Teen Couple Have Fun Outdoors

Buchseite und Rezensionen zu 'Teen Couple Have Fun Outdoors' von Aravind Jayan
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4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Teen Couple Have Fun Outdoors"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:247
EAN:9783518472682

Rezensionen zu "Teen Couple Have Fun Outdoors"

  1. Generationenkonflikt im modernen Indien

    Alles könnte so schön sein. Amma und Appa sind stolz auf ihr neuestes Statussymbol - einen weißen Honda Civic - der unmissverständlich die Zugehörigkeit zur indischen Mittelschicht signalisiert. Doch irgendetwas stimmt nicht. Der älteste Sohn Sreenath verhält sich merkwürdig, verkriecht sich die meiste Zeit auf seinem Zimmer und auch die Nachbarn reagieren nicht erwartungsgemäß auf die neue Errungenschaft. Nach einigen Tagen platzt schließlich die Bombe: Ein zwei Jahre altes, heimlich gefilmtes Video kursiert auf einschlägigen Pornoseiten im Internet. Es zeigt Sreenath nackt mit seiner Freundin Anita irgendwo draußen in der Natur.

    In Indien leben die Kinder in der Regel bis zur Hochzeit in der Wohnung der Eltern. Was andere über eine Familie bzw. ein Familienmitglied denken, ist - zumindest der älteren Generation - immens wichtig. Handlungen eines einzelnen haben immer Einfluss auf den Ruf der gesamten Familie. So verringert ein Skandal beispielsweise auch die Heiratschancen des jüngeren Bruders. Konsequenterweise stürzt das pikante Video des unverheirateten Paares Sreenaths Familie in eine tiefe Krise.

    Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Sreenaths jüngerem Bruder, der zum Zeitpunkt der Videoveröffentlichung 20 Jahre alt ist. Er versucht zwischen seinen Eltern, die vor Scham im Erdboden zu versinken drohen, und seinem Bruder zu vermitteln. Doch die Emotionen kochen hoch; Appa wirft Sreenath aus der Wohnung und streicht sämtliche finanziellen Unterstützungen. Sreenath erträgt das alles mit einer stoischen Ruhe, weigert sich, seine Schuld anzuerkennen, beharrt darauf, nichts Verbotenes getan zu haben und hofft, die Wogen mögen sich bald glätten. Sreenath und sein Freundeskreis sind Teil einer neuen, progressiven indischen Generation, die mit den schambehafteten Moralvorstellungen der Eltern nichts mehr anzufangen weiß. Sie lieben Anime, us-amerikanische Filme, tragen westliche Kleidung, haben Sex vor der Ehe und wollen sich diese Freiheiten nicht mehr nehmen lassen. Sreenaths Bruder hängt zwischen allen Stühlen; er bekommt, weil er zuhause wohnt, die Wut, Schmach und Verzweiflung seiner Eltern hautnah mit, versucht eine Lösung zu finden, den Frieden innerhalb der Familie wieder herzustellen und gefährdet dadurch auch die gute Beziehung zu seinem Bruder. Als mit einiger zeitlicher Verzögerung auch Anitas Eltern Wind vom Video bekommen und sie Amma und Appa zur Verantwortung ziehen, weil sie ihre Elternpflichten vernachlässigen, erreicht der Konflikt eine weitere Eskalationsstufe.

    Aravind Jayan schreibt locker und leicht eine sehr authentische, zeitgenössische Geschichte, in deren Mittelpunkt ein unlösbarer Generationenkonflikt bezüglich geltender Moralvorstellungen steht. Für westliche Leser:innen mag das Drama, das sich entwickelt, in seiner Tragweite und Intensität nicht immer nachvollziehbar sein. Der jüngere Bruder attestiert seiner Familie treffend „eine Neigung zur Seifenoperhaftigkeit“ (S. 21). Tatsächlich liest sich das gesamte Familiendrama wie eine Seifenoper in mehreren Folgen. Dem Autor gelingt es sehr gut, die Kluft zwischen den Generationen darzustellen. Die Dialoge empfand ich als echt - jedenfalls habe ich während meiner Zeit in Indien Eltern häufig Sätze wie die von Anitas Onkel sagen hören: „Es ist schwer, sie zu erziehen. Heutzutage gibt es so viele Einflüsse. Was kann man da machen? Was können wir tun?“ Und über Anita: „Sie hatte alle Chancen, ein tolles Mädchen zu werden. Echtes Potenzial, scharfer Verstand. Naja, wer weiß. Die Menschen sind heute ja toleranter.“ (S.127). Die Elterngeneration muss sich mit ihrem schwindenden Einfluss abfinden, steht vielen gesellschaftlichen Entwicklungen hilflos gegenüber und kann nur hoffen, dass die Veränderungen auch zweite Chancen beinhalten.

    Mit „Teen couple have fun outdoors“ hat der in Kerala lebende Autor Aravind Jayan ein unterhaltsames Debüt veröffentlicht, das die Eltern-Kind-Beziehung im zeitgenössischen Indien ebenso unter die Lupe nimmt, wie die Rolle von Klatsch und Tratsch, die Vorstellungen von Schande, Scham, Reputation und Ehre sowie den großen Einfluss des Internets auf alle Bereiche des Lebens.

    Ich empfehle den Roman allen, die einen leichtfüßigen Text von gesellschaftlicher Relevanz lesen und ein Gespür für das Leben von jungen Menschen der indischen Mittelschicht entwickeln möchten.

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