So, und jetzt kommst du: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'So, und jetzt kommst du: Roman' von Arno Frank
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4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "So, und jetzt kommst du: Roman"

Aufregend, wenn die Eltern auf der Flucht vor der Polizei ihre Kinder mitschleppen. Aber für die drei Geschwister verwandelt sich das Abenteuer bald in einen Albtraum. Ihre Odyssee führt sie quer durch Europa. Ein Roman wie ein Roadmovie. Eine ebenso tragische wie komische Familiengeschichte. Vater, Mutter und drei Kinder in der pfälzischen Provinz der Achtzigerjahre. Der Autoverkäufer Jürgen und seine Frau Jutta sind verschuldet, aber glücklich. Als auf einmal das »große Geld« da ist, wandert die Familie fluchtartig nach Südfrankreich aus. Dort leben vor allem die drei Geschwister wie im Paradies, doch die Eltern benehmen sich immer seltsamer – bis ein Zufall enthüllt, dass der Vater ein Hochstapler ist. Er hat das Geld unterschlagen und bereits aufgebraucht, als sich die Schlinge enger zieht. Im letzten Moment flieht die Familie vor dem Zugriff der Behörden und die Jagd durch Europa geht weiter. Es ist ein freier Fall auf Kosten der Kinder, bis es unweigerlich zum Aufprall kommt …

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:352
Verlag: Tropen
EAN:9783608503692

Rezensionen zu "So, und jetzt kommst du: Roman"

  1. Der Abstieg einer Familie auf Kosten dreier Kinder

    Ein pessimistisches Buch: Niedergang einer Familie mit Kindern durch kriminelle Machenschaften des Vaters – sprachkreativ geschrieben

    Zur Erholung nach der 'Atemschaukel' mal etwas Leichteres ... dachte ich. Arno Franks 'Seemann vom Siebener' hatte mir trotz des melancholischen Untertons so gut gefallen, dass ich das anscheinend autobiographisch geprägt Vorgängerbuch 'So, und jetzt kommst du' auch ins Auge fasste.

    Es liest sich flüssig, aber sehr erhebend ist es nicht gerade, nein, ziemlich deprimierend und traurig, was erwachsene Menschen ihren Kindern antun können. Es geht um einen Vater ohne Werte, ohne das Gefühl für Recht und Unrecht – man darf ihn wohl als kriminell bezeichnen - den man immerfort schütteln möchte, damit er mal zur Besinnung kommt, ebenso wie die Mutter, die alle seine Machenschaften unterstützt und mitträgt, aus Liebe. Die Betrügereien des Vaters bringen die Familie nicht nur um Hab und Gut, sondern zwingen sie auch zur Flucht quer durch Europa, wobei sich ihre Lage immer mehr verschlechtert bis hin zum unausweichlichen Ende.

    Das Ganze wird aus der Sicht eines Kindes, später Jugendlichen erzählt, aber in der Sprache eines Erwachsenen. Die hat mir sogar sehr gut gefallen mit ihrer Nachdenklichkeit und kreativen Formulierungen:

    'Papa machte (…) seine typischen Witze, in die stets irgendwo eine sarkastische Rasierklinge eingenäht war.'

    Es liest sich gut, ist aber nicht gerade eine erhebende Lektüre. Für mich persönlich konnte ich an Gedankenanregungen nichts mitnehmen.

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  1. 4
    20. Mär 2017 

    Nimm dir, was du willst!

    Dieser Roman beruht auf einer wahren Begebenheit. Der Autor Arno Frank erzählt von einer (seiner?) Kindheit in einem kleinen Ort bei Kaiserslautern in den 80er Jahren. Der Vater Jürgen ist ein Macher, der ständig irgendwelche ,,Projekte“ und kleine Geschäfte am Laufen hat. Von zu Hause aus verscherbelt er Krimskrams wie z.B. Hirschgeweihe aus Plastik, Heimtrainer, ja sogar alte Kübelwagen der Wehrmacht, bis das Geschäftsmodell scheitert, die Familie das Haus aufgeben und umziehen muss. Später arbeitet der Vater als Verkäufer von Gebrauchtwagen, wo er seine Talente als Blender voll einsetzen kann. Er erzählt den Leuten, was sie hören wollen und hat damit Erfolg. Sein Motto: ,,Du musst dir nehmen, was du willst. Niemand schenkt dir was.“ Und ganz plötzlich ist die Familie reich. Genauso plötzlich verlassen sie die Heimat für einen sehr langen Urlaub in Südfrankreich. Für die Kinder ist das Leben dort zunächst paradiesisch: in einer Villa mit Pool, mit Sportwagen.... Bis allmählich das Wasser für den Pool zu teuer ist, die Mutter kaum mehr das Haus verlässt und immer wieder merkwürdige Briefe kommen, die der Vater sofort zerreißt. Als eines Abends die Polizei vor der Tür steht, flieht die Familie Hals über Kopf nach Portugal.
    Die kindliche Perspektive des Jungen, der manches spürt und ahnt, aber erst allmählich durchschaut, dass sein Vater kein Held ist, sondern er das Geld offenbar illegal beschafft hat, ist sehr eindringlich und packend. Auch die Mutter Jutta, die immer zum Vater steht und seine Entscheidungen nie in Frage stellt, ist von der Situation so überfordert, dass sie sich oft in eine eigene Welt zurückzieht. Sie vernachlässigt die Kinder, sodass sie am Ende regelrecht verwahrlosen. Erschütternd wird geschildert, wie die vermeintliche Realisierung der elterlichen Träume verhindert, dass die Kinder eine ,,normale“ Kindheit mit Schule, Freunden und Alltag erleben dürfen.
    Während sich der Beginn des Romans noch etwas zäh gestaltet, bringt die Flucht deutliche Dynamik in die Geschichte – bis zu ihrem schlechten Ende. Erschütternd und sehr berührend.

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  1. Bildgewaltig und ergreifend nüchtern

    Zum Cover kann ich nur sagen, absolut passend für die 80er Jahre. Polaroid, der Inbegriff der fotografischen Freiheit mit der fetten Bauhaus-Schrift passen wie die Faust aufs Auge. Kein Schnick-Schnak, keine Schnörkel, plakativ wie die Zeit damals auch war. Ob es geschmacklich meine Vorstellung trifft sei dahingestellt, es trifft auf jeden Fall den Nerv der Zeit. Ich finde es köstlich hässlich.

    In 4 Teilen begleiten wir den Jungen Arno mit seiner Familie auf einer Odysee durch Frankreich und Portugal. In der kindlichen Naivität eines kleinen Jungen erzählt er zunächst von seiner unbeschwerten und verklärten Kindheit, in der in allen Ecken und Winkeln noch die großen Wunder stecken. Er wird von seinem Vater mit Vorstadt-Weisheiten überschüttet, die der arme Junge für bare Münze nimmt. Getrieben von den betrügerischen Machenschaften des Vaters muss die Familie aber plötzlich von einem Ort zum Anderen ziehen, immer auf den Kosten der Kinder. Bis sie zum Schluß wieder da ankommen, wo alles begann. Die anfänglich unerschütterliche Liebe der Eltern bröckelt, genauso wie der Fassade des Felses in der Brandung, der haltgebende Anker für die Kinder. Bis sie sich zum Schluß nur noch verwahrlost und abgestumpft ihrem Schicksal ergeben müssen.

    Mit einer bildgewaltigen Kulisse beschreibt Arno Frank in seiner Autofiktion in sehr wortgewandter, pointierter und ironischen Sprache die Geschehnisse in der ergreifenden, sarkastischen Nüchternheit, die aus der Sicht eines Jungen entspringt. Einige Andeutungen bleiben im Raum stehen, da sie aus der Perspektive des Kindes nicht anders wahrgenommen wurden und aus seiner Erzählung heraus nicht erklärt werden können. Ein Junge, der fast bis zum Schluß den Vater auf kindlichen Charme idealisiert. Aus der Angst heraus die Eltern und die Familie zu verlieren, lassen die Kinder die Geschehnisse über sich ergehen und ziehen bedingungslos mit.
    Und bis zum Schluß klingt es fast wie eine Hommage an seinen Vater, der niemals die Familie aufgeben wollte. Es gibt keinen Vorwurf, keine Infragestellung, keine Verurteilung.

    Einige der Passagen wirken für mich trotz herausragender Erzählung etwas lang und zu viel. Es ist kein „Roadmovie" mit wilder Verfolgungsjagd, sondern bleibt von der Dramaturgie eher flach. Es ist vielmehr die subtile Erdrückung und Machtlosigkeit durch die bedingungslose Liebe der Kinder, die einem beim Lesen immer wieder das Herz zuschnüren lässt.

    Der Epilog hat mich selber dann noch mal sehr ergriffen.

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