Stoner: Roman

William Stoner ist der Sohn armer Farmer in Missouri Anfang des letzten Jahrhunderts. Er wächst unter ärmlichen und entbehrungsreichen Verhältnissen auf. Seine Eltern sparen eisern, damit er Landwirtschaft studieren kann. William aber entdeckt auf der Universität seine Liebe zur Literatur, wird Professor und kehrt nicht mehr in sein altes Leben zurück.
John Williams beschreibt dieses Leben über zwei Weltkriege hinweg. Es ist ein ruhiges Leben, bescheiden und ziemlich ereignislos, aber immer aufrecht und geradlinig. Ist es ein glückliches Leben? Eher nicht. Seine Ehe mit Edith, die er als Student kennenlernt, ist im Grunde von Anfang an eine Katastrophe, ein entfremdetes Nebeneinander, das nie wieder besser wird.
John Williams gelingt mit diesem Buch aber etwas ganz Seltenes: er schafft Charakterstudien, die einem auch nach der Lektüre im Gedächtnis bleiben. Sogar Edith, diese gedankenlose, boshafte und völlig unempathische Frau gehört in diese Kategorie. Oder Lomax, der behinderte Professoren-Kollege, der über Jahrzehnte zu Stoners Gegenspieler wird, ist in der Raffinesse seiner Bosheit und der Durchtriebenheit seiner Dialoge eine faszinierende Figur.
Und dann gibt es da die Liebe, die echte Liebe, nicht zu Edith, seiner Frau, sondern zu einer seiner Studentinnen. Es ist beinahe richtig und konsequent, dass in dieser Geschichte diese Liebe keine Erfüllung findet und ihr nur eine sehr kurze, aber umso intensivere Zeit gewährt wird.
Trotzdem berauscht dieser Roman irgendwie, durch seine Sprache, durch die Standhaftigkeit, mit der William Stoner durch sein Leben geht, durch seine Liebe zur Literatur, die ihm Halt gibt und durch seine bewundernswerte Zähigkeit, mit der er immer Schritt für Schritt weiter geht.
Lebensweg
Vielleicht hat er sich nicht einmal so geplant, aber er lässt seinen Sohn studieren und gibt ihm damit die Chance über seinen Tellerrand hinweg zu schauen, der Vater von William Stoner. Ein landwirtschaftliches Studium ist angestrebt, damit es der Sohn mal leichter hat auf der Farm. Völlig unerwartet entdeckt Stoner die Liebe zur englischen Literatur und wechselt sein Studienfach. Zwar sind die Eltern enttäuscht, letztlich jedoch akzeptieren sie die Entscheidung ihres Sohnes. Zielstrebig verfolgt William seinen Weg auf dem College. Der erste Weltkrieg im fernen Europa ist weit weg, Stoner geht nicht zur Armee.
Der Lebensweg von William Stoner ist gewöhnlich und ungewöhnlich zugleich. Ein kleines unbedeutendes Leben, Studium, Heirat, Kind, Midlifecrisis, Stagnation und relativ früher Tod. Höhen und Tiefen wirken nicht besonders ausgeprägt. Eine wirkliche Karriere findet nicht statt, Stoner bleibt ein kleiner Professor, eine tolle Ehe gibt es nicht, seine Frau ist seltsam kalt. Eine Liebelei bleibt eine Liebelei, auch wenn Stoner endlich etwas wie echte Gefühle erlebt. Die seltsame Ehefrau entfremdet ihn die Tochter und er findet sich mit seinem Leben ab, das irgendwie so ereignislos erscheint.
Dieses so dahin gelebte Leben vermag zu fesseln, fast gegen den Willen des Lesers, der sich fragt, wie er diesem Stoner, der so ohne Dynamik, ohne Kraft erscheint, nahekommen soll. In manchem Momenten der Lektüre droht man selbst fast trübsinnig zu werden, alles in Stoners Leben geht irgendwie daneben. Momente, in denen man Kraft und Aufbruch erwartet, münden in Rückzug auf das Altbewährte, im Stillstand. Man mag Stoner, der einmal seiner Neigung zur Literatur folgte, nicht beneiden, wirkt sein Leben schließlich seltsam verfehlt. Man kommt allerdings nicht umhin, über das eigene Leben nachzudenken, hat man selbst mehr Initiative bewiesen, ist man seinen Weg gegangen, oder lebt man selbst ein ähnlich normales ereignisloses Leben wie Stoner, der die Steine nicht Beiseite räumt, die ihm das Schicksal in den Weg legt. Hoffentlich hat Stoner die kleinen Momente des Glücks genossen. Wann wird man selbst ein letztes Mal zu einem Buch greifen.