Terror: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Terror: Roman' von Dan Simmons
4.35
4.4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Terror: Roman"

Allein schon diese Namen! ‚HMS Erebus’ und ‚HMS Terror’! Der Gott der Finsternis und der Schrecken selbst. Vielleicht hätte man die beiden Expeditionsschiffe Ihrer Majestät, diese gepanzerten Dampfmaschinen, mit hoffnungsfroheren Namen versehen sollen. So geriet auch dieses Detail zum bösen Omen einer Unternehmung, die im ewigen Eis ihrem schrecklichen Untergang entgegen sah. Als die Geschichte im Oktober 1847 einsetzt, steht der dritte Winter bevor, das Packeis hat beide Schiffe fest im Griff, der große Franklin war im Sommer unter dubiosen Umständen ums Leben gekommen. Die restliche Mannschaft zittert dem Wahnsinn entgegen. Als wäre es damit nicht genug des Horrors, hat Dan Simmons noch einige Monstrositäten ganz eigener Art auf Lager!

Die berühmt-berüchtigte dritte Franklin-Expedition auf ihrer Suche nach der Nordwestpassage, jenem sagenhaften Seeweg, der den Atlantik mit dem Pazifik durch das nördliche Polarmeer verbinden sollte. Inmitten dieser gnadenlos unwirtlichen Kulisse entfaltet Dan Simmons auf fast 1.000 Seiten ein derart frostiges und klaustrophobisches Kammerspiel, dass selbst der Fürst der Finsternis - Stephen King -, ins Schwärmen geriet. In fein ziselierter Sprache führt Simmons auf eine Bühne der inneren und äußeren Kämpfe. So zwischen Britanniens berühmtem Nationalhelden und Entdecker Sir John Franklin, dem müde gewordenen Kapitän der ‚Erebus’, dessen beste Tage hinter ihm liegen und Francis Crozier, dem weitaus fähigeren Kapitän der ‚Terror’, den das Schicksal des ewig Zweiten allmählich verbitterte. Nun, nach Sir Franklins Tod, schlägt seine Stunde!

Simmons’ biblisch dimensioniertes, in der Zeit hin- und herspringendes Logbuch, lässt sich auch als Dokument überschäumender Entdeckerhybris lesen. Berauscht von der eigenen Technologie, ignoriert man die simplen Überlebenstechniken der „wilden“ Inuit in einer lebensfeindlichen Umwelt, lässt aber allzu gerne den angstvoll geilen, viktorianisch prüden Blick über „Lady Silence“, eine mitreisende junge Inuit, schweifen. Naturwüchsigkeit versus britische Steifheit. Nicht zuletzt in diesem krassen Missverhältnis findet sich eine der Ursachen der Tragödie, die schließlich in Meuterei, Irrsinn und Kannibalismus ihren Niedergang findet. Auch seinem übernatürlichen Affen gibt Simmons immer wieder Zucker, indem er eine Art zähnefletschenden Yeti auf Opfersuche schickt. In solchen Passagen grüßt E. A. Poe herzlich um die nächste Schneewehe. 128 Seeleute machten sich im Mai 1845 auf den Weg zu ihrem größten Abenteuer. Man hat nie wieder von ihnen gehört. Simmons hat sich ihrer angenommen und eines der größten Rätsel der Arktisforschung mit seiner ganz eigenwilligen Deutung versehen. „Terror“ ist Simmons’Moby Dick. Ein großes Stück Literatur jedenfalls. -– Ravi Unger

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:992
Verlag: Heyne Verlag
EAN:9783453406131

Rezensionen zu "Terror: Roman"

  1. Keine Kreuzfahrt und kein Segeltörn

    Immer wenn ich bei meiner Schwester war, sah ich diesen dicken Wälzer im Regal, der sich so gar nicht in die Liebesromane fügen wollte und auch sonst mit seiner erstaunlichen Seitenzahl nach Aufmerksamkeit schrie. Und dann, Ostern, war es soweit, der mitgebrachte Lesestoff neigte sich dem Ende, "Terror" von Dan Simmons verschwand vom Holz und begleitete mich ein Stück meines Leselebens. Prompt wurde das Wetter schlechter, die Temperaturen fielen und der Sog der Geschichte um die beiden dampfbetriebenen Segelschiffe Erebus und Terror in der Arktis, tat ihr übriges.
    Es ist das Jahr 1845 und die beiden Schiffe brechen mit einer 134 Mann starken Besatzung auf, um die sagenumwobene Nord-West-Passage im Nordpolarmeer zu erkunden. Die Schiffe sind mit der neuesten Technik ausgestattet, die Ausrüstung sorgfältig für alle Eventualitäten ausgesucht und die Brennstoff- und Lebensmittelkammern bis zum Rand gefüllt. Ruhm und Ehre erwarten die hochmotivierten Männer am Ende ihrer gefährlichen Reise, suchen sie doch einen lukrativen Handelsweg nach Russland. Beide Schiffe verschwinden spurlos im Eis. Soweit die Tatsachen.
    Dan Simmons erzählt uns die Ereignisse an Bord und auf dem Eis. Seine Geschichte berichtet uns von den beiden Kapitänen Franklin und Crozier, ihren Beweggründen, diese Expedition zu unternehmen und ihre Entscheidungen, die sie treffen, als die ersten Probleme auftreten. Die Route, die sie gewählt haben, erweist sich bald als eisige Sackgasse und sie stecken im Packeis fest. Sie warten auf Tauwetter und einem Entkommen, wählen abermals die falsche Route und stecken wieder fest. Die Lebensmittel in den Konserven verderben vorzeitig, weil sie schlecht eingekocht und schlampig versiegelt worden sind.
    Die Männer müssen aufs Eis, weil die Schiffe unter dem hohen Druck des Eises brechen. Sie müssen auf die Jagd nach Robben und Eisbären gehen, denn sie leiden an Skorbut, aber etwas im Eis jagt sie.
    Es ist das dritte Jahr ihrer Fahrt, der Sommer bleibt kalt, die Schiffe kommen nicht frei. Sie müssen sich entscheiden, zu Fuss über unbekanntes Eis gen Süden zu ziehen, oder auf Rettung zu warten.
    Simmons entfaltet ein Horrorszenario. Die Männer meutern, sterben an Skorbut, werden von einem Monster im Eis gerissen, oder bringen sich gegenseitig um. Gleichzeitig bringt er uns eine lebensfeindliche Welt, mit all ihren Gefahren näher und beschreibt den Kampf der Männer mit den Elementen. Aber für das Auftauchen der Innuit und ihrer Mythologie, als Erklärung der unheimlichen Vorkommnisse zum Schluss der Geschichte, feiere ich diesen Schriftsteller. Beweist sie doch eine Recherche mit viel Tiefgang und eine breite Vielfalt, für eine nur scheinbar simple Begebenheit. Man kommt nicht nur den beiden Kapitänen sehr nah, sondern auch vielen anderen Männern der Besatzung und wird auch immer wieder überrascht, welche Entwicklungen sie im Laufe der Zeit durchmachen. Man leidet mit, ekelt sich, hasst und liebt und fast möchte man meinen, dabei gewesen zu sein, wenn nicht.... die Temperaturen draußen wieder so weit gestiegen wären.

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  1. Ein packender, großartiger Pageturner

    „Wenn wir also die Schiffe aufgeben und aufs Eis wollen in der Hoffnung, noch vor Wintereinbruch entweder den Großen Sklavensee oder die Ostküste der Somerset-Insel zu erreichen, dann müssen wir schon vor dem Juni aufbrechen.“ (Zitat Seite 522)

    Inhalt
    Ursprünglich hätte der erfahrende Antarktisforscher Sir James Clark Ross diese Expedition leiten sollen, die den Auftrag hat, die legendäre Nordwestpassage zu durchsegeln und zu kartieren. Doch er lehnt aus persönlichen Gründen ab. Kurz bevor die Schiffe am 19. Mai 1845 in See stechen, äußert er gegenüber dem nun ernannten Leiter der Expedition, Sir John Franklin, seine Bedenken, besonders über die Größe der Expedition. Die beiden Schiffe, die „Terror“ und die „Erebus“, seien zwar modern, aber zu schwer und hätten für das Eis zu viel Tiefgang. Tatsächlich sind sie dann bereits im Spätsommer 1845 im Eis eingeschlossen und verbringen die Wintermonate vor der Beechey-Insel. Erst im Mai 1846 kommen die beiden Schiffe frei und schon Anfang September beginnt das Eis, sich wieder zu schließen. Bei einer Besprechung der Offiziere am 3. September 1846 wird vorgeschlagen, die schwer beschädigte „Erebus“ aufzugeben, denn mit den gesamten Kohlevorräten käme die wendigere „Terror“ wesentlich rascher voran, Platz sei für beide Mannschaften und Vorräte vorhanden. Doch Sir John Franklin ist sechzig Jahre alt und es ist seine letzte Chance auf eine ruhmreiche Entdeckung. Sein Schiff, die „Erebos“, aufzugeben, kommt nicht in Frage und er erteilt den verhängnisvollen Befehl, die Reise mit beiden Schiffen fortzusetzen. Doch nur zehn Tage später stecken beide Schiffe wieder im Eis fest und nicht nicht nur Kälte und Dunkelheit bedrohen die Menschen.

    Thema und Genre
    In diesem packenden historischen Roman erzählt Dan Simmons die Geschichte der legendären Franklin-Expedition und der mutigen Männer, die im arktischen Eis um das Überleben kämpften.

    Charaktere
    Die Personen, ihr Rang und ihre Aufgaben entsprechen den Musterungsrollen aus dem Jahr 1845. Die nach umfangreichen Recherchen in diesen Roman eingeflossenen Fakten betreffend die einzelnen Charaktere, das Leben an Bord und den Weg über das Eis, das Verhalten der Offiziere und die damals gültige strenge Hierarchie und Befehlshoheit, sind sehr realistisch geschildert.

    Handlung und Schreibstil
    Der Autor schildert die Handlung annähernd chronologisch, abwechselnd aus Sicht bestimmter Personen. Eine Ausnahme machen die Kapitel um Kapitän Crozier, die im Oktober 1847 beginnen, während die Ereignisse aus Sicht von Sir John Franklin und auch im Tagebuch des Schiffsarztes Dr. Goodsir, die bereits im Mai 1845 beginnen, um sich dann 1847 mit dem aktuellen Geschehen zu verknüpfen. Jedes Kapitel trägt den Namen der jeweiligen Person, die im Mittelpunkt steht, Datum und Standort. Diese spezielle Art der personalen Erzählform und der eindringlichen Sprache führen den Leser, die Leserin sofort in die Handlung und in das Eis der Arktis und machen diesen Roman zu einem ungemein lebendigen, spannenden Leseerlebnis.

    Fazit
    Dieser historische Roman ist eine durch dunkle Mystik ergänzte Schilderung des möglichen Schicksals der Franklin-Expedition zwischen Mai 1845 und Oktober 1848. Packend und eindrücklich erzählte 962 Seiten machen dieses Buch zum unwiderstehlichen Pageturner.

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  1. Finsternis und Schrecken

    Wir schreiben das Jahr 1845. Der britische Polarforscher Sir John Franklin bricht mit den Schiffen HMS Erbeus und HMS Terror zu einer Arktisexpedition auf, um die legendäre Nordwestpassage zu finden. Von den über 100 Besatzungsmitgliedern wird niemand von dieser Reise zurückkehren.
    Der amerikanische Autor Dan Simmons schildert in seinem ausladenden Roman „Terror“ die fiktionale Geschichte über das Scheitern dieser Expedition. Dabei folgt er einem zeitlich nicht geradeaus verlaufenden Erzählfaden und lässt die unterschiedlichsten Erzählstimmen ihren Teil der Geschehnisse berichten. Die Sprache ist der damaligen Zeit angepasst, vor allem die Reisetagebucheinträge des Schiffsarztes Dr. Goodsir vermitteln dazu einen großartigen Einblick.
    Der in Ungnade gefallen Sir John Franklin will mit der Erforschung der Nordwestpassage seinen Ruf wieder herstellen. Zunächst beginnt die Reise auch vielversprechend. Doch die falsche Einschätzung von Wetter und Temperaturen lässt die Schiffe im Eis stecken bleiben. Es sollen viele Monate, ja Jahre werden. Doch es sind nicht nur natürliche Gefahren wie Krankheiten, die bittere Kälte oder eine schlechte Vorratshaltung, die Todesopfer unter der Besatzung fordern. Es gehen unerklärliche Dinge im Eis vor. Mensch oder Monster? Bär oder Bestie?
    Der „moderne Mensch“, sein Drang zu forschen und zu entdecken, aber auch sein Hochmut, sich gegenüber Naturgewalten zu erheben steht den Traditionen der arktischen Ureinwohnern gegenüber. Nur deren Fähigkeiten und Kenntnisse bieten einen Ausweg aus der Hölle des ewigen Eises.
    „Erebus“ und „Terror“, Finsternis und Schrecken, besser hätten die Schiffe der Expedition nicht heißen können. Der jahrelange Kampf gegen die Elemente hätte jedoch aus meiner Sicht manches Mal etwas gestraffter und schneller erzählt werden können. Der Roman ist mit seinen 1000 Seiten sehr aufgebläht. Auch hätte mir die Schilderung Mann gegen Mann, Mensch gegen Natur gereicht. Einen archaischer Dämon, der Angst und Schrecken verbreitet, einzubauen, auch wenn er in die Mythologie der Inuit eingebettet ist, wäre gar nicht nötig gewesen.

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