Puppenmord

Rezensionen zu "Puppenmord"

  1. 5
    22. Sep 2014 

    Das Abgleiten ins totale Chaos...

    Henry Wilt ist irgendwie nur zufällig in die Geschichte hineingeraten. Ist er doch schließlich gar kein Held, sondern nur ein normaler Mann in einer britschen Kleinstadt, desillusionierter Berufsschullehrer, der seinen Schülern aus 'Fleisch I' und 'Gasinstallateure III' vergeblich die literarischen Freuden an Voltaires 'Candide' oder Goldings 'Herr der Fliegen' zu vermitteln sucht. Verheiratet ist er seit etlichen Jahren mit Eva, einer in vielerlei Hinsicht unbefriedigten Frau, die Erfüllung in immer neuen Beschäftigungen sucht: Judo, Töpfern, Meditation.
    Leicht zu beeindrucken, nimmt das Unheil seinen Lauf, als Eva das amerikanische Ehepaar Pringsheim kennenlernt. Sally Pringsheim bringt Eva den Mangel an Leidenschaft, Inspiration und Abenteuer in ihrem Leben sehr zu Bewusstsein, und bald schon kennt Henry Wilt seine Frau nicht wieder. Zur Eskalation kommt es, als Henry auf einer Party der Pringsheims im Rausch von seiner Gastgeberin an (und in) eine Gummipuppe gefesselt wird...

    Was nun folgt, ist eine herrliche Verwicklung der Umstände. Gedemütigt und aufgestachelt von Sally Pringsheim verreist Eva mit unbekanntem Ziel - und Henry hat endgültig die Nase voll von den Extravaganzen seiner Frau. Seine Berufsschullehrerseele kocht, und Mordpläne nehmen Gestalt an. Nach whiskyseeligem Abend kommt die anatomisch korrekt geformte Gummipuppe erneut zum Einsatz: mit ihr absolviert Henry die Generalprobe des Gattenmordes.
    Doch so perfekt wie geplant verläuft die Beseitigung der Puppe nicht. Versenkt in ein Bohrloch, das am nächsten Morgen von mehreren Tonnen Beton zugeschüttet wird, wird sie im letzten Moment noch von zwei Bauarbeitern entdeckt. Doch zu spät, der Beton fließt bereits. In einer tagelangen Aktion wird versucht, die Leiche zu bergen, die Polizei kommt schnell auf Henrys Spur - und niemand glaubt ihm, dass es nicht seine Frau ist, die da im dunklen Loch einzementiert wurde...

    Was für ein Spaß! Sharpe versteht es wirklich, in und aus alltäglichsten Situationen langsam in das totale Chaos abzugleiten. Herrlich überzogene Figuren, schräge Entwicklungen - und immer, wenn man meint, die Absurditäten könnten sich nicht weiter steigern, setzt Sharpe noch einen drauf. Witzig, schwarz, skurril und schräg - einfach köstlich!
    Kleine Längen im Mittelteil können verziehen werden, wenn es dem Sprecher Olli Ditsche immer wieder gelingt, den Rollen gekonnt Ausdruck zu verleihen: der Resignation Henrys, der Unzufriedenheit Evas, der wachsenden Verzweiflung der Polizei. Seltsame Blicke anderer Verkehrsteilnehmer bin ich ja schon gewohnt, wenn ich heftig lachend am Steuer sitze - aber dass ich wirklich rechts ran fahren musste, weil ich vor Lachtränen nichts mehr sehen konnte, das gab es wirklich noch nicht so oft...

    Trotz der gekürzten Version des Hörbuchs gibt es von mir deshalb eine eindeutige Empfehlung an alle, die bösen britischen Humor genauso lieben wie ich...

    © Parden

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