Real Tigers: Ein Fall für Jackson Lamb

Buchseite und Rezensionen zu 'Real Tigers: Ein Fall für Jackson Lamb' von Herron, Mick
4.85
4.9 von 5 (7 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Real Tigers: Ein Fall für Jackson Lamb"

Catherine Standish ist die diskrete Assistentin von Jackson Lamb, dem jähzornigen Chef der Geheimdienstagenten, die im Dienst versagt haben. Als sie eines Morgens nicht zur Arbeit erscheint, merkt sogar Lamb, dass sie fehlt. Mehr noch: Sie wurde entführt – von einem ehemaligen Liebhaber. Doch Catherines Entführung ist nur die Spitze des Eisbergs einer viel größeren Verschwörung – gegen den MI5 und sogar den Premierminister.

Autor:
Format:Broschiert
Seiten:528
Verlag:
EAN:9783257300802

Rezensionen zu "Real Tigers: Ein Fall für Jackson Lamb"

  1. Spionageroman mit schrägen Helden

    Slough House ist der Ort, an den die Agenten des britischen Geheimdienstes MI5, verbannt werden, die entweder im Dienst gewaltig versagt haben oder aus anderen Gründen untragbar für den aktiven Dienst geworden sind. Sie sind alle Einzelgänger und in der einen oder anderen Weise seltsame Gestalten, die davon träumen, irgendwann wieder in den aktiven Dienst zurückkehren zu können. In Anlehnung an ihr Dienstgebäude werden sie von den Kollegen hämisch ,,Slow Horses", lahme Gäule genannt.

    In diesem dritten Band um die Slow Horses hat das Team von Jackson Lamb zunächst mit dem Verschwinden einer der ihren zu tun: Catherine Standish, die langjährige Assistentin des Chefs wurde entführt. Ein Bild von ihr, gefesselt und geknebelt, wird an River Cartwright geschickt, der zum Austausch für sie ein geheimes Dossier mit streng vertraulichen Daten aus dem Hauptquartier des MI5 beschaffen soll. Und natürlich versagt Cartwright, wie es sich für ein Slow Horse gehört. Er wird entdeckt und als Konsequenz soll Slough House sofort geschlossen werden.
    Doch die Entführung und auch die angedrohte Schließung sind nur einzelne Puzzleteilchen in einer viel größeren Verschwörung – und lange tappt man im Dunkeln, wer eigentlich gegen wen intrigiert. Doch der Chef der Truppe, Jackson Lamb, unsympathisch, unhöflich bis zur Unverschämtheit, aber brillant, durchschaut das komplexe politische Intrigenspiel und führt seine Agenten trotz ihrer diversen Schwächen durch diesen kniffligen Fall.
    Mick Herrons Stil ist sehr britisch. Mit sehr schwarzem Humor und viel Sarkasmus, aber auch der Liebe zu skurrilen Details beschreibt er seine Figuren mit all ihren Fehlern, aber dennoch in einer sympathischen und liebenswerten Weise. Knappe und witzige Dialoge, viel Action, überraschende Wendungen bis ganz zum Schluss und eine intelligent konstruierte Handlung machen die Lektüre des Spionageromans der exzentrischen Antihelden zu einem wahren Lesevergnügen.

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  1. 5
    23. Dez 2020 

    Mit Mick Herron wird es nicht langweilig!

    Der Autor, der sich bei der Namensgebung seiner Krimireihe um den Ermittler Jackson Lamb bisher gerne der Tierwelt bedient hat, hat wieder zugeschlagen. Mit "Real Tigers" ist dem britischen Autor Mick Herron ein neues Husarenstück geglückt.
    Angefangen hat alles mit Pferden, danach kamen Wildkatzen - zunächst Löwen und nun Tiger -, und mittendrin befindet sich immer ein Lamm. Besagtes Lamm ist der Protagonist dieser Krimiserie und hat nichts, aber auch gar nichts mit dieser niedlichen Spezies zu tun. Denn Jackson Lamb ist streng genommen ein Held zum Abgewöhnen. Es lässt sich jedoch nicht leugnen: als Leser wird man von diesem Charakter magisch angezogen - ähnlich wie von einem ekligen Insekt, das man angewidert, aber fasziniert aus der Nähe betrachten möchte.

    "Lamb starrte ihn gefühlt eine volle Minute lang an, und da Lamb Lamb war, hätte es durchaus eine volle Minute sein können, bevor er anfing zu lachen. Und da er nun mal Lamb war, erfasste das Lachen seinen ganzen Körper: Er bebte von Kopf bis Fuß, und sein Gewieher erfüllte den Raum. Mit zurückgeneigtem Kopf sah er aus wie ein bösartiger Clown. An der Stelle, wo ein Hemdknopf abgeplatzt war, lugte ein behaarter Streifen Bauch hervor."

    Jackson Lamb geht gar nicht, weder als Chef - es sei denn, Menschenverachtung und Respektlosigkeit gegenüber Mitarbeitern werden als Führungsqualitäten angesehen - und menschlich erst recht nicht. Der Mann besitzt weder innere noch äußere Werte. Doch dafür ist er als Agent unschlagbar und mit allen Wassern gewaschen. Mit dieser fürchterlichen Mischung aus Ekelpaket und brillantem Ermittler haben seine Mitarbeiter tagtäglich zu kämpfen, insbesondere da die Brillanz eines Jackson Lamb so gut wie nie hinter seiner großmäuligen und schmierigen Fassade zum Vorschein kommt. Es muss schon viel passieren, dass dieser in Geheimagenten-Aktion tritt. In dem vorliegenden Fall "Real Tigers" ist dies die Entführung einer Mitarbeiterin. Lamb und seine Truppe mit dem vielsagenden Namen "Slow Horses" (Lahme Gäule) macht also mobil.

    Warum "Slow Horses"? In Anlehnung an die Londoner Büro-Adresse dieser Einheit (Slough House), hat sich diese Abwandlung aufgrund der Besonderheit dieser Truppe etabliert. Die Einheit von Lamb ist das Auffangbecken für Ermittler, die sich in ihrer bisherigen Karriere nicht mit Ruhm sondern eher mit Mist bekleckert haben. Für ihre Fehler werden sie ausrangiert, kommen zu Lamb und werden mit anspruchslosen Aufgaben betreut, in der Hoffnung, dass sie aus lauter Langeweile freiwillig den Dienst quittieren - was bisher aber noch keiner gemacht hat. Die Leidensfähigkeit eines britischen Beamten scheint enorm zu sein.
    Der Entführung der Kollegin scheint die lahmen Gäule jedoch auf Trab zu bringen, insbesondere wenn Jackson Lamb die Peitsche schwingt.
    Hinter der Entführung steckt ein niederträchtiges Komplott übler Charaktere aus Politik und britischem Geheimdienst. Diesmal wird es bei Mick Herron also politisch.

    "'..., das klingt nach politischem Kram. Und das ist genau der Kram, in den man sich tunlichst nicht einmischen sollte.'"

    Es ist schon eine Weile her, dass ich "Dead Lions", den Vorgänger von "Real Tigers", gelesen habe. Doch sobald ich die erste Seite von "Real Tigers" aufgeschlug, hat es sich angefühlt, als ob ich nach Hause gekommen wäre. Nach wenigen Sätzen war ich wieder gefangen in der Welt der lahmen Gäule. Was diese Krimi-Serie auszeichnet, ist zunächst einmal das schräge Setting sowie der Unsympath Jackson Lamb, der zusammen mit einem Team aus tragischen Gestalten, den Geheimdienst aufmischt. Der Aufbau dieses Teils ähnelt denen, der anderen Romane dieser Krimireihe. Mick Herron greift also auf eine bewährte Vorgehensweise zurück. Doch tatsächlich kann ich davon nicht genug bekommen, solange die Spannung stimmt. Und die stimmt in "Real Tigers" definitiv. Relativ kurze Kapitel, die gerne mit einem Cliffhanger enden sowie Tempowechsel in der Erzählung sorgen dafür, dass dem Leser nicht langweilig wird. Mick Herron zieht im Zusammenspiel mit der Handlung gerne mal das Tempo an. Wenn es also zur Sache geht - denn auch ein lahmer Gaul kann zum Schlachtross werden -, fährt Mick Herron das Erzähltempo bis zur Atemlosigkeit hoch. Das hat mir ausgesprochen gut gefallen.

    "Es geht nicht nur darum, dass man ab und an über ein Minenfeld tanzen muss, mein Junge, hatte irgendein alter Sack zu ihm im Parlament gesagt. Die Kunst ist, dass du's mit einem Lächeln auf der Visage tust."

    Hinzu kommt der knochentrockene Humor in diesem Roman. Trotz aller Aversionen, die Jackson Lamb hervorruft, ist durch sein sehr spezielles Auftreten und seinen eigentümlichen Verhaltensweisen für Spaß gesorgt. Der unberechenbare Lamb sorgt für schräge und lustige Überraschungsmomente. Und dank verblüffender Lebensweisheiten, die zwar ironisch gemeint sind, lernt der Leser noch für's Leben.

    Mein Fazit:
    Spannend, lustig und schräg. Mit Mick Herron und seinen Slow Horses wird es nie langweilig. Eine Krimi-Serie der besonderen Art!

    © Renie

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  1. Damengambit

    „Wie die meisten Varianten des Verderbens begann auch diese mit Männern in Anzügen.“

    Mit diesem ersten Satz hatte mich der neue Band von Mick Herron gleich wieder an der Angel. Es geht um die Agenten auf dem Abstellgleis des britischen Geheimdiensts, die in Slough House mit absurden Recherchen beschäftigt werden. Jackson Lamb – unsympathisch, ekelig und aus allen Körperöffnungen stinkend – ist der Chef. Aber man sollte sich von seinem Äußeren nicht täuschen lassen, er ist ein Meister im Spiel, ist dem Gegner immer drei Züge voraus, wobei die Gegner meist in den eigenen Reihen MI5 zu finden sind.

    Eines Abends begegnet Catherine Standish, seine unscheinbare Assistentin, ihrem ehemaligen Liebhaber. Kurz danach wird sie in einen Lieferwagen gezerrt und verschleppt. Ein Bild von ihr, gefesselt und geknebelt wird an River Cartwright geschickt und damit nimmt die Geschichte ihren Verlauf.

    Ein raffiniertes Katz und Maus Spiel beginnt, ein Agentenroman der Extraklasse, very british und skurril. Wer da wen in die Pfanne hauen will, bleibt lange im Dunkeln, aber das macht den besonderen Reiz dieser Reihe aus. Die Welt der Agenten, der Politik, der schmutzigen Spiele um Macht und Einfluss wird mit viel Action geschildert. Die Versager aus dem Slough House lassen sich nicht unterbuttern und zeigen, was sie drauf haben. Jeder von ihnen hat seine eigenen Fähigkeiten und auch wenn sie sich nicht leiden können, wenn eine der Ihren in Gefahr ist, halten sie zusammen.

    Ich mag die Schreibweise von Herron mit seinen schnellen Perspektivwechseln sehr, er schreibt witzig, temporeich und voller ironisch-böser Anspielungen. Bei manchen hatte ich gleich ein reales Bild der britischen Politik vor Augen. Trotz der genussvoll zelebrierten Beschreibung von Jackson Lambs Unarten, hat sich auch in diesem Band wieder meine Sympathie für ihn eingestellt. Wie ich überhaupt die Beschreibung der ausgemusterten Agenten toll fand, sie sind ja nicht unfähig, wurden meist ein Opfer von Intrigen und warten – wohl vergebens – auf ihre Rehabilitation.

    Auch nach dem dritten Band bin ich neugierig auf die weiteren Folgen.

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  1. Falsche Freunde und wahre Feinde

    Als Catherine Standish abends nach getaner Arbeit nach Hause gehen will, läuft sie einem ehemaligen Liebhaber über den Weg. Es ist eine folgenschwere Begegnung, denn kurzerhand findet sie sich gekidnappt in einem schwarzen Lieferwagen wieder. Was bezweckt Sean Donovan - der nicht nur Catherines Ex ist, sondern auch Ex-Soldat und Ex-Häftling - mit der Entführung der Assistentin von Jackson Lamb, der Englands ganz besondere Truppe von Geheimagenten anführt.
    Hier sind sie wieder, die lahmen Gäule von Slough House, der „stillen Ecke“ des britischen MI5. Mick Herron wartet mit „Real Tigers“ nun schon zum dritten Mal mit der schrägen Agententruppe der degradierten Verlierer auf. Ihre Aufträge sind nicht „für England, James“ und Jackson Lamb wirkt wie dessen schäbiger Zwilling und pflegt seine Stereotypen mit Bravour. Lamb ist fett, übergriffig, gehässig und ungepflegt. Dabei lässt sich sehr leicht übersehen, dass er ein genialer Stratege ist.
    „Welchem deiner Kollegen würdest du dein Leben anvertrauen?“
    Falsche Freunde und wahre Feinde: Diesmal müssen also Jackson Lamb und seine „Lakaien“ eine der ihren retten. Dabei geraten sie in eine politische Verschwörung und einen schmutzigen Kampf um Macht und Ansehen. Es ist vor allem eine Partie zweier Königinnen: Dame Ingrid Tearney gegen Dirty Diana Taverner. Das hört sich fast ein bisschen wie Schlammcatchen an und es ist ein Spiel ohne Regeln. Womit die Intrigantinnen aber nicht rechnen ist der plötzliche Zusammenhalt der „slow horses“.
    „Wie die meisten Varianten des Verderbens begann auch diese mit Männern in Anzügen.“
    Slim Fit war einmal und das Auto ist dann doch eher ein Ford Ka. Mick Herron spielt alle möglichen Klischees des Genres gegeneinander aus: an. Lange weiß man nicht, wie man den Prolog zur Handlung einordnen kann und die Actionszene zum Schluss ist turbulent und endet mit….Das muss man doch selber lesen!

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  1. Ein sehr spezielles Team

    Jackson Lamb ist der Chef der Geheimdienstagenten des Slough House, die allesamt im Dienst versagt haben. Eines Tages wird seine Assistentin Catherine Standish von einem ehemaligen Liebhaber entführt. Doch das ist nur die Spitze einer Verschwörung großen Ausmaßes.

    Ich war sehr gespannt auf dieses Buch, da die Beschreibung sehr spannend klang. Dies war bereits der dritte Band um Jackson Lamb, die beiden ersten Bände kannte ich noch nicht. Für ein optimales Verständnis würde ich auf jeden Fall empfehlen, die Bücher der Reihe nach zu lesen.
    Der Schreibstil ließ sich gut lesen. Die Beschreibungen waren teilweise sehr lebhaft und lebendig, so dass ich mir die Szenen gut vorstellen konnte. 
    Die Truppe um Jackson Lamb fand ich sehr interessant und originell. Alle hatten etwas Besonderes an sich bzw. hatten ihre ganz speziellen Ecken und Kanten. Das hat mir sehr gut gefallen, denn dadurch konnte ich sie gut auseinanderhalten - nachdem ich sie erstmal kennengelernt und zugeordnet hatte. Ein ganz spezieller Typ war Jackson Lamb, der ungehobelt, respektlos und frech erschien, dennoch sympathisch war.
    Der Einstieg ist mir aufgrund der fehlenden Vorkenntnisse ziemlich schwer gefallen. Viele unbekannte Personen und unklare Szenen machten es mir schwer, dem Geschehen zu folgen. Der Plot an sich war gut durchdacht, interessant aufgebaut und hatte so manche überraschende Wendung und Action. Die Themen Geheimdienst und Machtspiele wirkten sehr authentisch auf mich. Die Intrigen, die hier gesponnen wurden, habe ich nicht im geringsten geahnt. Die Spannung war auf einem sehr guten Level und ich war gespannt, was letztlich dahintersteckte. Absolut klasse fand ich den Humor, der mich teilweise laut auflachen ließ. 

    Ein humorvoller und spannender Roman, der mir nach einem schwierigen Start immer besser gefallen hat. Ich empfehle, die Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

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  1. 5
    29. Nov 2020 

    Schachspiel der Königinnen...

    Catherine Standish ist die diskrete Assistentin von Jackson Lamb, dem jähzornigen Chef der Geheimdienstagenten, die im Dienst versagt haben. Als sie eines Morgens nicht zur Arbeit erscheint, merkt sogar Lamb, dass sie fehlt. Mehr noch: Sie wurde entführt – von einem ehemaligen Liebhaber. Doch Catherines Entführung ist nur die Spitze des Eisbergs einer viel größeren Verschwörung – gegen den MI5 und sogar den Premierminister.

    Dies ist bereits der dritte Band um die Agententuppe der Slow Horses - so werden die abgehalfterten Mitarbeiter des englischen Geheimdienstes genannt, die ihr Gnadenbrot im Slough House erhalten. Obwohl - Gnade? Was könnte langweiliger, hoffnungsloser, deprimierender sein, als ausgerechnet dort sein Leben als eben-nicht-Agent zu fristen? Noch dazu unter einem Chef, der einem jeden Tag vor Augen führt, dass niemand, wirklich niemand Wert auf die Arbeit legt, die dort vollbracht wird?

    Kein Mensch verließ Slough House am Ende eines Arbeitstages und fühlte sich, als hätte er zur Sicherheit der Nation beigetragen. Man verließ es, als wäre das eigene Gehirn durch einen Entsafter gepresst worden. (S. 31)

    Eine Loser-Truppe sind sie, die Slow Horses, und Jackson Lamb passt als Chef hervorragend dazu. Er hat kein Benehmen, schert sich nicht um Eigentumsverhältnisse, führt sich auf wie ein absolutistischer Despot, stinkt und ist stets ungepflegt, frisst, säuft und qualmt wie ein Schlot, und hält vor allem mit seiner Menschenverachtung nicht hinter dem Berg. Er behandelt seine Untergebenen wie Leibeigene und bringt sie beinahe täglich zu dem, was die Vorgesetzten beim MI5 geradezu hoffen: zu kündigen.

    Doch irgendwie sind die am Leben Gescheiterten im Slough House zäh und hart im Nehmen. Und wenn sie nicht gerade bei einem unvorhergesehenen und meist nicht offiziellen Einsatz ums Leben kommen, fristen sie ihr trostloses Dasein während und nach der Arbeit, bis zufällig der nächste Einsatz ins Haus steht. Und das ist auch hier wieder der Fall, zumal es diesmal gleich einen der ihren trifft: die allseits beliebte Sekretärin des Hauses, Catherine Standish.

    "Es würde nur einen Wimpernschlag kosten, Sie alle auf die Straße zu setzen. Es liegt nicht nur daran, dass Ihre Leute im Grunde nutzlose Arbeit verrichten. Doch jedes Mal, wenn sie etwas tun, was sie nicht tun sollen, endet das in einem Chaos, das immens viel Aufwand nach sich zieht." Lamb nickte stolz. (S. 207)

    Ein ehemaliger Liebhaber hat Catherine entführt, doch spielen Gefühle als Tatmotiv keine Rolle. Zumindest keine, die hinsichtlich einer (ehemaligen) Beziehung von Bedeutung wären. Immer tiefer taucht der Leser hier in ein perfides Schachspiel ein, das unter den offensichtlichen Zügen an der Oberfläche zunehmend weit verwinkelte Pläne und Hintergründe offenbart, die sich bis in oberste Hierarchiestufen ziehen. Ein Schachspiel, das viele Bauernopfer fordert, Aufräumkommandos inbegriffen. Und doch erweisen sich die Slow Horses einmal mehr als Spielverderber - oder versuchen es zumindest.

    Mick Herron ist ein Erzähler. Er kreiert mit seiner Agenten-Reihe voller Verlierertypen eine besondere Art des Spionagethrillers und spart dabei nicht mit Kritik an gängigen Praktiken der Geheimdienste, die sich quer durch alle Staaten ziehen, nichtsdestoweniger aber gegen alle Menschenrechte verstoßen. Neben der packenden Handlung ist auch der bildhafte Schreibstil lobend zu erwähnen, der eine atmosphärische Dichte ebenso hervorruft wie er Bilder im Kopf des Lesers erzeugt. Das Düstere, Hoffnungslose, Melancholische gewinnt so derart an Kontur, dass man beim Lesen gelegentlich glaubt, Teil des Ganzen zu sein.

    Der Autor lässt sich Zeit mit seiner Erzählung, und doch scheint auch diesmal kein Wort zu viel. Perspektivwechsel mit geschickt eingebauten Cliffhangern sorgen für ausreichende Spannung, die gegen Ende ebenso wie das Tempo noch einmal deutlich anzieht. Überragend auch diesmal wieder der Humor: trocken, schwarz, zynisch und - ja, englisch eben. Herrlich und immer wieder an unerwarteten Stellen eingebaut, sorgten diese Einlagen bei mir selbst an Punkten höchster Anspannung für etliche Lacher.

    "Vergiss nicht, dass ich an mein Team denken muss." --- "Wirklich? Das wäre das erste Mal." --- "Sie haben einen natürlichen Respekt vor mir." --- "Das ist kein Respekt. Das ist das Stockholm-Syndrom." (S. 466 f.)

    Ein überzeugender dritter Band einer in England bereits sechsbändigen Reihe um Jackson Lamb - spannend, actionreich, unterhaltsam und mit überraschenden Wendungen. Macht in jedem Fall neugierig auf weitere Folgen!

    © Parden

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  1. Ein origineller Spionagethriller

    „Und das war der springende Punkt. Kein Mensch verließ Slough House am Ende eines Arbeitstages und fühlte sich, als hätte er zur Sicherheit der Nation beigetragen.“ (Zitat Seite 31)

    Inhalt
    Catherine Standish, Mitglied des Slough House, ist entführt worden. Für ihre Freilassung verlangen die Entführer ein streng geheimes Dossier über den Premierminister, das River Cartright besorgen soll. Doch dieses befindet sich im Hauptquartier des MI5 am Regent’s Park. Er wird entdeckt und der neue Innenminister befiehlt, Slough House sofort zu schließen. Es sieht schlecht aus für die Slow Horses. Doch bei seiner Operation Tigerteam hat der Politiker wichtige Details übersehen und die Ereignisse entwickeln eine brisante Eigendynamik.

    Thema und Genre
    In diesem Spionagethriller geht es um Geheimdienste, Intrigen, Politik, Hierarchien und Machtspiele. Ein wichtiges Thema sind in diesem neuen Fall der Slow Horses auch die Sicherheit von gesammelten Daten in einer Zeit der modernsten Technologien.

    Charaktere
    Von den aktiven Mitgliedern des MI5 werden die Agenten im Slough House herablassend als lahme Gäule bezeichnet. Es sind eigenwillige Einzelgänger, unangepasst und frustriert und obwohl man sie nicht als sympathische Protagonisten bezeichnen würde, hat man diese interessanten Figuren sofort ins Leserherz geschlossen. Jackson Lamb, der Chef dieser Einheit, ist unangenehm, überheblich und schwer durchschaubar. Doch wenn es um einen von ihnen geht, sind sie plötzlich ein Team und auch der bequeme, übergewichtige Jackson Lamb wird sehr beweglich.

    Handlung und Schreibstil
    Diesmal ist es ein Geist, der durch das Slough House streift, ungehindert durch alle Türen und Mauern blickt und zu Beginn die einzelnen Mitglieder der Slow Horses vorstellt, sodass auch Leser*innen, welche noch kein Buch dieser Serie gelesen haben, die Mitglieder dieses speziellen Teams und ihre Geschichte kennenlernen.
    Die spannenden Ereignisse sind in Kapitel und diese in zwei Hauptteile eingeteilt: „Falsche Freunde“ und „Wahre Feinde“. Wie schon diese beiden Titel aussagen, enthält die spannende, straffe Handlung überraschende Wendungen, die weder für die Protagonisten vorhersehbar sind, auch nicht für jene, die wesentlich an der Planung der Geschehnisse beteiligt waren, noch für uns Leser. Dennoch ist die Geschichte absolut glaubhaft, nachvollziehbar und könnte durchaus real sein. Gekonnt schildert, charakterisiert und entwickelt der Autor auch alle seine Figuren. Die Sprache überzeugt auch durch englischen Humor und lockere Ironie. So bleibt sogar während des packenden, rasanten Showdowns Zeit für witzige Sequenzen, sodass man beim Lesen, obwohl mitten im Geschehen eines actionreichen Nahkampfes auf Leben und Tod, in lautes Lachen ausbricht.

    Fazit
    Auch dieser dritte Band der Serie um die sympathischen Antihelden enttäuscht nicht und bietet wieder eine Fülle von Überraschungen und neuen Themen. Eine moderne Variante der klassischen Spionageromane, ein packender und realistischer Thriller und ein großartiges Leseerlebnis zwischen gefährlicher Action, spannenden Intrigen, unvorhersehbaren Wendungen und Humor.

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