Totenwelt

Buchseite und Rezensionen zu 'Totenwelt' von Michael Jensen
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Totenwelt"

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:384
Verlag:
EAN:

Rezensionen zu "Totenwelt"

  1. Gute Fortsetzung

    Der zweite Fall des ehemaligen Kommissars Jens Druwe knüpft da an, wo der erste aufhört, nämlich im Flensburg der Zeit des Kriegsendes. Vesuchten im ersten Teil die Ratten das sinkende Schiff zu verlasen, so geht es hier eher um die wahnwitzigen Vorstellungen der noch von Hitler ernannten Dönitz-Regierung, noch irgendeine Rolle in der internationalen Nachkriegspolitik und beim Wiederaufbau Deutschlands zu spielen. So ist es denn ausgerechnet der neue Reichsinnenminister Stuckart, der Druwe das verführerische Angebot macht, in führender Position am Neuaufbau der Polizei mitzuwirken, wobei es aber offensichtlich weniger um eine Selbstreinigung als um die Weiterbeschäftigung nicht ganz so hochrangiger Nationalsozialisten geht. Druwe lässt sich in Unkenntnis der wahren Motive und Hintergründe Stuckarts (immerhin ein knallharte Rassenideologe, der auch Teilnehmer der bberüchtigten "Wannsee-Konferenz" war) zunächst darauf ein. Damitr gerät er in ein Machspiel zwischen der neuen Regierung, nach wie vor aktiven SS-Schergen und den divergierenden Interessen verschiedener Abteilungen der neuen britischen Besatzungsmacht. Und ausgerechnt da nimmt ein ehemaliger Kollege aus Berlin Kontakt zu ihm auf, der aus der Erbmasse der Abwehr um den Admiral Canaris brisantes Material über führende Nazigrößen übernommen hat, das er nun gegen Startkapital und Zusicherung von Straffreihet an die Briten aushändigen mächte. Druwe vermittelt ein Geheimtreffen, das jedoch mit dem Tod sowohl des britischen Offiziers als auch des Informanten endet. Druwe ist schnell klar, dasss die beiden sich nicxht gegenseitig erschossen haben können, also muss er in dem o.g. Interesengeflecht wie auf einem Gelände mit Tretminen agieren, am Ende nur jhalb erfolgreich, da es ihm zwar gelingt, die Tat aufzuklären, aber nur um den Preis der eigenen Freiheit.

    Wie schon im Vorgängerroman gelingt es Michael Jensen die Stimmung im unverhofft zur inoffiziellen "Reichshauptstadt" Flensburg einzufangen. Da der Band inhaltlich und zeitlich eng mit dem Vorgänger verknüpft ist, empfiehlt es sich, sofern man diesen noch nicht kennt, damit einzusteigen.

    Teilen
  1. Beeindruckender zeitgeschichtlicher Krimi mit Tiefgang

    Der fesselnde historische Kriminalroman »Totenwelt« von Michael Jensen ist bereits der zweite Band des unter Pseudonym schreibenden norddeutschen Schriftstellers, Therapeuten und Arztes, und setzt die interessante Krimi-Reihe rund um den eigenwilligen Ermittler Jens Druwe fort.
    Hierin widmet er sich einem schwierigeren, meist wenig beachteten aber nicht minder faszinierenden Kapitel deutscher Zeitgeschichte – der „Stunde Null“, einer unglaublich ereignisreichen Zeit unmittelbar nach Zusammenbruch des Dritten Reichs und dem Ende des Zweiten Weltkriegs sowie der allgemeinen Verunsicherung, die im plötzlich „Führer“-losen Deutschland herrschte.
    Nachdem die Handlung des gelungenen Debüts „Totenland“ in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs im April 1945 gespielt hatte, setzt der neue Fall mit einem rätselhaften Doppelmord im Mai 1945 ein und führt nahezu nahtlos die Geschichte rund um Jens Druwe weiter.
    Auch diesmal ist es dem Autor wieder hervorragend gelungen, in die spannende Krimihandlung eine Vielzahl historischer Fakten und Geschehnisse einzuflechten und zugleich sehr ausführlich und anschaulich auf die vielfältigen durch Krieg und Nazi-Terror verursachten Traumata aber auch die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Täter, Mitläufer und Opfer einzugehen.
    Mit seiner Geschichte hat sich Jensen ein faszinierendes Kuriosum jener Zeit herausgegriffen, das den Größenwahn der besiegten NS-Schergen und den Irrsinn jener Zeit verdeutlicht, denn nach Hitlers Selbstmord wurde die Stadt Flensburg in den letzten Tagen des „Dritten Reiches“ für 3 Wochen im Mai 1945 zu einem Zufluchtsort führender Köpfe der NS-Regierung. Während der kurzen Episode von Kapitulation bis zu ihrer Verhaftung regierte Großadmiral und Reichspräsident Karl Dönitz nebst seinen Getreuen auf dem Gelände der Marineschule Mürwik einfach weiter. Auch das Oberkommando der Wehrmacht, die Reichsführung, die SS und viele hohe NS-Funktionäre, darunter Himmler, Jodl, Höß oder Speer waren dort untergetaucht. Zunächst völlig unbehelligt von der britischen Besatzungsmacht konnten viele Nazi-Verbrecher wichtige Dokumente vernichten, eine neue Identität annehmen und ihre Flucht organisieren, um einer Verfolgung als Massenmörder und Vollstrecker des Holocaust zu entgehen.
    Gekonnt lässt uns Jensen ins Norddeutschland des Mai 1945 eintauchen und zeichnet ein sehr stimmiges, authentisches Bild der damaligen Zeit. Er umreißt die unendliche Not und das schwierige Alltagsleben der notgeplagten Bevölkerung nach Untergang des NS-Staats und lässt uns exemplarisch am Schicksal der Menschen teilhaben, deren Welt völlig aus den Fugen geraten ist und sich neu orientieren müssen.
    Das legendäre Canaris-Archiv, das brisante Akten über viele NS-Persönlichkeiten und Industrielle enthielt und von Mitarbeitern des Leiters der deutschen Abwehr vor der Vernichtung gerettet wurde, bildet den historischen Hintergrund und Ausgangspunkt für Jens Druwes neuen Fall.
    Äußerst fesselnd ist es mitzuerleben, wie Druwe während seiner Ermittlungen im Auftrag des Leiters der britischen Militärpolizei Major Griffith durch seinen britischen Vorgesetzten Captain Vaughn zunehmend ausgebremst wird. Noch beschäftigt mit dem Auftrag der provisorischen Reichsregierung, einen neuen funktionsfähigen Polizeiapparat aufzubauen, gerät er mitten in die politischen Machtspiele und zwischen die Fronten der britischen Besatzungsmacht und Geheimdienstinteressen, so dass er schon bald niemandem mehr trauen kann. Die vielschichtige und geschickt in den historischen Kontext eingebettete Krimihandlung zieht den Leser rasch in ihren Bann, so dass einige Schwächen in der dramaturgischen Umsetzung nicht sehr ins Gewicht fallen.
    Parallel zur spannenden Kriminalhandlung vermittelt der Autor sehr aufschlussreiche Einblicke in die anfänglich sehr unkoordinierte Arbeit der britischen Besatzer, die in Norddeutschland zunächst in Händen der britischen Militärpolizei lag. Weniger die Aufarbeitung des nationalsozialistischen Unrechts sondern vielmehr die Bewältigung der dringlichsten Probleme des Nachkriegsalltags und die rasche organisatorische Umgestaltung von Verwaltung und Strafverfolgung waren ihre vorrangigen Aufgaben.
    Der Krimi lebt neben den ausgezeichnet dargestellten und hervorragend recherchierten historischen Zusammenhängen vor allem von seinen vielschichtig und authentisch gezeichneten Figuren, in deren Gefühls- und Gedankenwelt man sich gut hineinversetzen kann.
    Hervorragend hat mir der facettenreiche Charakter von Jens Druwe gefallen. Einst in der Berliner Mordkommission vom legendären Kripochef Gennat ausgebildet ist er nun als Dorfpolizist abgeschoben. Er ist ein gezeichneter, körperlich versehrter Mann, in beruflicher und menschlicher Hinsicht vielfach gedemütigt und mit großen Schuldkomplexen beladen, da er sich im Krieg nicht dem NS-Regime entgegen gestellt hat. Trotz seiner vielen Zweifel und Unsicherheiten kämpft er um Gerechtigkeit und versucht stets, das Richtige zu tun. Auch einigen aus dem ersten Band bekannten Charakteren begegnen wir wieder.
    In seinem lesenswerten Nachwort erläutert Michael Jensen, dass er sich sehr um die unverfälschte Darstellung von historischen Fakten und Ort bemüht hat, erklärt zudem viele zeitgeschichtliche Hintergründe und verdeutlicht seine persönliche Sicht auf seinen Hauptcharakter.
    Man darf schon gespannt sein, wie es mit Jens Druwe im dritten Band dieser beeindruckenden Krimi-Reihe weitergehen wird.

    FAZIT
    Ein interessanter, atmosphärisch dichter Kriminalroman, der sich mit einer wenig bekannten Episode unmittelbar gegen Ende des Zweiten Weltkrieges und den vielfältigen Folgen des Kriegs befasst – erschütternd, fesselnd, lehrreich und nachdenklich stimmend. Sehr lesenswert!

    Teilen