Roman d’amour: Roman

Rezensionen zu "Roman d’amour: Roman"

  1. 3
    16. Apr 2022 

    Un roman solide

    Der häufig in höchsten Tönen gelobte Roman von Sylvie Schenk „Roman d‘amour“ über das Wesen und die Tücken des Verliebtseins kann durchaus mit seiner ineinander verwobenen, verschachtelten Geschichte teilweise fesseln, hinterlässt jedoch keinen bleibenden Eindruck.

    Eine Autorin schreibt 20 Jahre nach der größten Liebe ihres Lebens einen Roman, in welchem sie Anleihen aus ihrem eigenen Leben und der besagten Liebesgeschichte heranzieht. „Autofiktional“ würde man dies wohl derzeit bezeichnen. Nun wird sie zu einer Literaturpreisverleihung eingeladen und erklärt sich im Vorfeld zu einem Interview bereit. Der knapp 130 Seiten dünne Roman spielt nun während dieses Interviews, kehrt in Gedanken der Autorin Charlotte jedoch immer wieder in ihre eigene Vergangenheit und den Plot ihres Romans zurück. So verweben sich zunehmend die drei Erzählebenen und warten mit einem großen Finale auf.

    Der Roman ist im Stil durchaus treffsicher von Schenk geschrieben. Geschickt führt sie von einem Erzählstrang zum nächsten und hält die verschiedenen Auswüchse der Verliebtheit und damit zusammenhängende Komplikationen fest. Und trotzdem konnte die Autorin mich nicht über den Lektürezeitraum hinaus an ihr Buch und dessen Themen fesseln. Ein solides Werk, welches sich aufmerksam aber doch insgesamt recht zügig lesen lässt.

    Es handelt sich hier um einen solide konstruierten Roman, einfühlsam geschrieben, der jedoch auch schnell wieder in Vergessenheit gerät.

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  1. Verwobene Liebesgeschichten einer Schriftstellerin

    Die Schriftstellerin Charlotte Moire hat ein Buch mit dem Namen „Roman d´amour“ geschrieben. Darin beschreibt sie die Affäre der Schulleiterin Klara mit ihrem jüngeren, verheirateten Kollegen Lew. Es entwickelt sich eine amour fou, die nicht glücklich endet: Bereits auf den ersten Seiten wird eine Szene aus dem Roman beschrieben, in der Klara ins Wasser geht um zu sterben – die Beziehung ist offensichtlich zerbrochen…

    Heute ist Charlotte eine Frau in den 70ern. Auch sie hatte vor über 25 Jahren eine Affäre mit einem jüngeren Mann. An die glückliche Zeit mit ihm erinnert sie sich gern. Ludo war damals verheiratet, Charlotte seit zwei Jahren geschieden, und doch traf die Liebe sie wie ein Blitz: „Ja, es war Liebe auf den ersten Blick, wenn man damit diese ersten Minuten meint, die von einem Staunen und von einem plötzlichen Hunger nach Leben erleuchtet werden.“ (S. 27) Es ist naheliegend, dass Charlottes neuer Roman autofiktionale Züge enthält.

    In der Gegenwart ist Charlotte auf eine Nordseeinsel gereist, um einen Literaturpreis entgegenzunehmen: „Es war ein völlig unbekannter Literaturpreis zweiter Klasse, der mich hierhergeführt hatte, ein Preis, der zum ersten Mal verliehen wurde und dessen bescheidener Geldbetrag prominentere Kollegen als eine Herabstufung ihres Talents empfunden hätten.“ (S. 13)

    Im Vorfeld der Verleihung soll sie der Journalistin Sittich ein Interview für einen Radiobeitrag geben. Die beiden Frauen treffen sich im Hotel. Die Journalistin verhält sich ungewöhnlich, sie fragt direkt und penetrant. Sie will unbedingt wissen, inwiefern Charlottes Roman auf eigenem Erleben beruht oder der Fantasie entsprungen ist. Ihre Fragerei geht ans Persönliche, sie versucht vermeintliche Schwachstellen und Widersprüche aufzudecken, überinterpretiert manche Szenen, legt immer wieder den Finger in die Wunde. Charlotte wehrt sich zunächst. Sie will der fremden Frau ihre Erinnerungen nicht preisgeben und besteht darauf, dass der Großteil des Romans fiktional sei, um sich selbst zu schützen: „Wenn ich mich nicht zu sehr outen wollte, dann wegen der verschlungenen Gedanken, die in dem Thema herumschwammen, weil es schwieriger ist, eine gefühlte Wahrheit mit Sätzen einzufangen als eine Forelle in den Niagarafällen.“ (S. 18)

    Das Gespräch der beiden Frauen nimmt Fahrt auf, wird immer intensiver. Erinnerungen verzahnen sich mit dem Romangeschehen. Für den Leser werden die Parallelen, nach denen Frau Sittich so giert, immer offensichtlicher. Daraus ergibt sich ein starker Lesesog, man will unbedingt wissen, wie es weiter geht, warum die einst so glückliche Liebe kaputt gegangen ist. Charlotte muss sich dabei auch schmerzhaften Erinnerungen stellen, auf die sie sich zögernd zubewegt.

    Als Leser bewegt man sich fortwährend auf den drei Ebenen Gegenwart/ Romangeschehen/ Erinnerungen. Zentrale Rolle spielt dabei auch ein Fahrradurlaub in Irland, an den das ausdrucksstarke Cover angelehnt ist.

    Sylvie Schenk pflegt einen wunderbar literarischen Sprachduktus. Jeder Satz sitzt und hat Tiefe. Das Thema Ehebruch, bei dem es selten Gewinner gibt, wird universell beleuchtet. Es spricht sehr viel Lebenserfahrung aus dem Geschriebenen. Zahlreiche Weisheiten oder philosophische Gedankengänge über Einsamkeit, Liebe, Leidenschaft und vieles mehr laden zum Nachdenken ein. Dabei kommt die Autorin gänzlich ohne Kitsch, Klischees oder Vorverurteilungen aus. Obwohl man durch die indirekte (Roman im Roman) bzw. retrospektive Art des Erzählens Distanz zum eigentlichen Geschehen hat, entwickelt sich große mit Lebensklugheit gepaarte Intensität, die sich zum Ende hin nochmal steigert und mit erstaunlichen Überraschungen aufwartet.

    Der Roman ist ein handwerklich perfekt strukturiertes Kammerstück. Sylvie Schenk beherrscht das Spiel mit den verschiedenen Ebenen meisterhaft. Die Figuren sind glaubwürdig und mehrdimensional. Am Ende angekommen merkt man, dass auch das letzte Puzzlesteinchen an seinen Platz gerutscht ist. Das ist Literatur vom Feinsten, Literatur wie ich sie mag!

    Roman d´amour ist kein Roman zum schnellen Verschlingen, er muss mit Genuss gelesen werden. Dann entfaltet er aber ein außergewöhnliches, faszinierendes Leseerlebnis. Ich bin begeistert von diesem wunderbaren Kurzroman, den man gewiss auch häufiger lesen kann.

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