Tess: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Tess: Roman' von Thomas Hardy
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5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Tess: Roman"

Durch Zufall erfährt die in ärmlichen Verhältnissen lebende Tess Durbeyfield, dass ihre Familie einem alten normannischen Adelsgeschlecht entstammt. Ihr Entschluss, vermeintliche Verwandte zu besuchen, hat fatale Folgen für die junge Frau: Sie trifft auf die zwei Männer, die den Gang ihres Schicksals unheilvoll lenken.

Mit Tess sorgte Thomas Hardy 1891 für Aufsehen. Der Roman zählt zu den großen Klassikern der englischen Literatur. Diese Neuausgabe in attraktiver Sonderausstattung bietet die zeitgemäße Übersetzung von Helga Schulz.

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:592
EAN:9783423144032

Rezensionen zu "Tess: Roman"

  1. Kompaktes Meisterwerk

    „Das wahre Maß des Lebens ist die Erinnerung.“ (Walter Benjamin)

    Für meine „20 in 20“-SuB-Abbau-Liste hatte ich mir unter anderem „Charlotte“ von David Foenkinos notiert und es hat tatsächlich funktioniert *g*.

    Hätte ich vorher gewusst bzw. geahnt, was für ein kompaktes Meisterwerk dieser Roman ist, hätte ich ihn bereits früher von seinem „Ungelesen“-Status befreit. Nun gut, sei´s drum…

    David Foenkinos hat sich in seinem biografischen Roman mit dem Leben und Wirken der jüdischen Malerin Charlotte Salomon gewidmet. Dabei orientiert er sich an Salomon´s autobiografischem Werk „Leben? Oder Theater?“.

    Schon nach den ersten Seiten war mir klar, dass es (inhaltlich) keine leichte Lektüre sein würde; zu schnell gibt Foenkinos einen Einblick in die tragische Geschichte der Familie Grunwald (mütterlicherseits), die sich wie ein roter Faden durch Charlottes Leben ziehen soll…

    Das viel zu kurze Leben von Charlotte (sie war 26 und schwanger, als sie in Auschwitz vergast wurde) war alles andere als „rosig“. Schon früh wird sie mit den „Lebenslügen“ ihrer Familie konfrontiert, die sie allerdings erst im Laufe der Zeit „aufdeckt“. Und trotzdem gibt es etwas, was ihr Kraft gibt, mit dem Leben und seinen Ungerechtigkeiten zurechtzukommen: die Kunst.

    Pedantisch lässt uns Foenkinos am Leben Charlottes teilhaben und bezieht sich selbst, seine Faszination für Charlotte Salomon, seine Recherchearbeiten für den Roman usw. geschickt mit ein, indem er die Leser*innen direkt anspricht und seine Gedanken mit ihnen teilt – sehr authentisch und ein großartiger Coup.

    Die Sätze in diesem im wahrsten Sinne des Wortes kompakten Meisterwerk sind kurz. Und prägnant. Und sagen in wenigen Worten mehr, als mancher Bandwurmsatz. Ich habe mittlerweile so viel über die Zeit des Nationalsozialismus und seine Gräueltaten gelesen und war und bin immer wieder auf´s Neueste geschockt, mit welcher Brutalität die Nazis vorgegangen sind. In diesem Roman wird das Grauen jedoch durch die kompakte, reduzierte Satzstruktur noch einmal verschärft – unglaublich, was Foenkinos hier geleistet hat. Für mich stellt „Charlotte“ ein Lehrbuch und Referenzwerk in Bezug auf die Intensität von kurzen, prägnanten Sätzen dar.

    Darum gibt´s von mir 10 symbolische Sterne und eine absolute Leseempfehlung. Ich könnte mir das Buch auch gut als Schullektüre vorstellen.

    ©kingofmusic

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  1. Poetischer Klassiker

    Thomas Hardy ist mir erst im letzten Jahr mit „Jude Fawley, der Unbekannte“ bekannt geworden. Doch schon mit dem Buch konnte er mich restlos begeistern. Nun war „Tess“ an der Reihe. Und auch damit – so viel sei an dieser Stelle schon verraten – hat Thomas Hardy mich fesseln und seinen Status als einer meiner Lieblingsautoren ausbauen können.

    „Tess“ erzählt die Geschichte von – Tess :-). Sie wächst in einem kleinen englischen (fiktiven) Ort namens Marlott als Tess Durbeyfield auf. Dann erfährt ihre Familie eines Tages, dass sie einer alten Adelsfamilie namens d´Urberville entstammt. Und hier nimmt das Schicksal in Form von zwei jungen Männern, die fortan das Leben von Tess bestimmen, seinen Lauf…

    Mehr muss man zum Inhalt eigentlich nicht sagen; dass würde einen Großteil des Reizes kaputt machen, diesen Klassiker selbst in die Hand zu nehmen und zu lesen.

    Viel mehr als der Inhalt zählt bei diesem Roman eigentlich die poetisch-philosophische Atmosphäre, die Thomas Hardy mit seinen Worten erschafft. Beispiele gefällig?

    „Hast du gesagt, die Sterne wären auch Welten, Tess?“ „Ja.“ „Alle so wie unsere?“ „Ich weiß es nicht, aber ich glaube schon. Manchmal erscheinen sie wie Äpfel von unserem Kochapfelbaum. Die meisten davon sind prächtig und gesund – ein paar verdorben.“ „Auf welchem leben wir – auf einem prächtigen oder einem verdorbenen?“ „Auf einem Verdorbenen.“ „Das ist aber großes Pech, daß wir uns keinen gesunden ausgesucht haben, wo es doch davon so viel mehr gibt.“ (S. 40)

    „[…], sondern auch viele andere Leute haben erfahren, daß die Bedeutung eines Lebens nicht von seiner äußeren Reichweite abhängt, sondern von seinen subjektiven Erfahrungen. Ein für Eindrücke empfänglicher Bauer führt ein großzügigeres, volleres, dramatischeres Leben als ein dickhäutiger König.“ (S. 220)

    Die poetischen Landschaftsbeschreibungen von Thomas Hardy, die der geneigten Leserschaft das duftende Grün von Gras und Bäumen, das Plätschern eines Baches etc., nahebringen, führen dazu, dass man gar nicht umhinkommt, das Buch immer weiter zu lesen. Aber auch Themen wie Religions- und Gesellschaftskritik oder die Stellung der Frau verarbeitet Thomas Hardy zu einem bunten und vor allem gnadenlos großartigen Potpourri.

    So will ich auch gar nicht weiter Worte verlieren, außer: lest diesen Klassiker! 5*

    ©kingofmusic

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  1. 5
    10. Apr 2016 

    Mir hat das Buch von Thomas

    Mir hat das Buch von Thomas Hardy wiedermal sehr gut gefallen. Ich habe es als sehr gesellschaftskritisch erlebt. Auch hier behandelt er die Stellung einer Frau aus dem Ende des 19. Jahrhunderts und den gesellschaftlichen Konventionen. Hardy hat sich, wie aus dem Anhang zu entnehmen ist, auch mit diesem Roman bei einigen seiner Leserschaft unbeliebt gemacht. Es deprimierte ihn so sehr, dass er mit dem Schreiben von Romanen aufhören und in die Poesie flüchten wollte.

    Das Buch Tess of the d´Urbervilles wurde im Dezember 1891 in England veröffentlicht. Der Roman spaltete seine LeserInnen in zwei Fronten. Die einen ehrten das Buch, andere lehnten es vehement ab. Besonders Literaturkritiker zerrissen sein Werk.

    Hardy behandelt hier für seine Zeit brisante Frauenthemen wie z. B. die Sexualität vor der Ehe, die voreheliche Schwangerschaft und die soziale Stellung einer Frau, die nicht den gesellschaftlichen Erwartungen entspricht. Aber sind das wirklich nur Frauenthemen? Hinten im Klappentext steht, dass der Roman zu den wichtigsten Frauenromanen der Weltliteratur gehören würde. Ich glaube, das sind aber Themen, die sehr wohl auch Männer betreffen ... Nur ist es in dieser Geschichte die Frau, die mit diesen Themen benachteiligt und allein gelassen wird. Sie trägt besonders bei sexuellen Fehltritten die alleinigen Konsequenzen …

    Zum Leidwesen seiner LeserInnen behandelt Hardy auch Tabuthemen wie Tod und Leid, da diese ebenso zum Leben gehören würden. Der Autor wollte die nackte Realität aufzeigen und nichts beschönigen.

    Aus dem Nachwort von Dorothee Birke:

    Große Literatur, so schreibt Hardy, könne nur entstehen, wenn es möglich sei, sich über die engen Moralvorstellungen der Hauptleserschaft dieser Institutionen hinwegzusetzen und gerade das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ohne Prüderie und ohne den Blick durch eine rosarote Brille darzustellen.

    Mir sind folgende Szenen hängen geblieben, die mich tief berührt haben. Tess, unsere Heldin dieses Romans, lebte ein völlig anderes Leben und um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, war sie sich für keine Arbeit zu schade. Sie arbeitete hart, sie wollte niemandem zur Last fallen, weder ihren Eltern, und später auch nicht ihrem Gemahl, der sich von ihr abgewendet hatte, als sie ihm ein Geständnis abgelegt hatte.

    Bevor Tess Mister Clare kennengelernt hat und nach langem Hin und Her ihn schließlich auch geheiratet hat, lag sie in einer vorehelichen Beziehung mit Alec d´Urberville und wird von ihm schwanger. Man erfährt allerdings nicht wirklich, wie die Schwangerschaft zustande gekommen ist und man wusste nicht sofort, dass sie ein Baby erwartet. Auf einmal war der Nachwuchs da. Erst wusste ich nicht, von wem dieses Kind ist und war doch überrascht zu erfahren, dass Alec der Vater ist, wo Tess doch von diesem Mann nicht wirklich etwas wissen wollte und auf seine penetranten Annäherungsversuche total ablehnend reagiert hat. Er wirkte tatsächlich nicht wirklich sympathisch und nutzte Tess´ soziale Lage aus. Deshalb die Frage, ob Tess von Alec vergewaltigt wurde? Diese Antwort bleibt der Autor uns LeserInnen bis zur letzten Seite schuldig.

    Das Kind wurde schließlich unehelich geboren. Als Tess sich ganz von Alec abgewendet hatte, brachte sie das Kind ohne sein Wissen zur Welt. Kein Pfarrer war bereit, das uneheliche Kind zu taufen. Als das Kind lebensbedrohlich erkrankte, nahm Tess schließlich die Taufe selbst in die Hand, damit es nach seinem irdischen Ableben in das Himmelreich Gottes gelangen konnte. Tess war keine Katholikin, sie ist protestantischer Herkunft und auch die protestantischen Pfarrer waren sehr auf kirchliche und gesellschaftliche Normen bedacht und ließen Tess mit ihren Sorgen allein. Tess eignete sich schließlich selbst lateinische Bibeltexte an, taufte das Kind noch schnell vor dem Tod und nach dem Tod hatte sie das Kind auch selbst bestattet.

    Dies waren Szenen, die mich doch auch beschäftigt haben.

    Obwohl Tess aus armen Verhältnissen stammt, hatte sie Glück und sie genoss eine gewisse Schulbildung. Tess träumte davon, Lehrerin zu werden, sie besaß dafür auch die entsprechende Begabung, doch sie geriet, auch durch den schlechten Einfluss ihrer Eltern, in völlig andere Gefilde. Tess sollte in den adligen Stand d´Urbervilles eingeheiratet werden, um ihren Namen aufzuwerten und um gleichzeitig die Eltern damit aus der Armut zu holen … Doch die elterlichen Pläne wollten nicht aufgehen und so geriet die Tochter immer mehr auf Abwege. Deshalb nahm Tess auch jede Arbeit an, um den Eltern ein wenig unter die Arme zu greifen … Sie litt unter großen Schuldgefühlen.

    Tess wirkte auf mich in ihrer Charaktereigenschaft recht naiv. In ihrer Gutgläubigkeit verlor sie wiederholt in der Beziehung mit diesen beiden Männern ihre Menschenwürde. Sie nahm alle Schuld auf sich. Die Nöte ihrer Eltern, die voreheliche sexuelle Beziehung und das uneheliche Kind. Sie betrachtete sich selbst als sündiges Wesen, und traktierte sich
    damit. Dass die anderen Bezugspersonen eine Teilschuld hatten, blieb hier im Bewusstsein der betroffenen ProtagonistInnen völlig unberührt.

    Wie der Roman ausgeht, das möchte ich auf keinen Fall verraten. Man wird den Ausgang dieser tragischen Geschichte nicht erraten können, trotzdem stellte ich mir die Frage, wie realistisch die Szenen zum Ende hin waren?

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