäger Hunter White. Durch Rückblicke auf seine Kindheit, seine Vorfahren und durch Exkurse zu anderen, thematisch verwandten Konflikten in der Weltgeschichte wird immer wieder das Dilemma deutlich, wie schwer es ist, seine Handlungen vor dem Hintergrund einer komplexen und oft widersprüchlichen Welt zu rechtfertigen. Dabei entlarvt Schroeter die Doppelmoral und Heuchelei des Westens und zeigt auf, wie fragil und inkonsistent unsere moralischen Grundsätze in der Realität oft sind.
„Trophäe" ist insgesamt ein beeindruckendes Werk, das den Leser zum Nachdenken über Ungereimtheiten und Heuchelei im eigenen Handeln, nicht nur im Hinblick auf das seit Jahrhunderten ausgebeutete Afrika, anregt.
Trophäenjäger Hunter White hat sein Ziel fast erreicht. Von Afrikas "Big Five" fehlt ihm nur noch das Spitzmaulnashorn. Löwe, Leopard, Büffel und Elefant zieren längst die heimischen Räume seiner Villa. Nun möchte er seiner Frau noch dieses letzte fehlende Geschenk machen. Unterstützung erhält er dabei von seinem Freund und Jagdpartner Van Heeren, der mit der Großwildjagd in Afrika schon seit längerer Zeit ein äußerst lukratives Geschäft betreibt. Doch mit dem prähistorisch anmutenden Dickhäuter ist nicht zu spaßen. Als ein erster Angriff auf das Nashorn schief läuft, macht ihm Van Heeren ein perfides Angebot, das Hunter an dessen moralische Grenzen führt. Wie wird er sich entscheiden?
"Trophäe" ist der neueste Roman der flämischen Autorin Gaea Schoeters, der jüngst in der deutschen Übersetzung aus dem Niederländischen von Lisa Mensing bei Zsolnay erschienen ist. Er dürfte zweifellos einer der polarisierendsten Romane des Jahres werden und auch auf der bevorstehenden Leipziger Buchmesse mit dem Gastland Niederlande & Flandern und dem Motto "Alles außer flach" für Aufregung sorgen. Und flach ist "Trophäe" keinesfalls. Dennoch ist das Buch insgesamt eher eine Enttäuschung, wenn man bedenkt, wie hoch die Vorschusslorbeeren aus den Niederlanden und Belgien waren - inklusive Literaturpreis der belgischen Sabam, dem Pendant zur deutschen GEMA.
Die erste kleinere Enttäuschung liefert dabei tatsächlich schon ein Blick aufs Cover. Dieser Blick des Nashorns, die kleinen Härchen am Ohr, das beeindruckende Horn. Was für ein prächtiges Foto! Denkt man zumindest auf den ersten Blick. Wer war denn dieser talentierte Fotograf? Werfen wir einen Blick auf den Schutzumschlag. Oh, es war die KI! Schade!
Alles andere als artifiziell oder enttäuschend ist hingegen von Beginn an Gaea Schoeters' Sprache. Ganz im Gegenteil ist sie sogar das große Plus des Romans. Es ist bemerkenswert, wie es der Autorin gelingt, dieses aus guten Gründen namentlich nicht näher benannte afrikanische Gebiet zum Leben zu erwecken. Diese drückende Hitze, die Geräusche und Gerüche. Die Schilderung der Landschaft. Die Beobachtung der Tiere. Dazu die plastische und authentisch wirkende Vorbereitung der Jagd. Das alles hat ganz große Sogkraft. In Frankreich wurde "Trophäe" auf dem Buchmarkt als Thriller verkauft. Es ist eine weise Entscheidung, dass Zsolnay das Buch im deutschsprachigen Raum als literarischen Roman herausgebracht hat. Die Intensität der Sprache hätte bei einem typischen Thriller-Publikum wohl nicht die ausreichende Würdigung erfahren. Und auch wenn "Trophäe" durchaus spannende Szenen zu bieten hat, fehlen dem Buch doch entscheidende Merkmale des Genres.
Wobei sich "Trophäe" in seinen schwachen Momenten dann doch den Thriller-Konventionen bedenklich nähert. Da ist zum einen die unerhörte Grausamkeit, die der Roman aufweist. Wer explizite und detaillierte Tötungen von Tieren verachtet und wessen Magen rebelliert, wenn sich ein "schmunzelnder Büffel" auf einen Menschen setzt, um ihm den Bauch mit den Hörnern aufzureißen, der mache besser einen Bogen um "Trophäe". Noch schwerwiegender ist allerdings der Zynismus, den Schoeters ihren Figuren entgegenbringt. Es ist schwierig, diesen näher zu erläutern, ohne auf den - etwas reißerisch - auf dem Klappentext so zitierten "ethischen Mindfuck" (Dimitri Verhulst) einzugehen. Es ist kein guter Umgang der Autorin mit ihren Figuren. Nicht einmal mit Dawid, einem Einheimischen, der so etwas wie der Good Guy des Romans und somit der Gegenpart des widerwärtigen Protagonisten Hunter White - der Name ist natürlich Programm - sein soll. Wenn man das Buch am Ende leicht entnervt zuschlägt, hat man das Gefühl, es gebe eigentlich überall nur Verlierer.
Was Schoeters hingegen hervorragend gelingt, ist die subtile Vereinnahmung ihrer Leserschaft. Es ist im positiven Sinne bemerkenswert perfide, wie sie diesen Hunter White vor allem zu Beginn des Romans darüber philosophieren lässt, warum die Großwildjagd doch eigentlich Naturschutz sei und warum auch das Land nicht nur finanziell, sondern auch ökologisch von seinem perversen Hobby profitiere. Zudem zwingt die Autorin die Leser:innen dazu, sich zu hinterfragen. Wo sind eigentlich die Grenzen von Ethik und Moral? Überschreiten wir diese vielleicht schon, wenn wir uns über ein erschossenes Nashorn aufregen, während wir unser Schnitzel genießen? Und wer regt sich noch über geschredderte Küken auf, wenn ein Großwildjäger seinen Fuß auf den geschossenen Löwen stellt? Hunter White macht dies natürlich nicht. Er sieht sich selbst als moralisch einwandfrei und für einen kurzen Augenblick ist man bereit, ihm zu glauben.
Schwach hingegen ist, dass sich "Trophäe" 250 Seiten lang thematisch wenig bewegt. Eine Jagd folgt der anderen. Mal wird ein Nashorn gejagt, mal ein Büffel, mal ein anderes Raubtier. Natürlich ist dies neben der Moral das Grundthema des Buches, aber etwas weniger monothematisch hätte es schon sein dürfen.
Gaea Schoeters' "Trophäe" ist ein Buch, das auf der einen Seite provozieren und wehtun möchte und auf der anderen Seite eine Haltung einfordert zu großen Themen wie Tier- und Naturschutz und Postkolonialismus. Ein legitimes Ansinnen, das letztlich aber daran scheitert, literarisch zu wenig abwechslungsreich zu sein und durch seinen Zynismus und die Grausamkeiten im Laufe des Romans immer mehr abzustumpfen. So ist die Aufregung um das Buch dann doch so ein wenig wie das Nashorn auf dem Cover: auf den zweiten Blick ein wenig künstlich.
Vermeintliche Rechtfertigung der Großwildjagd in Afrika; ethisch und moralisch erschütternd, schockierend – wortgewaltig und bildhaft
Eigentlich interessiert mich Jagd nicht, Großwildjagd schon gar nicht und mein Interesse an Afrika hält sich auch in Grenzen. Dennoch habe ich dieses Buch zur Hand genommen, weil mich die Ankündigungen dazu neugierig gemacht haben. Und ich habe es nicht nur nicht bereut, sondern bin begeistert von diesem Buch, obwohl es 'harter Tobak' ist. Ich kann jetzt schon sagen, dass es zu meinen Lesehighlights gehört und will versuchen zu erklären, was an diesem Buch so faszinierend ist, was es in meinen Augen zu einem Meisterwerk macht.
Der reiche Amerikaner Hunter White, der tatsächlich so heißt (ein sprechender Name), ist wieder mal in Afrika, um die Big Five voll zu machen. Nur das Spitzmaulnashorn fehlt ihm noch in seiner Trophäensammlung. Das ganze Jahr hält er sich fit, der Mann, der sonst in Finanz- und Immobiliengeschäften unterwegs ist. Die Jagd ist seine große Leidenschaft, von Kindheit an – das alleine schon schockierend. Sein Großvater hat ihn schon als Siebenjährigen mit auf die Jagd genommen und streng trainiert, was wir nach und nach aus den Erinnerungen erfahren, die Hunter immer wieder bedrängen und beschäftigen.
Einfach ist es nicht, ein Nashorn jagen zu dürfen. Man muss eine Lizenz beantragen, aber Hunter hat seine Beziehungen und in Afrika den Veranstalter Van Heeren, der sein Freund geworden ist und in dessen Lodge er residiert. Obwohl... residiert ist das falsche Wort, denn Hunter ist kein üblicher Jagdtourist. Er liebt es natürlich und einfach, er hat Respekt vor den Tieren und ganz viel Erfahrung. Das macht ihn vorerst leicht sympathisch, auch wenn man die Jagd ablehnt. Zudem scheint er ein Naturfreund zu sein; er 'sammelt Natur', das heißt, er kauft unberührte Gebiete, um sie vor Bebauung zu schützen. Na, ist das kein toller Mann, der 'die Welt vor der Zivilisation schützen möchte'?
Fast fällt man als Leser darauf herein, aber nach und nach wird in immer wieder geäußerten Gedanken seine ganze Überheblichkeit gegenüber der Jagd, den Tieren deutlich: ER, Hunter, der Jäger, der den Kick des Riskos liebt, beruflich wie bei der Jagd. ER, der Gute, der alleine das Recht hat, das Nashorn zu töten. Er und sein Freund Van Heeren wollen glauben machen, dass Trophäenjagd die einzige funktionierende Form des Naturschutzes und die einzige Überlebenschance für Spezies wie das aussterbende Spitzmaulnashorn ist? Ist die Jagd wirklich ein 'artgerechter, ehrenhafter Sport'? Beim Leser regen sich immer mehr Zweifel.
Leider geht die Jagd durch die Schuld anderer schief und Hunter ist am Boden zerstört. Was tun? Zurück in die USA und seiner Frau, die die Jagd nicht interessiert, die aber Trophäen liebt, ohne eine solche unter die Augen treten? Da hat Van Heeren eine Idee, die er Hunter so geschickt schmackhaft macht, dass dieser anbeißt und nachher nicht mehr zurück kann. Das Unheil nimmt seinen Lauf...
Das alles schildert die flämische Autorin Gaea Schoeters in überbordend bildhafter Sprache: die Natur, die Jagd, den Stamm der 'Bushmen' mit ihrer alten Kultur, was noch eine wichtige Rolle spielen wird, die vielfältigen Erinnerungen aus der Kindheit und Jugend, die Hunter zu dem geformt haben, was er heute ist: ein besessener, von sich allzu überzeugter Jäger. Hat man anfangs noch einen Hauch von Sympathie und überlegt, ob seine und Van Heerens Argumente bezüglich Naturschutz und Entwicklungshilfe stimmen könnten, verliert man mehr und mehr den letzten Funken von Verständnis für diese von einer unglaublichen Hybris getriebenen Männer. Sie merken noch nicht einmal, wie zynisch und menschenverachtend ihre Ansichten sind.
Dawid, ein intelligenter junger Stammesangehöriger, der Englisch spricht und in den USA studieren möchte, bringt es auf den Punkt: 'Für uns ist das Jagen eine Frage des Überlebens. Nicht des Egos. Oder der Trophäen.' Das sieht Hunter nicht so; sein von Überheblichkeit und Egozentrik geprägtes Weltbild gerät erst ins Wanken, als es zu spät ist...
Die Geschehnisse zum Schluss sind anstrengend zu lesen; sie sind geradezu grotesk und fordern dem Leser einiges ab. Aber – wie Denis Scheck sagt: Man muss auch mal in die dunklen Ecken gucken - sich schockieren lassen, um die moralischen und ethischen Dilemmata und die Verschiebung von Werten zu erkennen und sich mit dieser Problematik zu beschäftigen. Von daher ist das Buch ein großer Gewinn. Mir hat es vor allem die Erkenntnis gebracht, wie Menschen Argumente benutzen, um ihre aberwitzigen Ideen zu rechtfertigen und für ihre Zwecke zurechtzubiegen. Da braucht man sich nur mal umzusehen...
Fazit
Ein großartiges Buch, schockierend und wortgewaltig, ein Highlight für mich und eine unbedingte Lese-Empfehlung.
Hunter White hat eine sechsstellige Summe für den Abschuss einer geschützten Spezies ausgegeben – seine letzte Trophäe, um die „Big Five“ vollzumachen. Als die Jagd durch die Intervention von Wilderern missglückt, hat sein Guide einen Vorschlag: Wie wäre es mit den „Big Six“? Der Investmentbanker und Trophäenjäger steht, der Name verrät es, für die lange Reihe der Großen Jäger – „Größe“ erlangten sie durch die Zahl ihrer Abschüsse und ihre Rolle bei der Ausrottung von Arten.
Hunter ist als durchaus komplexer Charakter angelegt; man tut sich anfangs schwer, ihn zu verabscheuen. Er ist von Jugend an mit der Jagd sozialisiert worden und hat sich ein eigenes Wertesystem konstruiert, das auf den ersten Blick überzeugend wirkt, jedenfalls solange man seine Parameter akzeptiert. Deren Basis ist die absolute Akzeptanz des Jetztzustands. So ist Afrika! Wie es so geworden ist, spielt keine Rolle. Hunter interessiert sich nicht für Geschichte.
Es ist schon perfide, wie überzeugend Schoeters die Argumente der Lobby für Jagdlizenzen reproduziert. Ihr Stil ist sachlich, ihr Auge eine Kamera, die dokumentiert, aber nicht wertet. Man muss sich selbst entscheiden, ob man Hunter auf den Leim gehen will, und das ist erstaunlich schwierig. Schoeters zieht uns in eine ebenso abgründige wie exotische Realität; schaudernd folgt man ihr auf ihrem Abstieg in die ethischen Niederungen ihres Protagonisten.
Wenn man sich auf Schoeters Roman einlässt, weiß man von vornherein, dass drastische Szenen thematisch unvermeidlich sind. Insofern hatte ich mit den blutigen, brutalen Details auch kein Problem. Was ich nicht erwartet habe, war eine gewisse Abstumpfung oder vielleicht Ermüdung. Vor allem interessierte mich nach einiger Zeit der Protagonist nicht mehr, dessen Psychologie kontinuierlich durch Flashs in die Vergangenheit vertieft wird. Dass bei der Jagd Machtgefühle eine große Rolle spielen, ist keine bahnbrechende Erkenntnis, die haben auch unsere heimischen Jäger und bemänteln sie mit viel Ritual. Hunter ist als Großwildjäger lediglich die XXL-Variante; da interessiert es mich nicht, wer in seiner Familie seinen Charakter versaut hat, excuse my French.
Hat man die Brüchigkeit von Hunters Rechtfertigungskonstrukt durchschaut, verliert der Roman an Momentum, denn seine Argumente wiederholen sich notgedrungen und nehmen in jedem Kapitel viel Raum ein. Ähnlich ging es mir mit dem Thema der Jagd. Jeder der fünf Teile des Romans schildert eine; Schoeters macht das sehr kenntnisreich, sinnlich und überzeugend, und zunächst ist das ungemein fesselnd. Die Jagden und ihr Umfeld dienen als grelle Folie für so ziemlich jede Ausbeutung, die Afrika durch den Westen bisher erleiden musste; aus meiner Sicht bekam es an der Stelle Längen und lenkte vom eigentlichen Thema des Romans ab.
Dennoch hatte die Lektüre Sog, vor allem, nachdem wir nähere Bekanntschaft mit dem benachbarten Dorf indigener Jäger gemacht haben. Dem Stamm kommt eine Schlüsselrolle zu; bald wird klar, auf welche Beute Hunter am Ende Jagd machen wird, und man möchte erfahren, ob das Unsägliche wirklich geschehen wird. Wird er es tun? Werden die Afrikaner es zulassen? Was ist der Wert eines Menschenlebens? Schoeters zeigt uns, wie das kapitalistische Denken des Westens auch die afrikanische Wirklichkeit durchdringt. Das Leben der Afrikaner war immer schon hart; heute ist es der Raubtierkapitalismus der Weißen, der ihr Überleben bedroht.
Als Hauptthema jedoch sehe ich den biblischen Glauben an den Menschen als „Krone der Schöpfung“, der bis heute Bestand hat. Immer noch halten wir es für selbstverständlich, dass ein Menschenleben wertvoller ist als ein Tierleben. Indem Schoeters ihren Großwildjäger das letzte Tabu durchbrechen lässt, entlarvt sie die animalische Natur des Menschen und verwischt gleichzeitig die Grenzen zwischen Mensch und Tier. Je göttlicher der Mensch sich vorkommt, desto unmenschlicher ist sein Verhalten.
Sensible Leser:innen kann das an ihre Grenze bringen, der permanente Aufenthalt in Hunters Kopf fordert seinen Tribut. Auch ich war bei der Lektüre so ambivalent wie selten. „Trophäe“ ist kein schönes Buch, hat aber viel Denkstoff zu bieten.
Ein Hobby/eine Leidenschaft (Jagen), das ich nicht teile, ein Typ von Mann (Hunter White), um den ich schon immer einen großen Bogen im realen Leben gemacht habe, ein Vorhaben (tödliche Jagd auf einen Menschen), das ich widerwärtig finde. Und doch war ich fasziniert von diesem Buch! Warum?
Die niederländische Autorin schenkte mir einen Blick in eine mir unbekannte Welt in Afrika und auf Gebräuche + Gedankengänge, die mir fremd sind. Um sie nachvollziehen zu können, müsste man ‚in ihren Schuhen laufen‘, unter ihren Lebensumständen leben und die Geschichte dieses afrikanischen Stammes haben.
Die Rückblicke auf Hunters Vergangenheit mit der dominanten Rolle des Großvaters halfen mir, manches bei Hunter nachvollziehen zu können. Auch sein Faible für die Jagd und seine Begeisterung für die Schönheit der afrikanischen Landschaft. (S183: „Das hier ist der Glanz aus der Zeit vor der Zivilisation. Ein Mikrokosmos in einem vollkommen natürlichen Gleichgewicht. Unberührt. Unversehrt. Das hier ist das Afrika seines Großvaters, das Afrika aus den Abenteuerbüchern seiner Jugend………….)
Äußerst interessant fand ich die Informationen, die fast nebenbei gestreut waren: ‚Nur wer gejagt wird, sieht nach hinten‘, wie die Unfähigkeit des Laufkäfers von den Skorpion-Jägern genutzt wird oder die knallroten ‚Neuntöter‘, die ihre eigenen Trophäenzimmer halten.
Gut, an etlichen Stellen stellten sich meine Nackenhaare auf, gewaltig schlucken musste ich auch bei manchen Szenen, einiges kam mir auch sehr übertrieben vor, aber mir hat das Buch (übersetzt von Lisa Mensing) gefallen! Es war schließlich kein Sachbuch, sondern ein Roman, der unterhalten sollte. Und das hat er! Bestens! 5 Sterne bekommt er deshalb von mir und eine große Leseempfehlung!
„Trophäe“ macht nicht nur etwas mit einem, sondern ganz viel und das auf unerwartete und nicht unbedingt eine „gute“ Weise. Wenn man davon ausgeht, dass Literatur den Horizont erweitert, zum Nachdenken anregt und im Idealfall auch dazu führen kann, dass man Haltungen und Positionen hinterfragt und überdenkt, sich eventuell neu ausrichtet, dann ist Gaea Schoeters‘ Roman ein vorbildliches Stück Literatur – und zwar nicht nur hinsichtlich des Wirkungspotenzials.
Dabei ist das vordergründige Thema des Romans so gar nicht begeisternd. Der mit einem wunderbaren sprechenden Namen ausgestattete Protagonist von „Trophäe“, Hunter White, reist zum wiederholten Male nach Afrika zur Großwildjagd. Diese wird, wie immer, von Hunters Jagdveranstalter van Heeren (noch ein gut gewählter sprechender Name), organisiert. Auf dem Programm steht dieses Mal ein Spitzmaulnashorn, das Hunter nach der Jagd präpariert und ausgestopft seiner Gattin als Geschenk überreichen möchte. Hunters Ehefrau, die zwar keinerlei Interesse an der Jagd hat, ist eine äußerst hingebungsvolle Trophäensammlerin. Giraffe, Löwe, Büffel, Leopard, Elefant – alles schon vorhanden, daher nun also ein Nashorn.
Wenn ich das so schreibe, hört sich die Sammlung, das Hobby, die Art des Liebesbeweises an die Ehefrau, überhaupt das Ansinnen, einer solchen Tätigkeit mit Leidenschaft nachzugehen, völlig pervers und widerlich an, aber – und da setzt der von Dimitri Verhulst auf der Buchrückseite angekündigte „Mindfuck“ ein (ein Wort, das ich nicht mag, das aber nirgendwo zutreffender sein könnte als hier) – so wie Gaea Schoeters ihren Roman konzipiert hat, wie sie mit Hunter als Fokalisierungsinstanz die Jagd lebt und die Rahmenbedingungen beschreibt, fängt man ungläubig und staunend an, das Ganze erst einmal als völlig einleuchtend wahrzunehmen. Erst nach ein paar Seiten fällt einem auf, wie umfassend und vollkommen man von Schoeters‘ glänzender Prosa und ihrer kompromisslosen Sympathielenkung eingelullt und manipuliert wurde. Zu diesem Abstand, dieser Distanz muss man sich immer wieder zwingen. Man weiß, dass das, was hier geschildert wird, allem zuwiderläuft, woran man glaubt, aber man kann nicht anders, als atemlos dem Verfall der Moral zu folgen, als gebannt auf die Seiten zu starren, während die Ethik ohne Rücksicht auf Werte und Skrupel aus dem Ruder läuft und man trotz allem Widerwillen einfach nur wissen will, zu welchem Ende diese Jagd durch Urinstinkte, die Rivalität zwischen westlichem Luxus und afrikanischem Pragmatismus führen wird.
Der Protagonist Hunter White wird von der Autorin mit sehr viel Vergangenheit ausgestattet, seine Figur ist schlüssig und bis zu einem bestimmten Punkt (den ich hier auf keinen Fall näher benennen möchte) völlig nachvollziehbar. Er ist die personifizierte Jagd, der Überlebensinstinkt in Person, der es in seiner Fokussierung und seinem Jagdtrieb locker mit Kapitän Ahab aus Herman Melvilles „Moby Dick“ aufnehmen könnte. Die afrikanische Natur, in der der amerikanische Jäger so überfordert und verloren ist, führt in Schoeters‘ Roman ein Eigenleben. Die Weite der afrikanischen Jagdgebiete ist lebendig, wunderschön, lebensbedrohlich und grausam, reduziert sich auf den für alle Lebewesen letztlich nur zu verlierenden Kampf ums Überleben.
Dieser Roman ist in seiner Diskussion von Moral, Würde, Leben, Tod und Leidenschaft umwerfend. Gesellschaftskritisch, zynisch und bei allem Wahnsinn pragmatisch, entlarvt er westliche Besserwisserei und zwingt zur Selbstreflexion, denn „westliche Moral ist ein Luxusprodukt, das man sich leisten können muss“ (S. 103) und „Trophäe“ ist Afrika.
Für mich hat der Roman alles, was es für einen Klassiker braucht. Er ist hervorragend geschrieben, diskutiert ohne Urteil oder Belehrung Moral und Ethik – stellt diese großen Konzepte quasi zur Disposition – und manipuliert und beherrscht den Leser und dies alles in einem thematisch fast zeitlos anmutenden Rahmen, denn die Jagd hat hier in ihrer Darstellung etwas sehr Antiquiertes, Urzeitliches. „Trophäe“ ist ganz harter Tobak, nichts für zartbesaitete und empfindsame Seelen, aber ganz sicherlich eine unvergessliche und herausragende Lektüre für alle Leser, die sich weit außerhalb von komfortablen Themen an unbequemes Denken herantrauen.
Hunter White heißt der Protagonist, und der Name ist Programm: er ist der weiße Jäger. Er liebt das Jagen und wurde von frühester Kindheit von Vater und Großvater an die Jagd herangeführt. Er weiß wie jeder Jäger, dass die Jagd auch eine ethische Seite hat: der Schuss muss sitzen, eine Nachschau muss vermieden werden, und wenn ja, dann muss das Tier schnellstmöglich getötet werden, um sein Leiden abzukürzen.
Hunter White liebt auch Trophäen, und auch seine Frau freut sich über die Präparate seiner Jagderfolge. In seiner Trophäensammlung der Big Five fehlt ihm jedoch noch ein Tier: das Nashorn. Und so verabredet sich Hunter White mit seinem Freund van Heeren zur ungesetzlichen Jagd im südlichen Afrika.
Van Heeren ist ein Geschäftsmann, der weltweit große Landstriche aufkauft, um sie vor der Zerstörung, der Zersiedlung etc. zu retten, und so auch hier in Afrika. In seinem Gebiet liegt ein Dorf, das er unterstützt, und sein finanzieller Einsatz und sein Schutz ermöglichen es den Bewohnern, ihre Traditionen lebendig zu erhalten und wie ihre Vorfahren zu leben und zu jagen. Weil der Abschuss des Nashorns durch Wilderer nicht wie geplant abläuft, nimmt van Heeren seinen Freund auf einen Hochsitz mit, von dem aus sie die traditionelle Jagd von zwei Jungen aus dem Dorf beobachten. Hunter White, der weiße Jäger, ist fasziniert von der Naturkenntnis, der Beobachtungsschärfe, dem Eins-Sein mit der Natur, aber auch von der Schönheit der Bewegungen. Er empfindet die beiden Jungen als Teil der sie umgebenden Natur und ist sexuell erregt.
Van Heeren beobachtet die Reaktion seines Freundes und bietet ihm daher die Big Six an – und nun entfaltet sich ein Jagderlebnis der besonderen Art. White befürchtet, dass er vom Jäger zum Gejagten wird und wird an die Grenzen seiner selbst getrieben. Am Ende durchschaut der weiße Jäger das makabre und menschenverachtende Spiel der Jagd, und er verliert seine Illusionen über den Naturschutz seines Freundes.
Auch der Leser verliert seine Illusionen, sollte er welche gehabt haben. Schritt für Schritt erkennt er das neokoloniale Denken der weißen Protagonisten und ein perfides Abhängigkeitssystem, in dem auf beiden Seiten gegeben und genommen wird. Umweltschutz und Liebe zur Natur werden hier ins Gegenteil verkehrt, Gewissenlosigkeit und Geldgier korrumpieren die Menschen. Ethik und Moral sind lediglich die äußere Tünche.
Das Buch besticht mit seinen grandiosen und detaillierten Naturbeschreibungen, die mit quälenden Szenen und mit fast alptraumartigen Sequenzen kontrastiert werden.
Ein beeindruckendes Lese-Erlebnis mit einem aufwühlenden Schlussbild, das die Antwort auf die aufgeworfenen ethischen Fragen dem Leser überlässt.
Hunter White, nomen est omen, der weiße Jäger.
Er gehört zu der erlauchten Clique der Großwildjäger, in bester Gesellschaft mit gekrönten Häuptern und denen, die viel Geld haben. Er hat ein evolutionistisches Weltbild, der Mensch ist das am höchsten entwickelte Tier und deshalb hat er das Recht es zu jagen. Survival of the fittest ist sein Credo, auch in seinem mitleidlosen Metier des Spekulanten.
Er ist wieder einmal in Afrika, um die Nummer Fünf seiner Big Five endlich als Trophäe mit nach Hause zu bringen, das Spitzmaulnashorn.
Da dieses unter Artenschutz steht, wird der Leser bekanntgemacht mit all den verschlungenen Wegen, die man in diesem Teil Afrikas gehen kann, um zum Ziel zu kommen und das mit reinstem Gewissen.
Hunter ist stolz auf seine generationenalte Jägertradition und "Ethik hat überall auf der Welt die gleiche Farbe: die des Dollars, das hat Hunter gelernt."
Er lässt den Leser teilhaben an seinen Überlegungen zu Technik, Moral, Psychologie und Philosophie des Jagens von Urzeiten an, wobei er sich in abenteuerliche Höhen und Tiefen versteigt, wie zum Beispiel: "weil er ein Mann ist, tötet er", oder: "die Unterwerfung als Bestätigung unserer Vorherrschaft über alle andere Lebewesen", er meint: "er tut nur das was der Mensch tat, als er noch ein Tier war", "die Welt ist nun einmal in Jäger und Beute unterteilt". Er hat tausend gute Gründe für das Recht zu töten.
Es ist nur logisch, dass man ihm auch die Big Six anbietet, Nummer Sechs wäre die Jagd auf einen Menschen.
Er wird zu dem Volk der San gebracht, die schon zwanzigtausend Jahre in diesem Teil der Welt leben, in ergebener Abhängigkeit zu ihren Göttern, sie halten den egomanischen Individualismus für eine Krankheit.
Hier lernt Hunter seinem Wunsch gemäß das wahre Afrika kennen, aber anders als er sich das gedacht hat, er begegnet seinem Schicksal.
Die Autorin hat nicht umsonst den großen Preis Jan Wauters für ihren kreativen Umgang mit Sprache gewonnen, auch dieses Buch ist preisgekrönt.
Ein Werk, aus dem man viel lernen kann, auch wenn man sich überhaupt nicht für die Jagd interessiert, auch wenn man sie verabscheut sollte man dieses Buch erst recht lesen. Man wird überrascht und in atemlose Hochspannung versetzt, keine einzige langweilige Seite, kein überflüssiges Wort. Ich bin begeistert!
Das Cover gefällt mir nicht, ich finde es wird der außergewöhnlichen Dramatik des Buches nicht gerecht.
John Hunter White geht seiner Lieblingsbeschäftigung nach, während seine schöne Frau in Mexico weilt. Normalerweise entwirft Hunter Investitionsblasen, mit denen er seine Käufer blendet. Bevor die Blase platzt holt er das Maximum raus. Es ist durch und durch unethisch, aber schnelles Geld.
Van Heeren hat ihn wieder einmal nach Afrika eingeladen. Er betreibt eine Lodge umgeben von einer Unmenge Land, an den Grenzen zum Nationalpark. Hunter hatte schon alles vor der Linse, wendige Springböcke, schlanke Antilopen, gefräßige Löwen, sogar eine Giraffe, aber das war irgendwie unschön. Das stolze Tier hat sich gar nicht gewehrt. Selbst einen unberechenbaren Büffel, auf diese Drecksviecher verzichtet er lieber. Die rennen einfach weiter, selbst wenn man ihnen längst einen Krater zwischen die Augen verpasst hat. Hunter weiß genau, dass er in der Nahrungskette ganz oben steht.
Hier, die Gefahr zum Greifen nahe, kann er sein, wer er wirklich ist. Er, Hunter, Mann. S. 27
Van Heeren hat Hunter einen, von nur noch drei Spitzmaulnashornbullen angeboten. Eigentlich stehen sie unter Naturschutz, aber Van Heelen hat in seinem Bestand ein älteres Männchen, das den beiden jüngeren Konkurrenz macht und bevor er die anderen noch verletzt, hat Van Heelen ihn vernünftigerweise zum Schuss freigegeben. Hunter hat für die Jagdlizenz einen sechsstelligen Betrag investiert, für den er extra eine neue Firma eröffnet hat, aber was tut man nicht alles für ein ausgefallenes Geburtstagsgeschenk für die Gattin.
Seit über zwei Jahrzehnten jagen sein Gastgeber und er zusammen. Auch Van Heeren freut sich auf morgen. Nicht jeden Tag, macht einer seiner Gäste die Big Five voll.
Fazit: Ganz großes Kino. Die Geschichte läuft wie ein Film vor Augen ab. Ich war mittendrin, habe geschwitzt, mich verausgabt, gefürchtet und erschrocken. Von Anfang an gewann ich den Eindruck, dass der Protagonist ein selbstgefälliger Mensch ist und das, was er vorhat, nicht richtig. Doch dann flicht die Autorin gute Gründe ein, warum er so tickt und ich verstehe ihn. Der Logebetreiber macht plausibel, warum er selbst bestimmte Ideen protegiert und ich gerate ins schwanken. Am Ende wird mir ganz schwummrig, weil ich richtig und falsch nicht mehr auseinanderhalten kann. In dem Roman stecken so viele Informationen. Ich erfahre viel über die uralte Befölkerung, die fast ausgerottet wurde und deren Lebenseinstellung, ohne von Wissen erschlagen zu werden. Gaea Schoeters führt mir auf gekonnte Art vor, was Doppelmoral bedeutet. Wie verwerflich Menschen gestrickt sind und überlässt mich am Ende der Überzeugung, dass Geld eben doch ganz schön stinkt. Ich liebe dieses Buch, weil es mich fassungslos gemacht hat.
Die Hauptfigur heißt passenderweise Hunter White. Der Name ist Klischee und Programm zugleich. Hunter stammt aus einer Familie von Jägern, ist nach einem Jäger benannt und benimmt sich mit jeder Faser seines Wesens wie ein weißer Jäger. Ob beruflich oder privat, für ihn ist alles eine Jagd. Er scheffelt eine Menge Geld mit diversen Investments um sich Lizenzen für den Abschuss seltener Wildtiere in Afrika zu kaufen. Und er beglückt mit diesen Trophäen auch seine Frau, die scheinbar ebenfalls von ausgestopften toten Tieren sehr angetan ist. So ist die aktuelle Trophäe als Geschenk zum Hochzeitstag eingeplant. (Da fragt man sich schon ein bisschen, wann der gute alte Blumenstrauß so sehr aus der Mode gekommen ist...) Und so stampft Hunter durch Afrika und stellt sich als Krone der weißen Schöpfung dar. Klüger, schneller, überlegener. Der sich gerne in inneren Monologen über die Jagd allgemein, Männlichkeit und der guten alten Zeit nachtrauen, als man noch alles wegballern konnte was einem vor die Flinte kam. Und überhaupt Afrika. Kurzum: so ein richtig schön unsympathischer Mensch.
Blöd nur, dass sich Afrika als wesentlich komplexer darstellt, als Hunter sich das vorgestellt hat. Über Themen wie Natur- und Artenschutz, Schutz von Lebensraum für Ethnien, Vertreibung, die Auswirkungen von Kolonialisierung bis heute, Moral - da gehen dem guten Hunter dann doch ganz schön die Augen auf. Gelegentlich blitzen bei ihm Gedankengänge auf, die ihn ein bisschen weniger überheblich erscheinen lassen.
Das Buch hat mich gleichzeitig fasziniert und schockiert. Ich fand den Stil wunderbar. Leise erzählt, ohne Hektik, aber mit sehr viel Spannung und sehr gut platzierten Details. Da gibt es z.B. eine Szene, in der ein Nashorn einfach nur an einem Strauch steht und frisst. Aus dieser an sich banalen Szene hat die Autorin etwas wunderschönes geschaffen, das innehalten lässt, dass einem direkt dieses Tier in all seinen Facetten vor Augen führt. Als betrachte man ein Gemälde. Diese sehr detaillierten Szenen sind nicht überladen und in der gesamten Geschichte genau an den richtigen Stellen positioniert. Ich finde das toll gemacht und es hat dem Buch das gewisse Etwas gegeben.
Die Handlung selbst ist schockierend. Die Aussagen und auch Reaktionen von Hunter sind schockierend, selbiges von seinem Jagdveranstalter. Es verschlägt einem oft einfach nur die Sprache und manchmal musste ich Stellen nochmals lesen, weil ich mir nicht sicher war, ob das wirklich so geschrieben stand, wie ich es gelesen habe. Obwohl das Buch nicht sonderlich umfangreich ist, ist es doch komplexer als man es auf den ersten Blick vermutet.
Mir hat das Buch unheimlich gut gefallen, weil es so viele unterschiedliche Themen behandelt und auch, weil es zu Abwechslung mal einen Hauptcharakter hat, den man so wirklich aus tiefster Seele verabscheuen kann.
Der weiße Jäger und die afrikanischen Mächte
John Hunter White kennt sich mit der Jagd auf Großwild aus. Schon sein Großvater hatte in Afrika Nashörner im Auftrag der Regierung gejagt und, als sein Vater von einer Bärenjagd nicht mehr zurückgekommen ist, seine Jagderziehung übernommen. Heute führt Hunter ein erfolgreiches Unternehmen und frönt seiner Leidenschaft, Großwild in Afrika zu schießen. In seiner Trophäensammlung fehlt nur der Big Five – das Nashorn, eines der mächtigsten Tiere auf der Erde. Sein Freund und afrikanischer Mittelsmann van Heeren hat ihm die Lizenz für diese Jagd besorgt und nun konzentriert er sich auf diese einmalige Chance, seiner Ehefrau die versprochene Trophäe als Geschenk mitzubringen.
Als Wilderer ihm seine Beute wegschnappen und das Scheitern nicht wiedergutzumachen scheint, bietet ihm van Heeren die sechste, die seltenste und die gefährlichste Trophäe an.
Meine persönlichen Leseeindrücke
John Hunter White verkörpert den Inbegriff des weißen Jägers, der im afrikanischen Busch mit seinen Dollars unter Artenschutz stehende Tiere schießt. Er spielt die Rolle des westlichen Protz, und viele reagieren mit Ablehnung. Ich jedoch bin fasziniert von dem psychologisch höchst differenzierten Bild des Protagonisten. Seine Jagdethik ist für mich nachvollziehbar, vielleicht weil ich selbst keine Ablehnung gegen die Jagd hege, wenn die Randbedingungen stimmen.
Vollkommen unvorbereitet treffen Hunter und van Heeren auf die afrikanische Realität des Wilderns. Es scheint zum ersten Mal passiert zu sein, dass Hunter direkt von diesem gesetzeswidrigen Handeln betroffen ist. Tief sitzt die Wut und Verzweiflung über die verlorene Trophäe. Hunter ist verletzt und frustriert, und da er die Behörden bei der Aufklärung des Vorfalls unterstützt, darf er vorerst das Land nicht verlassen.
Damit beginnt der Roman „Trophäe“ und geschickt baut Gaea Schoeters ihre Erzählung auf. Am Anfang steht die Großwildjagd in Afrika, eine in unserer westlichen Welt hochsensible Thematik. In dieses Treiben verwickelt sie erste Nuancen einer Realität, die mir so nicht bekannt ist. Die Jagdethik der afrikanischen Stämme, so steht zu lesen, unterscheidet sich von Hunters vor allem durch die Ernährungsfrage. Die Jagd schützt das natürliche Gleichgewicht im Wildbestand, und es werden nur Tiere entnommen, die für den Erhalt der Population nicht mehr notwendig sind oder den Stämmen gefährlich werden. Jagen ist töten, auch wenn ein weißer Jäger tötet, das Tier ist nicht umsonst gestorben – denn nur die Trophäe verlässt den Kontinent.
In dieser Stimmung verändert Gaea Schoeters schleichend die Jäger-Beute Rolle. Sie leitet das teuflische Psychospiel van Heerens ein, der Hunters Gedanken erkennt, seinen Jagdinstinkt wahrnimmt und herausfordert und ihm den „Big six“ die sechste, die seltenste und die gefährlichste Beute anbietet.
Damit ändert die Autorin den Fokus der Geschichte - es braucht eine Weile, bis ich es verstehe - und tischt in perfider Brillanz eine afrikanische Gesellschaft auf, in der ein Menschenleben keinen Wert hat, ein Leben, bei dem es ums Überleben der Gemeinschaft geht und nicht um den Einzelnen. Diabolisch kentert sie damit mein Gehirn, durchbricht meine Barriere der westlichen Wertgefühle und ich akzeptiere Hunter, in Gedanken, mit Verstand aber ohne Jagdinstinkt.
Wenngleich Hunter mit sich kämpft, was ihn nur noch menschlicher macht, mutiert er unbewusst zum Opfer. So stark sein Jagdinstinkt auch sein mag, im entscheidenden Moment übernimmt der Verstand und sein anerzogenes ziviles Pflichtbewusstsein entscheidet die Jagd.
Fazit
„Trophäe“ von Gaea Schoeters ist ein Jahreslesehighlight. Die Autorin, die niemals afrikanischen Boden betreten hat, nimmt die Großwildjagd in Afrika als Vorwand, um ein Leben zu präsentieren, das in keinem Punkt mit westlicher Denkweise gefühlt oder verstanden werden kann. Hunter als überlegener Weißer wird zum Spielball der afrikanischen Mächte.