Protokoll einer Annäherung

Buchseite und Rezensionen zu 'Protokoll einer Annäherung' von Anne Korth
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Protokoll einer Annäherung"

Marie verbringt die Semesterferien mit ihrer besten Freundin Sara am See, in Cafés oder in der Bibliothek. Dort trifft sie auf Robert, den sie über einige Tage hinweg beobachtet, bevor sie ihm ihre Handynummer in den Fahrradkorb legt. Robert meldet sich, doch über der sich entwickelnden Liebe liegt ein Schatten, der Marie durch die Straßen verfolgt, vorbeihuscht am See, von Baum zu Baum pirscht, kommt, um sie zu holen. Marie erzählt Robert von der vorangegangenen Beziehung zu K. und dem Übergriff. Wenn sie Robert küsst, kommt ihr K. in den Sinn. Und dann ist da noch jemand anwesend, anfangs geisterhaft, körperlos: ein Ich, das sich selbst als Erzählerin der Geschichte von Marie bekannt macht und den Verlauf der Liebesgeschichte des jungen Paares in protokollartigen Episoden schildert. Sie begleitet sie durch ihren Alltag, der zwischen spielerischer Leichtigkeit und destruktiver Unnahbarkeit schwankt, bis sie selbst ein Teil der Geschichte wird. In ihrem herausragenden Debütroman geht Anne Korth der Frage nach, ob ihre Protagonistin nach einer erlebten Gewalterfahrung wieder in die Gegenwart zurückfinden kann, in der die Liebe nicht mehr ein Ort der möglichen Bedrohung ist und ein Schatten eben nur dieser dunkle Bereich neben dem eigenen Körper, wenn er im Licht steht.

Diskussionen zu "Protokoll einer Annäherung"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:141
EAN:9783701313242

Rezensionen zu "Protokoll einer Annäherung"

  1. Literarische Aufarbeitung eines sexistischen Gewalterlebnisses

    Ende des Semesters. Der See, Birken mit weißer Rinde, Geruch von modrigem, die Fahrräder, Sara vor ihr Wind im Haar und dann der See, Erlösung von der klebrigen Hitze.

    Zuvor die Bibliothek mit der Empore, alte Steintreppen hinauf, das Bild mit den Frauen, die eine im goldfarbenem seidenem Rock geht vorbei. Eine andere im roten Kleid beugt sich über den Brunnen, hält den Stiel einer Blume hinein, vorsichtig. Dann ein Fremder, den sie zuvor auf der Empore gesehen hat, mit dem sie keine Blicke tauscht, weil sie zu Boden schaut.

    In ihren Erinnerungen an die Stadt H. geraten die Ereignisse durcheinander.

    Die Bibliothek zum Beispiel liegt direkt neben dem See, wenn ich nicht aufpasse, führt die Schwingtür des Lesesaals aus dem Sommer 2018 direkt in das Schlafzimmer von 2016. Der Raum, der mich zu sich zieht und von dem die größte Gefahr ausgeht, der Raum, der sich vor mich stellt und alles andere zum Verschwinden bringt. Ich muss die Ordnung der Dinge halten. S. 15

    Sie trifft sich mit dem Fremden aus der Bibliothek auf einer Bank. Sie sprechen, tasten sich ab, lachen. Robert und Marie. Je näher Robert ihr kommt, desto länger werden die Schatten, die sie zu verfolgen scheinen.

    Marie beginnt zu schreiben, was ihr in den Sinn kommt, findet Wörter, die ihren Körper verlieren, nebulöses Entsetzen einfangen, verwandeln. Freischreiben in einen weiten Raum, in dem etwas anderes möglich wird, zum Beispiel eine Liebesgeschichte.

    Fazit: Anne Korth entwickelt in ihrem Debüt eine junge Frau, die Gewalterfahrung erlebt hat. Sie zeigt ihre Protagonistin in der dritten Person. Die Geschichte lebt hauptsächlich von Umgebungsbeschreibungen, was die Charaktere blass erscheinen lässt und Marie von mir distanziert. Nur am Rande lässt die Autorin durchblicken, dass etwas Einschneidendes passiert sein könnte. Als besonderes Stilmittel hat Anne Korth ihrer Protagonistin ihr eigentliches Ich an die Seite gestellt, das sie beobachtet und ihr wie ein Schatten folgt. Die Eindrücke dieses Ichs werden im Präsens erzählt. Während Marie versucht, Vertrauen zu Robert zu finden, arbeitet ihr abgespaltetes Ich das erniedrigende Erlebnis ab. Das Ende ist versöhnlich und heilsam. Nichts an der Geschichte ist konkret oder greifbar. Die Autorin lässt Raum für Interpretationen. Nicht ganz so befriedigend, aber sicher ein besonderes literarisches Bonbon.