Stiller Tod: Thriller

Buchseite und Rezensionen zu 'Stiller Tod: Thriller' von Roger Smith
4
4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Stiller Tod: Thriller"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:384
Verlag: Tropen
EAN:9783608501322

Rezensionen zu "Stiller Tod: Thriller"

  1. Die längste Straße von Südafrika

    Auf den ersten Seiten dieses Thrillers könnte man meinen, man habe es mit einer Sympathiefigur zu tun. Vernon Saul sitzt am Strand, schwitzend in seiner Security-Wachmann-Uniform, und sein Bein tut weh. Er hat dort alte Narben von einer Schusswunde, die er im Polizeidienst erlitten hat - die Verletzung war so schwerwiegend, dass seine Zeit als Cop damit beendet war. Er sollte uns leid tun. Voller Anteilnahme beobachtet er im vornehmen Küstenort Llandudno Beach, am Rand von Kapstadt gelegen, eine weiße Famiie am Strand. Der Papa steht mit einem Bekannten zusammen, sie teilen sich einen Joint. Die Mama ist irgendwo im Haus. Die vierjährige Tochter läuft unbeaufsichtigt ins Wasser, um ihr Spielzeugboot zu retten, und ertrinkt. Vernon Saul sieht zu - "mal sehen, was passiert". Erst, als es zu spät ist, stürzt er hinzu, der bekiffte Papa hat das Kind aus dem Wasser gezogen, Vernon Saul versucht sich in theatralischen Lebensrettungsmaßnahmen, aber die Kleine ist tot.

    Der Punkt, ab dem das Verhängnis seinen Lauf nimmt, ist damit gesetzt. Der Tod des Kindes ist wie ein erster Dominostein, der eine ganze Kette unaufhaltsam umreißt. Aber was da eigentlich passiert ist, erschließt sich erst nach und nach. Vernon Saul ist ein armer Teufel, ein Loser des Lebens, der sich nicht geschlagen geben will. Der Kritiker der Krimi-Couch bemerkt - auf den Punkt gebracht -, dass wir es wohl mit einer Abart von Münchhausen-Syndrom zu tun haben. Vernon Saul liebt es, im Leben seiner Mitmenschen Krisen zu provozieren, um im passenden Moment als Retter auf den Plan zu treten. Einfach um zu sehen, was passiert. Und im günstigsten Fall seine Mitmenschen nach Lust und Laune manipulieren zu können. Dieses Prinzip wendet er bei den Eltern des verstorbenen Kindes an, bei der Stripteasetänzerin Dawn, sogar bei seiner Mutter, einer Diabetikerin, der er die lebensnotwendigen Insulinspritzen zuteilt wie ein Almosen. Es hat seine Gründe, warum er so ist, wie er ist. Was auch für alle anderen Menschen in diesem Krimi gilt.

    Will man das Buch verstehen, lohnt es sich, bei GoogleMaps einen Lageplan von Kapstadt zu betrachten. Der Küstenort Llandudno Beach, wo die Eltern des ertrunkenen Kindes zu Hause sind, liegt in vornehmer Abgeschiedenheit von der eigentlichen City. Nördlich davon, abgetrennt durch Lion's Head und den Tafelberg, liegt die Waterfront und - von dort aus in Richtung Westen führend - die Voortrekker Road, die Smith als "die längste Straße Südafrikas" bezeichnet. Das ist natürlich eine Metapher, es gibt mit Sicherheit längere Straßen. Doch vor allem ist diese Straße ein finsterer Ort, gesäumt von Billigpuffs, armseligen Kneipen und Drogenumschlagplätzen. Hier ist Dawn zu Hause, eine - wie vermutlich jeder Mensch, der dort zuhause ist - tief beschädigte junge Frau. Sie hat ein Kind, die kleine Brittany. Im gleichen Alter, sogar von ganz ähnlichem Aussehen wie die ertrunkene Sunny in Llandudno Beach.

    In "Stiller Tod" führt eines zwangsläufig zum anderen. Weil Sunnys Eltern anderweitig beschäftigt waren, ertrinkt das Kind. Weil Vernon Saul sich einmischt, ist er fortan Bestandteil im Leben von Sunnys verwaisten Eltern. Weil das Jugendamt auf Dawn aufmerksam wird (wobei wieder mal Vernon Saul die Finger im Spiel hat), droht ihr der Verlust der Kleinen. Weil sie dringend eine Einkommensquelle braucht, vermittelt Vernon Saul sie an die verwaisten Eltern in Llandudno - für einen Dienst, der nichts mit Striptease zu tun hat. Und weil Dawn ihre Tochter mitnimmt zu den Eltern, die ihre eigene Tochter gerade erst verloren haben, beginnt etwas Neues. Etwas, was Vernon Saul nicht geplant hat und trotzdem wie gewohnt in die Hand nehmen will.

    "Hardboiled"-Krimis sind normalerweise nicht mein Beuteschema. Zu oft erscheinen blutige Schilderungen als Selbstzweck, und ein Setting im "Gangstermilieu" interessiert mich sowieso nicht - zu viele Alphamännchen. Aber dieser Krimi (der laut Kritiken im Internet, gemessen an Smith' anderen Büchern, eher zahm sein soll) hat etwas, was über bloße Gewaltexzesse und die in einem Kapstadt-Krimi unverzichtbare Sozialkritik hinausweist. Nicht mal unbedingt die Psychologie der Figuren; die ist zwar durchaus präzise und einfühlsam geschildert, aber insgesamt sind alle Personen doch eher Typen als Individuen. Es ist die unerbittliche Folgerichtigkeit, die dieses Buch besonders macht. An jedem Wendepunkt, wo noch alles gut werden könnte, gibt es - das zeigt der Autor sorgfältig auf - nur eine Richtung, in die es weitergehen kann. UNgewöhnlich ist schließlich auch der verhalten hoffnungsvolle Schluss. Es könnte vielleicht doch noch alles gut werden - man wird ja wohl träumen dürfen. Wahrscheinlich ist es nicht.

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  1. Harter Stoff

    Ich muss zugeben, dass mir der Name Roger Smith zwar geläufig war, ich bislang jedoch nur seinen Roman “Schwarzes Blut“, den er unter dem Pseudonym Max Wilde geschrieben hat, kannte. Und der ist bei mir nun nicht gerade auf übermäßige Begeisterung gestoßen. Nachdem jedoch von diversen Seiten zu hören war, dass sich seine Südafrika-Thriller deutlich von diesem splatterlastigen Horror-Roman unterscheiden und tatsächlich sehr gut sein sollen, war es doch einmal an der Zeit, einen Blick ins Buch zu werfen.

    Es fällt dabei schnell auf, dass Smith zumindest in “Stiller Tod” tatsächlich eine gänzlich andere Gangart an den Tag legt. Wo man bei “Schwarzes Blut” derben Splatterhorror präsentiert bekommt, hat man es hier mit einem Werk zu tun, welches die Atmosphäre des “echten” Südafrikas, wie es gerne betitelt wird, sehr gut einfängt. Der Leser bekommt zwar zwangsläufig die Sonnenseiten von Kapstadt vorgesetzt, jedoch wird ihm auch sehr schnell wieder die Illusion genommen, dass alles Gold ist was glänzt. Roger Smith gelingt es sehr gut, ein sehr tristes und brutales Bild der Stadt zu zeichnen, welches so gar nichts mehr mit den Hochglanzprospekten der Reiseanbieter zu tun hat. Natürlich hat das Buch auch einen gewissen Spannungsbogen, welcher allerdings nicht im Vordergrund steht. “Stiller Tod” lebt viel mehr davon, die Beziehung seiner Figuren untereinander zu beschreiben und auszubauen und lässt hierbei eine Tiefe entstehen, die mitreißend ist. Enttäuschend fand ich jedoch das Ende, welches sich nicht so recht in den Rest der Geschichte einzufügen wusste und den faden Beigeschmack eines erzwungenen Happy Ends hinterlässt, welches hinsichtlich der gesamten Storyline etwas deplatziert wirkt.

    Nachdem ich die Figuren ja nun schon erwähnt habe, muss auf diese natürlich auch eingegangen werden. Dem Autoren gelingt es sehr gut, glaubwürdige Charaktere zu zeichnen, deren Motivationen und Handlungsweisen zumeist gut nachvollziehbar sind. Man sollte jedoch nicht die Hoffnung haben, hier auf Sympathieträger zu treffen. Alle Protagonisten haben auf ihre eigene Art und Weise einen düsteren, morbiden oder bösartigen Hintergrund. Alles andere wäre aber auch nicht stimmig gewesen, weswegen solche Charakterzüge auch letztendlich unpassend gewesen wären. Smith präsentiert in “Stiller Tod” Abgründiges in allen Spielarten und bettet das wunderbar in seine Geschichte ein.

    Stilistisch gibt es natürlich schon Parallelen zu seinem Pseudonym Max Wilde, man erkennt gewisse Parallelen, vor allem im allgemeinen Sprachgebrauch. Der Autor hat eine sehr eingängige, teilweise fast schon umgangssprachliche Art zu schreiben. Auf manchen mag das vielleicht etwas abschreckend wirken, mir persönlich gefällt es jedoch sehr gut, weil es nicht ins lapidare abdriftet, sondern wie vieles anderes in “Stiller Tod” einfach gut ins Gesamtkonzept passt.

    Fazit:

    “Stiller Tod” ist ein Roman, der viele Stärken in sich vereint. Tolle, tiefgründige Figuren treffen auf eine so unwahrscheinliche und trotzdem nachvollziehbare Art aufeinander und werden großartig miteinander verwoben, fast schon aneinander gekettet. Dazu lässt Smith tief in die Ghettos Südafrikas blicken und präsentiert das Touristenland auf eine gänzlich andere, sehr viel brutalere und vermutlich auch realistischere Art und Weise. Etwas schade ist, dass die klassische Spannung dabei etwas zu kurz kommt – und ein echter Wermutstropfen ist der aufgesetzt wirkende und unpassende Abschluss des Romans. Alles in allem aber ein lesenswertes Buch. Und wohl auch nicht mein letzter Roger Smith.

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