Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger

Buchseite und Rezensionen zu 'Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger' von  Vea Kaiser
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4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger"

Format:Audible Hörbuch
Seiten:0
Verlag: Argon Verlag
EAN:

Rezensionen zu "Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger"

  1. 4
    22. Mai 2022 

    Im Fiat Panda Richtung Balkan...

    Als Onkel Willi stirbt, stehen der Drittel-Life-Crisis geplagte Lorenz und seine drei Tanten vor einer Herausforderung. Willi wollte immer in seinem Geburtsland Montenegro begraben werden. Doch da für eine regelkonforme Überführung der Leiche das Geld fehlt, begibt man sich kurzerhand auf eine illegale Fahrt im Fiat Panda von Wien bis auf den Balkan. Auf der Reise finden die abenteuerlichen Geschichten der Familie Prischinger auf kunstvolle Weise zueinander. Mirl, die älteste Schwester, musste nach dem Krieg früh Verantwortung übernehmen und wollte nur weg vom Land. Wetti interessierte sich bereits als Kind mehr für Tiere als für Menschen. Und Hedi zerbrach fast an einem Schicksalsschlag, kurz bevor sie Willi traf. Doch stets waren die drei Schwestern füreinander da. (Klappentext)

    Seit seinem Erscheinen war ich neugierig auf diesen Roman, und endlich kam ich dazu, ihn in der ungekürzten Hörbuchversion (13 Stunden und 39 Minuten) kennenzulernen. Um es gleich vorwegzunehmen: Cornelius Obonya ist für den Vortrag dieses Romans die ideale Besetzung. Er rettete mit seiner der ruhigen Erzählung entsprechend getragenen Vortragsweise in atmosphärischem österreichischem Akzent den vierten Stern meiner Bewertung, die allein für die Geschichte selbst sonst wohl nur mittelmäßig ausgefallen wäre.

    Erst nach über einem Drittel des Romans hatte ich das Gefühl, langsam in der Geschichte anzukommen. Das lag zum einen an dem zu Beginn eingeführten Charakter des etwa dreißigjährigen Lorenz, der gerade mehrfach in einer Lebenskrise steckt und dabei als recht unsympathisches selbstmitleidig-jammerndes Weichei rüberkommt. Zum anderen gibt es in dem Roman zahlreiche Wechsel zwischen dem Erzählstrang in der Gegenwart und Rückblenden in die Vergangenheit verschiedener Personen, wodurch es gerade zu Beginn etwas unübersichtlich wirkte und kein Handlungsstrang so recht bei mir ankommen wollte.

    Erst als Onkel Willi tatsächlich stirbt (etwa nach der Hälfte des Buches) und der skurrile Roadtrip Form annimmt, verzahnen sich die verschiedenen Erzählstränge in Vergangenheit und Gegenwart zunehmend kunstvoll ineinander, so dass die Erzählung insgesamt geschmeidiger wirkt. Mit leisem Humor und Herzenswärme erzählt Vea Kaiser von drei ungleichen Schwestern, die ein Geheimnis wahren, von glücklichen und tragischen Zufällen und davon, wie die Seelen der Verstorbenen (die Manen) die Lebenden auf Trab halten.

    Gefallen haben mir die wie nebenbei eingestreuten gesellschaftskritischen Elmente wie offener und unterschwelliger Rassismus oder auch das Gebaren der Politik, weder platt noch belehrend, aber doch deutlich präsent. Die lebendigen Dialoge (ich wiederhole mich gern: herausragend gelesen von Cornelius Obonya) und die Situationskomik gerade auf der 1029 Kilometer langen Reise Richtung Balkan mit der tiefgefrorenen Leiche auf dem Beifahrersitz haben mich ebenfalls gut unterhalten können.

    Insgesamt war die komplexe, liebevoll erzählte Familiengeschichte in authentischem Dialekt sehr angenehm zu hören, das Ende berührend und einen Ausblick bietend auf das Leben nach dem Roadtrip. Alles in allem trotz des holprigen Starts ein schönes Hörerlebnis...

    © Parden

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