Pi mal Daumen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Pi mal Daumen: Roman' von Alina Bronsky
4.5
4.5 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Pi mal Daumen: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:272
EAN:9783462004250

Rezensionen zu "Pi mal Daumen: Roman"

  1. 4
    21. Aug 2024 

    Oscar + Moni = Freundschaft

    Oscar ist hochbegabt und mit seinen sechzehn Jahren sicherlich der Jüngste an der Uni. Schon in der Grundschule wusste er, dass er später einmal Mathematik studieren würde.
    Leicht verspätet kommt Moni zur ersten Vorlesung. Mit ihrem schrillen Outfit - roter Kunstlederrock und eine tief ausgeschnittene Bluse im Leopardenmuster, dazu eine gut gefüllte Ikea-Tasche an der Schulter - wirkt sie wie ein Fremdkörper im Vorlesungsraum. Außerdem ist sie deutlich älter als die anderen im Saal. Neben Oscar ist ein Platz frei und damit beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft zweier Außenseiter.
    Auch wenn Oscar überzeugt ist, dass Moni sowieso bald aufgeben wird, nimmt er sich ihrer an und unterstützt sie bei den Übungsaufgaben. Er betrachtet sie als sein„ Wohltätigkeitsprojekt“, dabei hat der Leser längst bemerkt, dass es sich eher umgekehrt verhält. Denn der weltfremde Oscar ist zwar ein mathematischer Überflieger, hat aber erhebliche Defizite im zwischenmenschlichen Bereich. Freunde hatte er noch nie, außer einem gewissen Mr. Brown, der allerdings nur in Oscars Phantasie existiert. „ Ich war es nicht gewohnt, dass fremde Menschen nach dem Erstkontakt weiter mit mir sprachen. Schon meine erste Reaktion war für mein Gegenüber meist so erschöpfend, dass kein weiterer Bedarf bestand.“ So bilanziert er selbst seine Erfahrungen mit anderen.
    Schwungvoll und mit Humor lässt Alina Bronsky ihre beiden Protagonisten aufeinandertreffen. Da prallen unterschiedlichste Welten zusammen. Hier der autistische Sohn aus gutem Hause, sogar mit Adelstitel, dem die besorgten Eltern schon immer alle Hindernisse aus dem Weg räumten. Dagegen Moni, eine Frau Anfang Fünfzig, die vieles allein schultern muss. Sie kümmert sich nicht nur um ihren ständig brummeligen Ehemann, sondern außerdem um ihre drei Enkelkinder, weil Tochter Püppi mit der Aufgabe völlig überfordert ist. Und obendrein braucht sie noch diverse Nebenjobs, um über die Runden zu kommen. Wie soll da Zeit bleiben für ein so anspruchsvolles Studium? Doch Moni scheint begabt zu sein, das muss Oscar bald neidvoll feststellen. Und außerdem kennt sie einen der Professoren, ausgerechnet den, der Oscars großes Vorbild und Idol ist.
    Moni gibt Oscar viele Fragen auf. Weshalb beginnt Moni in ihrem Alter noch ein Studium und warum versucht sie dies vor ihrer Familie geheimzuhalten? Und vor allem: Woher kennt Moni Professor Johannsen? Er beginnt nachzuforschen.
    Erzählt wird das alles aus der Perspektive Oscars, das macht den Roman so besonders. Denn Oscars spezieller Blick auf die Welt sorgt für viele komischen Beobachtungen, Szenen und Dialoge. Anschaulich und witzig zugleich sind auch seine Vergleiche : „ Im Mathestudium mit Schulwissen anzukommen war, als wollte man mit einer Sandkastenschaufel versuchen, einen See auszugraben.“
    Moni hat ein großes Herz und sie kümmert sich mit mütterlicher Fürsorge um Oscar. Von ihrer Beziehung profitieren beide. Moni, die bisher von allen unterschätzt wurde, kann zeigen, was in ihr steckt und Oscar lernt den Umgang mit Menschen. „ Es war der Sommer, in dem ich mich dabei ertappte, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben spontan das Pronomen wir aussprach.“.
    Und das Ende lässt Raum für Interpretationen.
    Alina Bronsky hat ihre Charaktere, wie gewohnt, satirisch überspitzt und sie spielt mit vielen Klischees. Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb wachsen die Figuren dem Leser ans Herz.
    Auch greift der Roman wichtige Fragen auf, so z. B. warum immer noch der soziale Hintergrund bei der Beurteilung von Intelligenz eine Rolle spielt .Und er zeigt, dass es nie zu spät ist für einen Neuanfang.
    „ Pi mal Daumen“ ist ein Roman, der bestens unterhält und man muss kein mathematisches Genie sein, um ihn zu genießen.

  1. Blaue Pyramiden

    Moni, Anfang fünfzig, möchte sich einen Lebenstraum erfüllen. Sie studiert Mathematik und das obwohl sie Großmutter von drei Enkeln, Mutter von einer verheirateten, sehr dünnhäutigen Tochter und Partnerin eines anstrengend wirkenden Mannes ist.
    Am ersten Tag in der Vorlesung lernt sie Oscar kennen. Ein sechzehnjähriges Genie mit autistischer Akzentuierung. Zwischen beiden entwickelt sich eine sehr spezielle Art der Freundschaft.
    Bis zur Verteidigung der Abschlussarbeit muss Moni nicht nur einige Höhen und Tiefen überstehen, sie muss sich auch mit den Geistern der Vergangenheit auseinandersetzen.

    Alina Bronsky ist ein vielschichtiges Meisterwerk gelungen, dessen Tragweite sich mir erst im Nachhinein eröffnet hat.
    Zunächst habe ich gedacht, dass Oscar im Mittelpunkt der Geschichte steht. Das tut er zwar bis zu einem gewissen Grad. Doch die eigentliche Hauptprotagonistin ist, für mich, Monika.
    Ihr Leben ist ausgerichtet, sich um das Wohlergehen der anderen zu kümmern. Dafür bleiben ihr eigenen Befindlichkeiten und Wünsche aber auch ihr eigener Erfolg auf der Strecke. Weder für das Kümmern noch für das Hintenanstellen ihrer Belange bedankt sich jemand bei Monika. Viel eher fordert ihr Umfeld noch mehr Unterstützung von ihr ein.
    Es beginnt mit der Fürsorge ihres älteren Bruders und setzt sich fort in ihrer späteren eigenen Familie. Aber dann will sie sich noch einmal einen Traum erfüllen und beginnt Mathematik zu studieren. Monika beweist sich und ihrem Umfeld, dass sie es kann und bei weitem nicht zu dumm für diesen schwierigen Studiengang ist. Nein, sie zeigt es allen. Nicht zu Letzt mit der Unterstützung von Oscar. Den sie zwar auch fürsorglich in seinem Alltag unterstützt bzw. unterstützen muss, doch zeigt dieser sich wenigstens auf seine Art und Weise dafür erkenntlich.
    Jetzt sollte man meinen Monica ist eine ziemliche verbitterte Persönlichkeit, die sich, zumindest doch selbst, ziemlich leidtun muss. Doch weit gefehlt. Monica ist ein starker und sehr lebensfroher Mensch. Sie hat ein charismatisches Auftreten und so schnell lässt sie sich nicht in die „Karten“ schauen. Letztendlich gelingt es ihr, trotz Hindernisse, ihren Weg zu gehen.
    Traurig gemacht hat mich nur das Ende der Geschichte. Für Monica hätte ich mir einen anderen Abschluss gewünscht. Oder ist es vielleicht genau das, was die Protagonistin für sich wollte?

    Fazit:
    Eine Geschichte wie ein Sommerabend am Meer. Man wünscht sich immer wieder an diesen Abend zurück.

  1. Wie Yin und Yang

    Worum es geht:
    Oscar ist mit gerade mal 16 Jahren der jüngste Mathestudent, Moni ist mit ihren 53 Jahren die älteste Studentin. Gleich in der ersten Vorlesung treffen die beiden aufeinander. Zwei Studenten, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Oscar mit seinem Adelstitel, hochbegabt und menschenscheu. Dagegen Moni Konsinky, die bereits drei Enkel hat, das Herz ihrer Familie ist und hier nun heimlich studiert, um sich einen Jugendtraum zu erfüllen. Die beiden kommen aus völlig entgegengesetzten Welten. Und doch freunden sie sich an.

    Moni ist eine richtig coole und selbstbewusste Frau. Sie ist sehr gesellig und grell. Sie ist ein Familienmensch, gibt ihr letztes Hemd für die Familie und für ihre Freunde. Moni ist die personifizierte Hilfestellung für jedermann. Auch der Nerd Noah ist mir gleich ans Herz gewachsen, was jetzt nicht gerade jeder Mann auf Anhieb schafft. Allerdings ist Noah eher genau das Gegenteil von Moni, die jedoch Noah natürlich gleich irgendwie adoptiert hat.
    Noah ist ein in sich gekehrter Nerd, hat Angst vor anderen Menschen, oder Situationen, auf die er nicht eingestellt ist. Noah hat eher autistische Züge, sodass er meist alles, was ihm gesagt wird, wörtlich nimmt. Schon allein hierdurch entstehen etliche komische Gespräche und Situationen. Noah hat keine Freunde, er war bislang immer allein. Dies ändert sich, als er Moni kennenlernt. Moni weiß einfach, wie man mit Noah umgehen muss.

    Ich habe schon einige Bücher von Alina Bronsky gelesen und ich mag einfach ihren trockenen Humor. Man ist gleich mitten drin in der Story, die mich von Beginn an zum Schmunzeln gebracht hat. Genau mein Geschmack. Das Buch ist sehr flüssig zu lesen, wobei einen die vielen mathematischen Begriffe schon mal ein wenig überfordern können. Ein Buch, das ich gar nicht mehr aus der Hand nehmen mochte. Dieses Buch ist ein Versprechen auf einige lustige und unterhaltsame Stunden.

    Von mir eine klare Leseempfehlung mit 5 Sternen.

  1. Junges Mathe-Genie trifft ältere Studentin

    Konstruierte, aber amüsante Geschichte um die schrille 53-j. Moni und den knapp 17-jähr. Autisten Oscar im Mathe-Studium

    Für mich ist es gehobene Unterhaltungsliteratur, amüsant und originell geschrieben: eine schrille 53-Jährige Familien-Großmutter beginnt ein Mathe-Studium und entwickelt mütterliche Gefühle für ein autistisches einsames, noch nicht mal volljähriges Mathegenie.

    Es beginnt mit einem Knall – der Hörsaaltür, aber auch inhaltlich: die schrille, über 50jährige Moni Kosinsky, der man auf den ersten Blick nicht zutraut, intelligent genug für ein Mathematikstudium zu sein (Vorurteil!), trifft ihrerseits auf einen Außenseiter: den autistischen, hochintelligenten und mathematisch besonders begabten erst 17-jährigen Ich-Erzähler, den sie 'Kleiner' nennt. Sie scheint überhaupt eine mütterliche Ader zu haben und ist heftig in Familienangelegenheiten eingebunden. 'Sie adoptiert alle...' (82 o.) Ich musste sehr lachen, als Oscar seinen vollen Namen nennen soll: drei Vornamen und dann 'Graf von Ebersdorff'.

    Seine Sprache ist deutlich anders als die von Moni: ihr Parfüm verübt 'einen biochemischen Anschlag auf seinen olfaktorischen Kortex' (16) wie überhaupt die ganze Geschichte aus seiner Sicht erzählt ist. Er ist ihr gegenüber entwaffnend ehrlich; höfliche Lügen liegen ihm nicht (Autist), was teilweise ziemlich überheblich klingt. Aber er scheint einsam zu sein und fühlt sich von Monis mütterlicher Fürsorge angezogen.

    Gleich von Anfang an tauchen Fragen auf: Warum hält Moni ihr Studium vor der Familie geheim? Woher kennt sie den berühmten Mathematiker Daniel Johannsen, der jetzt an dieser Uni Professor ist?

    Wir lernen auch beider Familie kennen: Oscars sehr sympathische Eltern und die große Familie von Moni mit ganz unterschiedlichen Charakteren. Darunter scheint ein Mathe-Genie zu sein: der kleine Quentin, mit dem sich Oscar natürlich verbunden fühlt. Und wer ist der ominöse Mister Brown, der eine Art Mentor von Oscar gewesen zu sein scheint? Man erwartet natürlich als Leser, dass alle oder zumindest die meisten offenen Fragen geklärt werden. Das spricht nicht gegen ein offenes Ende, aber zu viele lose Fäden mag ich nicht. Daher weiß ich nicht so ganz, was ich vom Ende halten soll, von der blauen Vierdimensionalität...

    Dennoch ein gut lesbares Buch, das oft zum Schmunzeln anregt und hin und wieder kluge Gedanken oder sprachliche Schmankerl bietet:

    originelle Kapitelüberschriften und ebenso originelle Fußnoten: ironische Ergänzungen von Oscar

    'Pits verwaschene Flüche blieben in den Bäumen hängen wie Spuckefäden.' (246)

    'Eine winzige Menschenpfote tastete sich wie eine dickbeinige Spinne in Richtung meines Stifts.' (23)

    'Buchstaben wie mickrige Halme mit abgeknickten Köpfen' (175)