Regenroman

Buchseite und Rezensionen zu 'Regenroman' von Karen Duve
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4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Regenroman"

Zugegeben, der Titel von Karen Duves Erstling Regenroman klingt nicht sehr verlockend, ist doch Regen nicht gerade das, was die meisten Menschen in einem Roman suchen. Das Wetter kann aber gar nicht so mies sein wie es Leon, der angehende Schriftsteller, und seine Frau am Rande eines ostdeutschen Provinznests erleben.

Spontan verlieben sich die beiden in die abgeschiedene Lage eines alten Hauses und das wild-romantische Moor vor der Haustür.

Leon hofft, hier in aller Ruhe die bestellte Biographie einer Hamburger Kiez-Größe schreiben zu können. Doch der alltägliche Kampf um ein kleines Stück Trockenheit zermürben Leon und Martina. Die schmutzig-braune Brühe, die aus allen Wasserleitungen des Hauses tröpfelt, ist wenig einladend, der Garten wird von einer wahren Schneckeninvasion heimgesucht, selbst die Zigaretten in der Jackentasche sind durchweicht.

Doch das sind erst die äußeren mißlichen Umstände, mit denen Leon kämpft. Ein schmerzhafter Bandscheibenvorfall streckt ihn nieder, so daß er weder seinen ungeliebten Heimwerkerarbeiten nachgehen kann, noch an seinem Buch über Pfitzner weiterkommt, solange bis dieser eines Tages vor der Tür steht und ziemlich Druck macht.

Es ist ein starkes Stück Literatur, das Karen Duve vorlegt. Kein Leser wird nach der letzten Seite des Romans mehr behaupten können, Regentage seien langweilig. Da geschehen gnadenlose Schneckenmassaker, werden Hunde mitleidlos ertränkt, vermoderte Wasserleichen entdeckt und im Hintergrund blubbert regelmäßig das schmatzende Glucksen einer Pfütze im Moor. Herrlich schaurig, ziemlich eklig und völlig amoralisch -- die pure Leselust. --Manuela Haselberger

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:0
Verlag: Ullstein Tb
EAN:9783548256207

Rezensionen zu "Regenroman"

  1. Die allgegenwärtige Nässe

    Das Schnäppchenhaus, das das Ehepaar Martina und Leon Ulbricht (ein Name, der im Umfeld des Buches kein Glück bringt) buchstäblich an Land zieht, ist ein renovierungsbedürftiges Häuschen in "Alleinlage" in einem entlegenen Dorf namens Priesnitz. Am Rand eines ostdeutschen Moors gelegen. Leon ist auf den ersten Blick begeistert von der Aussicht auf die unverbaubare Moorlandschaft - hier will er schreiben. Leon ist nämlich Dichter. Um das Haus bezahlen zu können, hat er indessen einen profanen Auftrag annehmen müssen, er schreibt die Biographie eines abgehalfterten und prolligen Boxers, der kein Pardon kennt. Leon soll gefälligst genau das aufschreiben, was er, der Ex-Boxer, will, sonst wird der Boxer sauer - was im weiteren Verlauf eines der Hauptthemen wird.

    Dass das Paar sich mit dem Haus übernommen hat, wird schnell klar. Die Grundmauern sind vollgesogen wie Schwämme, der Garten besteht aus aufgeschwemmtem Boden, in dem sich Molche und Schnecken tummeln. Leon schafft weder die nötigsten Reparaturen, noch kommt er mit dem Buch weiter. Martina beschäftigt sich lieber mit dem zugelaufenen Hund als mit dem Haushalt oder mit Leons Befindlichkeiten. Für zusätzliche Verwicklungen sorgen die beiden Nachbarinnen, zwei Schwestern: Kay grobknochig, männlich und tatkräftig, Isadora übermäßig dick, schamlos und ironisch. Und im ungünstigsten Moment schlagen auch noch der prollige Boxer und sein Zuhälterfreund in dem durchfeuchteten Haus auf.

    Karen Duve erzählt all das in einem sehr lockeren, unterhaltsamen Ton und mit einer stilistischen Leichtigkeit, die fast darüber hinwegtäuscht, dass das Buch die Chronik eines Untergangs ist. Der Leser sollte sich warm anziehen. Die Schneckeninvasion und der eklige Inhalt der Wasserrohre wird ebenso akribisch referiert wie der Ausbruch zerstörerischer Gewalt beim Besuch des Boxer-Duos. Rettung gibt es nirgends, weder in den Ratgeberbüchern, die Martina liest, noch in der Rückzugsstrategie Leons, der sich wie eine Schnecke im Häuschen versteckt. Dabei regnet es nicht mal ununterbrochen, wie der Titel andeutet. Die Fäulnis, die alles zusammenbrechen lässt, ist viel älter als ein paar Wochen Regen: es ist vielmehr die Essenz eines von Grund auf falschen Lebens bis zurück in die Kindheit der Protagonisten. Ist man auf der letzten Seite dieses Höllenritts angekommen (wenn wir mal kurz annehmen, dass die Hölle kein heißer, sondern ein nasser Ort ist), können wir immerhin aufatmen. Was aus den Personen wird, ist uns ziemlich egal, sie sind alle miteinander herzlich unsympathisch. Insoweit sind wir vielleicht am Ende zufrieden, aber - um nochmals die Metapher zu bemühen -: das Buch hat wirklich keinen Funken Wärme.

    Ich gebe vier Punkte, weil es wirklich lustig zu lesen ist, aber mehr als eine zynische Weltuntergangsvision kann ich nicht daraus ziehen. Die vorgeführten Lebensentwürfe sind derart verdreht, dass man kaum weiß, was davon man auf das eigene Leben anwenden könnte. Im Grunde kommt man wie der klassische Pharisäer aus dem Roman heraus: zum Glück bin ich nicht so, bei mir ist (fast) alles in trockenen Tüchern!

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