A Thousand Ships – Die Heldinnen von Troja

Buchseite und Rezensionen zu 'A Thousand Ships – Die Heldinnen von Troja' von Natalie Haynes
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Inhaltsangabe zu "A Thousand Ships – Die Heldinnen von Troja"

Format:Taschenbuch
Seiten:384
EAN:9783423218658

Rezensionen zu "A Thousand Ships – Die Heldinnen von Troja"

  1. Der weibliche Blick auf ein androzentrisches Mythos

    Der Trojanische Krieg – eine der ältesten Geschichten der westlichen Literatur. Natalie Haynes interpretiert diesen Klassiker aus einem leidenschaftlich feministischen, doch niemals forcierten Blickwinkel neu.

    Getötet. Verwitwet. Ignoriert. Versklavt. »A Thousand Ships« gibt den Frauen des Trojanischen Krieges eine oft missachtete Stimme – ach was, einen vielstimmigen Chorgesang des Schmerzes, der Wut, des Leids, der Trauer, aber auch des Muts und des kämpferischen Lebenswillens. Das ist so lebendig und packend, dass ich nur so durch die Seiten flog, das ist klug und vielschichtig und manchmal auch so witzig, dass ich schallend lachte. Meines Erachtens ist das wunderbar ausbalanciert, um Leser:innen alle Persönlichkeiten und alle Aspekte der weiblichen Lebenswirklichkeit der Zeit im Guten wie im Schlechten nahezubringen.

    Aber immer, immer erzählt die Autorin die Erlebnisse der Frauen verschiedenster Bevölkerungsgruppen mit Würde und Feingefühl. Und ja, auch mal mit beißendem Sarkasmus oder bitterbösem Humor.

    Wie kann eine Nacherzählung spannend sein? Es gibt unzählige Romane und Filme, die sich mit dem Trojanischen Krieg befassen, die meisten Menschen sind zumindest in Grundzügen vertraut mit der Geschichte. Wir wissen, wie sie anfängt. Wir wissen, wie sie endet. Aber hier geht es eben nicht nur um das große Ganze, sondern um das individuelle Leben der verschiedenen Frauen.

    Daraus entwickelt sich eine viel intimiere Art von Spannung. Du leidest mit, du siehst die Schicksalsschläge kommen und hoffst doch wider besseren Wissens, dass für diese Frau, wenigstens diese eine, alles gutgehen möge. Du feierst jeden kleinen Sieg, jedes Aufflackern von Trotz, jede kluge Finte, ungeachtet der Auswirkung auf den Kriegsverlauf.

    Natalie Haynes schreibt ihre Göttinnen nahbar. Sie mögen unsterblich sein, mächtiger als ihre menschlichen Mitstreiterinnen – aber sie sind dennoch durch und durch Frauen, die auch mal mit kritischem, zornigen oder abfälligen Blick auf das Machtgefälle zwischen den Geschlechtern schauen.

    Dabei bedient sich die Autorin nicht plumper Umkehr der Machtverhältnisse: Sie macht nicht alle Männer/Götter in ihrem Roman zu Bösewichten, und nicht alle Frauen/Göttinnen zu strahlenden Lichtgestalten. Aber sie zeigt die Brüche, die Abgründe, die Art und Weise, wie viele der Helden in diesem Mythos weibliche Knechtschaft als etwas Selbstverständliches sehen.

    Natalie Haynes stellt ihre Protagonistinnen jeweils nur kurz ins Rampenlicht, verleiht ihnen aber dennoch Persönlichkeit und echte Individualität. Jede einzelne Stimme in diesem Griechischen Chor hat ihr Solo, das im Gedächtnis der Leserin widerhallt – ein echtes Kunststück bei einer solchen Vielzahl von Charakteren, das ist wunderbar und intelligent geschrieben.

    Fazit

    Dies ist eine großartige Nacherzählung des Trojanischen Krieges aus weiblicher Perspektive, die im Jahr 2020 für den »Women’s Prize for Fiction« nominiert war – meines Erachtens zu Recht. Natalie Haynes gibt zahlreichen Frauen, Mädchen und Göttinnen, deren Leben sich durch diesen berühmten Konflikt für immer verändert haben, eine Stimme, und das ist tragisch, spannend, auch mal witzig, aber immer intelligent und komplex geschrieben.

    Ich habe das englische Original gelesen, am 15. Juni 2023 wird aber auch eine deutsche Übersetzung erscheinen.

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